Titel: Schutz der Elektromotoren gegen Ueberlastung.
Autor: K. Meller
Fundstelle: Band 339, Jahrgang 1924, S. 79
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Schutz der Elektromotoren gegen Ueberlastung.Nach dem Buche des Verfassers „Die Elektromotoren...“ Berlin 1923, Springer. Von K. Meller. MELLER, Schutz der Elektromotoren gegen Ueberlastung. Wird ein Motor dauernd überlastet, so tritt eine immer stärker werdende Erwärmung ein, die zu allmählicher Zerstörung der Isolation führt. Dadurch wird die Isolation so weit verringert, daß dann an der am meisten geschwächten Stelle ein Durchschlag erfolgt, durch den dann oft eine umfangreiche Zerstörung am Motor eingeleitet wird. Beschädigungen an dem Motor werden aber auch ebenso durch ein plötzliches Festbremsen veranlaßt, sobald nicht gleichzeitig ein Abschalten des Motors erfolgt, da dann, besonders bei Gleichstrommotoren, durch ein sehr starkes Ansteigen des Stromes eine unzulässige Erwärmung eintritt. Daher müssen bei jedem Antrieb Schutzvorrichtungen vorgesehen werden, die den Motor und gleichzeitig auch die Zuleitung zum Motor vor dem Verbrennen schützen sollen. Dazu dienen im wesentlichen folgende Mittel: Sicherungen. Das Prinzip der Sicherungen besteht in der Verwendung eines Metalldrahtes, oder bei höheren Stromstärken eines Metallstreifens, der so bemessen wird, daß er bei einer bestimmten Stromstärke durchschmilzt, wodurch die Stromleitung unterbrochen wird. Bei einer Stromstärke bis zu 200 Amp. und 500 Volt können diese Drähte noch in sogenannten Patronensicherungen untergebracht werden. Diese Patronen bestehen im wesentlichen aus einem starkwandigen Porzellanhohlzylinder, in dem der Draht eingebettet ist. Eine technisch richtige Patrone muß so durchgebildet sein, daß bei dem oft explosionsartig auftretenden Durchbrennen des Drahtes keine Stichflamme oder Zerstörung der Patrone auftritt, wodurch Kurzschlüsse und Brände entstehen können. Die Patronen werden in geeignete Sicherungselemente eingesetzt und dadurch in den betreffenden Stromkreis eingeschaltet. Bei größeren Stromstärken sind Metallstreifen gebräuchlich, die zwischen 2 auf einer Isolierplatte angebrachten Klemmen befestigt werden. Zum Schutz sind die Metallstreifen entweder in Röhren eingesetzt oder von einer Schutzkappe umgeben. Wo ein öfteres Durchbrennen der Sicherungen zu erwarten ist, empfiehlt es sich, bei den höheren Stromstärken die später beschriebenen Selbstschalter zu verwenden. Die Sicherungen werden für verschiedene Stromstärken (Nennstromstärken) gebaut, und zwar beträgt die Abstufung der Nennstromstärke 2, 4, 6, 10, 15, 20, 25, 35, 50, 60, 80, 100, 125, 160 und 200 Amp. Entsprechend der Eigenart der Schmelzsicherungen, die in erster Linie für die Sicherung der Verteilungsleitungen von Beleuchtungsanlagen verwendet werden, ist es schwierig, eine richtige Auswahl und Anpassung für den Schutz der Motoren zu erreichen. Dies liegt in der Charakteristik der Sicherung, d.h. in der Abhängigkeit der Abschmelzzeit von der Ueberlastung. Maßgebend für die Konstruktion der Patronensicherungen sind die vom Verband Deutscher Elektrotechniker in nachstehender Tabelle festgelegten Daten: Nennstrom Amp. Niedrigster Prüfstrom Höchster Prüfstrom   6– 10 1,5faches des Nennstromes 2,1faches des Nennstromes 15– 25 1,4faches des Nennstromes 1,75faches des Nennstromes 35–200 1,3faches des Nennstromes 1,6faches des Nennstromes Den niedrigsten Prüfstrom müssen die Sicherungen bis 20 Amp. mindestens eine Stunde, diejenigen bis 200 Amp. mindestens zwei Stunden aushalten; mit dem höchsten Prüfstrom belastet müssen sie innerhalb dieses Zeitraumes abschmelzen. Die Vorschriften gewähren daher in bezug auf die Ausführung der Sicherungen ziemlich weiten Spielraum, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß Sicherungen, die sonst unter gleichen Umständen hergestellt sind, in ihrer Charakteristik abweichen. Textabbildung Bd. 339, S. 79 Abb. 1.Kennlinie einer Schmelzpatrone für 20 Amp.Nennstrom. Textabbildung Bd. 339, S. 79 Abb. 2.Gekapselte Sicherung. Abb. 1 zeigt beispielsweise die Charakteristik einer 20-Amp.-Sicherung bei besonders hoher Ueberlastung. Obwohl z.B. diese Sicherung zwei Stunden lang 20 × 1,4 = 28 Amp. vertragen muß, tritt ein Durchschmelzen bei etwa 45 Amp. schon in 10 Sekunden, bei 50 Amp. schon in einer Sekunde ein. Unterhalb einer Belastung von 45 Amp. nähert sich die Kurve asymptotisch einer Geraden. Da Motoren innerhalb bestimmter Grenzen überlastbar sind, so muß die Sicherung diese Ueberlastungen noch aushalten; ebenso muß sie den hohen Strom beim Anlauf vertragen ohne durchzuschmelzen. Werden nun die Sicherungen für diese hohen Anlaufströme bemessen, so bieten sie oft nur einen unvollkommenen Schutz gegen länger dauernde geringe Ueberlastung. Beträgt z.B. der Nennstrom des Motors (entsprechend seiner Dauerleistung) etwa 20 Amp. und der Anlauf ström das 2,5fache des Nennstromes, also 50 Amp. (beim Drehstrommotor mit Kurzschlußanker kann der Anlaufstrom noch höher werden), so könnte wohl kaum eine 20-Amp.-Sicherung verwendet werden, da diese entsprechend ihrer Charakteristik (Abb. 1) bereits nach einer Sekunde abschmelzen würde, also innerhalb einer Zeit, während der die meisten Motoren kaum angelaufen sein dürften. Wird aber eine 25-Amp.-Sicherung verwendet, so würde sie zwei Stunden lang eine Ueberlastung von 25 × 1,4 = 35 Amp. vertragen, was für das gewählte Beispiel einer Mehrbelastung des Motors von etwa 75 v. H. entspräche. Diese Ueberlastung würde der Motor aber nicht mehr so lange aushalten. Hingegen würde bei plötzlich hoher Belastung, z.B. wenn beim Festbremsen der Strom plötzlich auf 60 Amp. anstiege, die Sicherung bereits in einer halben Sekunde durchschmelzen. Es ergibt sich daraus, daß Schmelzsicherungen besonders für kurze und hohe Ueberlastungen sehr geeignet sind, dafür weniger Schutz für geringe lang andauernde Ueberlastungen bieten. Sollen die Sicherungen an der Arbeitsmaschine angebracht werden, dann ist ein Einbau in eine Schalttafel, auf der auch noch die übrigen Apparate unterzubringen wären, am zweckmäßigsten. Wo dies nicht möglich ist, z.B. beim Umbau vorhandener Maschinen von Transmissions- auf Einzelantrieb, sind am zweckmäßigsten gekapselte Sicherungen zu verwenden. Abb. 2 zeigt den Schnitt durch eine schmiedeeiserne gekapselte Sicherung. Im wesentlichen besteht die Kapselung darin, daß die Sicherungen in einen schmiedeeisernen Blechkasten eingebaut werden. Durch Abnahme des Deckels ist eine leichte Erneuerung der Patronen möglich. Dort, wo besonders gefährdete Betriebe sind, wo also z.B. leicht eine mechanische Beschädigung der Sicherungen vorkommen kann, sind gußeisengekapselte Sicherungen vorzusehen, die auch in feuchten Räumen Verwendung finden können. Textabbildung Bd. 339, S. 80 Abb. 3a.Höchststrom-Ausschalter mit Schnell-Auslösung. Textabbildung Bd. 339, S. 80 Abb. 3b.Höchststrom-Ausschalter mit verzögerter Auslösung Selbstschalter. Diese schalten den Motor bei einer Ueberlastung selbsttätig ab. Der grundsätzliche Aufbau der Selbsschalter besteht darin, daß beim Einschalten eine Feder gespannt und der Schalter in seiner Einschaltungsstellung dann mit Hilfe einer Klinkvorrichtung gehalten wird. Diese Klinkvorrichtung wird in Abhängigkeit von der Stromstärke ausgelöst und dadurch infolge der Federspannung der Schalter selbsttätig ausgeschaltet. Abb. 3a zeigt schematisch die Anordnung eines solchen Schalters. Die Auslöser sind kleine Drehmagnete, deren Drehmoment von der Größe des durch deren Wicklung fließenden Stromes abhängt. Das Gegendrehmoment wird durch eine Feder ausgeübt und verhindert ein Herausschlagen der Klinke, solange der Strom, und dementsprechend das Drehmoment des Auslösers, eine bestimmte Größe nicht überschreitet. Die Höhe des Auslösestromes steht in einem gewissen Verhältnis zu dem Nennstrom (Dauerstrom), mit dem die betreffenden Schaltertypen belastet werden können; sie ist meist in bestimmten Grenzen einstellbar. Nachstehende Tabelle gibt einen Anhalt über die gebräuchlichen Verhältnisse: Nennstrom in Amp. 6 10 25 40 60 75 100 Auslösestrom ein-  stellbar in Amp. 8–12 14–20 35–50 56–80 84–120 105–150 140–200 Wird ein solcher Schalter für eine bestimmte Auslösestromstärke eingestellt, so bedeutet dies, daß nach Erreichung dieser Stromstärke plötzlich ein Abschalten des Motors erfolgt. Es ergeben sich dann in bezug auf den Schutz des Motors gegen geringere, jedoch zeitlich andauernde Ueberlastungen noch ungünstigere Verhältnisse als bei der Sicherung. Dies kann dadurch behoben werden, daß zwischen den Auslösemagneten und der Klinke eine Verzögerungsvorrichtung eingeschaltet wird (Abb. 3b), die im wesentlichen aus einem Laufwerk mit einer einstellbaren Hemmung besteht. Dieses Laufwerk wird bei Ueberschreitung der eingestellten Auslösestromstärke durch das Drehmoment des Auslösers betätigt. Nachdem das Laufwerk dann einen bestimmten Weg zurückgelegt hat, erfolgt das Auslösen des Klinkwerkes und dadurch das Abschalten des Motors. Dabei steht der Verlauf der Verzögerungszeit in Abhängigkeit vom Ueberstrom. Abb. 4 zeigt z.B. die Charakteristik eines solchen Schalters mit verzögerter Auslösung. Demnach würde bei etwa 1,4facher Ueberlastung die Auslösung erst in 22 Sekunden, oberhalb der vierfachen Ueberlastung bereits nach drei Sekunden erfolgen. Textabbildung Bd. 339, S. 80 Abb. 4.Abhängigkeit von Ueberstrom und Auslösezeit bei einem Selbstschalter. Neben der Durchbildung der Schalter mit magnetischer Auslösung und Hemm werk sind auch solche mit sogenanntem Hitzdrahtrelais gebräuchlich. Bei diesen werden in den Stromkreis Drähte besonderer Legierung eingeschaltet. Diese erhitzen sich, sobald die Stromstärke über den Nennstrom ansteigt. Durch diese Erwärmung werden sie so lange ausgedehnt, bis sie nach Erreichung einer bestimmten Temperatur den Schalter selbsttätig auslösen. Auch hier wird dadurch eine Abhängigkeit zwischen Auslösezeit und Ueberstrom erreicht, insofern, als die Auslösezeit um so kürzer wird, je schneller die Erwärmung erfolgt, also je größer der Ueberstrom ist. Sind endlich Anlagen vorhanden, bei denen die Spannung öfter wegbleibt oder erheblich sinkt, so ist es zweckmäßig, einen Schutz vorzusehen, der in solchen Fällen den Motor selbsttätig abschaltet. Ist eine solche selbsttätige Abschaltung nicht vorhanden, dann muß der Anlasser jeweils von Hand zurückgedreht werden. Wird dies verabsäumt, dann besteht die Gefahr, daß beim plötzlichen Wiederkommen der Spannung die Anlaufströme infolge des kurzgeschlossenen Anlassers eine unzulässige, die gesamte Anlage gefährdende Höhe annehmen. Der Schutz läßt sich in der Weise erreichen, daß der Schalter für den Motor mit einem Auslösemagneten versehen wird. Ein solcher Schalter heißt dann Spannungsrückgangsschalter.Auch bei diesen Schaltern wird, ähnlich den Schaltern gegen Ueberlastung, beim Einschalten eine Feder gespannt und die Klinke beim Ausbleiben der Spannung ausgelöst. Die Wirkungsweise des Auslösemagneten besteht darin, daß durch einen kleinen Elektromagneten ein Gewicht in der Schwebe gehalten wird. Beim Wegbleiben der Spannung schlägt dieses Gewicht, da es nicht mehr festgehalten wird, die Klinke heraus, wodurch der Schalter durch die Feder ausgeschaltet wird. Spannungsrückgangsausschalter lassen sich sehr gut mit Höchststromausschaltern vereinigen. Einen Schutz gegen Spannungsrückgang bieten auch Anlasser, bei denen eine selbsttätige Zurückführung in die Nullstellung erfolgt, sobald die Spannung unter ein zulässiges Maß gesunken ist.