Titel: Die Energiequellen und Eisenerzvorräte der Welt.
Autor: W. Landgraeber
Fundstelle: Band 340, Jahrgang 1925, S. 100
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Die Energiequellen und Eisenerzvorräte der Welt. Von Bergwerkdirektor W. Landgraeber, Passau. LANDGRAEBER, Die Energiequellen und Eisenerzvorräte der Welt. In Deutschlands größtem und bedeutendstem Kohlenrevier ist nach den neusten Fortschritten der Unternehmungen die Mächtigkeit des kohlenführenden Gebirges durchschnittlich 3000 m. Bis zu einer Tiefe von 2000 m sind hier etwa 100 000 Millionen Tonnen vorhanden. Bei einer weiteren Ausdehnung des Abbaues unter 2000 m Tiefe, in die man heutzutage aber noch nicht gehen kann, sind noch Vorräte von 400000 Millionen Tonnen Kohlen zu erwarten. Insgesamt sind mit Sicherheit noch etwa 500000 Millionen Tonnen vorhanden. Unter Zugrundelegung einer Förderung von etwa 100 Millionen Tonnen im Jahre, würden diese Vorräte etwa 5000 Jahre reichen. In Oberschlesien, Niederschlesien, Sachsen und im Aachener Revier stehen etwa 200 Milliarden Tonnen an. Hinzu kommen noch rund 20 Milliarden Tonnen Braunkohlen. Die Gesamtvorräte der ehemaligen Oesterreichisch-Ungarischen Monarchie werden nach neueren Berechnungen auf etwa 60 bis 70 Milliarden Tonnen Stein- und Braunkohlen geschätzt. Großbritanien und Irland dürften zusammen etwa 200 Milliarden Tonnen besitzen. Rußland einschließlich Sibirien, dessen Schätze allerdings noch nicht genau erforscht sind, bergen nach neueren Schätzungen wenigstens 100 Milliarden Tonnen. Frankreichs Vorräte werden auf etwa 20 Milliarden beziffert. Belgien hat etwa 15 Milliarden Tonnen, Holland 8, Spitzbergen 10, Spanien, Italien, Bulgarien, Serbien und andere europäische Länder insgesamt etwa 20 Milliarden Tonnen. Wenn auch diese Zahlen nur auf Schätzungen beruhen, so darf doch angenommen werden, daß die Kohlenvorräte Europas wenigstens 1000 Milliarden Tonnen betragen. In den außereuropäischen Erdteilen dürften die Reserven an Kohlen auf 10000 Milliarden Tonnen beziffert werden. Die Vereinigten Staaten sind daran in einem Umfang von rund 3500 Milliarden Tonnen beteiligt. Diese Zahlen schließen nicht die erst kürzlich entdeckten Lager in Alaska, Colorado, Neu-Mexiko, Arizona und den Roky Mountains ein. Auch nicht einmal die tief liegenden Flöze, die zur Zeit noch nicht nutzbringend gebaut werden können. Die Kohlenreserven der Vereinigten Staaten reichen bei einer Förderung von etwa 600 MillionenTonnen, wie bisher, für einen Zeitraum von mehr als 6000 Jahren aus. Sie decken gegenwärtig die Hälfte des Weltkohlenbedarfs. In Asien sind bisher 2000, in Australien mehr als 500 und in Afrika etwa 100 Milliarden Tonnen bekannt. Die Kohlenvorräte der Erde sind schätzungsweise vor Ablauf von 7000 bis 8000 Jahren nicht erschöpft. In Anbetracht dessen, daß der Energiebedarf der Erde innerhalb eines Vierteljahrhunderts bis zu 10 Prozent durch ausgebaute Wasserkraft gedeckt wird, dürfte uns eine Erschöpfung der wichtigsten irdischen Energiequellen keine Sorge bereiten. In Amerika ist die Erweiterung der Ausnutzung der Wasserkräfte für elektrische Anlagen in ein Stadium beispielloser Ausdehnung und Konzentration von Kraftwerken eingetreten, und die Tendenz ist allgemein darauf eingerichtet, immer größere Kraftwerke zu schaffen. Anlagen mit über 20 Millionen PS sind nichts überraschendes. Auch in anderen Ländern hat in den letzten Jahren das Bestreben, die Wasserkräfte auszunützen, erhebliche Verstärkung erfahren. Da von den Gesamtvorräten der Welt bisher kaum 6–7 % ausgenützt sind, bietet sich hier zwecks weiterer Ersparung von Krafterzeugungsmitteln ein bedeutsames Feld der Betätigung. In den meisten Ländern hat man Schätzungen über die Größe der Wasserkräfte vorgenommen. Vergleicht man die verschiedenen Zahlenangaben untereinander, so findet man erhebliche Unterschiede. Die Ursache ist vornehmlich darin zu suchen, daß zur Ermittlung der Größe der Wasserkräfte erhebliche Vorbedingungen hinsichtlich der Ausarbeitung von Plänen für die Nutzbarmachung sowie eine mehrere Jahre lang dauernde Beobachtung der Wasserstände und dergl. erforderlich sind. Die Gesamtwassermengen einschließlich der durch Aufspeicherung gesammelten Wasserkräfte der Welt werden auf 5-6 Milliarden PS geschätzt. Praktisch verwertbar dürfte davon jedoch nur eine Menge von 500 Millionen PS bei Niedrigwasser in Frage kommen. Auf Nordamerika entfallen davon etwa 62 und auf die Vereinigten Staaten etwa 30. Am reichsten an noch ungenutzten Wasserkräften ist Afrika mit 190 Millionen PS, Asien besitzt deren 71, Südamerika 54 und Europa 45 Millionen PS. Etwa 40 Prozent aller auf der Erde ausgebauten Wasserkräfte finden sich in den Vereinigten Staaten Amerikas, deren Turbinen usw. eine installierte Leistung von mehr als 9 Millionen PS ergeben. Die Führung unter den Staaten hat in dieser Beziehung Neuyork mit 1,3 Millionen PS, ihm folgt Kalifornien mit 1,11 Millionen PS. Diese Leistung entspricht etwa derjenigen der in der Entwicklung der Wasserkräfte am meisten vorgeschrittenen Ländern Europas, unter denen Frankreich mit 1500000 PS an der Spitze steht. Ihm schließen sich Norwegen mit 1400000, Schweden mit 1300000 und die Schweiz mit 1100000 PS an. Prozentual am meisten verwertet ist die Wasserkraft in den Staaten Neuenglands, wo die Leistung der installierten Betriebsmaschinen 1400000 PS und die geschätzte Wasserkraft bei Niedrigwasser ohne die Speicherungen 900000 PS beträgt. Für die Staaten an der Küste des Stillen Ozeans (Washington, Oregon und Kalifornien) stellen sich diese Beträge dagegen auf 1893 bzw. 11,5 Millionen PS. Die größte Ausnutzung haben auf der Erde bisher die Niagarafälle erfahren. Hier besitzen die im Betriebe befindlichen Kraftwerke eine Leistungsfähigkeit von etwa 900000 PS, wovon fast 400000 PS auf die amerikanische Seite entfallen. Durch Erweiterungen wird demnächst diese Kapazität um 120000 PS auf amerikanischem und um 300000 PS auf dem Gebiete Canadas gesteigert, das in bezug auf ausgebaute Wasserkräfte den Vereinigten Staaten mit rd. 2400000 PS oder mehr als 10 % der auf der Erde verfügbaren Leistung folgt. Ein Drittel der in Benutzung genommenen Wasserkräfte kommt auf Europa, nächst dem dann Japan mit einer Million PS und Indien mit allerdings nur 200000 PS zu nennen sind. Neuseeland hat bisher lediglich 45000 PS ausgebaut, vergrößert diese Leistung aber schnell. Australien steht noch ganz zurück. Dagegen finden sich auf Java bereits 100000 PS ausgenutzt oder in der Verwertung begriffen, während Afrika erst 20000 PS seiner mächtigen Wasserkräfte zur Arbeit herangezogen hat. Die Erdölgewinnung der Welt hat eine gewaltige Zunahme erfahren. Während sie sich um die Jahrhundertwende auf 150000000 Faß (1 Faß – 42 Gall. = 159 Ltr.) belief, ist sie nach einem Jahrzehnt bereits verdoppelt und im Jahre 1920, das eine Gewinnung von mehr als etwa 750 Millionen Faß aufweist, etwa verfünffacht worden. Mit Ausnahme eines kleinen Rückgangs 1905/06 ist seit dem Beginn unseres Jahrhunderts eine regelmäßige starke Zunahme der Erdölgewinnung zu verzeichnen. Diese starke Zunahme der Erdölgewinnung ist vorwiegend auf die Steigerung der Förderung in den Vereinigten Staaten von Amerika und ganz besonders in Mexiko zurückzuführen, während der Anteil Rußlands an der Erdölgewinnung der Welt ganz erheblich zurückgegangen ist. Im Jahr 1923 betrug die gesamte Erdölerzeugung der Welt knapp eine Milliarde Faß, und im Jahre 1924 etwas mehr als eine Milliarde. Die Union ist daran mit mehr als 70 % beteiligt. Mexiko lieferte rd. 145000000 Faß, Rußland 49000000, Persien 30000000, Niederländisch-Indien 15000000, Rumänien rd. 13000000 und die sonstigen Länder etwa 50000000 Faß. Die Petroleumvorräte der Union scheinen allmählich zur Neige zu gehen. Von den ursprünglich als vorhanden angenommenen 15 Milliarden Barrels sind schätzungsweise bereits die Hälfte gefördert worden. Man rechnet damit, daß man in etwa 20 Jahren zu Ende sein wird. Auch die mexikanischen Erdölquellen scheinen etwasnachzulassen. Die Weltvorräte an Eröl sind begrenzt und werden auf etwa 8–10 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Die reichste Petroleumquelle der Welt ist Larao (Venuzuela). Sie liefert täglich 120000 Faß. Da Deutschland arm an Oelen ist, der Bedarf an Oelen aber ständig steigt, so ist das Bestreben der Fachleute schon lang darauf gerichtet, durch Verflüssigung von Kohle die fehlenden Oele zu gewinnen. Bei weitem nicht so günstig wie bei der Energieversorgung der Welt liegen die Verhältnisse in bezug auf Belieferung mit Eisenerzen. Welche Bedeutung für uns die Eisenerzeugung hat, geht daraus hervor, daß diese seit 1871 um das 14fache bis 1913 gestiegen war und um diese Zeit fast 20 Millionen Tonnen Roheisen und fast 19 Millionen Tonnen Rohstahl in Deutschland geliefert wurden. Damit erzeugten wir nicht ganz 25 Prozent der gesamten Welteisenproduktion, nur übertroffen von Amerika mit annähernd 40 Prozent. Leider sind uns 80 Prozent der Roheisen- und Stahlerzeugung von 1913 durch Frankreich und Polen entrissen. Im Jahre 1913 betrug die gesamte Roheisenproduktion der Hauptlieferanten der Welt ungefähr 76 Millionen Tonnen und die Stahlproduktion fast ebensoviel, nämlich 75 Millionen Tonnen. Zur Erzeugung dieser Mengen an Stahl und Eisen stehen der Welt aus Eisenerzlagern, die in Ausbeutung begriffen sind, etwa 35 Milliarden Tonnen Eisenerze zur Verfügung. Außerdem dürften schätzungsweise noch etwa 100 Milliarden Tonnen vorhanden sein, die vorläufig für den Abbau noch nicht in Frage kommen. Bei dem ständig steigenden Verbrauch dieses auf uns alle einen so geheimnisvollen Einfluß ausübenden Eisens dürfte der gesamte Vorrat auf der Erde etwa um die Wende des 20. Jahrhunderts zu Ende sein. Die als wahrscheinlich angenommenen 100 Milliarden Tonnen dürften den Bedarf noch für etwa 100 weitere Jahre decken, dann ist voraussichtlich alles Eisen erschöpft. Während früher Deutschland mit seinen Eisenerzvorräten an der Spitze aller Länder stand, ist es nunmehr nur noch mit einem Anteil von etwas über 2 Prozent der Weltvorräte beteiligt und an die vierte Stelle in Europa gerückt. Frankreich steht dafür nunmehr an der Spitze und besitzt mehr als die Hälfte der europäischen Eisenerzlager, was gleichbedeutend ist mit einem Anteil von 16 % der Weltvorkommen. Es wird nur übertroffen von Amerika, das rund 75 % aller Eisenerzvorkommen der Welt inne hat und alle anderen Länder wie bei den Kohlenvorräten und den Wasserkräften überragt. Die Vereinigten Staaten allein sind mit annähernd 20 % an den Welteisenerzlagern beteiligt. Sie werden übertroffen von Brasilien, das 23 % der Weltvorkommen besitzt. Die Eisenerzförderung in den Vereinigten Staaten betrug im Jahre 1924 53 % der 51 Millionen Tonnen betragenden Weltförderung. Vor hundert Jahren betrug diese kaum 9 Prozent. Als das reichste Eisenerzland der Welt wird neuerdings Brasilien angesehen. Seine Erzreserven werden auf weit über 20 Milliarden Tonnen geschätzt. Die Erze haben einen durchschnittlichen Eisengehalt von 60–70 Prozent und sind hochmanganhaltig, während der Prozentgehalt aller übrigen Eisenerze zwischen 58 und 35 schwankt und zwar wird das schwedische mit 57 % und das norwegische mit 35 % angegeben. Auch das spanische Eisenerz reicht nicht an die Güte des brasilianischen heran. Seine Gewinnung ist zudem außerordentlich leicht und billig, da die Erze als wirkliche Eisenberge zu Tage liegen. Aehnliche erfreuliche Nachrichten über neuentdeckte Eisenerzfunde kommen aus Rußland. Im Gouvernement Oriol, Kursk und Woremesch, nordwestlich von Kursk, ist nach jahrelanger Versuchsarbeit ein ausgezeichnetes Eisenerzlager von ungeheurer Ausdehnung gefunden. Das Lager, ein Magnetit, mit bis zu 70 % Fe soll in einer Breite von 2 Kilometer und in einer Länge von 250 Kilometer nachgewiesen worden sein. Es beginnt bereits in einer Tiefe von 160 Meter. Die Qualität des Erzes kommt dem lappländischen Eisenerz gleich, das bekanntlich zu den besten der Welt gehörte. Auch in Finnland haben neuere Forschungen im Eisenerzgebiet von Kittilä gewaltige Eisenerzvorkommen festgestellt. Eine Schätzung der Vorkommen läßt eine Gesamtsumme von 70 Millionen Tonnen erwarten. Die Formation des Eisenerzgebietes wie auch seine Beschaffenheit und sein Aussehen unterscheiden sich wesentlich von den nordschwedischen Eisenerzfeldern. Aus Schweden kommen Nachrichten des Inhaltes, daß die Eisenerzreichtümer größer, als ehevor vermutet, sind. Von Sachkundigen sind eingehende Untersuchungenüber die Eisenerzfelder in Nordschweden angestellt worden, die ergaben, daß die Lager anstatt nur bis in 300 Meter Tiefe, wie bisher angenommen wurde, bis in Tiefen von 700–800 m hinabreichen. Somit kann statt der früher angenommenen 700–800 Millionen Tonnen, das Doppelte der Erzvorräte, also etwa 1500 Millionen Tonnen angenommen werden. Nebenher konnte bei den Bohrungen, die zur Untersuchung niedergestoßen wurden, beobachtet werden, daß die Güte der Erzsorten erheblich besser war, als die der bisher geförderten. Ferner wurden in Nordschweden auf dem Erzfeld von Mertainen, das bisher unerschlossen war, vor kurzem Untersuchungen angestellt, die eine Eisenquantität von etwa 50000000 Tonnen mit einem Fe-Gehalt von 66 bis 69 Prozent ergeben haben. Aus dem Inhalt der letzten Zeilen ist zu entnehmen, daß es bei genauer Untersuchung immer noch möglich ist, neue Erzlager auf der Welt zu entdecken.