Titel: | Versuche über eine Aenderung der physikalischen Eigenschaften von Stahl und Eisen im Wechselkraftfeld. |
Autor: | Konrad Windmüller |
Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 133 |
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Versuche über eine Aenderung der physikalischen
Eigenschaften von Stahl und Eisen im Wechselkraftfeld.
Von Ingenieur Konrad
Windmüller, Studienrat.
WINDMÜLLER, Versuche über eine Aenderung der physikalischen
Eigenschaften von Stahl und Eisen.
Bei allen Metallen, denen durch Wärmebehandlung, z.B. durch Härtung, oder durch
mechanische Bearbeitung eine Erhöhung ihrer Festigkeitseigenschaften gegeben wird,
werden Spannungen zwischen den einzelnen Materialpartien hervorgerufen, die durch
eine molekulare Zwangslage bedingt sind. Für die Technik sind derartige Spannungen
durchweg als schädlich zu bezeichnen, ihre möglichste Aufhebung ist daher
erwünscht.
Der Gedanke lag nahe, zu versuchen, ob nicht durch eine Umlagerung der Moleküle in
einem Wechselkraftfeld diese schädlichen Materialspannungen bei Stahl und Eisen
aufzuheben oder wenigstens zum Teil zu beseitigen wären. Für eine genügende Kühlung
des Untersuchungsmaterials müßte gesorgt werden, da man sonst bei der auftretenden
Ummagnetisierungswärme keine einwandfreien Resultate erhalten konnte.
Bei den vorgenommenen Versuchen wurden nun einmal Härte und Zähigkeit hochgehärteter
Stahlkugeln vor und nach der Behandlung im Wechselkraftfeld bestimmt, weiter wurde
der elektrische Leitungswiderstand von Stahl- und Eisendrahtsorten bei der
Anlieferung und nach wiederholter Ummagnetisierung im Wechselfeld festgestellt.
Die Versuche, die nur als Vorversuche anzusehen sind, haben aber immerhin für die
Technik wichtige Resultate ergeben, sie haben ferner die allgemeine theoretische
Auffassung bestärkt. Die Versuche haben gezeigt, daß durch die genannte Behandlung
die Zähigkeit hochgehärteter Stahlkugeln zum Teil recht erheblich erhöht wurde, ohne
die Härte des Materials irgendwie ungünstig zu beeinflussen, sie haben ferner
gezeigt, daß der elektrische Widerstand von Stahl- und Eisendrähten durch die
Behandlung im Wechselkraftfeld sich ändert, und daß der Mangan- und
Kohlenstoffgehalt hierbei einen bestimmten Einfluß auszuüben scheint.
Die Versuche wurden mit einzölligen hochgehärteten Stahlkugeln der Deutschen
Waffen- und Munitionsfabriken, Berlin, vorgenommen, die zwei gesonderten Lieferungen
entstammten. Die Kugeln wurden einzeln in eine Messinghülse derartig zwischen den
Polen eines aus sehr weichem ausgeglühten schwedischen Schmiedeeisen bestehenden
Elektromagneten fest glagert, daß sie von einem starken homogenen Feld bei
möglichster Vermeidung aller schädlichen Räume durchflutet wurden. Hierbei wurden
die Kugeln teils fünf, teils zehn Minuten hindurch etwa neunzig Ummagnetisierungen
in der Sekunde ausgesetzt. Der Wert für die Induktion B wurde aus den Dimensionen
des Elektromagneten berechnet und betrug etwa 20000 Gauß. Die Messinghülse mit dem
Stahlkugeln wurde während des Versuches durch dauernd zuströmendes Leitungswasser
gekühlt. Die Ableitung der auftretenden Ummagnetisierungswärme muß eine durchaus
genügende gewesen sein, da die behandelten Kugeln die gleiche Härte wie die
angelieferten aufwiesen. Eine einigermaßen unzulässige Erwärmung des
Versuchsmaterials hätte nach der Behandlung eine Verringerung der Härte zur Folge
haben müssen.
Auf eine Erklärung der Begriffe „Zähigkeit“ und „Härte“ kann hier nicht
eingegangen werden. Ich möchte auf die diesbezüglichen grundlegenden
Veröffentlichungen von Stribeck (Zeitschr. d. Ver. Deutsch. Ing., 1900, Seite 73 u.
f.) und von Schwinning (ebenda, 1901, Seite 332–336) hinweisen. Man bezeichnet als
Maß für die Zähigkeit die Arbeitsaufnahme bezogen auf die Volumeneinheit einer
zwischen zwei gleichen Kugeln gedrückten Kugel bis zum Eintritt des ersten Sprunges.
Ausgedrückt wird dieser Wert in mmkg.
Von der ersten Sendung wurden nun vier Paar Kugeln im Anlieferungszustande
untersucht, dieselben zeigten bei einer Härte p = 780 einen Mittelwert für die;
Zähigkeit z = 32 mmkg. Zwölf Paare von den Kugeln der ersten Sendung hatten
nach der Behandlung die gleiche Härte wie die angelieferten Kugeln und einen
mittleren Zähigkeitswert z = 47 mmkg. Es wurde als nach der Behandlung im
Wechselkraftfeld eine Erhöhung der Zähigkeit von 47% bei gleichbleibender Härte des
Kugelmaterials festgestellt. Ein nennenswerter Unterschied für die Einzelwerte von z
bei einer Behandlungsdauer von fünf oder von zehn Minuten konnte nicht gefunden
werden, ebenso war kein Einfluß auf die Zähigkeitswerte bei einer veränderten
Lagerung der Probekugeln während der Versuchsdauer zwischen den Polstücken des
Behandlungsmagneten festzustellen.
Von der zweiten Sendung wurden vierzehn Paar Kugeln im angelieferten Zustande
untersucht. Dieselben zeigten die gleiche Härte wie die Kugeln der ersten Sendung
und denselben Mittelwert für die Zähigkeit z = 32 mmkg. Bei elf Paar Kugeln dieser
letzteren Sendung wurde jedoch nach der Behandlung ein Mittelwert für z von nur 37
mmkg gefunden. Bei der zweiten Sendung konnte also bei gleichbleibender Härte eine
Verbesserung des Probematerials von nur 16% nach der Behandlung festgestellt
werden.
Ob die chemische Zusammensetzung der beiden Probesendungen eine verschiedene, konnte
nicht geprüft werden. Es wäre wünschenswert, wenn die Versuche unter
Berücksichtigung der chemischen Analyse des Versuchsmaterials an geeigneter Stelle
in größerem Maßstabe und vielleicht bei Einwirkung noch stärkerer magnetischer
Wechselfelder fortgesetzt würden. Dem Verfasser steht zurzeit eine zweckmäßig
eingerichtete Versuchsstelle nicht zur Verfügung.
Um weiter festzustellen, ob die Behandlung im Wechselkraftfeld tatsächlich eine
molekulare Umlagerung der Eisenteilchen zur Folge habe, wurde der elektrische
Leitungswiderstand von Stahl- und Eisendrahtproben im angelieferten Zustand und nach
der Behandlung bestimmt. Nach der Theorie können die Molekularmagnete, also die
Eisenmoleküle selber, durch wechselnde magnetische Einwirkung dauernd beeinflußt
werden. Es ist dann z. B. anzunehmen, daß der elektrische Widerstand eines
Eisendrahtes, dessen Moleküle durch die verschiedenen Phasen der Bearbeitung in
einer gewissen Zwangslage verharren, sich ändert, wenn man den Draht in ein genügend
starkes Wechselkraftfeld eintauchen läßt und so durch eine molekulare Erschütterung
die Lage der kleinsten Teilchen des Drahtes zu einander verschiebt.
Um den Einfluß einer solchen Ummagnetisierung zu ermitteln, wurden je drei Versuche
mit einer Stahldrahtprobe und vier Eisendrahtproben, also im ganzen mit fünfzehn
Drahtproben ausgeführt.
Die Messungen der Widerstände wurden mit einer Thomsonschen Doppelbrücke zwischen
Messerschneidekontakten bei 23 cm Abstand und einer Zimmertemperatur von 15,5° C
vorgenommen. Bei den Messungen wurde noch die sechste Stelle hinter dem Komma
beachtet. Die gemessenen Widerstandswerte lagen zwischen den Größen 0,00401 Ohm und
0,02285 Ohm. Die Versuchsdrähte wurden nun fünf Minuten lang in das Feld einer
mit Wechselstrom von 8,2 Amp. und 60 Perioden beschickten Spule von 797 Windungen
getaucht. Aus den Spulendimensionen wurde eine Kraftlinienzahl 59500 berechnet.
Nach der Behandlung wurde der Draht widerstand der fünfzehn Proben abermals bei
derselben Länge und der gleichen Zimmertemperatur von 15,5° C bestimmt. Hierbei
wurde bei den einzelnen Drähten im Mittel eine Veränderung des Widerstandes von
0,21% bis zu 1,42% festgestellt.
In der Tabelle ist die chemische Zusammensetzung der einzelnen Proben und die
Aenderung des Widerstandes angegeben.
Marke
Material
C.
Mn.
Si.
P.
S.
AenderungdesWider-standes
A
Weicher Stahldraht
1,28 %
0,11 %
0,09 %
0,02 %
0,02 %
1,42 %
B
Harter Eisendraht
0,07 %
0,38 %
Spuren
0,07 %
0,09 %
0,5 %
C
Weicher Eisendraht
0,04 %
0,48 %
–
–
–
0,21 %
D
Weicher Eisendraht
0,05 %
0,41 %
Spuren
0,05 %
0,04 %
0,26 %
E
Weicher Eisendraht
0,09 %
0,36 %
Spuren
0,16 %
–
1,13 %
Aus den gefundenen Resultaten ist zu ersehen, daß bei den Proben mit dem größten
Kohlenstoffgehalt die größte Widerstandszunahme beobachtet wurde. Umgekehrt verhält
sich dagegen Mangan. Je geringer der Mangangehalt, um so größer ist die
Widerstandsänderung des Materials nach der Behandlung. Die geringen Beimengungen der
anderen Stoffe (Si, P, S) scheinen keinen Einfluß auf die Aenderung des Widerstandes
ausgeübt zu haben.
Um die Beziehungen zwischen Kohlenstoff- und Mangangehalt und der Widerstandsänderung
nach der Ummagnetisierung genauer übersehen zu können, sind die gefundenen Werte
ihrer Größe nach besonders zusammengestellt:
Marke
Material
C.
Mn.
Aenderung desWiderstandes
C
Weicher Eisendraht
0,04%
0,48%
0,21%
D
Weicher Eisendraht
0,05%
0,41%
0,26%
B
Harter Eisendraht
0,07%
0,38%
0,5%
E
Weicher Eisendraht
0,09%
0,36%
1,13%
A
Weicher Stahldraht
1,28%
0,11%
1,42%
Zum Schluß sollen die Resultate noch einmal kurz zusammengefaßt werden: Nach der
Behandlung im Wechselkraftfeld wurde die Zähigkeit hochgehärteter Stahlkugeln um
16%, im andern Fall um 47% erhöht ohne die Härte des Materials zu verringern. Der
elektrische Widerstand von Eisen- und Stahldrahtproben zeigte nach der gleichen
Behandlung eine Aenderung von 0,21% bis 1,42%. Bei zwölf von fünfzehn Proben war
eine Erhöhung des Widerstandes, bei drei weichen Eisendrahtproben eine Verringerung
des Widerstandes festzustellen. Letztere betrug 0,27%, 0,16% und 1,63%. Der
Kohlenstoff- und Mangangehalt hatte auf die Widerstandsänderung einen ganz
bestimmten Einfluß.
Es wäre zu wünschen, daß die Versuche an geeigneter Stefle in größerem Maßstab
ausgeführt würden. Dies anzuregen, ist der Zweck der vorliegenden
Veröffentlichung.