Titel: | Polytechnische Schau. |
Fundstelle: | Band 339, Jahrgang 1924, S. 144 |
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Polytechnische Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszüge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Gold aus Quecksilber. Eine aufsehenerregende Kunde
durcheilt vom Photochemischen Institut der Technischen Hochschule in Charlottenburg
aus die Welt. Wie der Leiter des Instituts, Professor Dr. Miethe mitteilt, ist es
ihm und seinem Assistenten Dr. Stammreich gelungen, im Niederschlag auf den
Innenwandungen einer Quecksilberlampe Gold nachzuweisen. Eine wiederholte und
sorgfältige Prüfung ergab mit Bestimmtheit, daß das Gold nicht etwa im
Ausgangsquecksilber vorhanden war und auch nicht durch die Zuführungen in die Lampe
gelangt sein konnte. Hieraus zog Professor Dr. Miethe den Schluß, daß sich das Gold
durch Atomzerfall des Quecksilbers gebildet haben müsse, und diese Ueberzeugung
befestigte sich ihm während der drei Monate, in denen die Versuche vielfach
wiederholt wurden.
Noch vor wenigen Jahren wäre die Behauptung, ein Element sei in ein anderes
verwandelt worden, ohne weiteres in das Reich der Fabel verwiesen worden; aber
gegenwärtig ist uns die Umwandlung eines chemischen Grundstoffs in einen andern an
sich wohl vertraut. Wir kennen einige dreißig solcher Vorgänge, die auch unter dem
Namen der radioaktiven Erscheinungen allgemein bekanntgeworden sind. Falls auch das
Quecksilber, was bisher nicht angenommen wurde, zu den radioaktiven Stoffen gehört,
ist in der Tat die Entstehung des Goldes zu erwarten, da dessen 197 betragendes
Atomgewicht dem des Quecksilbers mit 201 unmittelbar benachbart ist.
Trotzdem wird die Nachricht überall das größte Staunen hervorrufen, und, falls
sie sich endgültig bewahrheitet, woran wohl nicht zu zweifeln ist, von allergrößtem
Einfluß auf unsere Vorstellungen vom Bau des Atoms und der darin herrschenden Kräfte
sein. Bisher kannte man nämlich nur freiwilligen Atomzerfall, der sich durch
keinerlei physikalische oder chemische Mittel beeinflussen ließ. Die völlig
unveränderliche Geschwindigkeit, mit der sich diese Vorgänge abspielten, war in
vielen Fällen sogar das wichtigste Erkennungsmittel, mit dem man einen solchen
radioaktiven Stoff vom andern unterschied. Daß sich nun ein sonst überhaupt nicht
eintretender Zerfall durch ein verhältnismäßig einfaches und harmloses Mittel, wie
es doch die von Miethe verwendeten 170 Volt elektrische Spannung sind, herbeiführen
läßt, ist im höchsten Grade verblüffend.
Endgültige Aufklärung über diese Vorgänge kann natürlich nur die weitere Untersuchung
bringen. Durch Bekanntgabe der Ergebnisse seiner Beobachtungen und der Schlüsse, die
er daraus zieht, lädt Professor Miethe die gesamte Fachwelt zur Mitarbeit ein, die
den zahlreichen über diese Frage zu erwartenden Arbeiten mit großer Spannung
entgegensieht. Die wissenschaftlichen Fragen, die dabei zu klären sind, sind von der
allerhöchsten Wichtigkeit für unsere Kenntnis vom Bau der Atome. Die wirtschaftliche
Bedeutung freilich, an die mancher bei der Herstellung von künstlichem Gold
vielleicht zunächst denkt, ist nicht groß.
Der Wert des von Professor Miethe hergestellten Goldes dürfte ungefähr ein
dreißigstel Pfennig betragen. Aber abgesehen von der noch zu klärenden Bedeutung
seiner Arbeit für die Atomtheorie hat er die Wissenschaft um einen schönen Versuch
bereichert. Das Gold, das sich nach Auflösung des Quecksilbers in Würfel- oder
Oktaederform auskristallisieren läßt, bietet, freilich nur unter dem Mikroskop,
einen schönen Anblick.
Prof. Dr. Kirchberger.
Das Elektronmetall. Das Magnesium hat bis vor wenigen
Jahren wenig Beachtung gefunden, obwohl es leichter als Aluminium ist. Weil es mit
sehr hellem Licht verbrennt, hat es bis jetzt für Blitzlicht in der Photographie,
für Leuchtkugeln und Fackeln Verwendung gefunden und auch als Desoxydationsmittel in
der Gelbgießerei. Neuerdings findet dieses Metall in Legierungen auch im
Leichtmotorenbau und in der Feinmechanik Verwendung.
Die Rohstoffe, aus denen das Magnesiummetall durch Elektrolyse abgeschieden wird, vor
allem Karnallit (Magnesiumkaliumchlorid) finden sich in Deutschland in großen
Mengen, während dagegen Bauxit, aus dem Aluminium gewonnen wird, eingeführt werden
muß. Eine bewährte Legierung des Magnesiums ist die von Mach angegebene
Magnaliumlegierung, die Aluminium und Magnesium enthält. Bis zu 10 v. H. Magnesium
ist die Legierung sehr dehnbar, mit 10 bis 30 v. H. läßt sie sich zwar gut gießen
und auch gut bearbeiten, wird aber um so spröder, je höher der Magnesiumgehalt ist.
Die Widerstandsfähigkeit gegen chemische Einflüsse ist aber gering, sie wird vom
Seewasser stark angegriffen. Dagegen sind Legierungen des Magnesiums, die 80–99,5 v.
H. Mg. und neben Aluminium auch etwas Zink und Kupfer enthalten, gegen
Atmosphärilien widerstandsfähig. Diese Legierung wird von der Chemischen Fabrik
Griesheim-Elektron hergestellt. Das Elektron hat dasselbe Aussehen wie Aluminium. Es
werden hiervon vier verschiedene Legierungen hergestellt, die sich in Hinsicht auf
Zugfertigkeit, Dehnbarkeit, Härte und elektrische Leitfähigkeit unterscheiden. Das
spez. Gewicht liegt dabei zwischen 1,73 und 1,84, während reines Magnesium das spez.
Gewicht 1,7 und Aluminium 2,7 hat. Das Elektronmetall schmilzt zwischen 630 und 650
Grad (Magnesium bei 633, Aluminium bei 657 Grad). Zum Einschmelzen der Legierung
benutzt man Kessel aus Schmiedeisen oder Stahlguß, aber keine Graphittiegel, weil
das Elektronmetall von der Kieselsäure, die im Graphittiegel enthalten ist,
angegriffen wird. Diese Schmelztiegel bestehen aus einem Gemisch von feuerfestem Ton
und Graphit. Das Elektron zersetzt in kurzer Zeit den Graphittiegel unter Bildung
von Siliziumverbindungen.
Von Laugen wird Elektron im Gegensatz zum Aluminium nicht angegriffen, dagegen von
Säuren, auch von der Essigsäure stark aufgelöst, nur gegen konzentrierte Flußsäure
ist es beständig. Während Wasser es mit der Zeit angreift, widersteht es den
Einflüssen der Luft, da es sich sehr bald mit einer Oxydschicht überzieht, die das
metallische Elektron schützt. Das Elektron läßt sich durch Gießen, Warmpressen,
Walzen und Ziehen bearbeiten. Zwischen 220 und 250 Grad ist es auch schmiedebar. Das
Elektron verschmiert nicht im Gegensatz zum Aluminium die Werkzeuge. Es kann auch im
Knallgasgebläse mit Hilfe eines geeigneten Schweißpulvers geschweißt werden, aber
nur bei großem Wasserstoffüberschuß und schwieriger ah Aluminium. Noch schwieriger
ist das Löten von Elektron. Abfallspäne entzünden sich an der Luft, wenn sie
über 400 Grad erhitzt werden. Deshalb ist bei der Bearbeitung ein zu starkes
Erhitzen zu vermeiden. In Brand geratene Elektronspäne können nicht mit Wasser
gelöscht werden, weil Magnesium Wasser unter Knallgasbildung zersetzt und
Stichflammen bildet. Das Ablöschen geschieht am zweckmäßigsten mit Sand. Zu gießen
ist das Elektron in gut getrockneten Sandformen, Kokillenguß kann nur bei ganz
einfachen Formen und großen Wandstärken angewendet werden. Die elektrische
Leitfähigkeit beträgt je nach Zusammensetzung 12–22 (für Kupfer 56, Aluminium 33).
Der Temperaturausdehnungskoeffizient ist 0,0038. Auf gleiche Gewichtsmengen bezogen,
leitet das Elektronmetall doppelt so gut wie Kupfer. Aus Elektron werden Gehäuse für
Kleinmotoren, Apparategrundplatten für die Elektrotechnik usw. hergestellt. Gegen
Feuchtigkeit wird die Legierung am besten durch Lacküberzug geschützt.
W.
Unlösliche Anoden für die Kupfergewinnung. Da die
Gewinnung von reinem Kupfer aus seinen Erzen umständlich ist, hat man bereits
versucht, das Kupfer billig und auf kürzestem Wege aus seinen Erzen durch
Elektrolyse zu gewinnen. Bis jetzt ist dies nur bei der Verarbeitung von Brochantit,
einem Kupfersulfat, mit wirtschaftlichem Erfolge gelungen. Im nördlichen Chile
bauten zu diesem Zwecke Siemens & Halske 1914 eine große Anlage, die täglich
über 150 t Elektrolytkupfer liefern sollte. Weil aber beim Laugen dieses Erzes
schädliche Verunreinigungen, wie Salz und Salpeter, mitgelöst werden, so war es
schwierig, ein geeignetes Anoden-Material für die Elektrolyse zu finden. Am Anfange
wurde Magnetit, Eisenoxyduloxyd verwendet. Die in Deutschland hergestellten
Magnetitstäbe zeigten Rißbildung und wurden bald zerstört. Deshalb wurde später
Siliziumeisen verwendet, das aber auch zerstört wurde. Am besten hat sich
schließlich eine Legierung von Kupfer mit Silizium (15 ÷ 20 v. H.) Mangan (2 ÷ 15 v.
H.) Blei (½ ÷ 10 v. H.) und etwas Calzium oder Barium bewährt. Der Anodenverlust
beträgt dabei nur 1 v. H. des an der Kathode abgeschiedenen Kupfers und der
Elektrolyt wird durch keine schädlichen Stoffe verunreinigt. Die Badspannung beträgt
bei einer Stromdichte von 150–200 A/m2 2–2,5 V.
Anoden aus Blei, wie sie als unlösliche Anoden bei der Aufarbeitung von alten Bädern
üblich sind, haben gegenüber den genannten Anoden den Nachteil, daß in eisenhaltigen
Bädern die Stromausbeute gering ist. (Elektrotechnische Zeitschrift 1924, S.
503.)
W.
Die schattenlose Grubenlampe. (Geh. Regierungsrat Max Geitel.) Wenngleich die Einführung der elektrischen
Beleuchtung unter Tage zu den segensreichsten Maßnahmen gehört, die sich im
neuzeitlichen Bergwerksbetriebe vollzogen haben, so ist doch andererseits nicht zu
verkennen, daß die elektrische Grubenlampe gewisse Nachteile hat, die durch ihr
grelles Licht verursacht werden, und deren Beseitigung bisher nur in unvollkommenem
Maße gelungen war. Diese Nachteile bestehen in unangenehmen und störenden Reflexen
und Lichtbrechungen. Dadurch, daß das den unteren und oberen Teil der Grubenlampe
verbindende Gestänge einen Schattenkegel verursacht, der schon auf eine Entfernung
von zwei Metern eine Breite von etwa 45 Zentimetern hat, wird der Bergmann
wiederholt gezwungen, seine Tätigkeit zu unterbrechen, an seine Lampe
heranzukriechen und diese umzudrehen, weil der Schattenkegel das Arbeiten erschwert.
Hierdurch wird nicht nur nutzbare Arbeitszeit verschwendet, sondern auch Gelegenheit zur
Beschädigung der Lampen gegeben.
Man hat nun versucht, die grelle Wirkung der elektrischen Grubenlampe dadurch zu
beseitigen, daß man ihre Kuppelgläser, die nach der Vorschrift der Bergbehörden eine
Wandstärke von vier bis sechs Millimeter haben müssen, aus Opalglas herstellte oder
sie nach den üblichen Verfahren ätzte oder mattierte. Der Erfolg blieb jedoch aus,
insbesondere ergab sich ein erheblicher Lichtverlust. Die Einführung von
Sonderglassorten brachte allerdings kleine Vorteile in der Lichtwirkung mit sich,
scheiterte aber an den hohen Kosten. Schließlich vermochte auch eine Aenderung in
der Anordnung der Elektroden keine Abhilfe zu schaffen.
Nunmehr hat die Grubenlicht -G. m. b. H. in Dortmund die Aufgabe, ein zerstreutes Licht zu schaffen, dadurch gelöst, daß sie
ein Kuppelglas mit kristallinischem Steinkrustenüberfang, Petersglas genannt, schuf,
das eine dem Tageslicht ähnliche Grubenbeleuchtung ohne merklichen Lichtverlust
erzielt, einen größeren Lichtkreis gibt und eine wesentlich gleichmäßigere
Beleuchtung des unterirdischen Raumes bringt. Infolge der erzielten mittelbaren
Beleuchtung wirft das Gestänge keinerlei Schattenkegel und das Licht tritt in
hinreichender Menge in die Spalten des Gebirges. Eine Blendung des Arbeiters ist
ausgeschlossen, und der geringe Lichtverlust wird durch die bessere Lichtverteilung
aufgewogen. Das weiche Licht übt einen wohltätigen Einfluß auf die Augen aus; die
der Netzhaut nachteiligen ultravioletten Strahlen sind, wie wissenschaftlich
festgestellt worden ist, beseitigt. Das Auge kann, ohne daß ein Zittern eintritt,
voll und offen in das Licht hineinschauen. Das Augenzittern, Nystagmus, wurde bei
den Bergarbeitern bereits im Jahre 1861 festgestellt und bildet den Gegenstand der
Arbeiten einer von der preußischen Regierung eingesetzten Sonderkommission. Nach den
in England, Belgien und Deutschland angestellten Ermittlungen erkrankten im Mittel
etwa zwanzig vom Hundert aller Arbeiter unter Tage an jener Augenkrankheit. Wenn
auch die Zahl der durch Augenzittern dauernd arbeitsunfähig Werdenden auf nur 0,2
vom Hundert sämtlicher Grubenarbeiter geschätzt wird, so ist dennoch der
Förderungsausfall infolge von Feierschichten und der hierdurch verursachte
wirtschaftliche Schaden sehr erheblich, ganz abgesehen von der Schädigung der
betroffenen Bergleute. In England, wo mehr als sechstausend Bergleute infolge von
Nystagmus feiern, schätzte man im Jahre 1922 den verursachten Schaden auf etwa eine
Million Pfund Sterling.
Dampfkesselüberwachung. (V. D. I. an den Preußischen
Landtag.) Der preußische Minister für Handel und Gewerbe hat angeordnet, daß von
jedem Dampfkesselüberwachungsverein Betriebskontrolleure aus dem Heizerstand auf
Vorschlag der örtlich maßgebenden Gewerkschaften eingestellt werden und daß bei
jedem Dampfkesselüberwachungsverein ein Arbeitsausschuß für Dampfkesselüberwachung
unter Beteiligung der Arbeitnehmerorganisationen errichtet wird. Für den Fall, daß
die Ueberwachungsvereine nicht innerhalb einer bestimmten Frist den Anordnungen des
Ministers Folge leisten, hat er ihnen die Entziehung der von ihnen wahrgenommenen
obrigkeitlichen Ueberwachungsbefugnisse in Aussicht gestellt.
Gegen diese Maßnahmen haben der Zentralverband der Preußischen
Dampfkesselüberwachungsvereine, führende wirtschaftliche und
technisch-wissenschaftliche Verbände in eingehend begründeten Entschließungen
Stellung genommen. Innerhalb des Vereins deutscher Ingenieure haben sich sämtliche
(31) Bezirksvereine, die sich zur Sache geäußert haben, in ablehnendem Sinne
ausgesprochen. Auch die Beratung der zum Vorstandsrat am 31. Mai d. J. in Hannover
versammelten Abgeordneten sämtlicher 48 Bezirksvereine des Vereins deutscher
Ingenieure hat einstimmig zu dem gleichen ablehnenden
Ergebnis geführt, und zwar im wesentlichen aus folgenden Erwägungen:
Die Maßnahmen des Preußischen Herrn Handelsministers sind nicht veranlaßt durch
Mißstände innerhalb der Kesselüberwachung, die sich in ihrer jetzigen Organisation
aufs beste bewährt hat und für das Ausland vorbildlich geworden ist, sondern durch
das Drängen des freigewerkschaftlichen Zentralverbandes der Maschinisten und Heizer,
der als das Ziel die Verstaatlichung der Kesselüberwachung bezeichnet hat. Wenn auch
der Minister diese äußerste Forderung zurückgewiesen hat, so hat er doch
unzweideutig erklärt, daß die von ihm geplanten Einrichtungen nicht aus den
Notwendigkeiten der Kesselüberwachung, sondern aus politischen Erwägungen
hervorgegangen seien. Diese Erwägungen gehen indessen insofern fehl, als sie
Gedankengänge, die für wirtschafts- und sozialpolitische Fragen ihre Berechtigung
haben mögen, schematisch auf das seinem Wesen nach außerhalb jeder Politik stehende
technische Gebiet der Kesselüberwachung übertragen. Die Einschaltung von politischen
Körperschaften in die Kesselüberwachung muß unzweifelhaft zu Störungen führen, die
gerade jetzt verhängnisvoll wirken müssen, wo alle am Dampfkesselwesen beteiligten
fachlichen Kräfte aufs äußerste angespannt sind, um die Fortschritte der
wissenschaftlichen Technik ohne Beeinträchtigung der vollen Betriebssicherheit für
den deutschen Kesselbau auszuwerten.
Hinzu kommt, daß die neuen Einrichtungen zu einer Ueberorganisation schlimmster Art
führen würden. Schon jetzt wirken neben dem Ueberwachungsverein für den
Arbeiterschutz in Kesselhäusern das Gewerbeaufsichtsamt, dem Angestellte aus dem
Arbeiterstande beigegeben sind, die Berufsgenossenschaft, die Gesundheits-, Bau- und
Feuerpolizei, die Ortspolizei, der Betriebsrat und nicht zuletzt die trotz aller
behördlichen Aufsicht mit voller Verantwortung belastete Betriebsleitung. Angesichts
dieser Fülle an Aufsichtsorganen hat das Preußische Handelsministerium selbst
bislang den Ueberwachungsvereinen gegenüber immer wieder betont, daß sie
gewerbepolizeiliche Aufgaben nicht wahrzunehmen hätten. Das Dampfkesselwesen steht
gerade heute in einer so überaus vorwärtsdrängenden Entwicklung, daß es viel
richtiger wäre, den bisherigen Standpunkt des Preußischen Handelsministeriums noch
stärker zu betonen und die Ueberwachungsvereine für ihre wichtigen Auf. gaben
innerhalb der neueren Entwickelung des Dampfkesselwesens noch freier zu machen, als
ihre Betätigung in Richtung des Arbeiterschutzes, für den im übrigen hinreichend
gesorgt ist, zu erweitern.
Anstatt endlich eine organische Entwicklung der Aufsichtstätigkeit für den
Arbeiterschutz unter Einschränkung der zahlreichen vorhandenen Instanzen anzubahnen,
sollen wieder neue Organe unter Hinzuziehung politischer Organisationen angeflickt
werden. Das weitere Aufblähen des Kontrollapparates innerhalb der Staatsverwaltung
muß grundsätzlich vermieden werden, wenn nicht schließlich jedes
verantwortungsfreudige Schaffen erstickt werden soll.
In gleicher Weise sind die geplanten Arbeitsausschüsse bei den
Ueberwachungsvereinen zu verwerfen. Schon jetzt sind alle wirklichen
sachverständigen Kräfte des Dampfkesselwesens außerhalb ihrer an sich stark
belasteten Berufstätigkeit durch die Arbeit in wissenschaftlichen und
wirtschaftlichen Körperschaften derart in Anspruch genommen, daß es kaum noch
gelingt, die wichtigsten Aufgaben für die Entwickelung der Dampfkesseltechnik einer
Lösung zuzuführen. Es bedeutet einen Raubbau an unseren besten Kräften, wenn ihnen
durch immer neue Parlamente erneute Belastung zugewiesen wird, die sie ihrer
beruflichen Tätigkeit entzieht.
Es ist auf das tiefste zu bedauern, daß das Vorgehen des preußischen Handelsministers
in den Beamtenkörper der Ueberwachungsvereine schwerste Erschütterung gebracht hat.
Die in der Kesselüberwachung tätigen Fachgenossen sind von dem Bewußtsein der durch
ihren Eid übernommenen Pflichten voll durchdrungen und haben keinen Anlaß zu
Zweifeln an der einwandfreien Erledigung ihrer Berufstätigkeit gegeben, in denen die
Notwendigkeit neuer Kontrollorgane begründet sein könnte. Sie müssen in ihrem
Gewissen aufs schwerste beunruhigt werden, wenn von ihnen, wie geschehen, während
des Bestehens des Dienstverhältnisses zu ihrem jetzigen Arbeitgeber die Erklärung
gefordert wird, ob sie bereit sind, als Sachverständige für den Staat tätig zu sein.
Daß die hierbei seitens des Herrn Handelsministers gemachten Versprechungen
(Gleichstellung mit den Beamten bestimmter Gehaltsklassen, Alters- und
Hinterbliebenenversorgung) ohne Zustimmung des preußischen Finanzministers erfolgt
sind, darf als feststehend angenommen werden.
Schließlich muß es als unerträglich bezeichnet werden, daß es dem Gutdünken eines
Ressortministers überlassen bleiben soll, übertragene obrigkeitliche Befugnisse aus
Anlässen zu entziehen, die mit der eigentlichen Ausübung dieser Befugnisse keinen
unmittelbaren Zusammenhang haben. Hin solcher Zustand kann nicht als Grundlage für
die gesunde Entwickelung einer dem Gesamtwohl wirklich förderlichen Selbstverwaltung
angesehen werden.
Aus allen diesen Erwägungen beschließt die 63. Hauptversammlung des Vereins deutscher
Ingenieure,
den Hohen Preußischen Landtag zu bitten,
1.den preußischen Herrn Minister für Handel und Gewerbe zu
veranlassen, daß er die bewährte Organisation der Dampfkessel Überwachung
ungeändert bestehen faßt und insbesondere auf die Hineinziehung politischer
Organisationen in die Dampfkesselüberwachung verzieh tet,
2.
dafür zu sorgen, daß den Dampfkessel-Ueberwachungsvereinen
die von ihnen wahrgenommenen obrigkeitlichen Befugnisse nur durch einen
Beschluß des Staatsministeriums im Falle nachgewiesener grober
Pflichtverletzung entzogen werden können.
Dauerleistung eines Motorschiffes. Es ist bereits auf die
Dauerleistung des in Deutschland gebauten Motorschiffes „Zoppot“ hingewiesen
worden. (D. p. J. Band 339, S.71) Wie die Zeitschrift „Schiffbau“ 1924 S. 326
berichtet, hat das bei den Götawerken in Gotenburg erbaute Motorschiff
„Hamlet“ seit dem Jahre 1916 beachtenswerte Reisen ausgeführt. Die
Maschinenanlage hierzu ist von den Atlas-Dieselwerken geliefert worden. Die
beiden „Polar-Dieselmaschinen“ von je 1650 PS machen 120 Umdrehungen. Das
Schiff ist 112 m lang, 16,75 m breit und hat eine Tragfähigkeit von 6800 t. Die seit
September 1916 bis Ende August 1923 insgesamt zurückgelegte Fahrstrecke beträgt 377
894 Sm.
Jahr
1917
1918
1919
1920
1921
1922
Stundenzahl in See
4477
4671
6350
5230
6758
6730
Stundenzahl im Hafen
4283
4089
2410
3554
2002
1336
Zurückgel. Fahrstr. Sm.
41883
43965
58400
47345
62790
40811
Durchschnittlich ergab sich für 1000 t Ladung und 1 Sm. bei 10,6 Kn. Geschwindigkeit
ein Oelverbrauch von 5,45 kg. Unbeabsichtigtes Stilliegen ist durch die
Motorenanlage niemals entstanden.
W.
Dieselelektrischer Schiffsantrieb. In Amerika sind
kürzlich zwei Motorschiffe in Fahrt gesetzt worden („Twin Ports“ und „Twin
Citres“), die für den Verkehr auf den großen Seen und zur Küstenfahrt von
Neuyork nach Westindien bestimmt sind. Länge, Breite und Tiefgang der Schiffe sind
daher durch die Kanalschleusen bestimmt. Die Kanalfahrt verlangt außerdem gute
Manövrierfähigkeit. Diesen Bedingungen entspricht besonders der dieselelektrische
Schiffsantrieb. Die Gesamtleistung von 750 PSe wurde, um die Bauhöhe der Maschinen
möglichst niedrig zu halten, auf 2 Wellen verteilt. Sie sind mitschiffs und zwar in
der Querrichtung aufgestellt, wodurch am Maschinenraum 1,83 m gespart wurden. Die
Elektromotoren sind für den Schraubenantrieb ganz hinten im Schiff angeordnet. Durch
den Fortfall der durchgehenden Wellenleitung zwischen den Dieselmaschinen- und den
Schraubenwellen-Raum, war es möglich, zwischen den beiden Räumen einen gut
ausnutzbaren Laderaum zu schaffen. Da die Elektromotoren eine sehr gute
Regulierfähigkeit besitzen, so ist die Manövrierfähigkeit des Schiffes eine
besonders große. Die Regulierung der elektrischen Widerstände erfolgt von der
Kommandobrücke aus. Da die Umsteuerung ebenfalls auf elektrischem Wege erfolgt, so
laufen die Dieselmaschinen auch beim Manövrieren stets in gleicher Drehrichtung und
gleicher Drehzahl weiter. Die beiden Schiffe sind 78,5 m lang, 13 m breit und 5,7 m
tief. Die Tragfähigkeit beläuft sich für die Kanalfahrt auf etwa 1500 t und die in
See bei Tiefladung etwa 2600 t. Von den 4 großen Laderäumen haben die beiden
mittleren mit einem Fassungsvermögen von 700 t Kühleinrichtungen. Zur Verbesserung
der Steuerfähigkeit ist jedes der beiden Schiffe mit einem Doppelruder versehen.
Beide Ruder sind gekuppelt und werden von derselben Rudermaschine aus betätigt. Die
Schraubenwellen werden von 2 Elektromotoren von je 250 WPS bei 180 Umdr. i. d. Min.
und 230 V angetrieben.
Die beiden Dieselmaschinen von je 375 PSe sind als Viertakt-Sechszylindermaschinen
von der Lombard Governor Co gebaut und unmittelbar mit 250 kW Gleichstromgeneratoren
der General Electric Co gekuppelt. Eine kleinere Zweizylinder-Viertaktdieselmaschine
von 60 PSe ist mit einem 40 kW-Gleichstromgenerator gekuppelt und dient als
Hilfsmaschine für den Hafenbetrieb und auch als Reserve für die.
Hauptdieselmaschinen. Die 3 Maschinen müssen daher parallel auf dasselbe Netz
arbeiten. Die Hauptdieselmaschinen haben 330 mm Zylinderdurchmesser und 495 mm Hub.
Die Drehzahl ist 260 i. d. Min. Die Hilfsmaschine hat 240 mm Bohrung und 343 mm Hub.
Die Drehzahl ist 360 i. d. Min. Die Generatoren sind für 1085 Amper gebaut
und können ohne Störung Stromstöße bis zu 1500 aushalten. Bei den Hauptmaschinen ist
die Steuerwelle oberhalb der Zylinder in der Maschinenachse angeordnet. Dies ergibt
eine Schräglage der Ventile, wodurch ihre Zugänglichkeit begünstigt wird. Wegen der
geringen Höhe des Maschinenraumes müssen die Kolben nach unten herausgenommen
werden. Eigentliche Zylinderdeckel sind deshalb nicht vorhanden. Die Herausnahme,
Prüfung und Wiedereinbau eines Kolbens soll in einer halben Stunde erfolgen können.
Die Luftverdichter sind bei den Hauptmaschinen dreistufig, bei der Hilfsmaschine
zweistufig angeordnet.
Die bisherigen Erfahrungen mit diesen Schiffen haben bereits zu weiteren Aufträgen
geführt. Es hat sich besonders gezeigt, daß mit sehr geringen Geschwindigkeiten
gefahren werden kann. (Schiffbau 1924, S. 397–400.)
W.
Umbauten von Dampfschiffen in Motorschiffe. In letzter
Zeit sind wiederum mehrere Dampfschiffe in Motorschiffe umgebaut worden, um eine
größere Wirtschaftlichkeit im Fahrbetrieb zu erreichen. Das Fahrgastschiff „J. J.
Sister“, beheimatet in Valencia, wurde in Rotterdam mit Dieselmaschinen
ausgerüstet. Das Schiff hat bei 5,38 m Tiefgang 2860 t Wasserverdrängung. Die beiden
Hauptmaschinen sind einfach wirkende Viertaktmaschinen mit 530 mal 530
Zylinderabmessungen. Bei 390 minutlichen Umläufen leistet jede Maschine 3000 WPS.
Bei der Probefahrt wurde mit 200 min. Umläufen eine Gesamtleistung von 2800 WPS
erzielt, bei einer Schiffsgeschwindigkeit von 15,5 kn. Die Schrauben mit je 4
Bronzeflügeln haben 2700 mm Dmr. und 2650 mm Steigung.
Der niederländische Dampfer „Bintang“ mit 9500 t Wasserverdrängung wird
ebenfalls in ein Motorschiff umgebaut. Es ist hierfür eine sechszylindrige
Sulzer-Zweitakt-Dieselmaschine mit 760 mm Dmr. und 1340 Millimeter Hub vorgesehen.
Bei 90 Umdr. i. d. Min. leistet die Maschine 3600 PS. Die Hilfsmaschinen sind
kompressorlose Sulzer-Zweitakt-Maschinen, bei denen die Spülluft in der Kurbelkammer
verdichtet wird. Bei 325 minutl. Umläufen leisten die beiden vorhandenen Maschinen
80 WPS und dienen zum Antrieb von 50 kW-Dynamos. Eine 150 PS – Vierzylindermaschine
mit gleicher Drehzahl ist zum Antrieb eines Hochdruck-Hilfskompressors vorgesehen.
Wie außerdem die Zeitschrift „Hansa“ vom 3. Mai 1924 berichtet, soll der
holländische Dampfer „Turbinia“, der im Jahre 1914 als erstes holländisches
Turbinenschiff mit einfacher Räderübersetzung gebaut wurde, statt der Turbine mit
2000/70 Uml/min. und 1000 WPS eine vierzylindrige Sulzer-Zweitaktmaschine von 1250
WPS erhalten.
W.
Hafenbauten für Königsberg. (Stadtbaurat Kutschke in der Versammlung am 27. Mai.) Die
Notwendigkeit, für Königsberg neue Hafenanlagen zu schaffen, war bereits vor dem
Weltkriege erkannt worden. Es fehlte jedoch damals die Möglichkeit der Ausführung,
da die Festungsanlagen und die Rayonbeschränkungen ein unüberwindliches Hindernis
darstellten. Erst durch den Erwerb des Festungsgeländes der inneren Stadtumwallung
im Jahre 1910 und der daraufhin Zug um Zug erfolgenden Aufhebung der
Rayonbeschränkungen war die Möglichkeit geschaffen, die im Interesse des Handels und
Verkehrs dringend notwendige Hafenerweiterung zur Durchführung zu bringen. In der
damaligen Planung war vorgesehen der Ausbau des Hafenbeckens IV und im Anschluß
daran die Ausführung der Hafenbecken I und II. Das Hafenbecken IV war für die
Industrie in Aussicht genommen, die Becken I und II für den Handel, und zwar
sollte das Becken II Freihafen werden. Für die Erweiterung des Freihafens war das
Hafenbecken III vorgesehen. Als während des Weltkrieges im Jahre 1917 die
Bauarbeiten aus Kriegsnotwendigkeiten stillgelegt werden mußten, waren im
Hafenbecken IV im allgemeinen die Fundierungsarbeiten für die Kaimauer und für die
beiden Getreidespeicher ausgeführt, sowie einige größere Erdarbeiten, Straßenbauten
und Eisenbahnanlagen hergestellt.
Nach Beendigung des Weltkrieges trat die Notwendigkeit, in Königsberg einen
wettbewerbsfähigen Seehafen zu erbauen, infolge der einschneidenden Bestimmung des
Diktats von Versailles auf die wirtschaftspolitische Gestaltung des Ostens
Deutschland noch zwingender zutage als in den Vorkriegszeiten. In dieser Erkenntnis
entschloß sich die Stadt, die Hafenbauten wieder aufzunehmen und in möglichst kurzer
Frist zu einem gewissen Abschluß zu bringen. Dar Durchführung des Unternehmens
stellten sich jedoch so außerordentliche Schwierigkeiten entgegen, daß nur die
Hoffnung bestand, aus eigner finanzieller Kraft die Arbeiten am Hafenbecken IV
vollenden zu können. Infolge des Währungsverfalls schwanden die bereitgestellten
Mittel schnell dahin und die Stadt sowohl als auch die Königsberger Speicher-A.-G.
mußten bald erkennen, daß sie aus eigner Kraft ihr begonnenes Werk nicht vollenden
konnten. Infolgedessen wurde das Deutsche Reich und der preußische Staat um
finanzielle Unterstützung gebeten, um die Arbeiten zu Ende führen zu können. In
Anerkennung der außerordentlichen Wichtigkeit der geplanten Bauanlagen sowie die
Wiederaufrichtung und Entwicklung des deutschen Handels im Osten wurden nach
langwierigen Verhandlungen Reichs- und Staatsmittel für den Zweck zur Verfügung
gestellt, die näheren Bedingungen wurden durch verschiedene finanzielle Verträge
festgelegt.
Auch die Provinz Ostpreußen konnte sich der Ueberzeugung nicht verschließen, daß die
Schaffung eines leistungsfähigen Seehafens für die vom großen Vaterlande abgetrennte
Provinz eine Lebensnotwendigkeit sei, und beteiligte sich auch ihrerseits an der
Finanzierung des Königsberger Hafenbaus. Hierdurch wurde die Fortsetzung der
Arbeiten, wenn auch nur schrittweise, ermöglicht, und dem vereinten Zusammenwirken
von Reich, Staat, Provinz und Stadt ist es zu danken, daß das lebenswichtige Werk in
diesem Jahre in der Hauptsache zu Ende geführt werden kann. Die einschneidende.
Wirkung des Diktats von Versailles auf den deutschen Handel im Osten trat mit ihrer
ganzen Schärfe in Erscheinung, als die Neuentwicklung der jetzt zu anderen
Staatengebilden gehörenden Häfen Danzig und Memel voll einsetzte. Dadurch ist
Königsberg ein großes Gebiet des bisherigen Hinterlandes entzogen worden. Diese
Verhältnisse zwingen dazu, daß Königsberg durch Schaffung technisch vollkommener
Anlagen in seinem Hafen einen Ausgleich schafft für die benachteiligenden Wirkungen
des Friedensdiktats. Vor allen Dingen ist es notwendig, in Königsberg einen
Freihafen herzustellen, in welchem ohne alle Zollbeschränkungen Güter aus den
anderen angrenzenden Gebieten des Hinterlandes eingeführt, bearbeitet und ausgeführt
werden können. Als Becken dieses Freihafens wurde das Becken III, das größte Becken
des geplanten Handelshafens, hergerichtet.
Trotz der politischen Veränderung im Hinterlande ist die geographische Lage
Königsbergs so günstig; daß die Frachten nach dem Königsberger Hafen sich für große Teile des
polnischen Gebiets billiger stellen, als nach dem zum polnischen Zollgebiet
gehörenden Hafen Danzig. Darauf ist es zurückzuführen, daß aus Polen große Mengen
von Holz über Königsberg ausgeführt wurden. Da durch die Eisenbahnumgestaltung und
die Zuschüttung der Festungsgräben große Wasserflächen, die früher für die Läger von
Holzflößen dienten, dem Holzhandel entzogen worden sind, konnte die vorhandene
Einrichtung den Bedürfnissen des Holzhandels nicht mehr genügen, es war daher
dringend notwendig, einen besonderen Holzhafen herzustellen. Als Holzhafen wurde das
Hafenbecken V bestimmt, mit dessen Ausbau bereits begonnen ist, so daß das Becken
voraussichtlich im Jahre 1925 für den Holzhandel zur Verfügung stehen wird.
Zur finanziellen Entlastung der Stadt wurde mit einer Privatfirma ein Abkommen
geschlossen, nach welchem diese Firma das Hafenbecken herzustellen hatte, wofür
dieselbe ein großes Gelände am Hafenbecken V auf längere Zeit nutzen darf.
Neben den außerordentlichen finanziellen Schwierigkeiten stellten sich dem
Hafenausbau die größten Schwierigkeiten entgegen. Des ungünstigen Baugrundes wegen
mußten alle Bauanlagen auf Pfahlrost gegründet werden und wurden beim Hafenbau
nahezu 25000 Rammpfähle geschlagen. Für den Ausbau der Hafenbecken und für die
Aufhöhung des früheren Wiesengeländes waren ungefähr 5 Millionen cbm Boden zu
bewegen. Der Füllboden wurde zum großen Teil in dem nahegelegenen Frischen Haff
gebaggert. Wir haben im Zeitalter der Inflation den Respekt vor den großen Zahlen
verloren, es erscheint deshalb angebracht, die angegebenen Zahlen in einem anderen
Verhältnis im Zusammenhang zum Ausdruck zu bringen. Wenn die Rammpfähle in
Längsrichtung aneinander gereiht werden würden, so würden sie etwa von Königsberg
bis Schneidemühl reichen. Wenn man den gesamten Boden, der beim Hafenbau bewegt
worden ist, in Transportwagen laden würde, wie sie bei großen Erdarbeiten zur
Verwendung kommen, so würde der zusammengestellte Transportzug eine Länge erhalten,
die dem Erdhalbmesser entspricht. Aus diesem Vergleichsbeispiel wird man sich
leichter eine Vorstellung machen können, um welchen gewaltigen Umfang es sich bei
den Bauarbeiten gehandelt hat Berücksichtigt man ferner die außerordentlichen
schwierigen Verhältnisse, die sich in der Nachkriegszeit der Bauausführung durch
Streiks, Aussperrungen, Materialmangel usw. entgegenstellten, so wird man erst zu
einer so rechten Würdigung des Geschaffenen gelangen können.
Mit den vorläufigen Ausbauarbeiten des Hafens wird erst das Rückgrat der künftigen
Gesamtanlage geschaffen. Bis zur Vollendung des neuen Hafens bedarf es noch
vieljähriger Arbeit, an welcher Industrie und Handel tatkräftig mitzuwirken haben
werden. Es wird vor allen Dingen die Aufgabe dieser Wirtschaftskreise sein, das
geschaffene Werk zu beleben. Durch zähe Willenskraft und den Glauben, daß das
begonnene Werk zu Ende geführt werden müsse, ist der Weg für den Wiederaufbau
gewiesen. Wir hoffen zuversichtlich, daß es dem deutschen Handel und der deutschen
Industrie gelingen wird, die jetzigen Schwierigkeiten zu überwinden, und den
Weg zum Aufstieg zu finden.
Anschließend an diese Ausführungen wurden in einer Reihe von teilweise farbigen
Lichtbildern der Stand und Fortschritt der Bauarbeiten, des gesamten
Hafenunternehmens, die sich über 9 Jahre von 1915 bis 1924 erstrecken, den Hörern
anschaulich vor Augen geführt und so ein lebendiger Rückblick gegeben vom ersten
Spatenstich an bis zur Vollendung der Arbeit.
Sprachecke. Man kann etwas teilweise ersetzen, man kann
absatzweise arbeiten, man kann den Blitzschutz auch gemeindeweise zusammenfassen.
Leider aber liest man in technischen Zeitschriften noch recht oft vom teilweisen
Ersatz, von der absatzweisen Arbeit, vom gemeindeweisen Blitzschutz usw. – obwohl
der Verfasser selbstverständlich ganz genau weiß (oder sollte ich mich darin
irren?), daß die Wörter auf „–weise“ Umstands-, aber keine Eigenschaftswörter
sind. Der „teilweise Ersatz“ ist ebenso falsch, wie die „vorsichtsweise
Maßnahme“ oder „der freundlicherweise Gruß“. Wo es keine
Eigenschaftswörter, wie „vorsichtig“ oder „freundlich“ gibt, muß man
sich eben anders helfen und z.B. schreiben: Der Teilersatz, die Arbeit in Absätzen,
der Gemeindeblitzschutz. Der Teilweise ist übrigens nicht der Ersatz, sondern der
Beschränkte, der Absatzweise ist der Schuster und der Gemeindeweise der
Bürgermeister, nicht der Blitzschutz. Als Eigenschaftswörter behandelte
Umstandswörter auf „–weise“ erinnern immer etwas an die zue Tür, das ause
Heft und den aben Kopf.
Ammon.
Technich-Wissenschaftliche Lehrmittel-Zentrale (TWL). Das
planmäßige Sammeln von Zeichnungen und Abbildungen durch die TWL hat nicht nur den
Erfolg, daß eine wertvolle und reichhaltige Sammlung technisch-wissenschaftlicher
Diapositive entsteht, sondern es bietet gleichzeitig für Schriftsteller, die
Darstellungen aus irgend einem Gebiet der Technik für Veröffentlichungen benötigen,
eine geordnete Uebersicht des vorhandenen Bildmaterials. Dieser Vorteil wird mehr
und mehr ausgenutzt und hat schon in manchen Fällen zu einer Erleichterung der
Arbeit bei der Herausgabe von Büchern und der Abfassung von Aufsätzen in
Zeitschriften geführt. Das für alle Beteiligten so ungemein lästige Nachforschn nach
geeigneten Beispielen zur Veranschaulichung irgendeines Gedankens fällt damit fort,
was besonders für die Industriefirmen, die sich mit ihren Bildveröffentlichungen der
TWL anschließen, eine große Entlastung bedeutet. Gleichzeitig wird eine stärkere
Verbreitung der Darstellungen erreicht.
Die Sammlung der TWL ist auf rund 4000 Bilder angewachsen und im raschen Zunehmen
begriffen. Sie umfaßt alle Gebiete der Technik und ihrer Hilfswissenschaften. Genaue
Auskunft über die „Leitsätze für TWL-Lichtbilder“ gibt das in neuer Auflage
soeben erschienene Blatt TWL 1143, das, ebenso wie das Lehrmittel-Verzeichnis, von
der Technisch-Wissenschaftlichen Lehrmittel-Zentrale, Berlin NW. 87, Sickingenstraße
24, kostenlos zu erhalten ist.
Das von der TWL vor einiger Zeit angekündigte Universal-Mechanik-Modell
„Pantechno“ ist jetzt erschienen und zum Preis von 44 Mk. zu
beziehen,