Titel: | Neuere Ziele der Braunkohlenveredlung. |
Fundstelle: | Band 340, Jahrgang 1925, S. 42 |
Download: | XML |
Neuere Ziele der
Braunkohlenveredlung.
Neuere Ziele der Braunkohlenveredlung.
Die heutige wirtschaftliche Notlage unseres Vaterlandes gegenüber anderen
Industriestaaten zwingt uns, mit unseren Bodenschätzen mehr noch als bisher
haushälterisch umzugehen. In ganz hervorragendem Maße gilt dies von der Kohle und
zwar besonders von der Braunkohle.
Während vor dem Kriege die Braunkohle als minderwertiger Brennstoff gering geschätzt
und ihr nur eine nebensächliche Bedeutung beigemessen wurde, ist sie im Laufe der
letzten Jahre zu einem unserer wertvollsten und ergiebigsten Bodenschätze geworden.
Leider hat die Allgemeinheit der deutschen Chemie und des Braunkohlenbergbaues
besonders dem letztgenannten Faktor, der Ergiebigkeit, das in volkswirtschaftlicher
Hinsicht unbedingt erforderliche Interesse noch längst nicht in dem wünschenswerten
weitem Umfange gezeigt, – abgesehen von wenigen großzügigen Einzelunternehmen.
Bis vor kurzem beschränkten sich die auf die Braunkohle angewandten Sparmaßnahmen
lediglich auf die bekannte Wärmewirtschaft großindustrieller Betriebe. Es wurden,
prinzipiell einfach, die Quellen aller Wärmeverluste in Dampfkraftanlagen und somit
erhöhten Kesselkohlenbedarfes durch Temperaturmessungen, Rauchgaskontrollen, beste
Isoliermaterialien usw. auf ein nur erdenkliches Mindermaß herabgedrückt.
Tatsächlich sind durch diese großzügigen Maßnahmen auch beträchtliche Brennstoff
mengen unserer Volkswirtschaft gespart worden. Andererseits versuchte man aus
besonders hochwertiger Braunkohle, Schwelkohle, den Gehalt an
Destillationsprodukten, Gasen und Teer, durch trockene Vergasung herauszuziehen. Die
durch dieses Vorgehen erreichten Vorteile sind insofern ganz bedeutend, als sie die
Grundlage für Ulmfangreiche Paraffin- und Schmierölmöglichkeiten bilden. Der
Schwelrückstand findet als Brennmaterial noch Verwendung, während der sich
ausscheidende Schwelteer in chemischen Fabriken weiter aufgearbeitet wird, bezw.
hier den Rohstoff unzähliger organischer Produkte bildet.
Eine dritte Verwendung findet die Braunkohle endlich als Vergasungsrohstoff in
Schachtgeneratoren. Die früher üblichen Generatoren benutzten teilweise Brikett;
oder auch Nußkohle als Vergasungsmaterial. Der entstehende Teer wurde in kleineren
Anlagen oft als lästiges Nebenprodukt betrachtet. Hier hat in der letzten Zeit
bereits dank der unermüdlichen Arbeit unsere Braunkohlenforschungsinstitute eine
erfreuliche Wandlung eingesetzt, und zwar insofern, als es gelungen ist, sogenannte
Tieftemperaturgeneratoren mit Urteergewinnung zu bauen. Die Vorteile derartiger
Generatoren liegen in der Erzeugung eines hochwertigenHeiz- und Kraftgases
sowie Gewinnung eines edlen Teeres, der noch alle wertvollen gemischten Bestandteile
der Kohle enthält.
In der richtigen Erkenntnis größtmöglicher Sparsamkeit hat man aber auch versucht,
Nebenprodukte bezw. Abfallprodukte der Braunkohlenwerke zu verwenden. Es ist dies
die erst in letzter Zeit erfreulich wachsende Verwendung der Staubkohle und
Brikettspäne in sogenannten Staubfeuerungen (z.B. Bauart A. E. G. oder Möller &
Pfeifer, Berlin u.a.m.). Hier wird zur Beheizung von Dampfkesseln und
schwerindustriellen Ofenanlagen bei Erreichung höchster Temperaturgrade
minderwertigster Braunkohlenstaub unter Einblasen von reichlicher Verbrennungsluft
in sauberer und rationeller Weise verfeuert.
Tief bedauerlich und vollkommen unverantwortlich ist es, wenn diesen hochwichtigen
Forderungen der Volkswirtschaft so wenig Verständnis entgegengebracht wird, daß
einzelne Werke hochwertigste Schwelkohle ohne bessere Ausnutzung einfach auf dem
Rost als Kesselkohle verfeuern! Das ist ein Verbrechen am Eigentum der Nation!, und
zwar ein um so schwerer zu wertendes, als die hierdurch bedingten Verluste niemals
wieder ersetzt werden können. In richtiger Erkenntnis dieser in sehr vielen Fällen
noch herrschenden Interessenlosigkeit gipfeln nun heute die neuesten Ziele der
Braunkohlenveredlung und Sparwirtschaft nicht mehr in der
Konstruktion und Erfindung verfeinerte Verbrauchsmethoden oder Apparate. Sie sind
weit höher gesteckt! Wirtschaftliche Zusammenarbeit der größeren Werke ganzer
Industriezentren wird angestrebt unter Erhaltung und Wahrung der Interessen,
Verwaltungsart und Selbständigkeit jedes einzelnen Teilwerkes. Und zwar wird
beabsichtigt, die vereinzelt angewandten Veredlungsmethoden (Staubfeuerung,
Vergasung, Verschwelung, Urteergewinnung usw.) nach festen Organisationsplänen in
ganzen Kohlenzentren systematisch zur Anwendung zu bringen. Hierdurch soll vermieden
werden, daß beispielsweise ein Werk gute stückige Rohkohle erst mahlt, um sie zur
Staubfeuerung zu verwenden! Das Endziel derartiger Bestrebungen ist nun die
rationellste Verwertung der Braunkohle je nach ihrer Eigenart unter Benutzung
sämtlicher neuzeitlicher Veredlungsverfahren. Wenn uns dies gelingt, dann können wir
erst behaupten, wirkliche Sparmaßnahmen im großzügigsten volkswirtschaftlichen Sinne
durchgeführt zu haben. Auf welchem Wege könnte dies erreicht werden? Durch
Einführung zentralisierter Braunkohlenvergasung und Versorgung eines ganzen
Industriereviers mit Kraft- und Heizgas. Heizgas für die Dampfkesselfeuerungen der
Großkraftwerke, für die Brikettfabriken, die chemische und keramische Industrie und
andererseits Kraftgas für den Antrieb von Generatorgasmotoren (Großgasmaschinen
bezw. Gasturbinen) für direkte Erzeugung elektrischer Energie ohne Benutzung von
Dampfkraft und der mit ihr verbundenen Verlustquellen. Die Gaserzeuger müßten
natürlich Tieftemperaturgeneratoren zur Urteergewinnung sein, wodurch beträchtliche
Nebeneinnahmen erzielt würden. Als Vergasungsrohstoff sind nicht gewöhnliche
Briketts, sondern getrocknete Nußkohlen, die den Vorteil der Ersparnis von
Brikettierungskosten in sich schließen, oder aber besonders hochwertige
Generatorbriketts mit anormal niedrigem Wassergehalt zu benutzen. Es würde an dieser
Stelle zu weit führen, wollte man auf nähere technische Einzelheiten derartiger
Projekte weiter eingehen. Es mag nur gesagt sein, daß diese Pläne und Ziele an
Kühnheit und Größe den neuesten Talsperren- und Elektrifizierungsprojekten als
gleichwertig zur Seite zu stellen sind und auchdurchaus bei etwas gutem Willen
der beteiligten Stellen als durchführbar betrachtet werden können. Ob derartige
Vergasungsanlagen lokal zentralisiert oder auf jedem größeren Werke eingerichtet
werden, das hängt von der weiteren rechnerischen Bearbeitung jener Frage
hinsichtlich Transportkosten usw. ab. Immerhin wird es schon jetzt Aufgabe der
Braunkohlenfachmesse im Frühjahre 1925 sein, die beteiligten Kreise auch auf
derartige Ausbaugedanken hinzuweisen. Sie allein besitzt die bequemsten und
eindruckvollsten Machtmittel, um die Interessenten mit den in Betracht kommenden
neuesten Einrichtungen und Apparaturen bekanntzumachen. Man darf daher wohl der
Hoffnung Ausdruck geben, daß deshalb die fraglichen Industrien es nicht unterlassen
werden, in Anbetracht der hohen volkswirtschaftlichen Bedeutung jener Themen die
Braunkohlenfachmesse nach dieser Richtung besonders wirksam zu bearbeiten.