Titel: | Polytechnische Schau. |
Fundstelle: | Band 340, Jahrgang 1925, S. 245 |
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Polytechnische Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Die Londoner Kraftwagenausstellung. Da in diesem
Jahre der Pariser Kraftwagensalon ausfällt, lenkt die Londoner Olympiaschau mehr als
je aller Augen auf sich. 800 Wagenarten findet man ausgestellt, vom Einzylinderwagen
bis zum zwölfzylindrigen; neue Vierradbremsen, ventillose Motoren usw. sind zu
sehen. Auch hier gibt es – wie auf den meisten technischen Ausstellungen der letzten
Zeit – wenig Neues, aber das Alte und Bekannte ist verbessert und ausgebaut.
Interessant ist, daß in England mehr und mehr das übliche Dreiganggetriebe durch das
bei uns schon lange eingebürgerte Vierganggetriebe verdrängt wird. Einige Firmen
zeigen die für England deshalb zweckmäßige Rechtssteuerung, weil dort bekanntlich
links ausgewichen und rechts überholt wird. Eine besondere Neuheit sind
Halbballonreifen, die die Vorteile von Hochdruck- und Ballonreifen vereinigen. Dann
gibt es sechs neue Federungsarten und als Besonderheit Vorderradantrieb. Eine
Vorrichtung reinigt die Luft von Staub, ehe sie in den Vergaser kommt. Die Preise
der Wagen sind niedriger als letztes Jahr; sie bewegen sich für Wagen von 7 bis 100
Pferdestärken zwischen 100 und 3000 Lstr. (Nachdruck verboten.)
P. Waßmann.
110 und 220 Volt. (Nachdruck verboten!) In einer Zeit, wo
man alles normt, fällt es auf, daß zwei Spannungen für elektrisches Licht und kleine
Motorein nebeneinander bestehen; kommt es doch z.B. in Berlin vor, daß die Bewohner
der einen Straßenseite 110, die der andern aber 220 Volt haben, so daß man oft bei
Umzügen seine Lampen nicht mehr brauchen kann. Gebrauchte Glühlampen kauft einem
aber kein Mensch ab, weil man nie weiß, wie lang, oder vielmehr wie kurz ihre
Lebensdauer noch ist. Im Allgemeinen kann man sagen, daß die älteren Anlagen 110,
die neueren aber 220 Volt haben: Man ist mit der Spannung höher gegangen, um an
Leitungsquerschnitt zu sparen, denn für dieselbe Leistung braucht man bei 220 Volt
nur den halben Leitungsquerschnitt wie bei 110 Volt. Da nun die Leitungen aus dem
teuren Kupfer bestehen, fällt das sehr ins Gewicht, allerdings nur für die
Zuleitungen zu den Wohnungen, denn in den Wohnungen muß man den Leitungen aus
Gründen der Festigkeit ohnedies einen größeren Querschnitt geben, als er für die von
ihnen zu leitenden Stromstärken erforderlich wäre.
Den Vorteilen der höheren Spannung stehen aber auch Nachteile gegenüber. Für 220 Volt
kann man beispielsweise keine schwächer leuchtenden Glühlampen machen, als zehn
Kerzen, weil dünnere Glühdrähte nicht haltbar genug wären. Mit demselben Draht kann
man aber bei 110 Volt eine fünfkerzige Lampe herstellen, indem man ihn halb so lang
nimmt. Die Gefährlichkeit elektrischer Anlagen nimmt natürlich mit der Spannung zu.
110 Volt sind im allgemeinen ungefährlich, 220 Volt Gleichstrom auch noch annähernd,
dagegen haben sich die Unfälle bei 220 Volt Wechselstrom etwas erhöht. In Wohnungen
ist die Gefahr allerdings gering, weil man auf dem Fußboden isoliert steht. Die
Gefährdung durch elektrischen Strom tritt nämlich in der Regel nicht dadurch ein,
daß man beide Zuleitungen berührt und sich so zwischen den vollen
Spannungsunterschied von 110 oder 220 Volt einschaltet, sondern schon dann, wenn man
nur mit einem der beiden Drähte in Berührung kommt; der Strom fließt dann durch den
Körper zur Erde, wobei gewöhnlich nur die halbe Spannung wirksamwird. Freilich
genügt das auch schon dazu, einen Menschen zu töten, wenn die „Erde“ sehr gut
ist, wenn man also beispielsweise mit der einen Hand eine Lampe mit Körperschluß –
bei der eine der Zuleitungen in der Lampe den „Körper“ der Lampe berührt und
ihn so unter Spannung setzt –, mit der anderen aber beispielsweise einen Wasserhahn
anfaßt. Ich selbst habe einmal auf eine ähnliche Weise einen heftigen Schlag
bekommen, als ich mit der einen Hand den Fernsprecher anfaßte und mit der anderen
das elektrische Licht andrehte. Es ist außerordentlich gefährlich, mit guter
„Erde“ in Berührung zu kommen, wenn man gleichzeitig eine
spannungsführende Leitung oder einen unter Spannung stehenden Gegenstand
berührt.
Die „Erde“ ist nun im allgemeinen in feuchten Räumen, namentlich wenn sie noch
gewisse Chemikalien enthalten, besonders gut, z.B. also in chemischen Fabriken und
in Ställen, Waschküchen und dergleichen. Man führt die Leitungen deshalb möglichst
außerhalb solcher Räume, z.B. im Freien – aber man muß sie eben doch schließlich
irgendwo einführen, wenn man Elektrizität in den Räumen braucht. Entsteht dann
beispielsweise an irgend einer Vorrichtung die man in der Hand hat, Körperschluß,
oder treten andere Mängel an der Isolation auf, so ist das unter allen Umständen
lebensgefährlich. Nun sind solche Schäden namentlich in rauhen Betrieben kaum zu
vermeiden. Man geht daher neuerdings dazu über, die Spannung für solche Räume bei
Wechselstrom durch Vorschaltung von Spannungswandlern herabzusetzen, und zwar auf
die ungefährlichen Spannungen von 32 oder sogar nur 24 Volt, die niemals
Schädigungen oder den Tod herbeiführen können. In vielen Fällen begnügt man sich
auch damit, an die Steckdosen zum Anschluß beweglicher Geräte solche Wandler
anzuschließen und erst von ihnen aus die Leitung zum Gerät weiterzuführen.
So findet die Technik immer wieder Mittel und Wege, Vorteile auszunutzen – im
vorliegenden Falle also den Vorteil der Spannungserhöhung –, dabei aber die Klippen,
die als Folge solcher Fortschritte oft auftauchen und manchmal erst später erkannt
werden, unter Wahrung der Vorteile zu umschiffen.
Franz Neumann.
Fortschritte in der Seekabeltelegraphie. Am Anfang konnte
man auf Seekabeln nicht einmal mit dem langsam arbeitenden Morseapparat arbeiten,
weil die Stromstöße, die man mit der Taste gibt, das Kabel aufladen und zuerst gar
nicht, nach einiger Zeit aber in gleichmäßigem Fluß aus dem Kabel herauskommen. Man
konnte daher keine Zeichen empfangen und mußte zu verwickelten Einrichtungen
greifen, um überhaupt auf langen Kabeln telegraphieren zu können. Neuerdings hat man
jedoch Kabel bauen gelernt, auf denen man auf große Entfernungen mit Telegraphen
arbeiten kann, die gleich Druckschrift liefern. Es handelt sich dabei um die
sogenannten Krarupkabel, bei denen der Kupferleiter mit Eisen bewickelt ist. Die
Amerikaner verwenden dazu eine Eisenlegierung mit 78,5 vom Hundert Nickel, die sie
Permalloy nennen, und wollen darauf gleichzeitig 5 Telegramme zwischen Amerika und
England mit zusammen 1500 Wörtern in der Minute geben. Der Gegensprechbetrieb – das
gleichzeitige Geben von zwei Telegrammen in verschiedenen Richtungen – ist ihnen
dagegen nicht gelungen. Wie Herr Karl Willi Wagner in der Elektrotechnischen Zeitschrift
berichtet, hat jetzt das Telegraphentechnische Reichsamt diese Frage durch
Verwendung einer Invariant genannten Eisenlegierung mit 40 bis 50 vom Hundert
Nickelgehalt gelöst, und es konnten auf einem Probekabel in der Ostsee, das in
seinen elektrischen Eigenschaften dem oben erwähnten Kabel entspricht, 800
Buchstaben in der Minute in jeder Richtung, im ganzen also 1600 Buchstaben, mit dem
Siemens-Schnelltelegraphen einwandfrei übermittelt werden. Das ist eine ganz
gewaltige Leistung, die nahe an die Höchstleistung des Siemens-Schnelltelegraphen
heranreicht, so daß man durch die Eigenschaften des Kabels in der
Telegraphiergeschwindigkeit und in der Ausnutzungsfähigkeit der Leitung kaum noch
beschränkt ist. Man kann das Telegraphentechnische Reichsamt zu diesem Erfolg aufs
Wärmste beglückwünschen. (Nachdruck verboten.)
K. Ammon.
Einfluß der plastischen Dehnung und Stauchung auf die
Festigkeitseigenschaften. Veränderungen an Eisen unter dem Einfluß einer
einmaligen oder wiederholten Zug- oder Druckbeanspruchung untersuchten Bauschinger,
Muir, Rudeloff und Körber; unter diesen Veränderungen beanspruchen wieder besonders
großes Interesse die unsymmetrischen Effekte, d.h. solche, bei denen das Material
sich dem Zug und Druck gegenüber verschieden verhält. Erhöht sich doch nach
Bauschinger durch überelastische Zugbeanspruchung die Grenze des elastischen
Widerstandes gegen Zug, erniedrigt sich aber gegen Druck. Auf Grund seiner
Untersuchungen macht dann Bauschinger den scharfen Unterschied zwischen der
Proportionalitätsgrenze und der Streckgrenze beim Eisen, der aber für andere
Materialien nicht zutrifft, weshalb G. Masing und W. Mauksch der Proportionalitäts-,
der Streck- und Elastizitätsgrenze bei ihren Untersuchungen über den Einfluß der plastischen Dehnung und Stauchung auf die
Festigkeitseigenschaften und inneren Spannungen des Messings (s. S. 74–90
des 4. Bd. 1. Heft der Wissenschaftl. Veröffentlichungen aus dem Siemens – Konzern,
Berlin 1925) dieselbe Bedeutung beilegen, da so auf Grund verschiedener Anzeichen
und mit verschiedener Genauigkeit der Beginn des plastischen Fließens angedeutet
wird. In diesem Sinne benutzen sie die Ausdrücke Streckgrenze beim Zugversuch und
Stauchgrenze beim Druckversuch, sie geben ja Lasten an mit nachweisbarer plastischer
Formänderung und sind so ein Maß für die Elastizitätsgrenze, haben aber mit der
Streckgrenze beim Eisen nichts zu tun. Bei diesem wie anderen Metallen sind im
Normalfall die Streck- wie die Stauchgrenze einander gleich, differieren aber
erheblich nach vorhergegangener Zug- oder Druckbeanspruchung. Heyn erkannte die
besondere Bedeutung des Bauschinger-Effektes und machte ihn zur Grundlage seiner
Theorie der verborgen elastischen Spannungen zur Erklärung der Verfestigung durch
Kaltreckung, zeigte, daß verborgen elastische Spannungen unter bestimmten
Voraussetzungen sowohl eine Erhöhung der Streckgrenze wie eine Erniedrigung der
Stauchgrenze nach einer vorangegangenen plastischen Dehnung erkennen lassen. Im
normalen Fall wird die Festigkeitsgrenze eines Metalles durch innere Spannungen
herabgesetzt, starke Spannungen sind aber auch an einer sehr dünnen Außenschicht
sehr gefährlich. Verfasser denken sich nun ein Metall aus einer Reihe von Teilen mit
verschiedenen Elastizitätsgrenzen bestehend und nach einer plastischen
Zugbeanspruchung einen solchen Zustand der inneren Spannungen, daß die festeren
Teile unter Zug, die weniger festenaber unter Druck stehen, wobei eine
Verfestigung gegen Zug wie eine Schwächung gegen Druck verständlich erscheint, also
der Bauschinger-Effekt vorläge. Auf diesem Wege hat denn auch bereits in Bd. 3, H.
1, S. 231 der Wissenschaftlichen Veröffentlichungen a. d. Siemens-Konzern G. Masing
in Abänderung der Heynschen-Betrachtungen den Bauschinger-Effekt erklärt, nur nimmt
Heyn zur Erklärung des Effektes und allgemeiner der Verfestigung „verborgen
elastische“ Spannungen an und stellt sie den Eigenspannungen prinzipiell
gegenüber, Masing aber benutzt die letzteren zur Deutung derselben Erscheinungen wie
Heyn seine „verborgen elastischen“ Spannungen. Die Verf. verwenden nun ihre
Untersuchungen zur Prüfung, welche der Auffassungen vorzuziehen sei, indem sie die
Verhältnisse beim Messing ausproben und verwenden dazu eine Stange technisches
Messing von 58 % Cu, deren Brinell-Härte war: nicht erhitzt 109, 7 Stunden auf 200
Grad erhitzt 114, 7 Stunden auf 225 Grad erhitzt 107, 7 Stunden auf 250 Grad erhitzt
108. Demnach beginnt die Entfestigung sich bei 225 Grad leicht bemerkbar zumachen
und es war zu prüfen, ob bei einer Erhitzung auf 200-250 Grad der Bauschinger-Effekt
beseitigt wird oder nicht, und ob derselbe mit den Eigenspannungen oder mit der
Verfestigung als solcher verbunden ist. Die Versuche wurden auf einer
Universal-Prüfmaschine von Mohr und Federhaff ausgeführt, deren Höchstbelastung 50 t
betrug und die zuvor mit Kontrollstab geeicht war. Ihr Antrieb erfolgt hydraulisch
und die Lastanzeige durch Meßdose und Manometer. Zur Messung der elastischen und
bleibenden Verformung diente das Martenssche Spiegelgerät mit 50 mm Meßlänge. Der
Durchmesser der Probe betrug 40 mm.
Beim Stauchversuch wurden auf den Stab zwei schwere Eisenscheiben von 195 mm
aufgeschraubt und damit der Belastungsfall eines beiderseitig gespannten Balkens
geschaffen, der auf Knickung beansprucht wird; beim Zugversuch dienten die
Gewindemuffen, die bei Eichung durch den Kontrollstab verwendet werden, als
Einspannköpfe. Vor jeder Versuchsreihe wurde der Durchmesser der Probe mit einer
Mikrometerschraube neu festgestellt. Die Dehnungsmessung erfolgte mit dem
Martensschen Siegelgerät, wobei als Proportionalitätsgrenze diejenige Spannung
bezeichnet wurde, bei welcher bei gleichbleibendem Belastungszuwachs die Dehnung vom
Mittelwert der vorhergehenden Teildehnungen nur um einen gewissen Betrag abweicht,
nämlich um 0,0005 % der Meßlänge für 1 kg/qmm Lastzuwachs.
Verf. geben in den Tab. 2-6 die Resultate ihrer Versuche an und weisen auf diese
Weise nach, daß der Bauschinger-Effekt nicht nur beim Eisen, sondern auch beim
Messing charakteristisch auftritt, verfolgen ihn systematisch und untersuchen den
Einfluß der Erhitzung auf 200–250 Grad zur Beseitigung von Eigenspannungen. Mit dem
einen Stab führen sie verschiedene Operationen aus, dehnen ihn um 4 % plastisch in
der Zerreismaschine und ermitteln hierauf die erreichte Streck- wie Stauchgrenze,
erstere betrug 28,5 kg pro qmm, letztere 8,4 kg/qmm; auch war der Bauschinger-Effekt
in der ausgeprägtesten Weise zu bemerken. Bei allen ihren Versuchen ergab sich, daß
sich Dehnung und Stauchung genau gleich verhalten und wie durch eine vorhergegangene
plastische Dehnung die Stauchgrenze erniedrigt wird, auch die Streckgrenze nach
einer vorherigen Stauchung sinkt. Die Versuche bzw. die Ergebnisse mit Stab 1–5
haben sie in Kurven wiedergegeben und konnten drei Tatsachen herleiten:
1. der Bauschinger-Effekt tritt beim Messing unter ähnlichen Bedingungen ein wie beim
Eisen,
2. seine Beseitigung ist möglich durch eine Erhitzung auf 200-250 Grad,
3. die durch das Kaltrecken in der Zerreißmaschine bewirkte Erhöhung der Streckgrenze
läßt sich größtenteils durch eine Erhitzung auf 200-250 Grad beseitigen.
Die Mittelwerte der Streck- und Stauchgrenzen sind nach den verschiedenen
Behandlungsarten (+ bzw. – kg/qmm):
Stab im
Vor Erhitzung
Nach Erhitzung
Grad
Streckgrenze
Stauchgrenze
Streckgrenze
Stauchgrenze
im Anlieferungs- zustand
+ 20,6
– 17,6
+ 9,0
– 8,0
625
in plastisch gedehntem Zustand
+ 32,2
– 8,5
– 19,5
200
in plastisch gestauchtem Zustand
+ 8,7
– 30,1
+ 18,7
– 22,6
225
In einer Tab. werden dann noch die Abstände der zugehörigen Streck- und Stauchgrenzen
angegeben und weiteres über die Differenzen dieser ausgeführt, ebenso darüber, wieso
die oft nicht unerheblichen plastischen Formänderungen, die das Messing im Laufe der
Versuche erlitt, keine wirklich bleibende Verfestigung hervorgerufen haben. Verf.
machen dabei den Unterschied zwischen einer wahren und einer scheinbaren
Verfestigung. Eine scheinbare kann durch Verschiebung der inneren Spannungen
vorgetäuscht werden und ist dadurch gekennzeichnet, daß sie sich durch Erhitzung auf
mäßige Temperaturen ohne Rekristallisation beseitigen läßt, während die tiefer
liegende wahre Verfestigung unabhängig von den makroskopischen Spannungsverteilungen
im Metall ist und erst durch Rekristallisation beseitigt werden kann.
Aus den Versuchen selbst ergibt sich: der experimentelle Nachweis des
Bauschinger-Effektes beim kaltgereckten Messing und seine Beseitigung durch
Erhitzung des Messings auf 200–250 Grad, bei dieser Erhitzung wird auch die bei der
plastischen Dehnung auftretende Erhöhung der Streckgrenze größtenteils beseitigt;
der Bauschinger Effekt wie die Erhöhung der Streckgrenze ist auf Eigenspannungen
zurückzuführen; doch steht der Bauschinger-Effekt in keiner unmittelbaren Beziehung
zu einer tiefer liegenden wahren Verfestigung, die von den makroskopischen
Spannungsverteilungen im Metall unabhängig ist.
Dr. Bl.
Verluste durch undichte Ventile oder sonstige
Absperrorgane. Alle Absperrorgane unterliegen einem Angriff durch den
Leitungsinhalt und zwar sowohl in chemischer als auch in mechanischer Hinsicht.
Handelt es sich dann um Wasser, so werden die Dichtungsflächen infolge der
chemischen Verunreinigung des Strömungsmittels je nach dem verwendeten Material mehr
oder weniger schnell angegriffen. Sobald aber erst die geringste Undichtigkeit
entstanden ist, genügt der auf dem Verschluß lastende Druck, einen Strahl entstehen
zu lassen, der den feinen Haarriß bald infolge seiner schmirgelnden Wirkung
erweitert, sodaß der Verschluß seine Aufgabe nicht mehr erfüllt. Vielfach werden die
Verluste durch diese Art Undichtigkeiten unterschätzt, Versuche ergaben aber, daß
eine Oeffnung von 1 qmm bei einem Druck von 10 Atm. stündlich 180 kg Kaltwasser und
etwa 160 kg Heißwasser durchläßt. Diese Verluste bleiben vielfach unbemerkt, da die
Leitungen schließlich in Abwasser-Kanäle ausmünden, die meistens mehr oder weniger
entlegen oder auch sonst unzugängig sind. Dies trifft insbesondere auf die
Schlammablaß-Leitungen vonKesselanlagen zu. Die Verluste infolge der undichten
Ablaß-Ventile waren vielfach so erheblich, daß man auf das Ausblasen verzichtete.
Das ist aber im Hinblick auf die Verdampfung zu bedauern, da der Kesselinhalt wegen
seiner laugigen Anreicherung, welche zudem eine höhere Siedetemperatur erfordert,
einer Verdünnung bedarf und zum anderen sollte auch der Schlamm zur Verhütung von
Kesselsteinansätzen so oft wie möglich entfernt werden. In geordnetem Betriebe wird
täglich bei jedem Schichtwechsel das Ablaß-Ventil 10 Sekunden geöffnet, weil diese
Zeit genügt, den in der Nähe des Ablaß-Stutzens abgelagerten Schlamm hinaus zu
blasen. Das ausblasende Schlammwasser bläst nun bald die Dichtungsflächen unrund,
selbst bei dem hochwertigsten Material, sodaß man schon dazu übergegangen ist, eine
doppelte Absperrung anzubringen.
Die zu solchen Verlusten führenden Mängel der bekannten Ventile sind durch eine neue
Form unter dem Namen „Schlammex“ (Alleiniger Hersteller Chr. Hülsmeyer,
Maschinenfabrik, Düsseldorf) behoben, in der überhaupt die bisherigen
Kegeldichtungen verlassen und die an sich bekannte Stopfbüchsenpackung wieder zur
Anwendung gebracht wurde, jedoch in einer solchen Anordnung, daß ein Verschleiß
derselben durch das ausblasende Schlammwasser vermieden wird. (Abbildung.)
Textabbildung Bd. 340, S. 247
Um einen Kolben mit achsialradialen Kanälen sind
Spezialpackungen angeordnet, die von einer Bronzebüchse umfaßt und mittels
Druckschrauben angezogen werden können. Die Abbildung zeigt das Ventil in geöffnetem
Zustande. Durch Drehen des Handrades gleitet der Kolben nach unten, wo die radiale
Oeffnung unterhalb der unteren Packung sich befindet. Die Druckseite des Ventils
wird dann durch den zylinderischen Teil des Kolbens mit dem ober- und unterhalb
derselben befindlichen Packungen dicht gehalten, sodaß selbst bei 40–50 Atm. nicht
die geringste Undichtigkeit eintritt. Wenn man bedenkt, wie oft sich eine
Kolbenstange an der Dampfmaschine in der Dichtung hin- und herschiebt so wird man
verstehen, daß die Packungen bei dem obigen Schlammex-Ventil jahrelang benutzt
werden können, bevor eine Auswechselung erforderlich ist, die aber so schnell vor
sich geht und so geringe Kosten verursacht, wie das bei den üblichen Stopfbüchsen
der Fall ist.
Hochofenschlacke als Baustoff. Die Roheisenerzeugung
beläuft sich in den Vereinigten Staaten nach dem American Iron and Steel Institut
auf etwa 40 Millionen Tonnen, denen eine Schlackenmenge von annähernd 20 Millionen
Tonnen entspricht. Unter Berücksichtigung eines Preises von rund 1 Dollar für die
endgültige Abscheidung und Entfernung einer Tonne Schlacke würde dies im Falle der
Unmöglichkeit, die Schlacke anderweitig auszunutzen, einem Verluste von 20 Millionen Dollar im
Jahre gleich sein. Nun besitzt aber die Hochofenschlacke glücklicherweise wertvolle
Eigenschaften, die ihre vielseitige Verwendung im Bauwesen gestatten.
Die Betriebe in Amerika, in denen die steinige, an der Luft gekühlte Schlacke
behandelt wird, besitzen alle eine magnetische Scheidungsanlage, welche bis zu 2 %
vom Eisen wiedergewinnen, in der Regel aber nicht unter ½ % Mengen also, die bei dem
heutigen Eisenpreis einem Werte von ½ Millionen Dollar im Jahr entsprechen. Die
Tonnenmenge an steiniger Schlacke, die im Handel umgesetzt wird, beträgt jährlich 7
Millionen Tonnen und ist auf folgende Gebiete verteilt:
Wege- und Straßenbauten
45 %.
Eisenbahnbauten
25 %.
Beton
25 %.
Zement, Steine und verschiedenes
5 %.
Die National Slag Association hat nachgewiesen, daß Hochofenschlacke bei zahlreichen
Arbeiten mit Erfolg verwendet worden ist. So wurden für 506 Gebäude aus Eisenbeton
900 000 Tonnen steinige Schlacke benötigt; unter diesen Gebäuden werden aufgeführt
Kirchen, Banken, Fabriken, Lagerhäuser, Landgüter, Rathäuser, Krankenhäuser, Museen,
Bahnhofsgebäude, Wohnhäuser, Hotels, Schulen usw., die 1–20 Stockwerk hoch sind. Bei
keiner von diesen Bauten ist ein Unglücksfall vorgekommen. Aus besonderen örtlichen
Gründen mußten einige 15 Jahre nach ihrer Errichtung abgerissen werden. Die bei
dieser Gelegenheit vorgenommene gründliche Untersuchung der Baustoffe ergab weder
beim Beton noch bei den Armaturen irgendwelche Fehler. Außer den genannten Gebäuden
sind auch 56 Brücken in den Vereinigten Staaten aus Hochofenschlacke errichtet
worden und zwar von der kleinsten Straßenbrücke bis zur großen Eisenbahnüberführung,
die 150000 m3 Schlackenbeton aufgenommen haben. Im
Jahre 1920 benutzten 40 Eisenbahngesellschaften mehr oder weniger steinige Schlacke
als Baustoff in einer Menge von 1 ¾ Millionen Tonnen. Schließlich nimmt die
luftgekühlte Schlacke eine beträchtliche Entwicklung für Straßenbauten, deren
Verbrauch für diesen Zweck sich heute in Amerika auf über 3 Millionen Tonnen
beläuft. So wurden z.B. unter Zusatz eines bituminösen Gemisches 400 Meilen
staatliche Landstraßen errichtet.
Wenn auch die körnige oder granulierte, d.h. die in Wasser gekühlte Schlacke nicht so
wertvoll ist wie die luftgekühlte, so bestehen doch auch für sie bemerkenswerte
Verwendungsgebiete, die nur an Ausdehnung gewinnen können. Die Portland-Zementwerke
verbrauchen in Amerika rund 1 Million Tonnen im Jahre; jedoch scheint der
Schlackenzement trotz seines Erfolges in seiner Verbreitung durch die beträchtliche
Entwicklung der Zahl und der Leistungsfähigkeit der Zementwerke beeinträchtigt
worden zu sein.
Die Neben- und Kleinbahnen, für die die Erniedrigung der Selbstkosten eine
vorherrschende Rolle spielt, verbrauchen eine weitere Million granulierte Schlacke.
Ferner lassen die Versuche mit aus granulierter Schlacke hergestellten Steinen für
Häuserbauten bei geringem Zusatz von anderen Bestandteilen ebenfalls die Verwendung
von fast 1 Million Tonnen Schlacke wahrscheinlich erscheinen, die in 10 bis 15
Jahren auf 2 Millionen Tonnen erhöht werden können.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß heute oder wenigstens in naher Zukunft der
Handelsverbrauch an Hochofenschlacke in den Vereinigten Staaten die Hälfte ihrer
Gesamterzeugung umfassen wird. Zweifelsohne ließe sich diese Tonnenmenge noch
vermehren,wenn man sich mit Fleiß auf dieses Gebiet verlegt. Die
Schlackenhersteller sind dabei in der Lage, einen merklichen Einfluß auf die
Verbreitung dieses Nebenerzeugnisses durch seine Verbesserung auszuüben. Zu diesem
Zweck müßte zunächst vermieden werden, mit der Schlacke alle Abfälle in Berührung zu
bringen, die sich in der Nähe der Hochöfen anzuhäufen pflegen und deren man sich
durch Werfen in die Schlackenpfanne entledigt, wie z.B. Koksasche, Gichtstaub,
verbrannter Sand und Ton usw. Weiter könnte Unannehmlichkeiten vorgebeugt werden,
die durch ausschließliche Verwendung eines rein kalkigen Flußmittels beim Hochofen
entstehen. Die auf die Weise gewonnenen Schlacken neigen dazu, zu ein Drittel und
sogar zur Hälfte zu zerfallen. Praktisch ist infolgedessen eine Verwendung dieser
Schlacke im steinigen Zustande unmöglich; wenn sie auch im granulierten Zustand für
gewisse Zwecke besser sind, so darf man nicht vergessen, daß der Wert der
granulierten Schlacke an sich immer unbedeutend ist. T)ie Wiedergewinnung von Eisen
aus ihr ist im übrigen nicht möglich. Die Hochofenwerke müssen also überlegen,
welche Einkünfte ihnen der Verkauf steiniger Schlacke bringen kann und sich dem
Zusatz von reinem Kalkstein ohne Dolomit oder einem dolomitischen Kalkstein
widersetzen. Wenn auch die Roheisenerzeugung die Hauptaufgabe des Hochofens ist, so
erscheint es doch von Bedeutung, sich mit dem Wert seiner Nebenerzeugnisse zu
beschäftigen und es ist wohl der Mühe wert, zu untersuchen, ob die Verwendung dieser
Sonderflußmittel die Selbstkosten erhöht oder nicht. Hier scheinen die Meinungen
auseinanderzugehen, doch haben verschiedene Hochofenleiter, die dolomitischen Kalk
benutzt haben, in der Absicht, eine verwendbare Schlacke zu erhalten, erklärt, einen
besseren Ofengang und günstigere Selbstkosten erzielt zu haben. Die Bedeutung der
Schlacken und ihre Verwendungsgebiete überhaupt können noch dadurch gefördert
werden, daß die Hochofenleiter sich darüber klar sind, welche Eigenschaften die
Hochofenschlacke besitzt, und welche sie gegebenenfalls durch besondere Maßnahmen
und Zusätze besitzen könnte, ferner über die Eigenschaften, die sie besitzen müßte,
um bestimmten Zwecken gerecht zu werden. (Revue de Métallurgie.)
Dr.-Ing. Kalpers.
Am Dienstag, dem 6. Oktober, fand zu Düsseldorf die erste Verwaltungsratssitzung des
Deutschen Instituts für technische Arbeitsschulung
unter dem Vorsitz von Generaldirektor Dr. Vogler statt.
Damit ist ein Zeitabschnitt stiller, vorbereitender Arbeit zu Ende gekommen, der mit
der Gemeinschaftssitzung der Fachausschüsse des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute
in Bonn am 24. Mai 1925 begann. Diese Sitzung war der menschlichen Arbeitskraft im
Produktionsvorgang gewidmet und in seiner Einführungsrede wies Generaldirektor Dr.
Vogler damals darjauf hin, daß die deutsche Industrie in der Arbeiterfrage, der
Frage, wie der Arbeiter dem Werk und Werkprozeß innerlich zu nähern sei, sich
festgelaufen habe. Das Deutsche Institut für technische Arbeitsschulung hat nun die
Aufgabe, auf neuen Wegen diese für die Befriedigung der Arbeitsverhältnisse in
unserer Industrie so wichtige Frage zu lösen. Ueber die Gesichtspunkte, unter denen
die Institutsarbeit betrieben werden soll, und über die Mittel, die dabei in
Anwendung kommen werden, sprach Oberingenieur Arnhold,
der Institutsleiter, ausführlich und verwies dabei auf die in diesen Tagen
erscheinende Programmschrift des Institutes: „Der Kampf um die Seele unseres
Arbeiters“, die als Ausgangspunkt das bekannte Manifest des Reichskanzlers Luther an die
Stockholmer Kirchenkonferenz hat. Die Berufsausbildung der Jugendlichen, ihre
pflegliche Erziehung außerhalb der Arbeitszeit, ihre psychotechnische Auswahl wie
die der erwachsenen Arbeiter, die methodisch verkürzte und im Wirkungsgrad
gesteigerte Anlernung der ungelernten Arbeitskräfte, die Erziehung der Arbeiterinnen
und weiblichen Mitglieder der zur Werksgemeinschaft gehörigen Arbeiterfamilien, die
produktive Fürsorge für die Werksveteranen und Invaliden, die organische Verknüpfung
dieser Einrichtungen durch die Werkszeitung, all diese Mittel haben zum Zweck, die
Werkspersönlichkeit für den Arbeiter fühlbarer in Erscheinung treten zu lassen und
beide einander zu nähern. Des weiteren teilte Herr Oberingenieur Arnhold
mit,daß das Institut in einer besonderen Schrift dem Herrn Reichspräsidenten
und den einschlägigen Ministerien Mitteilung von seiner Gründung und seinem
Arbeitsziel zu machen gedenke, und erbat zu diesem Plane die Zustimmung der
anwesenden Herren.
Organisatorisch wird das Institut in der Hauptsache mit den einzelnen Industriewerken
arbeiten und sich auf die Fachverbände stützen. Dabei wird seine Tätigkeit sich
durchaus nicht nur auf dem Gebiete der Eisenproduktion abspielen, sondern auf alle
durch ihre Größe genügend wichtigen Erzeugungsgebiete gerichtet sein. Neben der
Eisenindustrie und dem Bergbau wird es auch die einschlägigen Probleme in den
anderen Industrien umfassen. Sein Grundgedanke ist technische Schulung auf
produktiver Grundlage. Wir werden demnächst weiteres berichten.