Titel: Polytechnische Schau.
Autor: Sander
Fundstelle: Band 337, Jahrgang 1922, S. 201
Download: XML
Polytechnische Schau. (Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge – nur mit Quellenangabe gestattet.) Polytechnische Schau. Entwicklung des Ammoniakverfahrens von Claude. Der große Erfolg der Ammoniaksynthese von Haber hat allenthalben zu Versuchen Veranlassung gegeben, das gleiche Ziel wenn möglich auch auf anderem Wege zu erreichen, sei es durch Aenderung von Druck und Temperatur, sei es durch Verwendung anderer Kontaktstoffe. So sind denn sowohl bei uns wie im Ausland in den letzten Jahren verschiedene neue Verfahren zur Gewinnung von Ammoniak aus Stickstoff und Wasserstoff gegeben worden, unter denen das Verfahren des bekannten französischen Physikers Georges Claude nicht nur das bisher erfolgreichste, sondern auch vom technischen Gesichtspunkt aus das interessanteste ist. Während Haber die Vereinigung der beiden Gase Stickstoff und Wasserstoff bei einem Druck von etwa 200 at vornimmt, geht Claude mit dem Druck noch wesentlich höher, nämlich fast bis zu 1000 at. Die Anwendung derartig hoher Gasdrucke war bisher in der Technik nicht üblich und erforderte daher die Konstruktion besonderer Kompressoren, denen Claude die Bezeichnung „Ueberkompressoren“ beigelegt hat. Wenn man bedenkt, daß die Uebertragung des Verfahrens von Haber aus dem Laboratorium in den Großbetrieb wegen der zur Anwendung gelangenden hohen Drucke beträchtliche Schwierigkeiten bereitet hat und eine mehrjährige angestrengte Arbeit zahlreicher Ingenieure und Chemiker erforderte, so möchte man annehmen, daß bei der Ausführung des Claude-Verfahrens diese Schwierigkeiten noch weit größer sein müssen. Claude weist aber in seinen Veröffentlichungen darauf hin, daß gerade das Gegenteil der Fall ist, weil nämlich die Ledermanschetten der Kompressoren um so besser wirken, je höher der Druck ist. Infolgedessen haben die Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, nicht in der Konstruktion genügend widerstandsfähiger Apparate bestanden, sondern einzig und allein in der Abdichtung der Rohrverbindungen, weil schon die geringste Undichtheit bei dem außerordentlich hohen Druck beträchtliche Gasverluste verursacht. Ein günstiger Umstand ist jedoch, daß bei 1000 at die Verbindungen viel leichter abzudichten sind, als bei 100 at, weil sie bei gleichen Gasmengen einen wesentlich kleineren Querschnitt haben. Die Anwendung solch hoher Drucke bewirkt nun eine erhebliche Mehrausbeute an Ammoniak. Während nämlich bei dem Verfahren von Haber bei einem Druck von 200 at eine Ausbeute von etwa 14 v. H. Ammoniak erhalten wird, gibt Claude an, daß er bei einem Druck von 800 at etwa 35 v. H. und bei einem Druck von 1000 at gar über 40 v. H. Ammoniak erhalten habe. Diese Ausbeuten wurden bei einer Temperatur von 536° C. erzielt, die sich als die günstigste erwies, denn mit zunehmender Temperatur ging die Ammoniakausbeute stark zurück. Andererseits ist auch eine Herabsetzung der Temperatur nicht vorteilhaft, da hierbei die Reaktionsgeschwindigkeit erheblich abnimmt. Die Bildung des Ammoniaks aus seinen Elementen ist ein exothermer Vorgang, die frei werdende Wärme macht sich bei den von Claude benutzten kleinen Apparaten so stark bemerkbar, daß sie nicht nur ausreicht, um die Apparatur, wenn die Reaktion einmal eingeleitet ist, dauernd auf der erforderlichen Reaktionstemperatur zu erhalten, sondern, daß bei kleinen Apparaten, die weniger als 15 cbm Gas in der Stunde verarbeiten, besondere Maßnahmen zur Ableitung der Wärme nötig sind. Der zu Vereinigung von Stickstoff und Wasserstoff zu Ammoniak von Claude konstruierte Apparat besteht aus einem ziemlich engen, senkrecht stehenden Stahlrohr, das mit dem Katalysator gelullt ist. Das hoch verdichtete Gasgemisch wird oben in das Rohr eingeleitet, das Gaszuleitungsrohr reicht jedoch bis fast auf den Boden des Apparats, so daß eine wirksame Vorwärmung der zuströmenden Gase erreicht wird. Stickstoff und Wasserstoff strömen also von unten nach oben durch den Katalysator und verlassen zusammen mit dem dabei entstandenen Ammoniak den Apparat am oberen Ende. Das Reaktionsrohr ist von einem stärkeren Stahlrohr umgeben und der Zwischenraum zwischen beiden Rohren ist mit einer Masse von geringem Wärmeleitvermögen ausgefüllt, weil bekanntlich bei hoher Temperatur die Wandungen der Druckrohre eine beträchtliche Abnahme ihrer Widerstandsfähigkeit aufweisen, zumal bei Gegenwart von heißem Wasserstoff. Als Material für diese wärmeisolierende Zwischenschicht schlägt Claude in dem D. R. P. 341230 ein Gemisch von geschmolzenem Aetzkali und Aetznatron vor, in das aus Eisenoxyduloxyd gefertigte Ringe eingebettet und lose aufeinander gesetzt sind. Das äußere dickwandige Stahlrohr wird mit dem einen Pol der Stromquelle verbunden, während das Gaszuführungsrohr mit dem anderen Pol verbunden wird. Die elektrische Heizung dient nur zum Einleiten der Reaktion und wird abgestellt, sobald die Ammoniakbildung begonnen hat, da dann, wie oben erwähnt, die bei der Vereinigung des Stickstoffs mit Wasserstoff freiwerdende Wärme ausreicht, um den Katalysator dauernd auf der erforderlichen Temperatur von 500–600° zu erhalten. Die erste Versuchsanlage, die Claude im Jahre 1919 in Grande-Paroisse bei Montereau in einer ehemaligen Chlorfabrik errichtete, erzeugte der „Zeitschrift für komprimierte und flüssige Gase“ zufolge mit einem Katalysatorrohr 6–71 flüssiges Ammoniak in der Stunde. In der Folge wurden anstelle nur einer Katalysatorröhre deren vier benutzt, von denen zwei parallel und die beiden anderen dahinter in Serie geschaltet waren. Jedes dieser vier Rohre war aus Sicherheitsgründen in einer besonderen betonierten Kammer eingebaut; sie erwiesen sich als vollkommen dicht, denn nirgends war ein Geruch nach Ammoniak wahrzunehmen, und es soll mit Hilfe dieser Schaltung gelungen sein, 80 v. H. der zugeführten Gase in Ammoniak umzusetzen. Durch Vergrößerung der Bohrung sowie der Geschwindigkeit der Ueberkompressoren konnte ihre Stundenleistung von 60 auf 150 cbm gesteigert werden, so daß die stündliche Erzeugung der Anlage bis zum Ende des Jahres 1920 verzehnfacht werden konnte; es wurden damals also bereits 1,25 t flüssiges Ammoniak im Tage erzeugt. Durch Aufstellung eines verbesserten Ueberkompressors, der das auf 1000 at verdichtete Gasgemisch in zwei Stufen auf 900 at brachte und stündlich 700 cbm Gas ansaugte, gelang es schließlich, die Tagesleistung der Anlage im Laufe des letzten Jahres auf 5 t flüssiges Ammoniak zu erhöhen. Besonders interessant sind die Angaben Claudes über den Energieverbrauch bei der Verdichtung des Gasgemisches auf 900 at, da verschiedentlich der Meinung Ausdruck gegeben wurde, daß die Anwendung solch außerordentlich hoher Drucke das Verfahren sehr verteuern müsse. Dies ist indessen nicht der Fall, denn eingehende Messungen ergaben, daß zur Verdichtung von 710 cbm/std von 100 auf 900 at 122 PS verbraucht wurden, wogegen zur Verdichtung dieser 710 cbm Gasgemisch von 1 auf 100 at 187 PS notwendig waren. Insgesamt ergibt sich also für die Verdichtung von 710 cbm Gas auf 900 at ein Energieverbrauch von 310 PSstd, es können also mit 1 PSstd mehr als 2 cbm Gasgemisch auf 900 at verdichtet werden. Die Katalysatorrohre der derzeitigen Versuchsanlage sollen ein sechsmal geringeres Gewicht haben, als diejenigen, die bei dem Haber-Verfahren Anwendung finden; sie bestehen angeblich aus einer besonderen Chrom-Eisenlegierung und sollen aus dem Vollen gebohrt sein. Die Leitungen für das verdichtete Gasgemisch sollen nur 8 mm lichte Weite haben und infolgedessen ohne Schwierigkeiten gasdicht gehalten werden können. Als Katalysator benutzt Claude fein verteiltes Eisenpulver, das durch Reduktion von Eisenoxyd mit Wasserstoff gewonnen und mit aktivierenden Zusätzen versehen wird. Infolge des hohen Druckes soll auch die Abscheidung des gebildeten Ammoniaks aus dem Restgas durch bloße Abkühlung einer Rohrschlange in Wasser fast vollständig zu erreichen sein und schließlich sollen die Druckapparate infolge ihrer kleinen Abmessungen in nur 4–5 Stunden angeheizt werden können. Claude will sein Verfahren nicht, wie dies bei uns geschehen ist, in einem oder zwei Riesenwerken ausüben, sondern in einer Anzahl von Anlagen kleineren Umfangs in Verbindung mit Hüttenwerken bezw. Kokereien, wobei der erforderliche Wasserstoff aus dem Koksofengas abgeschieden werden soll. Das gewonnene Ammoniak soll nach dem bekannten Solvay-Verfahren in Chlorammonium verwandelt werden, wobei als Nebenprodukt Soda erhalten wird. Ob die hohen Erwartungen, die die Franzosen in „ihr“ Verfahren setzen, sich erfüllen werden, muß die Zukunft zeigen. (Ztschr. f. komprim. u. flüssige Gase 1922, S. 29–32.) Sander. Fortschritte der elektrischen Heizung in der Schweiz. Infolge der Kohlennot hat sich in der Schweiz in den letzten Jahren die elektrische Heizung in zahlreichen Wohnungen und Fabriken Eingang verschafft, und zwar hat sich besonders das System der Speicherheizung ausgebildet, da die meisten Elektrizitätswerke am Tage so stark belastet sind, daß sie nur während der Nacht Heizstrom abgeben können. Voraussetzung für die elektrische Speicherheizung ist, daß der Nachtstrom sehr billig ist; noch bei einem Strompreis von 4 Cts. für die kWh soll die elektrische Speicherheizung der Zeitschrift „Rauch und Staub“ zufolge billiger sein als die Kohlenheizung, obwohl die Anschaffungskosten nicht unbedeutend sind. Die Uebertragung der elektrisch erzeugten Wärme auf das Wasser erfolgt entweder durch Widerstandheizkörper oder durch Elektrodenheizung, in welchem Falle in dem Wasserbehälter keine besonderen Heizkörper angebracht sind, vielmehr findet der Uebergang des elektrischen Stromes direkt zwischen den Elektroden statt. Neben der Speicherheizung wird auch der elektrische Kachelofen vielfach benutzt. Hierbei sind in den Ofen elektrische Widerstandheizkörper eingebaut, die die umgebenden Kachelmassen erwärmen. Diese Kachelöfen werden im allgemeinen nur während der Nachtstunden geheizt und geben am nächsten Tage die aufgespeicherte Wärme an den Raum ab. Es sind in der Schweiz für diesen Zweck seit dem Jahre 1917 mehrere in technischer, hygienischer und wirtschaftlicher Hinsicht recht brauchbare Ofenkonstruktionen geschaffen worden, darunter auch verschiedene leicht transportable Kachelöfen, sowie solche, die abwechselnd mit Holz und Kohle oder mit elektrischem Strom betrieben werden können. Dies ist besonders wichtig, weil mitunter, wie z.B. im vorletzten Winter, die Elektrizitätswerke die Stromabgabe infolge von Wassermangel unterbrechen müssen. Derartige Kachelöfen für Holzfeuerung und mit einem eingebauten elektrischen Heizkörper werden von den Hafnermeistern der Schweiz neuerdings in sehr zweckmäßiger Form und Ausführung gebaut. (Rauch und Staub, 11. Jahrg., S. 117 und 121.) Sander. Neues Verfahren zur Gewinnung von Brenntorf. Die Heranschaffung der großen Torfmengen, wie sie für den Betrieb eines Kraftwerkes erforderlich sind, stellt sich bei Benutzung von Handarbeit wegen der Zahl der benötigten Arbeiter recht teuer, anderseits ist die maschinelle Torfgewinnung häufig mit Schwierigkeiten verbunden, weil in den Torfmooren eingebettete, verborgene Baumstümpfe vielfach Beschädigungen der Maschinen verursachen und so zu Betriebsstörungen Veranlassung geben. In Rußland wurde in den letzten Jahren beim Betrieb des Kraftwerks Bogorodosk, das ganz Moskau mit elektrischer Energie versorgt, nach langwierigen Versuchen ein neues Verfahren der Torfgewinnung ausgearbeitet, bei dem der Rohtorf mit Hilfe eines starken Wasserstrahls losgerissen und in eine homogene Masse verwandelt wird, die mit einer kräftigen Pumpe ohne weiteres auf das Trockenfeld gepumpt werden kann. Dieses Hydrotorfverfahren wurde im Jahre 1920 auch in Finnland versuchsweise eingeführt und hat sich dort gut bewährt. Die finnischen Moore sind verhältnismäßig jung und mit zahlreichen Nadelholz-Baumstümpfen durchsetzt, deren Entfernung eine schwierige und zeitraubende Arbeit darstellt; infolgedessen bieten sich der Anwendung von Torfbaggern hier keine günstigen Aussichten. Diese Schwierigkeiten werden bei der Anwendung des neuen Verfahrens vollkommen beseitigt, denn der starke Wasserstrahl legt die Baumstümpfe bloß und reinigt sie unmittelbar, so daß sie mittels einer auf dem Pumpenwagen an einem Kran angebrachten Schere leicht herausgefischt und fortgeschafft werden können, während der Wasserstrahl ohne Unterbrechung seine Arbeit bereits an einer anderen Stelle verrichtet. Die Gefahr einer längeren Betriebsunterbrechung durch Maschinenschaden ist also hier sehr gering. Die Grabarbeit wird von 2 Wasserstrahlen besorgt, die einen Druck von 15–20 at haben und von zwei elektrisch betriebenen Zentrifugalpumpen von je 75 cbm Stundenleistung gespeist werden. Zur Bedienung jedes Wasserstrahls ist nur ein Mann nötig, der bei einer Stundenleistung von 75 cbm Rohtorf die gleiche Arbeit leistet wie 40 Mann beim Torfgraben von Hand. Die losgelöste Torfmasse ist von breiartiger Beschaffenheit; sie sammelt sich am Boden der Torfgrube, wo sie mittels Wasserstrahls noch weiter gemischt wird, damit sie möglichst homogen wird. Aus der Torfgrube wird der Brei durch eine kräftige Pumpe abgesaugt, die zur noch feineren Zerteilung der Torfmasse mit Schneiden versehen ist. An der Einzugöffnung der Turbopumpe ist ein Propeller angebracht, der die Aufgabe hat, etwa mit eingesaugte Wurzeln oder Baumstumpfteile wegzustoßen und durch ständige Bewegung der Torfmasse eine Verstopfung der Oeffnung zu verhindern. Zum weiteren Schutz der Pumpe ist diese noch mit einer Vorrichtung versehen, die ein sofortiges Stillsetzen bewirkt, sobald ein Stein oder sonst ein harter Gegenstand bis in die Schneideinrichtung gelangt. Zur Weiterbeförderung der aufgesaugten Torfmasse dient eine zweite Pumpe, die die Torfmasse durch einen Rohrstrang auf das Trockenfeld drückt. Auf diesem, das durch 35 cm hohe Wälle von Torf eingefaßt ist, läßt man den Torfbrei sich in etwa 25 cm hoher Schicht ablagern. Zur Bedienung der ganzen Anlage sind 8 Mann erforderlich, der Energiebedarf beträgt etwa 200 PS, der Wasserverbrauch etwa 150 cbm in der Stunde. Die Leistung der Anlage steigt bis zu 300 cbm Torfmasse mit 95 v. H. Wasser in der Stunde, was etwa 20 t trockenem Brenntorf mit 25 v. H. Wasser entspricht. Die Vorteile des neuen Verfahrens lassen sich dahin zusammenfassen, daß das Ergebnis von der menschlichen Arbeitskraft nahezu unabhängig ist, daß die Maschinenanlagen fast selbsttätig arbeiten und Betriebsstörungen weniger ausgesetzt sind als die bisher zur Torfgewinnung benutzten Maschinen. Nimmt man wie bei den älteren Verfahren der Torfgewinnung auch bei dem Hydrotorfverfahren die wirkliche produktive Arbeitszeit zu 50 v. H. der gesamten Arbeitszeit an, so kommt man bei ununterbrochener 8stündiger Arbeit zu einer Tagesleistung von 80 t Brenntorf, so daß sich das Ergebnis einer 75tägigen Torfsaison auf 6000 t bezw. bei zwei Schichten auf 12000 t Brenntorf mit 25 v. H. Wassergehalt stellen würde. (Bayer. Industrie- und Gewerbeblatt 1922, S. 21–25.) Sander.