Titel: | Vom kanadischen Kohlenbergbau. |
Autor: | Bruno Simmersbach |
Fundstelle: | Band 339, Jahrgang 1924, S. 12 |
Download: | XML |
Vom kanadischen Kohlenbergbau.
Von Ingenieur Bruno
Simmersbach, Wiesbaden.
SIMMERSBACH, Vom kanadischen Kohlenbergbau.
Hinsichtlich der Bodenbildung vereinigen sich im britischen Nordamerika, oder
wie es kurz genannt wird „Kanada“ große Gegensätze, die starke Abweichungen
in der kultur- und wirtschaftsgeographischen Ausstattung und Leistungsfähigkeit mit
sich bringen. An einen Vergleich mit den Vereinigten Staaten kann Kanada
wirtschaftlich natürlich nie denken, zumal auch vor dem Krieg seine
Bevölkerungsziffer beinahe 13 mal hinter derjenigen der Union zurückstand. Immerhin
könnte doch Kanada dazu berufen sein, im allgemeinen Weltwirtschaftsgetriebe sehr
namhafte Kulturländer Europas allgemach in den Schatten zu stellen. Der russischen,
ebenso wie der italienischen Außenhandelsziffer war Kanada vor dem Kriege schon
recht nahe gekommen, während Schweden und Spanien im Außenhandel schon seit längerer
Zeit bedeutend überholt waren.
Geologisch betrachtet, liegt im SO ein altes in der späteren Karbonzeit gebildetes
stark abgetragenes Faltenland aus paläozoischen Schichten, welches dem
appalachischen System zugerechnet wird. Es ist in hohem Maße vom Meer durchdrungen
und in seiner Küstenbildung zerrissen und nimmt die große Insel Neufundland, die
Halbinsel Neuschottland nebst der Insel Kap Breton, Neubraunschweig und dem
Südostteil der Provinz Quebec ein. Dann folgt auf dieses appalachische oder
akadisch-neufundländische Faltenland die ungeheure laurentinische oder hudsonische
Platte aus Gneis und huronischem Schiefer, die das Hudsonbaibecken hufeisenförmig
umschließt. In der Quartärzeit lag auf dieser Platte der Hauptherd der
nordamerikanischer. Vergletscherung, sie ist daher an ihrer Oberfläche auch vielfach
abgehobelt. Im Norden schließt hieran die noch wenig erforschte arktische Inselwelt.
Als Abschluß des Ganzen steht im Westen das kanadische Kordillerenland, ein
großartiges System hochaufragender junger Faltengebirgszüge. Die Westseite des
Kordillerenlandes ist durch unter das Meer getauchte Längstäler aus dem
kontinentalen Verbände losgerissen und bildet die große Vancouver – Insel, die
Königin-Charlotte-Inseln und den Alexander - Archipel, der schon zu den Vereinigten
Staaten gehört. – Die mittlere Volksdichte ist einstweilen nicht viel größer als
jene von Sibirien, und in dem größten Teil Kanadas wird sie immer eine minimale
bleiben. – Abgesehen von Quebec und Ontario, wo immense Torflager vorkommen, gibt es
in jeder Provinz Kohlen, die nach dem Alter der geologischen Formationen, innerhalb
der sie auftreten, sehr verschieden sind. Im Osten enthalten die Gruben durchweg
bituminöse Kohle, also weiche Steinkohle. Der Nordwesten enthält auf
ausgedehnten Flächen Braunkohle, Lignite, die bei zunehmender Annäherung an das
Felsengebirge immer dunkler und kohlenstoffreicher werden, bis dann an ihre Stelle
schließlich wieder bituminöse Kohle tritt. Jenseits des Felsengebirges kommt dann
selbst Anthrazit vor, ferner auch jüngere Braunkohle. Die Insel Neufundland, etwa
gleich groß wie Kuba, besitzt keine Kohlenfelder, dagegen liegen auf der Halbinsel
Neuschottland die wirtschaftlich wertvollsten Kohlenfelder im Osten Kanadas, wo
zudem die Förder- und Transportbedingungen die denkbar günstigsten sind. Die
Halbinsel Neuschottland verrät durch ihre lang gegen NO gestreckte Gestalt ebenso
wie durch ihren inneren und äußeren Aufbau ihre Zugehörigkeit zum appalachischen
Faltengebirgssystem. Die produktive Kohlenfläche Neuschottlands wird auf 1800 qkm
veranschlagt, wovon 1120 qkm auf das Kohlenfeld von Cumberland, nördlich vom
Cobequid-Gebirge entfallen. 650 qkm rechnet man für das Kohlenfeld von Sydney auf
Kap Breton und 92 qkm für jenes von Pictou. Der abbaufähige Vorrat dieser
Kohlenfelder wird von kanadischen Fachleuten auf 6–7,5 Milliarden Tonnen (je 907 kg)
geschätzt.
Die Mächtigkeit der Kohlenvorkommen im Cumberland-Kohlenfeld, welches im westlichen
Teil der Provinz liegt, wird auf wenigstens 30 engl. Fuß angegeben. Man rechnet
vielfach zu ihm auch das Inverneß-Kohlenfeld, welches etwa 50–60 Meilen (80–96 km)
entfernt davon, an der Westküste der Kap-Breton-Insel sich erstreckt. Das Lager hier
reicht nur wenige Kilometer ins Inland hinein und ist noch wenig untersucht, obwohl
hier schon seit 1866 Kohlen gefördert wurden. Die durchschnittliche Mächtigkeit der
Inverneß-Kohlenflöze, die heute im Abbau stehen, wird zu 7 engl. Fuß angegeben. –
Das Pictou-Kohlenfeld, in der gleichnamigen Grafschaft Pictou belegen, umfaßt an
Fläche 65–95 qkm mehr oder weniger abbaufähiger Kohle. Das Feld hat Flöze von über
10,7 und 3 m, zusammen von 32 m Mächtigkeit. Dazu treten noch einzelne Splitter
Kohlenfeld, die geringere Mächtigkeiten aufweisen, woher auch die Differenz (65–95
qkm) in der Gesamtbemessung herrührt. Die geologische Formation im
Pictou-Kohlenbecken ist recht kompliziert, die Kohle arg verlagert, und die
Förderkosten waren daher von jeher recht hohe; trotzdem ist die geförderte Kohle von
sehr guter Beschaffenheit und auch verkokbar. Das Sydney-Kohlenfeld mit rund 650
qkm, zeigt stark geneigte Schichten, die sich nordostwärts unter dem Meeresboden
fortsetzen, und das deshalb zum Teil unterseeisch abgebaut wird. Mehr wie das halbe
produktive Kohlenfeld soll unter dem Meeresspiegel liegen. Im Jahre 1910 wurden hier
schon 4,2 Mill t gefördert, während die Ausbeute aller ostkanadischen Kohlenfelder
sich damals auf 5,8 Mill. t = 62 % der gesamtkanadischen Kohlenproduktion belief.
Von der gesamten Kohlenproduktion der Provinz Neuschottland entfielen vor dem Krieg
auf das Sydney-Revier 71,9 v. H., auf das Pictou-Revier 12,7 v. H., das
Cumberland-Becken 8,8 v. H. und auf des Inverneß-Revier 6 v. H.
Auf Neu-Braunschweig ist die Kohlenförderung ziemlich bedeutungslos. Die vorhandenen
Kohlenflöze sind meist dünn und nicht sehr bauwürdig, so daß die Kohlenförderung
1911 erst 149000 t betrug. Obgleich hier ein Gebiet von mehr als 26000 qkm
Karbonformation bekannt ist, scheinen doch die produktiven Kohlenvorkommen auf ein
verhältnismäßig kleines Gebiet um den Grand Lake herum sich zu beschränken, etwa 112
km nördlich von St John. Die Gesamtfläche dieses Kohlenreviers wird zu nicht mehr
als 290 qkm geschätzt, deren Kohleninhalt zwischen 50 und 150 Millionen t angegeben
wird. Letztere Zahl wird wohl etwas zu hoch sein, erstere aber viel zu niedrig;
120–130 Mill. t wird neuerdings für zutreffend gehalten. Neuerdings sind zwar auch
im nordöstlichen Teil der Provinz Neubraunschweig bei Beersville, in der Nähe von
Moncton einige Kohlenflöze erschlossen worden, doch sind sie wirtschaftlich
vorläufig noch ohne Bedeutung. Eine solche könnten sie jedoch wenigstens im
Lokalabsatz gewinnen, da Moncton der Ausgangspunkt der zweiten großen Ueberlandbahn
(Grand Trunk Pacific Railway) ist.
Weiter nach Westen hin hören die Kohlenvorkommen zunächst auf; sie kommen erst wieder
in den Kreide- und Tertiärformationen von Alberta unterhalb des 55. Breitengrades,
im westlichen Saskatchewan und in Manitoba vor. Die Bergbauförderung dieser
sogenannten Prairieprovinzen bewertete sich im Jahr 1909 insgesamt auf 7,7, 1910 auf
11 Mill. Doll., wobei der Hauptteil mit 6 bzw. 9 Mill. Doll. auf Alberta, der nächst
größte Anteil mit 1,2 bzw. 1,5 Mill. Doll., auf Manitoba zu rechnen ist. Von hoher
Bedeutung sind hierbei vor allen Dingen diq Kohlenvorräte, die sich in Alberta
zwischen der Landesgrenze und dem Peace - Revier auf einer Fläche von 26000 qkm
finden und zu 90000 Mill. t geschätzt werden. Im südlichen Manitoba liegt zwischen
100° und 103° westl. L. der Souris-River-Kohlenbezirk, welcher noch zum Cypreß Hills
and Wood Mountains Coal District rechnet. Es sind Braunkohlen, die hier gefördert
werden und, bei dem dortigen völligen Holzmangel, guten Absatz finden. Man schätzt
die Fläche dieses Kohlenfeldes in Manitoba auf 214 qkm mit 330 Millionen t
Braunkohlen. In der Provinz Saskatchewan kennt man 19500 qkm Kohlenfeld mit rund 20
Milliarden t Braunkohle. Dann folgt der Alberta Coal District in der Provinz
Alberta, dem man drei größere Grubenbezirke zurechnet. Das ganze Kohlenfeld hat
40500 qkm Ausdehnung mit schätzungsgemäß 400 Millionen t Anthrazit, 44500 Millionen
t Steinkohle und 60000 Millionen t Braunkohle. Alberta förderte schon 1900: 311000
t, 1905: 932000 t, 1910: 2,9 Mill. t; Saskatchewan 1900: 41000 t, 1905: 108 000 t
und 1910: 181000 t. Die drei Grubenbezirke des Alberta Coal District sind das
Crownest-Kohlenrevier mit guter Qualitätskohle; das Bankhead-Kohlenrevier am
Ostabhang der Felsengebirge mit Steinkohlen und auch schon Anthrazit. Schließlich
noch der Edmonton Bezirk in der Nähe der Provinzialhauptstadt Edmonton, mit
Braunkohle, die vielfach leicht im Tagebau zu gewinnen ist. Im Vergleich zu den
beiden hauptsächlichen kohlenfördernden Gebieten Kanadas, dem äußersten Osten
und dem äußersten Westen, hat die Kohlenförderung dieser Prairieprovinzen noch
geringe Bedeutung, wenigstens war dies bis 1914 noch der Fall. Doch hat man sich von
jeher schon in kanadischen Fachkreisen sehr günstig über die Aussichten des
Kohlenbergbaus im Westen geäußert, und es erscheint zweifellos, daß für den inneren
Markt der großen Inlandsebene der Alberta Coal District eine große praktische
Bedeutung haben wird, zumal hier die Besiedlung neuerdings in schnellerem Tempo
erfolgt.
Den Hauptteil des kanadischen Kordillerenlandes nimmt Britisch – Kolumbien ein,
dessen inneres Plateau im Mittel 1000 m über dem Meere liegt. Hier ist der
Kohlenbergbau die älteste und heute die erste Industrie, schon wegen der sehr vielen
und reichlichen Erzvorkommen in dortiger Gegend. Die Kohlengruben liegen teils an
der Ostseite von Vancouver, bei Nanaimo, teils im Felsengebirge am Crows-Nest-Passe;
die ersteren mit ihrer bequemen Verschiffungsmöglichkeit wurden bereits 1836 in
Angriff genommen. 1874 betrug ihre Gesamtförderung 82000 t, 1910 aber schon 3,3
Mill. t. Die wichtigsten Grubenbezirke von Britisch-Kolumbien sind der
Crows-Nest-Paß rnit 596 qkm Kohlenfläche und etwa 600 Millionen t Voren, und dann noch die zwei Distrikte der
Queen – Charlotte – Inseln mit 2100 qkm Kohlenfläche, und zwar am Skidegate Inlet,
woselbst man Anthrazit fördert und am Yakun River, woselbst die Steinkohle direkt in
große Ozeandampfer verladen werden kann. Inlet bedeutet etwa soviel wie Fjord dem
Wesen nach. Schließlich noch die Kohlenreviere der Vancouver-Insel mit ihren großen
und als außerordentlich kohlereich geltenden Vorräten. Man nennt hier nur Bezirke
mit blühendem Kohlenbergbau: am Quatsino-Sund, ferner bei Saquasch und besonders
Comox mit 777 und Nanaimo mit 518 qkm. Die Gruben hier auf Vancouver exportierten
früher den größten Teil ihrer Förderung nach dem Westen der Vereinigten Staaten,
1902 z.B. 75 v. H., woselbst fast gar keine Steinkohle und nur minderwertige
Tertiärkohle angetroffen wird. Nachdem aber Kanada selbst gesteigerten Bedarf
zeigte, hörte dieser Kohlenexport auf, und die Weststaaten der Union mußten immer
mehr sich dem Rohöl als Heizmaterial zuwenden.
Der Kohlenbergbau in Kanada überhaupt, ist bereits ziemlich alt; um das Jahr 1820
förderte er aber nicht mehr als 15000 t jährlich, und erst in den vierziger Jahren
stieg die Ziffer auf etwa 150000 t. Im Durchschnitt der Jahre 1861 bis 1871 betrug
sie dann gegen 500000 t, in folgendem Jahrzehnt durchschnittlich 750000 t, dann 1,8
Millionen t. Für die Zeit 1890 bis 1900 förderte Kanada jährlich etwa 4,2 Millionen
t und 1910 schon 10,4 Mill. t, wovon ziemlich 1/4 auf Alberta, nahezu 1/2 auf
Neuschottland und 1/3 auf Britisch-Kolumbien zu rechnen ist.
Kanadas Produktion betrug vor dem Kriege folgende Mengen:
1911
1912
1913
Kohle t
12102000
15485377
15873267
Koks t
866000
1276000
1376000
Zu Ende 1920 verlautete, daß die englische Admiralität mit den Besitzern der großen
Vorkommen von rauchloser Dampferkohle im Ground Hog auf Vancouver verhandele, um
2000 Quadratmeilen dortiger Kohlenfelder anzukaufen und eine Transportbahn zu einer
günstig gelegenen Küstenstelle zu bauen. Diese Vorkommen liegen nur etwa 200 km von
Hazelton entfernt. – In Britisch-Columbien zeigt die Kohlenförderung der letzten Jahre folgende
Entwicklung in 1000 t:
1914
2166 t
1917
2399 t
1915
1973 t
1918
2579 t
1916
2486 t
1919
2409 t
Diese Jahresmengen bedeuten ungefähr ein knappes Fünftel der
kanadischen Gesamtkohlenförderung, die man heute wohl zu 14 bis 15 Millionen t
annehmen darf. Die gesamte Kohlenförderung Kanadas wird für 1920 auf 16624000 t
angegeben (Short tous = 0,9 metrische t) im Werte von 77327000 Doll. Das bedeutet
gegen das Vorjahr ein Mehr von 20 v. rf. Besonders zu beachten ist, daß man
neuerdings angefangen hat, die kanadische Braunkohle zu brikettieren, da hiervon
enorme Mengen zur Verfügung stehen. Der Gesamtkohlenvorrat des Landes wird auf
1234,3 Milliarden short tons geschätzt, davon entfallen etwa 3/4 auf die
Braunkohlenvorkommen allein in der Provinz Alberta. Insgesamt verfügt Kanada nach
dieser neuesten Aufnahme über gut 15 v. H. der Weltkohlenvorräte. Man hat, außer in
Ontario und Quebec, somit in ganz Kanada Kohlen angefunden, sei es nun Steinkohlen,
Anthrazit oder Braunkohlen. Die geologische Anstalt zu Ottawa schätzt die heute
bekannten Kohlengebiete Kanadas auf 112000 Quadratmeilen, d. i. das Doppelte des
Flächeninhalts von England. Trotzdem war Kanada noch stets der beste Kohlenabnehmer
der Vereinigten Staaten, die im Jahre 1920 dorthin 14,5 Mill. t lieferten gegen 10,2
Mill. t im Jahre 1919. Kanada förderte in 1000 t folgende Mengen Kohlen: 1907: 9536,
1908: 9876, 1909: 9527, 1910: 11711, 1911: 12272, 1912: 15465, 1913: 15619, 1914:
12372, 1915: 12036, 1916: 13119, 1917: 12715, 1918: 13000, 1919: 13300, 1920:
16624.
Die Frage der Brennstoffversorgung Kanadas erfährt eine umfassende fachmännische
Darstellung durch eine genaue Untersuchung von seiten des kanadischen
Brennstoffamtes, dessen Bericht einen Ueberblick bietet über die bisherige und die
gegenwärtige Versorgung Kanadas mit Brennstoffen; es werden dabei auch die Maßnahmen
erörtert, welche zur Besserung der kanadischen Brennstofflage getroffen werden
können. Nach diesem offiziellen Berichte vollzog sich die Kohlenversorgung des
Landes in folgender Weise, in Millionen short tons (zu je 907 kg),
Jahr
Förderung
Ausfuhr
Einfuhr an
Verbrauch
Weichkohle
Hartkohle
1913
15,–
1,5
13,5
4,6
31,6
1911
12,4
–
–
–
–
1915
13,3
1,8
8,4
4,–
23,9
1916
14,5
2,1
13,–
4,5
29,9
1917
14,–
1,7
15,5
5,3
33,1
1918
14,9
1,8
16,9
4,8
34,8
1919
13,7
2,1
2,4
4,9
28,9
1920
16,9
2,5
15,9
4,9
35,2
1921
19,0
1,9
13,5
4,6
31,2
1922
15,
1,8
11,6
2,7
27,5
Während des zehnjährigen Zeitabschnittes von 1913 bis 1922 hat
Kanada nach den offiziellen Angaben für rund 580 Millionen Dollar Kohlen eingeführt.
Demgegenüber war der Wert der eigenen Kohlenförderung ganz bedeutend niedriger,
trotzdem Kanada innerhalb seiner Landesgrenzen doch über reichliche Kohlenvorkommen
verfügt. Allerdings liegen ja diese Kohlenfelder weit im Westen und im Osten des
Landes, gewissermaßen an den Grenzflügeln Kanadas und somit in großer Entfernung von
den dichtbevölkerten Provinzen Ontario und Quebec, die als Hauptverbrauchsbezirke im
Lande auf die Einfuhr fremder, meist amerikanischer Vereinsstaaten-Kohle angewiesen
sind.
Man schätzt in der offiziellen Denkschrift auf Grund der neuesten
zuverlässigsten Erhebungen die sicheren Kohlenvorräte Kanadas auf rund 1234
Milliarden t (zu je 1000 kg). Diese sichere Vorratsmenge allein würde somit den
Bedarf des Landes, bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 32 Millionen t,
auf unabsehbare Zeit hinaus zu decken vermögen. Wenn also trotzdem Kanada so
unverhältnismäßig große Mengen Kohle, besonders aus den Vereinigten Staaten,
einführt, so liegt dieser Umstand eben darin begründet, daß die großen Kohlengebiete
der Vereinigten Staaten, sowohl hinsichtlich Anthrazit als auch Weichkohle, für die
kanadische Bedarfsdeckung in frachtlichem Sinne weit günstiger gelegen sind, als die
eigenen Inlandskohlenfelder. Deren Förderung wird in folgender Uebersicht vor Augen
geführt:
Kohlenförderung Kanadas 1913 und 1922:
Provinz
1913Mengein sh t
In % derGeasmt-prod.
1922Mengein sh t
in % derGesamt-prod.
Neu-Schottland
7980073
53,16
5348830
37,64
Alberta
4014755
26,74
5587259
37,91
Brit. Columbien, Yukon
2734142
18,21
12935579
20,66
Saskatchewan
212897
1,42
249559
1,76
Neu-Braunschweig
70311
0,47
288656
2,03
Die vielfachen Bergarbeiterstreiks in der Union haben für Kanada schon oft genug die
Erkenntnis gebracht, besonders wieder der große Streik im Anthrazitgebiet der Union
und gleichzeitig der Eisenbahnerausstand, daß fast alleinige. Versorgung des Landes
mit Brennstoffen nur durch den großen Nachbarn doch ganz bedeutende Nachteile in
sich birgt. Besonders deshalb, weil sich die Bevölkerung der kanadischen
Hauptprovinzen Ontario und Quebec mit ihren dichtbesiedelten Städten seit vielen
Jahren schon an eine starke Verwendung von amerikanischem Anthrazit als
Hausbrandkohle gewöhnt hat. An Weichkohle könnte die Union ja für beide Länder
genügend liefern, aber die nur 484 Quadratmeilen umfassenden Anthrazitkohlenfelder
der Vereinigten Staaten genügen zur Bedarfsdeckung, bei dem jetzigen Verbrauch kaum
80 bis 100 Jahre. Gerade an Anthrazitkohle aber haben sich die städtischen
Verbraucher in Kanada so sehr gewöhnt, daß sie nur schwer wieder von dieser,
allerdings hervorragend rauchschwachen Kohle, abzubringen sind. Erschwerend ist
ferner für Kanada noch der Umstand, daß für seine Versorgung mit Anthrazithausbrand
nur der Bezirk Wyoming-Valley in Betracht kommt, dessen Hartkohlenvorräte in etwa 36
Jahren wahrscheinlich verbraucht sein werden.
Weichkohle dagegen kann Kanada in jeder nötigen Menge aus den Vereinigten Staaten
erhalten, doch rußt diese Kohle sehr, ist darum für Hausbrand recht wenig beliebt
und findet im Lande fast nur als Industriekohle Absatz. Die Aufgabe, den mittleren
Teil von Kanada mit geeigneter Hausbrandkohle zu versorgen, bleibt daher nach wie
vor noch ungelöst, und schon vor zwei Jahren hatte das Kohlenamt der Vereinigten
Staaten das kanadische Bergbauministerium darauf hingewiesen, daß es für Kanada gut
sei, sich nach einem anderweitigen Ersatz für die amerikanische Anthrazitkohle
umzusehen. Schließlich wird diese heikle Situation für Kanada noch weiter dadurch
verschärft, daß schon dreimal im amerikanischen Kongreß beantragt worden ist, die
Ausfuhr von Hartkohle nach Kanada zu sperren. Diese Anträge fanden zwar im Weißen
Hause noch keine Genehmigung, doch beweist schon ihre Stellung allein, wie sehr
dringlich für Kanada die Mahnung ist, die Frage der Hausbrandversorgung anderweitig
zu lösen.
Kanada könnte ja nun dem Problem in zwiefacher Weise zu Leibe rücken. Am besten
wäre es, das Land nur noch mit eigenen Brennstoffen zu versorgen, auch, wenn man
dabei auf Anthrazitkohle, wenigstens in dem jetzigen Umfange, stark verzichten
müßte. Zweifellos können erheblich größere Teile Kanadas mit Kohle aus
Britisch-Kolumbien, Alberta und den Küstenprovinzen versorgt werden. Auch ist Kanada
in der Lage, immer noch umfangreiche Wasserkräfte zum Wohle des Landes nutzbar zu
machen. Die Ausbeutung weit ausgedehnter und dabei auch günstig gelegener
Torfvorkommen ist in Kanada seit einigen Jahren bereits in Angriff genommen. Diese
Frage will das kanadische Kohlenamt nun noch eingehender untersuchen; besonders
aber, wie man diese Quellen besser ausnutzen könnte.
Auf dem Wasserweg dringt Kohle von Neuschottland und Neubraunschweig schon westwärts
bis nach Ottawa vor. Es handelt sich dabei aber lediglich um Weichkohle, also für
Hausbrand eine zu stark rußende Kohle. Man könnte diese Kohle jedoch vielleicht mit
Vorteil verkoken, dann den Koks zum Hausbrand benutzen, wodurch man die
amerikanische Anthrazit-Einfuhr ermäßigen könnte. – In der kanadischen Provinz
Alberta gewinnt man Braunkohle und eine Halbanthrazitkohle. Von letzterer werden
schon beträchtliche Mengen gefördert, die im mittleren Westen Kanadas willige
Abnehmer auch dort fand, wo bislang amerikanischer Kohle verbraucht wurde, wie z.B.
in Manitoba. Heizversuche mit derartigem Halbanthrazit aus Alberta hat man in
Ontario angestellt, die sehr zufriedenstellend ausfielen und besonders die
Rauchlosigkeit der Kohle erwiesen. Aber die Frachtkosten vom Produktionsgebiet bis
zum Verbrauchszentrum sind viel zu hoch, selbst dann noch, wenn in den Sommermonaten
die Fracht von Alberta nach Ontario für 1 t Halbanthrazit auf 9 Dollar ermäßigt
würde. Auch der Kohlenpreis selbst steht noch einer ausgedehnteren Verwendung
hinderlich im Wege.
Man will nun versuchen, in den hauptsächlichen Absatzgebieten Kokereien mit
Nebenproduktengewinnung zu errichten, um hier neben geeigneter Kohle aus
Neuschottland und Neubraunschweig, auch Weichkohlen aus dem Unionsgebiet zu
verkoken.
Beabsichtigt ist zunächst, nach dem Berichte des kanadischen Kohlenamtes, in Montreal
und Toronto Kokereien zu erbauen, weil von hier aus der erzeugte Koks und das
gewonnene Gas leicht in den Verbrauch geführt werden können. – In ähnlicher Weise
hat man im Unionsgebiete vor einigen Jahren in den Städten St. Paul und Minneapolis
Kokereianlagen gebaut, infolgedessen dort der Verbrauch an Anthrazit und sonstiger
Hartkohle ganz aufgehört hat. Für Kanada wären solche modernen Kokereien
wirtschaftlich von hoher Bedeutung, denn das Land ist hinsichtlich seiner
Koksversorgung gleichfalls in hohem Maße vom Ausland abhängig, das oftmals die
Hälfte des Koksbedarfs in Kanada decken muß. Nach dem in der Zeitschrift
„Glückauf“ (Nr. 35) vom 1. September 1923 veröffentlichten ausführlichen
Auszuge aus der „Denkschrift des kanadischen Brennstoffamtes“ gestaltete sich
die Koksversorgung Kanadas in folgender Weise in short tons
Jahr
Erzeugung
Einfuhr
Ausfuhr
Verbrauch
1913
1530499
723906
68235
2186170
1914
1023860
553046
67838
1509068
1915
1170473
637857
35869
1772461
1916
1469741
757116
48539
2158318
1917
1245862
970106
23595
2192373
1918
1250744
1165590
29612
2386722
1919
1133680
383314
14709
1502345
1920
1327180
586406
39536
1874050
1921
949203
228030
20907
1156326
Die fremden Koksmengen bezieht Kanada fast gänzlich aus den Vereinigten Staaten.
Sonst kommt als fremdländischer Kohlenlieferant noch England in Betracht, besonders
der Ausfuhrbezirk Südwales, von woher Kanada Hartkohle bezieht. Zwar besitzt diese
Waliser Hartkohle eine größere Heizkraft als pennsylvanischer Anthrazit, doch
zerbröckelt infolge des langen Schiffstransportes und der mehrfachen Umladung diese
Kohle aus Südwales in hohem. Maße. Nun fördert Wales ungefähr 4–5 Millionen t
Hartkohle, eine Menge, die ungefähr den Bedarf Kanadas zu decken vermöchte. Doch
verbraucht zunächst England selbst die Hälfte dieser Produktion und nur etwa 200000
bis 300000 t stehen für den Export nach Kanada zur Verfügung. Indessen könnte die
Waliser Anthrazitförderung bei fester Nachfrage seitens Kanada wohl entsprechend
gesteigert werden und über den Kohlenhafen Swanxa zur Ausfuhr gelangen. Von dort
beträgt die Entfernung bis Montreal zwar rund 3000 Meilen, doch kostet die Fracht
nur 2,14– pro Tonne, während die Kohle aus Pennsylvanien mit einem Frachtsatz von
4,00 Doll. und mehr belastet ist, die Schiffsfracht von Neuschottland beläuft sich
zudem noch auf 1,00 Dollar. Trotzdem unterliegen die Sendungen englischer Kohle nach
Kanada recht starken Schwankungen; recht groß waren sie eigentlich nur im letzten
Jahre 1922, wo sie mehr als 3/4 Million t erreichten. Die Ausfuhr englischer Kohlen
nach Kanada nahm seit 1913 die folgende Entwicklung in long tons (zu je 1016 kg)
Versand britischer Kohle nach Kanada:
1913
37827
long
tons
1918
25705
long
tons
1914
40305
„
„
1919
35
„
„
1915
11929
„
„
1920
–
1916
2301
„
„
1921
–
1917
107186
„
„
1922
874175
„
„
Die ziemlich umfangreiche kanadische Denkschrift über die Kohlenversorgung weist dann
noch auf den erforderlichen Ausbau der Wasserkräfte hin. Von den geschätzten 18 ¼
Millionen PS, über welche das Land verfügt, liegen etwa 12 Millionen PS innerhalb
der Provinzgrenzen von Ontario und Quebec; ausgenutzt werden jedoch im ganzen nur
etwa 3 Millionen PS und zwar allein 2 ½ Millionen PS in den beiden genannten
Provinzen. Auf 1 PS Wasserkraft rechnet man als entsprechende Kohlenmenge rund 9 t.
Von der mit Wasserkraft erzeugten elektrischen Energie wurden in den Jahren 1916 bis
1921 jedoch große Mengen nach den Vereinigten Staaten geliefert und zwar in dem
Umfange, daß diese Kraftlieferungen etwa 43 % der Einfuhr Kanadas an amerikanischer
Hartkohle entsprechen. Außerdem aber liefert Kanada noch weiterhin 25 % des aus
Kohle gewonnenen elektrischen Stromes an die Union. Somit berechnet sich die
Elektrizitätslieferung Kanadas an die Union – umgerechnet auf Kohle – auf etwa 68 %
der kanadischen Einfuhr von amerikanischer Hartkohle. Ein solches Verhältnis ist
ohne Zweifel für Kanada in höchstem Maße unwirtschaftlich, doch spielen bei dieser
Kraftabgabe an das große Nachbarland vor allem geographische Gesichtspunkte mit. Die
elektrischen Kraftstationen liegen oft genug (Niagarafälle!) wesentlich günstiger
für einen Absatz nach jenseits der Landesgrenze als für eine Verwendung im eigenen
Inlande.
Auch auf eine möglichst rationelle Verwertung der großen kanadischen Torfvorkommen
weist die amtliche Denkschrift hin. Es handelt sich dabei um große Vorkommen, die
günstig zu den Provinzen Quebec und Ontario gelegen sind. Der Gesamtinhalt der
Torfmoore bemißt sich der Fläche nach auf 37000 Quadratmeilen, von denen allein 12000
Quadratmeilen in den Mittelprovinzen Manitoba, Quebec, Ontario und Neubraunschweig
liegen. Bei rund 2 m Mächtigkeit können aus diesen 12000 Quadratmeilen an 9300 MM. t
Torf gewonnen werden, die dem Heizwerte nach einer Kohlenmenge von 5400 Millionen t
entsprechen. Angestellte Heizversuche erbrachten günstige Resultate; eine
wirtschaftliche Verwertung der Torfvorkommen ist noch auf 100 Meilen Entfernung von
den Verbrauchsstätten möglich. Man beabsichtigt daher die wirtschaftlich technische
Erschließung der großen Torfmoore von Mittelkanada nötigenfalls durch
Bereitstellung von Regierungsgeldern in umfangreichem Maße in die Wege zu leiten, um
so mit allen Mitteln Ersatz zu schaffen für den doch bald unvermeidlichen Wegfall
der amerikanischen Hartkohle.
Kanada erhielt aus den Vereinigten Staaten folgende Kohlenmengen:
1921
1922
1922 geg. 1921
Hartkohle long t
4035014
2296830
– 1738184
Weichkohle „
11961405
9675320
2286085