Titel: Polytechnische Schau.
Fundstelle: Band 339, Jahrgang 1924, S. 115
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Polytechnische Schau. (Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszüge – nur mit Quellenangabe gestattet.) Polytechnische Schau. Die Dampfkesselexplosionen des Jahres 1922. Während des Jahres 1922 sind nach der reichsamtlichen Statistik, die ich der Arbeit von Geh. Reg.-Rat Sickel in Heft 52, Jahrg. 46, „Die Wärme“ entnehme, 10 Dampfkesselexplosionen im Deutschen Reiche erfolgt. Als Ursache wurde in nicht weniger als fünf Fällen Wassermangel festgestellt, in zwei Fällen örtliche Blechschwächung, in je einem Fall Ermüdung der Kesselwandung, Nachverbrennungen im Oberzug und mangelhafte Stehbolzenverbindung. Bei. einem Zweiflammrohrkessel von rund 20 m2 Heizfläche, der 21 Jahre lang anstandslos mit einem Druck von 8 at in Betrieb gewesen war, wurden die beiden Schüsse des einen Flammrohres vom Scheitel bis fast zur Sohle hinabgedrückt. Die Niete des oberen Teiles der Rundnaht wurden abgeschert, und es entstand eine klaffende Oeffnung von etwa 0,3 m2. Die Anlauffarbe der Bleche und die erheblichen Formänderungen ließen auf ein Ausglühen der Bleche infolge Wassermangels schließen. Bestätigt wird diese Annahme durch die Geringfügigkeit des entstandenen Schadens. Ebenfalls infolge Wassermangels explodierte ein zweifacher Walzenkessel mit je zwei Unterkesseln. Der erste Schuß des linken Oberkessels zerriß in seiner ganzen Länge und wurde abgewickelt. Dabei wurde das 13,5 mm starke Blech auf 1,5 mm Stärke ausgezogen. Die Blechwand war in einer Ausdehnung von 3,5 m ausgeglüht, was auf Wassermangel schließen läßt. Der Kessel hatte eine Heizfläche von 150 m 2. Bei einem Einflammrohrkessel hatte sich der gefürchtete scheinbare Wasserstand gebildet, da die Bohrung des Wasserstandsstutzens durch Kesselstein und Schlamm verstopft und die Oeffnung des Wasserstandsglases durch die Gummipackung verschlossen war. Der Kesselwärter wurde dadurch über den wahren Wasserstand getäuscht, und infolge des eintretenden Wassermangels wurden die beiden vorderen Flammrohrschüsse auf 2,6 m Länge eingebeult und aufgerissen. Anlauffarben waren zwar an den Blechen nicht festzustellen, doch liegt, die Vermutung nahe, daß bei diesem schon 35 Jahre in Betrieb gewesenen Kessel eine mäßige Temperaturzunahme genügte, um dem Blech die Festigkeit zu nehmen. Ein noch älterer Kessel, der bereits aus dem Jahre 1872 stammte, zerknallte gleichfalls infolge Wassermangels. Der Kesselwärter war über den Wasserstand dadurch getäuscht worden, daß bei einem der Wasserstandszeiger Klingerscher Bauart die Glasplatte mit den Längsrippen nach außen, also verkehrt, eingebaut war. Die in der Höhlung des Wasserstandszeigers eingegossene Versteifungsrippe konnte infolgedessen mit dem Wasserspiegel verwechselt werden. Der Kessel war ursprünglich mit 5 at, seit 5 Jahren jedoch nur mit 4 at Druck betrieben worden. Bei der Explosion wurden beide Flammrohre ausgebeult, das linke Flammrohr war aufgerissen; beide Flammrohre waren stark ausgeglüht. Wassermangel, dessen Ursache nicht aufgeklärt ist, verursachte die Explosion eines Zweiflammrohrkessels von 103 m2 Heizfläche. Der Kessel war 13 Jahre in Betrieb; er hatte Flammrohre, die aus Wellrohrschüssen zusammengesetzt waren. Das eine davon wurde bei der Explosion eingebeult und aufgerissen. Durch Nachverbrennung im Oberzug wurde ein Zweiflammrohrkessel zerstört. Der Kessel hatte Quersieder und einen walzenförmigen Dampfsammler. Letzterer lag in einem besonderen Oberzuge über dem Flammrohrkessel. Der Betriebsdruck betrug 12 at, die Heizfläche 95,77 m2 bei 3,15 m2 Rostfläche. Bei dem Kessel war die ursprüngliche Planrostfeuerung durch eine Evaporatorfeuerung ersetzt worden, obwohl der Dampfkessel-Ueberwachungsverein unter Hinweis auf die Gefahr von Nachverbrennungen im Oberzug die Genehmigung nicht erteilt hatte. Die Befürchtungen erwiesen sich als richtig. In den Oberzug mitgerissene unverbrannte Brennstoffteile entzündeten sich und verringerten die Festigkeit des Dampfsammlers durch örtliche Ueberhitzung. Zwei seiner Schüsse wurden ausgebeult, während der erste Schuß auf 570 mm Länge und 80 mm Breite aufgerissen wurde. Dabei wurde das 11 mm starke Blech an den Rändern bis auf 1,5 mm ausgezogen. Bei einer Anlage von sieben Zweiflammrohrkesseln mit je 87 m2 Heizfläche war während des Krieges wegen Sodamangels die Wasserreinigung eingestellt worden. Infolgedessen hatten sich Anfressungen gezeigt, besonders an den Wellrohren. Nachdem schon sechs Kessel ausgebessert waren, stand der letzte kurz vor der Reparatur, als er explodierte. Dabei wurde der Wellrohrschuß des linken Flammrohres eingedrückt und aufgerissen. Infolge Anfressungen durch Rost wurde ein Einflammrohrschiffskessel mit Feuerkammer und rückkehrenden Heizröhren zerstört. Dieser Kessel war auf dem Schleppdampfer „Kyffhäuser“ so eingebaut, daß der hintere Kesselboden in der Bilge lag. Hier sammelte sich das Leckwasser, und dieser Teil des Kessels konnte infolgedessen nicht besichtigt werden. Etwa 40 cm vom hinteren Kesselboden war das 11 mm starke Mantelblech auf etwa 1 mm Stärke abgerostet. Diese starke Schwächung des Bleches hatte sich bei einer drei Jahre vor der Explosion erfolgten Wasserdruckprobe nicht bemerkbar gemacht. Infolge der Anfressungen des Bleches, das ein sehr schlechtes, schieferartiges Gefüge hatte, explodierte der Kessel. Der Kesselmantel wurde vollständig aufgerollt und 50 m weit fortgeschleudert, der übrige Kesselkörper flog 8 m weit. Der Dampfer sank infolge der Explosion. Ein anderer Schiffskessel gleicher Bauart mit 60 m2 Heizfläche und 13 at Betriebsdruck explodierte ebenfalls während der Fahrt. Als Ursachen wurden festgestellt: Lösen der Stehbolzenverbindungen, die schlechtes Gewinde hatten, sowie wahrscheinlich Ueberschreitung des zulässigen Höchstdruckes. Jedenfalls fand man bei der nachfolgenden Untersuchung ein Holzstück, das genau zwischen die Oese des Belastungsgewichtes des Sicherheitsventils und die an dieser Stelle etwas ausgebeulte Decke der Kesselkappe paßte. Bei der Explosion wurde die Umlaufwand der Feuerkammer von den Stehbolzen abgedrückt und eingebeult. Dadurch riß das Flammrohrblech, das in die Feuerkammer vorgezogen war, in den Nietlöchern auf und verursachte eine Oeffnung von 320 mm Breite. Auf Ermüdung des Bleches wird die Explosion eines Wasserrohrkessels von 150 m2 Heizfläche und 10 at Betriebsdruck zurückgeführt. Der Vorderboden des Oberkessels wurde in der ganzen Krempung durchgedrückt, der oberste Niet mit einem Stück des Mantelbleches abgerissen. Die Blechstärke reichte rechnungsmäßig aus, wenn auch nur knapp; der Krümmungsradius der Krempung war jedoch sehr klein, ein Fehler, auf den in der Dampfkesseltagung des V. D. I. mehrfach besonders hingewiesen ist. In schart gekrempten Kesselböden haben sich vielfach hohe Spannungen gezeigt, die zu Rissen führten. Als besonders ungünstig bei dem vorgenannten Kessel kann man die Anbringung der Speiserohrmündung in der Nähe der unteren Bodenkrempe betrachten. Dadurch war auf letztere der Speisewasserstrom gerichtet, so daß zusätzliche Wärmespannungen auftraten. Außer diesen 10 Kesselexplosionen des Jahres 1922 ist noch eine nachträglich gemeldete Explosion aus dem Jahre 1921 anzuführen. Ein Zweiflammrohrkessel mit 74 m2 Heizfläche und 10 at Betriebsdruck zerriß infolge eines Blechfehlers. Der verletzte Mantelschuß, in dem der Fehler saß, wurde längs aufgerissen, die Rundnähte um mehr als drei Viertel des Kesselumfanges aufgerollt. Der explodierende Kessel flog 15 m seitlich, der hintere Teil eines Nachbarkessels gleicher Größe wurde um 10 m verschoben. Bei den 11 Explosionen wurden 8 Personen tödlich, 6 Personen schwer und 16 leicht verletzt. Schon diese Zahlen geben alle Veranlassung, den Explosionsursachen nachzugehen, um möglichste Verminderung der Unglücksfälle zu erreichen. Die erheblichen Materialschäden durch die Explosionen geben naturgemäß noch besonderen Anlaß, nach den Fehlern zu forschen. Der hohe Prozentsatz der Explosionen durch Wassermangel zeigt deutlich Mängel in der Bedienung. Das Kesselhauspersonal braucht nicht immer nachlässig oder gar so leichtsinnig zu sein, daß es die Sicherheitsventile feststellt, um Ursachen zu Explosionen zu geben. Oft genug ist mangelhafte Ausbildung schuld, die die Leute unglaubliche Fehler, wie falsches Einsetzen der Wasserstandsgläser, der Dichtungen dafür usw. begehen läßt. Die wahre Schuld dürfte in solchen Fällen allerdings meist den Betriebsleiter treffen, der aus falscher Sparsamkeit ungeeignete Leute an den falschen Fleck stellt. Die Fehler durch Blechschwächung bestätigen die Erfahrung, daß die Wasserdruckprobe kein sicheres Bild von der Widerstandsfähigkeit des Kessels liefert. Selbst stark beschädigte Kessel zeigen sich oft noch völlig widerstandsfähig. Dringend erforderlich ist, den Einbau der Kessel so vorzunehmen, daß sie möglichst in allen Teilen der Besichtigung zugänglich sind. Das Unglück auf dem Dampfer „Kyffhäuser“ dürfte zu denken geben. Auf die Anforderungen an die Beschaffenheit der Kesselbleche, auf die Gefahren scharfgekrümmter Kesselböden, hohen Nietdrucks bei der Herstellung usw. hier einzugehen, fehlt der Raum. Ich verweise auf das Sonderheft „Hochdruckdampf“, das der Verein Deutscher Ingenieure herausgegeben hat. Der lange Zeit als Stiefkind behandelte Dampfkessel ist in der neuesten Zeit stark in den Vordergrund gezogen worden, wodurch auch die erfolgten Unglücksfälle erhöhte Bedeutung gewinnen. Durch sie müssen Fehler erkannt und infolgedessen vermieden werden, sonst können bei den angestrebten Höchstdrücken die verheerendsten Folgen eintreten. Parey. Bergbau und Hüttenwesen Luxemburgs im Jahre 1922 lassen eine merkliche Besserung erkennen. Die Eisenerzgewinnung in jenem Jahre belief sich auf 4,49 Mill. t was 1,46 Mill. t oder 48,07 % mehr sind als im Jahre 1921. Allerdings bleibt die 1922er Förderung immer noch hinter derjenigen des letztes Friedensjahrs um 2,84 Mill. t oder um 38,79 % zurück. Auch die Ausfuhr Luxemburgs an Eisenerz zeigt, entsprechend der Förderzunahme eine beachtenswerte Steigerung; mit 1,92 Mill. t macht sie jedoch nur 66,06 % der Eisenerzausfuhr von 1913 aus. Nach Deutschland gingen im Berichtsjahr 1922 rund 982000 t gegen 1,14 Mill. t im Jahre 1921. Hiervon erhielt das besetzte Gebiet 512000 t oder 52,19 %, das unbesetzte Deutschland 469000 t = 47,81 %. Die Einfuhr Belgiens an luxemburgischem Eisenerz hat sich 1922, bei 748000 t mehr als verdoppelt. Frankreich bezog in 1922 nur 190000 t Eisenerz aus Luxemburg, während es in 1913 annährend die doppelte Menge davon bezogen hatte. Folgende Uebersicht, nach Glückauf Nr. 52 vom 29. Dezbr. 1923, möge hier Platz finden: Eisenerzgewinnung Luxemburgs. Jahr Menget WertFrcs. Wert pro tFrcs. 1913 7333372 21965818 2,99 1921 3031626 26461773 8,73 1922 4488974 37116900 8,44 Eisenerzgewinnung nach Bezirken. Bezirk 1913t 1921t 1922t DifferdingenEschRümelingen 290140219500502481920 1004005  8976891129932 162871713121951548062 Zusammen t 7333372 3031626 4488974 Eisenerzausfuhr Luxemburgs. Jahr Loth-ringent Saar-bezirkt Rheinld.-Westfal.t Deutschld.insgesamtt Belgient Frank-reicht Gesamt-ausfuhrt 1913 278760 240240 541350 1060350 1470350 375400 2906200 besetzt. Gebiet unbes. Gebiet 1921 444781 698994 1143775   357776   167031 1668582 1922 512481 469492   981973 747853 190082 1919908 Im Luxemburgischen Eisenerzbergbau waren in 1922 3928 Arbeiter beschäftigt, das sind 32,36 % weniger als im Jahre 1913, aber 16,94 mehr wie im Jahre 1921. Die Löhne sind naturgemäß auch hier stark gestiegen; Die Förderleistung aber ist noch unter jener von 1913, während der gezahlte Lohn etwa 3 ½ mal so hoch, wie folgende Zahlentafel zeigt. Im luxemburgischen Eisenerzbergbau betrug Jahr dieZahl d.Ar-beiter die Lohnsumme die Jahresförderungpro. Arbeiter insgesamtFrcs. pro. ArbeiterFrcs. Menge tons Wert in Frcs. 1913 5807 11447865 1971 1262 3783 1921 3359 23227670 6915   903 7878 1922 3928 27732346 7060 1143 9449 Zahl der Arbeiter in der Eisenindustrie. Jahr Hochofen-betrieb Stahlwerke Walzwerke Gießereien 1913 5233 6514 432 1921 3237 1213 2536 714 1922 4004 1632 3328 840 Im Hüttenwesen des Ländchens zeigt sich folgender Entwicklungsgang: Roheisenerzeugung. Jahr Zahl der Hochöfen Roheisen erzeugt Wert prot in Frcs. insges. davon inBetrieb Menge t Wert in Frcs. 1913 45 45 2547861 163359161   64,11 1921 47 18 bis 23   970336 239257324 246,57 1922 47 27 bis 30 1679318 363651540 217,74 Verbrauch der Hochöfen. Jahr InländischesEisenerzt FremdesEisenerzt GesamtEisenerzt Kokst Verbrau pro tRoheisen Eisenerzt Kokst 1913 8653670 3,396 1921 2561368 480067 3041435 1199995 3,134 1,237 1922 4681419 823010 5504429 2213332 3,278 1,318 Die Rohstahlerzeugung kommt im letzten Jahre der Friedensproduktion 1914, die 1913er Zahlen liegen nicht vor, schon ganz wesentlich näher als die Roheisenerzeugung. Ebenso ist die Produktion der Walzwerke beträchtlich gestiegen und die Erzeugung der Gießereien Luxemburgs hat die Friedenshöhe wieder erreicht. Rohstahlerzeugung. Jahr Stahlblöcke Elektrostahl Menget Wert zus. inFrcs. Wert prot Frcs Menget Wert zus.Frcs. 1914 1128791 77097187   68,35 7704 3093750 1921   750974 219836385 292,73 3098 3955250 1922 1387902 373362405 269,01 6070 4605305 Walzwerkserzeugung. Gießerei-produkte Jahr Halbzeugt Eisenbahnoberbau-materialt Trägert Stabeisent Walz-drahtt Band-eisent t 1914 385148 80702 208011 214988 51330   6481 26513 1921 231212 99189 102058 112286 51819 11585 16097 1922 485315 79294 197472 332112 67646 32713 26496 Si. Der Triebwagen im Eisenbahnverkehr. Solange es Eisenbahnen gibt, so alt ist auch das Bestreben, den Verkehr nach Möglichkeit wirtschaftlich zu gestalten. Dies ist bei der Benutzung von Dampflokomotiven, die ja das erste Beförderungsmittel nach der Erfindung der Eisenbahn darstellen, nicht in allen Fällen möglich. Vor allen Dingen nicht da, wo es sich um schwach belegte Strecken oder um stoßweisen Verkehr handelt, wie zum Beispiel um den Berufsverkehr größerer Städte (die Reichshauptstadt ist hierbei auszunehmen) wo aber andererseits die Grenze der Wirtschaftlichkeit der Straßenbahnen aufhört. Von großer Wichtigkeit ist, daß die Triebwagen dazu berufen sind, Lücken im Fahrplane auf wirtschaftlichste Weise auszufüllen. Ferner im Vorortverkehr zumal in den Stunden des schwachen Andranges den Betrieb aufrechtzuerhalten. Auf den großen durchgehenden Strecken ist es das Bestreben der Eisenbahnverwaltung, um einen möglichst hohen Wirtschaftlichkeitsgrad zu erzielen, die Züge möglichst lange Strecken durchfahren zu lassen. Um nun aber auch den dazwischen liegenden Städten und Ortschaften Gelegenheit zum Anschluß an diese Durchgangszüge, zu bieten, sind die Triebwagen wiederum das gegebene Beförderungsmittel und zwar sowohl für vorwärts als auch für rückwärtige Verbindungen. Dazu kommt noch die Verwendung der Triebwagen als Zubringer von Seiten- und Verbindungsbahnen, was besonders für ländliche Gegenden von großer Bedeutung ist. Hier ist der Triebwagen unbedingt am Platze, wie er sich auch seit seiner Erfindung in diesem Falle restlos und vorzüglich bewährt hat. Es ist naheliegend, daß der älteste Triebwagen als Antrieb eine Dampfmaschine hatte und in seinem ganzen Bilde eigentlich nichts weiter darstellte als eine Lokomotive mit festangebautem Personenraum. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Technik, besonders auf dem Gebiete der Elektrizität, kann man es für selbstverständlich ansehen, daß der elektrische Betrieb auch für Eisenbahn-Zwecke, insbesondere natürlich für Triebwagen zur Einführung gelangte. So kamen zunächst die Akkumulatorentriebwagen, die ja heute noch auf zahlreichen Strecken der Reicheisenbahn im Betrieb sind, zustande, die aber neben den relativ hohen Beschaffungskosten den Nachteil haben, daß sie ein außerordentlich hohes Gewicht besitzen und außerdem in ihrer Freizügigkeit durch die Abhängigkeit von den Ladestationen beschränkt sind. Mit der Erfindung der Verbrennungsmotoren trat auch der Triebwagenbau in eine neue Entwicklungsstufe ein. Gerade dieser Motor hat den Vorteil, Brennstoffe verwerten zu können, die als Abfallstoffe bei der Verkokung der Steinkohle gewonnen werden. Von großer Wichtigkeit für jeden Triebwagen ist, daß der Wagen nicht nur in einer Richtung benutzt werden kann, d.h. nicht wie z.B. unsere großen Lokomotiven am Ende ihrer Fahrt auf einer Drehscheibe umgedreht werden müssen, sondern daß sie, wie z.B. die Straßenbahnwagen, ohne weiteres am Ziele ihrer Fahrt von dem Fahrer auf der anderen Seite bestiegen werden können, um dann von dort aus zur Rückfahrt benutzt zu werden. Textabbildung Bd. 339, S. 117 Triebwagenzug. Textabbildung Bd. 339, S. 117 Getriebe. Bei der Entwicklung der durch Verbrennungskraftmaschinen bewegten Triebwagen hat die Entwicklung des Automobilbaues, vornehmlich des Automobilmotors, eine vorbildliche Rolle gespielt. Nun liegen aber die Verhältnisse des Eisenbahnbetriebes ganz anders, als die des Automobilbetriebes. So ist es erklärlich, daß die Verwendung des Benzin- oder Benzolmotors für den Eisenbahnbetrieb lange Zeit daran scheiterte, daß die einfache unmittelbar mechanische Kraftübertragung durch Zahnradwechselgetriebe, wie sie bei den Kraftfahrzeugen allgemein eingeführt sind, nicht ohne weiteres auf den Eisenbahnbetrieb übertragen werden konnte. Der Grund hierfür lag teilweise in einem Vorurteil gegen die Verwendung zu stark beanspruchter Zahnräder, das vielleicht berechtigt sein konnte, andererseits aber auch in der Eigenart der beabsichtigten Verwendung, bei der es sich nicht nur um die Schaltung allgemein beträchtlich großer Leistungen bei niedrigen Drehzahlen handelt, sondern um die Mitwirkung sehr großer bewegter Massen während des Schaltvorganges. Die Folge davon war, daß der Gedanke, einen Benzolmotor für Triebwagen zu verwenden, zum Bau benzolelektrischer Wagen führte. Dies ist ein Fahrzeug, bei dem durch einen Verbrennungsmotor eine Dynamo angetrieben wird, dessen Strom dem eigentlichen Antriebsmotor des Wagens zugeleitet wird. Hierbei brachte die Entwicklung, genau wie bei dem Akkumulatorenwagen, zunächst die maschinelle Anlage im Innern des Wagens. Die Nachteile dieser Anordnung waren, daß durch die von dem Motor ausgestrahlte Wärme und durch die Ausdünstungen der Maschinen die Luft im Wageninnern verschlechtert wurde; andererseits wirken auch die Geräusche der Motoren und die bei ihrem Gange entstehenden Erschütterungen recht störend. Dazu kam noch, daß die Zugänglichkeit zu den einzelnen Teilen recht schwierig war, so daß man sich späterhin entschloß, den motorischen Teil ganz aus dem Wagen herauszunehmen und in den an den Wagenenden befindlichen Drehgestellen unterzubringen. Für diese Gattung von Triebwagen wurde ausschließlich die Verbrennungskraftmaschine „Deutz“ mit 6 paarweisen in V-Stellung angeordneten Zylindern benutzt. An Stelle des Benzolmotors ist späterhin der günstigen Entwicklung des Dieselmotors folgend dieser als Antriebmaschine für Triebwagen verwendet und 1914 auf der baltischen Ausstellung in Malmö ein 5achsiger Dieselelektrischer Triebwagen gezeigt worden, dessen dreiachsiges Drehgestell mit einem 200 PS Sulzer Dieselmotor ausgerüstet war. Der Nachteil dieses Wagens lag vor allen Dingen in der Schwierigkeit des Anlassens des Motors und in der Beschaffung der hierfür erforderlichen Preßluft. Dies wurde vermieden bei dem 1922 von der Sulzer Maschinenfabrik für die Schweiz gelieferten Dieselelektrischen Wagen mit dem kompressorlosen Dieselmotor von gleichfalls 200 PS Leistung. Kurz vor dem Kriege wurden bei der württembergischen Bahn 4 Daimler-Wagen in Betrieb genommen, bei denen die Achsen durch ein mechanisches Vorgelege von dem Verbrennungsmotor angetrieben wurden. Diese Wagen können als Vorläufer zu den neueren Benzoltriebwagen angesehen werden, bei denen dasselbe Verfahren, wie im Großautomobilbau üblich, angewandt wird. Abweichend davon haben die „Linke-Hofmann-Lauchhammer A.-G.“ in Gemeinschaftsarbeit mit der „Nationalen Automobil-Gesellschaft“ und der „Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft“ einen Triebwagen herausgebracht, dadurch charakterisiert, daß die Betätigung des Wechsel- und Wendegetriebes sowie die Regulierung des Motors durch Preßluft erfolgt. Die grundsätzliche Unterteilung der Triebwagen ist, wie in jedem Eisenbahnwagen, das Untergestell und der Wagenkasten. Das Untergestell nimmt den gesamten maschinellen Aufbau auf. Es kann zwei- oder vierachsig mit Drehgestell ausgearbeitet sein und je nach den zu stellenden Anforderungen mit einem oder zwei Motoren ausgerüstet werden. Der maschinelle Aufbau ist in seinen Grundzügen dem Automobilbau entnommen. Der Antriebsmotor kann als Vier- und Sechszylindermotor ausgebildet werden. Er arbeitet im Viertakt und entwickelt als Sechszylindermotor 75 PS. Die sechs Zylinder stehen in drei Blöcken nebeneinander. In der Regel wird der Motor elektrisch angeworfen; doch ist für den Fall, daß die Akkumulatorbatterie einmal versagen sollte, auch eine mechanische Anlaßvorrichtung vorgesehen. Als Brennstoff kommen Benzin, Benzol, Tetralin oder Gemische von diesen zur Verwendung. Ganz besondere Sorgfalt wurde dem Geschwindigkeitsgetriebe gewidmet. Hierfür wurde eine Anordnung gewählt, bei der so viele Zahnräder dauernd im Eingriff bleiben, als Uebersetzungen gewünscht werden. Das Aus- und Einrücken der Gänge erfolgt durch Kupplungen, die durch Preßluft betätigt werden. Jede stoßweise Beanspruchung des Zahngetriebes ist dadurch vermieden worden. Wichtig ist, daß für jeden Geschwindigkeitsgang eine Kupplung vorhanden ist. Das Luftsteuerventil führt dem Kolben Luft zu, dessen Zahnräder die Kraft übertragen sollen, während alle anderen Zahnräder leer mitlaufen. Der Vorgang im Getriebekasten ist folgender: Die Motorwelle arbeitet durch die Zahnräder auf die Nebenwelle, auf der die verschieden großen Zahnräder fest aufmontiert sind. Auf der Getriebewelle selbst sitzen lose die Kupplungsräder und mit diesen starr verbunden die Kupplungstrommel. Soll nun der erste Gang eingeschaltet werden, so läßt der Wagenführer Druckluft in den Zylinder „1“ durch Drehen der Fahrkurbel auf Fahrstellung „1“. Diese Druckluft bewegt den Kolben „1“ und drückt durch eine Hebelübertragung die inneren Kupplungsteile gegen die Kupplungstrommel. Die Getriebewelle wird nunmehr mit der Geschwindigkeit des ersten Zahnradpaares mitgenommen. Durch Weiterdrehen der Fahrkurbel auf Fahrstellung „2“ wird der erste Zylinder entlastet und es wiederholt sich der soeben beschriebene Vorgang durch den zweiten Zylinder. Das Fahren ist sehr einfach. Der Führer braucht nur, um die Fahrbewegung einzuschalten, durch einen Hand- oder Tretkontakt den Motor anzulassen, sodann zum Anfahren die Kurbel auf Fahrstellung „1“ zu drehen. Um eine ruckweise Beschleunigung der Fahrgeschwindigkeit zu vermeiden, wird vor Uebergang von der ersten zur zweiten Geschwindigkeitsstufe die Umlaufzahl des Motors durch Abdrosselung von Gas vermindert und dann das zweite Zahnräderpaar durch Weiterdrehen der Fahrkurbel auf Fahrstellung „2“ eingeschaltet, wobei die Motorumdrehzahl wieder gesteigert wird, bis die Höchstgeschwindigkeit erreicht ist. Das Wendegetriebe hat die Aufgabe, die Fahrtrichtung des Wagens zu ändern. Da diese Fahrtrichtungsänderung nur bei Stillstand des Wagens erfolgen soll, so ist die beim Automobil bewährte Bauart übernommen worden, mit der Abänderung, daß die Betätigung nicht auf mechanischem Wege durch Hebelübertragung, sondern durch Luftdruck erfolgt. Der Antrieb des Wagens geschieht durch eine Welle mit zwei Kardangelenken, die durch Kegelräder auf die Wagenachsen wirken. Es können auch von einem Wendegetriebe aus gleichzeitig zwei Achsen angetrieben werden. Die Wagen sind mit Handspindel- und mit Luftdruckbremsen ausgerüstet, welch letztere durch den Luftkompressor gespeist werden. Die Beleuchtung ist elektrisch und geschieht durch eine von dem Verbrennungsmotor angetriebene Dynamomaschine, die für die Dauer von Aufenthalten durch eine Akkumulatorenbatterie, welche zugleich als Puffer gegen auftretende Stromstöße dient, unterstützt wird. Infolge der Anwendung der Preßluft für die Umsteuerung des Motors und für die Schaltung der Geschwindigkeitsgetriebe können auch zwei und mehrere Wagen zusammengekuppelt werden. Hierbei ist es möglich, die Motoren des ganzen Wagenzuges von einem Fahrer aus steuern zu lassen. Durch diese Anordnung wird erreicht, den Verkehrsbedürfnissen in weitgehendstem Maße Rechnung zu tragen, indem entweder der einzelne Triebwagen oder aber dieser mit einem oder mehreren Anhängern gefahren werden kann. Die Entwicklung der Triebwagen kann keineswegs als abgeschlossen betrachtet werden, sondern es ist anzunehmen, daß mit der fortschreitenden Durchbildung der kompressorlosen Dieselmotoren sich auch für den Triebwagen noch eine erhöhte Wirtschaftlichkeit im Eisenbahnbetrieb erzielen läßt.