Titel: Die Kraftwagen-Motoren der Deutschen Automobil-Ausstellung 1923.
Autor: Wimplinger
Fundstelle: Band 338, Jahrgang 1923, S. 190
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Die Kraftwagen-Motoren der Deutschen Automobil-Ausstellung 1923. Von Dipl.-Ing. Wimplinger, Berlin-Südende. WIMPLINGER, Die Kraftwagen-Motoren der Deutschen Automobil-Ausstellung. Die Kraftwagenmotoren der Ausstellung 1923 zeigen im Gegensatz zur Ausstellung des Jahres 1921 keine grundlegenden Neuerungen. Diese auffällige Tatsache ist darin begründet, daß die deutschen Automobilfabriken in den letzten Jahren bestrebt waren, ihre bekannten Serienwagen in großen Mengen für den Export herzustellen. Die Erledigung dieser Aufträge ließen zur Erprobung neuer Motorbauarten nur wenig Zeit übrig. Neuerungen auf diesem Gebiete, die auf der Ausstellung des Jahres 1921 zum ersten Mal vorgeführt wurden, haben inzwischen eine längere Probezeit hinter sich und werden nunmehr nach bewiesener Brauchbarkeit in Serienausführung gezeigt. Das bereits bekannte Bestreben, das Arbeitsverfahren der Automobilmotoren so auszugestalten, daß sich das Drehmoment selbsttätig den auftretenden Widerständen anpaßt, hat zu verschiedenen Lösungen geführt. Bei den 22/75 PS Maybach-Motoren wird das Drehmoment durch Drosselung des Motors veränderlich gemacht, wobei der Motor für eine entsprechende Höchstleistung gebaut ist. Der Hauptvorteil dieses Arbeitsverfahrens im Automobilbetrieb besteht darin, daß der Wagen bei fast allen Geschwindigkeiten unmittelbar vom Motor ohne Zwischenschaltung einer Uebersetzung angetrieben werden kann. Eine andere Art, bei Automobilmotoren ein veränderliches Drehmoment zu erhalten, besteht bekanntlich darin, den Motor durch ein Gebläse künstlich aufzuladen. Die Lademenge im Zylinder auf diese Weise zu vergrößern, wird bereits seit Jahren bei Großgasmaschinen und bei Flugmotoren ausgeführt. Solche Automobil-Gebläsemotoren werden zurzeit von der Daimler-Motoren-Gesellschaft in Untertürkheim hergestellt. Obwohl Motoren dieser Bauart im Fahrbetrieb und auch bei Rennen ausprobiert sind und ihre Zuverlässigkeit und Brauchbarkeit in der Zwischenzeit bewiesen haben, fehlen solche Motoren in diesem Jahre auf der Ausstellung. Mit der Ausgestaltung und Erprobung solcher Motoren beschäftigen sich auch andere deutsche Automobilfirmen und man ist auch bestrebt, die Vorteile dieser Motorenbauart in Zukunft bei Kleinwagen auszunutzen. Zu berücksichtigen ist noch bei dem Arbeitsverfahren der Gebläsemotoren, daß der Vergaser besonders ausgestaltet werden muß, da er im gewöhnlichen Betriebe mit Luft von atmosphärischer Spannung und bei der Einhaltung des Gebläses mit Druckluft zu arbeiten hat. Die Ausstellung in diesem Jahre zeigt in verschiedener Ausführung besonders Motoren von etwa 4-PS-Steuerleistung mit einem Zylinderinhalt von einem Liter. Da diese Motoren für hohe Umlaufzahlen von 3000 und mehr in der Minute gebaut werden, so ergibt sich eine Höchstleistung von über 20 PS. Um Gewicht und Raum zu sparen, sind diese Motoren sehr kurz gebaut, das mittlere Kurbelwellenlager kommt dabei in Wegfall. Bei neuzeitlichen Kleinwagen werden bei solchen Motoren, um die Herstellungskosten zu vermindern, die Zylinder vielfach mit dem ungeteilten Kurbelgehäuse zusammengegossen. Die Zylinderköpfe werden nach amerikanischem Vorbild abnehmbar ausgeführt. Eine ausgedehnte Anwendung als Motorbaustoff finden die Leichtlegierungen. Dadurch wird das Bestreben unterstützt, den Motoren durch Einkapselung der Steuerung usw. ein glattes Aussehen zu geben. Ein Beispiel hierzu ist der neue Motor der Heil-Motoren A.-G. Berlin. Dieser Vierzylindermotor hat 60 mm Zylinderdurchmesser und 92 mm Hub, wobei eine Brennleistung bis zu 30 PS bei 4000 Uml/min. erreicht wird. Diese hohe Umlaufzahl störungsfrei zu erreichen, ist nur durch Verwendung von Kugellagern für die Kurbelwelle, von Leichtmetallkolben, die in eingepreßten gußeisernen Laufbüchsen arbeiten, sowie durch Verwendung einer sorgfältig durchgeführten Druck- und Umlaufschmierung möglich. Bei den neuen Motorbauarten werden immer mehr die Ventile hängend angeordnet, um einen möglichst günstigen Verbrennungsiaum und somit einen geringen Brennstoffverbrauch zu erhalten. Nach wie vor herrscht bei Motoren für Personenwagen der Vierzylinder vor. Es ist aber auch bei deutschen Automobilfirmen das Bestreben vorhanden, Sechszylindermotoren zu verwenden und es werden in nächster Zeit solche Wagen auf dem Markte erscheinen. Die Hansa-Lloyd-Werke in Bremen haben bei ihren neuen Personenwagen sogar einen Achtzylinder-Reihenmotor ausgeführt. Um Vereinfachungen der gesamten Motoranlage zu erreichen, ist man bestrebt, namentlich bei Kleinwagen, die Umlaufpumpe wegzulassen, da die hohen Kühler genügend Wasserinhalt besitzen, so daß der selbsttätige Wasserumlauf auch bei hoher Lufttemperatur genügt. Ob es auch zulässig ist, den kraftverzehrenden Ventilator wegzulassen, ist fraglich. In diesem Falle fehlt der kühlende Luftstrom für die Zündkerzen, die dann leichter zu Frühzündungen neigen. Bei Lastkraftwagen und Omnibussen ist man bestrebt, auch auf Grund der günstigen Erfahrungen, die man hier mit Luftreifen gemacht hat, die Fahrgeschwindigkeit bei 4–5 t Nutzlast auf 45 Km/std. zu steigern. Dies bedingt naturgemäß stärkere Motoren. Bei einem dreiachsigen Kraftomnibus der Firma H. Büssing, Braunschweig, mit 9 t Dienstgewicht wird für den Stadtverkehr ein 50-PS-Vierzylinder-Motor, für den Verkehr auf Gebirgsstraßen ein 80-PS-Sechszylinder-Motor verwendet. In letzter Zeit hat man zahlreiche Vorschläge zur Verwendung schwerer Brennstoffe, besonders für Nutzkraftwagen, gemacht. (D. p. J. Jg. 104, S. 167.) Nur zögernd werden solche Neuerungen von den Automobilfirmen verwendet. Deshalb zeigen die ausgestellten Motoren nach dieser Richtung hin wenig neues. Bei Verwendung schwerer Brennstoffe wird das Anlassen und Vorwärmen des Motors mit einem leichten Brennstoff ausgeführt. Die Lastwagenmotoren der Nationalen Automobil-A.-G. Berlin sind mit Motoren ausgerüstet, bei denen als Neuerung die Verdichtung vom Führersitz aus vermindert werden kann, um die Bremswirkung des Motors bei Talfahrten zu verstärken. Auch bei Lastwagenmotoren hat man erkannt, daß die seitliche Anordnung des Ein- und Auslaßventils ungünstige Verbrennungsräume und somit großen Brennstoffverbrauch ergibt. Es herrscht deshalb auch hier das Bestreben vor, hängende Ventile zu verwenden. Wie ausgestellte Lastwagenmotoren zeigen, hat auch hier bereits die Verwendung von Leichtmetall Eingang gefunden. Die Motoren der zahlreich ausgestellten Kraftfahrräder sind sehr mannigfaltig ausgeführt. Für kleine Krafträder werden mit Vorliebe Zweitaktmaschinen mit Leichtmetallkolben verwendet, wobei die Kolben die Ein- und Auslaßkanäle steuern, so daß keine Ventile notwendig sind. Bei Kraftfahrrädern mittlerer Leistung verwendet man mit Vorliebe Zweizylindermotoren. Die Neckarsulmer Fahrzeugwerke A.-G. ordnen die beiden Zylinder winkelförmig an. Bei einem solchen Motor mit 80 mm Zylinderdurchmesser und 99 mm Hub werden bis zu 12 PS Brennleistung erzielt. Mit erhöhter minutlicher Umlaufzahl wird bei liegend angeordneten Zylindern und gegenläufigen Kolben der Deutschen Werke, Spandau, mit 61 mm Zylinderdurchmesser und 67 mm Hub fast die gleiche Leistung erreicht.