Titel: Versuche mit Warm- und Kaltleim.
Autor: H. Franz
Fundstelle: Band 335, Jahrgang 1920, S. 136
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Versuche mit Warm- und Kaltleim. Von H. Franz. FRANZ: Versuche mit Warm- und Kaltleim. Der sich außerordentlich fühlbar machende Mangel an Leder- und Knochenleimen, die im Schleichhandel zu Phantasiepreisen angeboten werden, gab die Veranlassung zu den nachstehend beschriebenen, eingehenden Versuchen mit Kaseinleimen, die wegen ihrer Anmachung und Verwendung im kalten Zustande auch als „Kaltleime“ bezeichnet werden. Diese Kaltleime fanden während des Krieges im Heeresflugzeugbau ausschließlich Verwendung, da ihnen eine größere Wasserbeständigkeit als den Leder- und Knochenleimen (im folgenden „Warmleime“ genannt) nachgerühmt wurde. Die Wasserbeständigkeit allein konnte aber nicht ausschlaggebend sein, da die verleimten Teile im Flugzeugbau zumeist großen Beanspruchungen unterliegen und daher erhebliche Anforderungen an das Bindevermögen des Leims stellen. Es sei z.B. nur daran erinnert, daß die Flügelholme der Gewichtsersparnis halber der Länge nach aus zwei Teilen mit -förmigem Querschnitt zusammengeleimt sind. Wenn trotz der im Kriege erwiesenen Brauchbarkeit der Kaltleime diese auch jetzt noch nur in beschränktem Maße Verwendung finden, so ist das nach Ansicht des Verfassers darauf zurückzuführen, daß erstlich die während des Krieges mit Kaltleim gemachten Erfahrungen nicht weiter bekannt geworden sind, dann im allgemeinen Unklarheiten über das Anmachen und die Dauer der Gebrauchsfähigkeit des Kaltleims herrschen, und man ferner leicht geneigt ist, die Kaltleime als „Ersatz“-Stoffe mit unberechtigtem Mißtrauen zu betrachten. Offensichtliche Vorteile des Kaltleims sind schnelles Anmachen in kaltem Zustande, sofortige Verwendbarkeit in kaltem Zustande, Ersparnis des Leimofens und des Heizstoffes. Was nun die als Nachteil erscheinende, nur etwa einen Arbeitstag dauernde Gebrauchsfertigkeit des angemachten Kaltleims anbetrifft, so wird dieser z. T. schon dadurch aufgehoben, daß man, wie eben erwähnt, den Kaltleim ohne große Vorbereitungen und lange Erwärmung dann ansetzen und verbrauchen kann, wenn gerade eine Leimung erforderlich ist; außerdem wird jeder Tischler bald die für eine Arbeit nötige Leimmenge abschätzen lernen. Eine Hauptaufgabe der nachfolgend beschriebenen Untersuchungen, war es, ein Urteil über die technischen Eigenschaften des Kaltleims hinsichtlich seiner Bindekraft im Vergleich zu Warmleim zu bekommen. Hierzu war aber auch die Wahl eines zweckmäßigen und einwandfreien Prüfungsverfahrens erforderlich, da es eine einheitliche Art der Bindekraftprüfung von Leimen nicht gibt. Verschiedene Verfahren dafür sind die von Weidenbusch, Bauschinger, Rudeloff (s. Mitteil, aus dem Materialprüfungsamt Jahrg. 18, Heft 1/2), das der Artillerie-Werkstatt Spandau und das während des Krieges von der Inspektion der Fliegertruppen für die Flugzeugindustrie vorgeschriebene. Alle diese Verfahren unterscheiden sich entweder durch die Art des gewählten Materials oder die Probenform bzw. die Belastungsart und, bei den Holzverleimungen, durch die Art der Leimflächen (Hirnholz oder Langholz). So benutzt Weidenbusch Gipsstäbchen zur Verleimung, deren Verhalten keinen Anhalt für die Eignung des Leimes zur Holzverbindung, die in erster Linie in Frage kommt, geben kann; deshalb wurde von diesem Verfahren abgesehen. Ebenso wurde die Prüfart nach Bauschinger verworfen wegen der schwierigen Probenherstellung (gewölbte Flächen) und Probeneinspannung, besonders bezüglich Ausrichtung für senkrechte Zugbeanspruchung. Die drei anderen, oben genannten Verfahren wurden zum Vergleich herangezogen. Textabbildung Bd. 335, S. 137 Abb. 1. Die sogenannte Spandauer Probe (Artillerie-Werkstatt Spandau) ist eine Biegeprobe der mit den Hirnflächen verleimten Versuchsstücke, deren Anordnung in Abb. 1 schematisch dargestellt ist. Die Belastung des einseitig eingespannten Versuchsstabes von 2 × 2 cm Querschnitt erfolgt durch eine 20 cm von der Leimfuge entfernt aufgehängte Schale mit Gewichten, beginnt mit 5 kg und wird minutlich um 1 kg bis zum Bruch gesteigert. Die Berechnung der spezifischen Belastung σ ist sehr einfach; im vorliegenden Falle ist das Biegungsmoment Mb = Pl, also die spezifische Belastung \sigma=\frac{P\,.\,l}{W} da das Widerstandsmoment des quadratischen Querschnitts W=\frac{b^3}{6}, in diesem Falle W=\frac{8}{6} und l = 20 ist, so ergibt sich σ = 15 • P kg/cm2. Bei den nach diesem Verfahren mit Hölzern aus Rotbuche vorgenommenen Versuchen ergaben sich nach siebentägigem Trocknen der Leimfugen folgende mittlere Festigkeitswerte für Warmleim 122,5 kg/cm2, für Kaltleim   54,0      „    . Der Wert für Warmleim ist auffallend hoch, und es scheint, daß die Biegebeanspruchung für die Leimfläche insofern zu hohe Werte verursacht, als die Spannungen über den Querschnitt ungleichmäßig verteilt sind, und der auf Druck beanspruchte Teil des Querschnitts die Trennung der verleimten Flächen verhindert, da das Holz ebenso wie der Leim weit höhere Druck- als Zugfestigkeit hat. An den Spandauer Proben wurde auch die Bindekraft der Leime nach 24-stündiger Wässerung untersucht; es zeigte sich, daß der Einfluß der Wässerung auf die kleinen Flächen so groß war, daß ein Teil der Proben sich auflöste und die anderen nur sehr geringe Werte ergaben. Die im Verhältnis zum Warmleim niedrige Festigkeitsziffer des Kaltleims ließ die Vermutung entstehen, daß Kaltleim für Hirnholzverleimungen nicht sehr geeignet ist. Textabbildung Bd. 335, S. 137 Abb. 2. Diese Vermutung wurde bestätigt durch die mit Proben nach Rudeloff vorgenommenen Versuche. Wie aus Abb. 2 ersichtlich, verleimt Rudel off zwei Holzstücke mit ihren Hirnflächen kreuzweis aufeinander, so daß eine Leimfläche von 5 × 5 cm entsteht, die durch direkten Zug beansprucht wird. Nach dem Vorgehen Rudeloffs wurden Hölzer aus Rotbuche verwendet und folgende Ergebnisse im Mittel erzielt für Warmleim 47 kg/cm2, für Kaltleim 10,2      „    . Da Hirnholzverleimungen in der Praxis nur äußerst selten vorkommen, so erscheint zur Prüfung der Leime doch ein Verfahren mit Langholzverleimung zweckmäßiger. Die Gefahr, daß dabei einzelne Holzfasern ausreißen, hat für die Versuche der Praxis insofern keine Bedeutung, als ein Leim, dessen Bindekraft größer ist als die Festigkeit des Holzes, auf alle Fälle in dieser Hinsicht den Ansprüchen genügt. Nur wenn absolute Zahlen gefunden werden sollen, erscheint die Prüfung mit Langholzverleimung unzureichend. Textabbildung Bd. 335, S. 137 Abb. 3. Das von der Inspektion der Fliegertruppen während des Krieges vorgeschriebene Verfahren sieht Langholzverleimung vor; die Probenform zeigt Abb. 3. Während aber die Abmessungen der Leimfläche von der Inspektion der Fliegertruppen mit 2 × 2 cm bestimmt waren, wurde bei den hier beschriebenen Versuchen die Leimfläche 4 × 4 cm gewählt, um Abb. 3. mit der zur Verfügung stehenden, starken Zerreißmaschine für genaue Messungen genügend hohe Belastungen zu erhalten. Außerdem wurde für dieses Verfahren sowohl Rotbuchen- als auch Kiefernholz zum Vergleich herangezogen. Bei Verwendung von Rotbuche ergaben sich folgende Mittelwerte: a) nach siebentägigem Trocknen für Warmleim 50,5 kg/cm2, für Kaltleim 42      „    . b) nach siebentägigem Trocknen und 24-stündigem Wässern für Warmleim 1,25 kg/cm2, für Kaltleim 5      „    . Von den drei Warmleimproben waren nach dem Wässern zwei aufgelöst. Die mit Kiefernholz erhaltenen Durchschnittswerte sind folgende: a) nach siebentägigem Trocknen für Warmleim 31,3 kg/cm2, für Kaltleim 33,1      „    . b) nach siebentägigem Trocknen und 24-stündigem Wässern für Warmleim 0 kg/cm2, für Kaltleim 3,2      „    . Sämtliche Warmleimproben waren aufgelöst. Textabbildung Bd. 335, S. 138 Abb. 4. In Abb. 4 sind der besseren Uebersichtlichkeit wegen die mit den Proben der Inspektion der Fliegertruppen erhaltenen Belastungen P für Warm- und Kaltleim graphisch aufgetragen, und zwar bedeutet a den Zustand nach siebentägigem Trocknen, b nach siebentägigem Trocknen und 24-stündigem Wässern. Es geht daraus hervor, daß die Festigkeiten der beiden Leimarten im trockenen Zustand sehr wenig voneinander abweichen, die Wasserbeständigkeit des Kaltleims aber bedeutend höher ist. Diese Erfahrung, die auch Veranlassung zur Verwendung des Kaltleims im Flugzeugbau gegeben hat, wird also bei dieser Versuchsart bestätigt. Da nach den beschriebenen Prüfungen die technische Brauchbarkeit des Kaltleims anerkannt war, wurden mit drei Sorten verschiedener Herkunft weitere Vergleichsprüfungen untereinander angestellt, die folgende Ergebnisse hatten: Kaltleim A 56,4 kg/cm2, B 42,0      „    , C 41,0      „    , Bei diesen Prüfungen zeigte sich die sonderbare Erscheinung, daß, trotz Verwendung Rotbuchenholzes vom gleichen Stück, die Proben der Sorte A, die die höchste Festigkeit hatte, ohne Verletzung des Holzes glatt auseinandergezogen wurden, während bei B und C Holzfasern ausrissen, obgleich die Belastungen geringere waren. Diese auffallende Tatsache scheint mit der Konsistenz der Leime und dem Gehalt an Kristallwasser zusammenzuhängen. Sorte A war nach dem Anmachen mit Wasser (1 Rtl. Leim auf 1 Rtl. Wasser) zäh-teigartig, während die Sorten B und C, im gleichen Verhältnis angemacht, flüssiger erschienen. Der Gehalt an Kristallwasser betrug für Sorte A   9,4 v. H., für Sorte B 17,3   „    , für Sorte C 10,0   „    . Da das spezifische Gewicht der Sorte C niedriger ist als das der beiden anderen Sorten, so ist beim Verarbeiten gleicher Raummengen der effektive Wassergehalt natürlich ein verhältnismäßig größerer. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen ergibt sich also, daß Kaltleim mit dem niedrigsten Gehalt an Kristallwasser die beste Bindekraft hat. Die Sorten mit höherem Gehalt an Kristallwasser werden beim Anmachen weniger konsistent und ergeben geringere Festigkeit; sie verursachen das Ausreißen von Holzfasern, da anscheinend der hohe Feuchtigkeitsgehalt während der Dauer der Trocknung einen schädlichen Einfluß auf den Fasernzusammenhang des Holzes ausübt.