Titel: Die Mechanisierung der Arbeit in der Gießerei.
Fundstelle: Band 341, Jahrgang 1926, S. 262
Download: XML
Die Mechanisierung der Arbeit in der Gießerei. Von Dr.-Ing. Kalpers, Partenkirchen. KALPERS, Die Mechanisierung der Arbeit in der Gießerei. Mechanisierung – Rationalisierung – Fordismus –, Schlagworte, die man heute täglich liest und hört, und die man nunmehr auch auf den rauhen Gießereibetrieb zu übertragen bestrebt ist. Es entsteht daher die berechtigte Frage: Wo kann hier eine Mechanisierung oder richtiger eine weitere Mechanisierung mit Erfolg Platz greifen und wo ist sie erwünscht oder gar notwendig? Dann weiter: Wie verhalten sich die sozialen Verhältnisse bei uns zur Mechanisierung? Sehen wir uns zunächst den Schmelzbetrieb einer Gießerei einmal an – mag es sich um eine Eisen- oder um eine Metallgießerei handeln –, so wissen wir, daß auf diesem Gebiete gerade in den letzten Jahren in metallurgischer Hinsicht eine besonders eifrige Forschertätigkeit zur Verbesserung der Schmelzverhältnisse, zur Verminderung des Brennstoffverbrauches, zur Entschwefelung usw. mit sichtlichem Erfolg eingesetzt hat; weiter ist uns bekannt, daß wir in dieser Hinsicht führend sind und es nicht nötig haben, sehnsüchtig nach dem Ausland zu blicken. Was hier geschehen kann – und dies ist ja bei Neuanlagen befolgt worden –, ist die geeignetste Anordnung der Schmelzanlage sowohl in nächster Nähe der Gußformen als auch der Schmelzstoffe und weiter die zweckmäßigste Anpassung des Werkes an die Anschlußgleise zum Abladen von Brennstoff und Metall und zum Aufladen der fertigen Erzeugnisse im Interesse einer weitestgehenden Einschränkung der Handarbeit. Eine weitere Art der Rationalisierung sieht Prof. Liefmann (siehe Deutsche Bergwerkszeitung, Jubiläumsausgabe Nr. 5, Dezember 1924, Seite 2) in der technischen Konzentration, und zwar insofern, als er in der Angliederung von Eisengießereien an die Hochofenwerke und in der direkten Behandlung des flüssigen, aus dem Hochofen kommenden Roheisens in der Gießerei bedeutende Brennstoffersparnisse erblickt. Was ist nun zu dieser keineswegs neuen Ansicht zu sagen? Diese Ansicht ist aus dem Grunde nicht neu, weil ja die alten Hochofenwerke bereits früher mit Eisengießereien verbunden waren (z.B. das Gießen von Ofen- und Kaminplatten, von Geschützen, Kugeln). Wenn nun die meisten Hochofenwerke immer mehr von dem Gießereibetrieb abgewichen sind, so müssen doch schwerwiegende Gründe hier den Ausschlag gegeben haben. Diese Gründe liegen aber in der Entwicklung der neuzeitlichen Stahlerzeugung, weiter in der Ausnutzung der wertvoll gewordenen Gichtgase zum Antrieb von Walzwerken und Maschinenfabriken. In dieser Umgebung der Massenerzeugung spielt die Gießerei aber nur eine bescheidene Rolle. Während sie mit einigen Hundert Tonnen im Monat rechnet, gehen die zahlenmäßigen Begriffe eines Hüttenwerkes in die Tausende von Tonnen in 24 Stunden. An sich ist der Gedanke, den Gießereibetrieb beim Hochofenwerk wieder aufzunehmen, auf den ersten Blick verlockend. Aber damit, daß man einfach sagt: Hier dieser Platz in der Hochofennähe wird jetzt als Gießerei eingerichtet ist es noch nicht getan. Dazu bedarf es einer Reihe von nicht billigen Anschaffungen, wie von Formmaschinen, Sandstrahlgebläsen, Sandaufbereitungsanlagen, Modellwerkstätten u.a.m. Weiter ist die Frage der Gießereifacharbeiter, der Former, besonders heute eine sehr heikle. Die in den Bezirken der Hüttenwerke seßhaften Arbeiter sind aber auf den Hütten- und Bergbaubetrieb eingestellt; die Heranschaffung von Facharbeitern stellt daher kein leichtes Problem dar, heute noch weniger, weil die Zahl der guten Former und der Formerlehrlinge bedauerlicherweise ständig im Abnehmen ist. Aber selbst wenn diese Punkte gelöst wären, bleibt noch die Frage der Eisenbeschaffenheit offen. Das flüssige Hochofeneisen ist nicht immer gleichmäßig zusammengesetzt; das Eisen muß sich aber nach der Art der herzustellenden Gußstücke, nach der Wandstärke, der Verwendung usw. richten und von dem Hochofenbetrieb kann man nicht verlangen, daß er sich in erster Linie nach der nur wenig von ihm abnehmenden Gießerei richtet, während die Massenproduktionsstätten, Stahl- und Walzwerke, etwa auf das Eisen warten. Es würde höchstens die Möglichkeit vorhanden sein müssen, die notwendige Verbesserung in der Zusammensetzung (Entschwefelung z.B.) vornehmen zu können. Die idealste Lösung wäre die Einschaltung eines elektrischen Ofens, doch stehen seiner Anschaffung sehr hohe Kosten im Wege. Berücksichtigt man diese und die obigen gewaltigen Ausgaben für Gießereimaschinen, so häufen sich die Schwierigkeiten so, daß die Ansicht Liefmanns für heute nur eine geringe Aussicht auf Erfolg und Verwirklichung hat, vielleicht gar keine. Es ist auch der Umstand zu berücksichtigen, daß die Abnehmer von Gießereierzeugnissen viel besser von den eigentlichen Eisengießereien bedient werden, als dies die Hüttenwerke mit Stahl- und Walzwerken tun können, die nicht auf individuelle Behandlung ihrer Kunden eingestellt sind. Anders ist dies bei den wenigen Hochofenwerken, die das Gießereigeschäft bereits seit Jahrzehnten betrieben, also auch schon über die notwendigen maschinellen Einrichtungen, Arbeiterstamm und, nicht zu vergessen, den treuen Kundenkreis verfügen. Meistens handelt es sich hier um angeschlossene Röhrengießereien, bei denen die Eisenbeschaffenheit ein leichter zu lösendes Problem ist. Diese Werke können zweifelsohne Ersparnisse durch Ausnutzung des flüssigen Roheisens in der Gießerei erzielen, indem sie als Mischer und gleichzeitig als Umschmelzapparat für Gußbruch den elektrischen Ofen oder, wenn dieser ihnen zu teuer ist, einen ölbefeuerten Flammofen verwenden: hier sollte man mit allen Mitteln danach trachten, den Kupolofen so weit wie möglich auszuschalten. Wie steht es nun mit den maschinellen Einrichtungen der Gießerei? Kann hier eine weitere Mechanisierung eintreten? Die wichtigsten Gießereimaschinen, die Formmaschinen, werden heute ständig verbessert und befinden sich auf einem hohen wissenschaftlich durchdachten und praktisch erprobten Stand; dies gilt insbesondere für die deutschen Formmaschinen. Noch mehr aus dem Former herauszuholen, als die Kolonnen Formkästen, die sich abends vor dem Gießen vor seiner Maschine aufstellen, erscheint unter den jetzigen sonstigen Arbeitsbedingungen fast nicht möglich. Unsere Formmaschinen sind auf jeden Fall im ausländischen Wettbewerb mindestens so gut, wahrscheinlich aber besser als die unserer westlichen Nachbarn Belgien, Frankreich und England, Länder, in denen das Gießereiwesen auch stark entwickelt ist; unsere Sandstrahlgebläse gehören zu den besten Systemen. Etwas schwerfällig erscheinen allerdings unsere Sandaufbereitungsanlagen bzw. -Maschinen; eine leichtere Beweglichkeit wäre nicht von Schaden. Aber immerhin ist festzustellen, daß die mechanische Herstellung der Gußform bei uns so entwickelt ist, daß man wesentliche Ersparnisse durch andere Formverfahren nicht erreichen kann. Gewiß soll die amerikanische Schleuderformmaschine und auch die neue deutsche Schleuderformmaschine hervorragend arbeiten, aber schließlich kann sich doch nicht jeder eine derartige Maschine leisten, und von dem allein hängt doch auch Wohl und Wehe der Gießerei nicht ab. Es wurde oben gesagt, unter den jetzigen Arbeitsbedingungen sei eine Steigerung der Formerleistung nicht zu erzielen. Unter anderen Umständen wäre dies möglich, nämlich dann, wenn der Former seine Aufmerksamkeit lediglich auf die Herstellung der Form zusammenfassen kann und nicht gezwungen ist, andere Arbeitsbewegungen und -Leistungen auszuführen. Der Formvorgang an sich – sei es auf der hydraulischen, sei es auf der Rüttelformmaschine – dauert nur einige Sekunden. Wenn aber in einer Schicht ein fleißiger Former nur einige Dutzend Formen fertiggestellt hat, während er es theoretisch auf weit über 100 Stück bringen müßte, je nach der Art des Stückes sogar auf noch mehr, so liegt die Schuld nicht an dem Mann, sondern an dem Umstand, daß er sich mit einer Unmenge von Nebenbeschäftigungen abzugeben hat, die ihn von seiner eigentlichen produktiven Tätigkeit abhalten. Diese Nebenarbeiten bestehen im Heranholen von Formsand, in seiner Aufbereitung, im Auffüllen der Formkästen mit Sand, im Herbei- und Wegtragen der Formkästen und schließlich in der Herbeibringung des flüssigen Eisens, womöglich noch aus einer anderen Halle, und in dem Entleeren der Formkästen nach dem fertigen Guß. Man ersieht hieraus, daß die eigentliche Formerarbeit den Mann eine nur geringe Zeit in Anspruch nimmt im Vergleich zu der gesamten von ihm ausgeübten Tätigkeit. Die fließende Fertigung und das Förderband sind berufen, dem Facharbeiter alle seine Nebengriffe zu ersparen nach dem Grundsatze: Nicht der Arbeiter kommt zu den Stoffen und Werkzeugen, sondern diese kommen zu ihm, damit er sich nicht unnütz zu bewegen braucht. Es wurde schon oben auf den Facharbeitermangel hingewiesen. Aehnliche Verhältnisse herrschen ja auch in Amerika. Aber dieser Mangel an Facharbeitern dürfte allein nicht den Ausschlag gegeben haben; genau so wichtig ist die Frage der Hilfsarbeiter, nur ist das Verhältnis hier umgekehrt, indem also kein Mangel vorliegt, sondern indem ihre hohe Zahl der Betriebsbuchhaltung oft ein erschreckendes Bild verleiht. Auf diesem Gebiet muß der Hebel angesetzt werden. Es glaubt wohl niemand daran, daß die Löhne bzw. die Lohnstaffelung zwischen Facharbeitern und ungelernten Arbeitern (vor dem Kriege bekam der ungelernte Arbeiter 60 bis höchstens 75%, heute 85 bis 91% des Facharbeiterlohnes) so schnell irgendeine Aenderung nach unten erfahren werden. Ersparnisse müssen aber im Gießereibetriebe gemacht werden. In den Lohn- und auch Steuerfragen sind die Werke ziemlich machtlos; sie sind daher gezwungen, die Ersparnisse dort vorzunehmen, wo ihnen diese Möglichkeit gegeben ist. Die Mechanisierung der Arbeit in der bezeichneten Weise mit dem Bestreben, den Former nur für seine eigentliche Berufstätigkeit im engeren Sinne zu verwerten und ihn von allem anderen zu entlasten, dies wird der Grundgedanke sein, dem sich alle Gießereien früher oder später zu unterwerfen haben, damit sie in die Lage versetzt werden, billiger zu arbeiten. Diese Mechanisierung in höchster Vollendung wird der Formmaschine, sei es durch Förderband, Rutschen oder Silos, den Sand ohne Anstrengung des Arbeiters zuführen, die fertigen Formen werden sich selbsttätig auf dem Förderband nach dem Ofen zu und nach dem Gießen zu der Formkastenentleerungsstelle bewegen, die Gußstücke dann in der Putzerei und schließlich in den Bearbeitungswerkstätten landen, während die Kästen wieder zum Former zurückkehren. Bei Rohguß liegen die Verhältnisse noch günstiger, weil die Bearbeitung wegfällt. Der Erfolg bei dieser Fließarbeit ist also ein doppelter: die Leistung des Formers steigt, die Zahl der Hilfsarbeiter sinkt. Durch Verbesserungen der Gießvorrichtungen können ebenfalls weitere Ersparnisse erzielt werden. Bis zur Durchführung dieser Mechanisierung in der Gießerei ist allerdings noch ein weiter Weg, der aber beschritten werden muß, genau wie manche unserer führenden Automobilwerke neuzeitliche Fertigungsverfahren haben anwenden müssen, um den Wettbewerb gegen ausländische, insbesondere amerikanische Wagen aufnehmen zu können. Es drängt sich uns nun die nicht unberechtigte Frage auf: Wie wird sich die deutsche Gießereiarbeiterschaft zu diesen gesteigerten oder zu steigernden Leistungen stellen? Nun, die Wirtschaftslage dürfte wohl Vielen zur Genüge bewiesen haben, daß irgendwelche grundlegende Aenderungen erfolgen müssen, und viele Arbeiter werden auch die Vorteile der Fließarbeit für den Betrieb einsehen. Nur darf sich die Arbeitgeberschaft hier nicht von zu engherzigen Motiven leiten lassen. In allem entsteht Wertarbeit nur durch Lust und Liebe, d.h. in diesem Falle darf die Arbeitsfreudigkeit nicht durch nachträgliche Herabsetzung der Akkorde genommen werden. In manchen Fällen würde sich auch heute vielleicht noch manche Mehrleistung ergeben, wenn der Arbeiter nicht befürchtete, bei zu hohem Verdienst gekürzt zu werden. Bei der mechanisierten Arbeit ist auch die Arbeitskontrolle sehr gering, da ja das Förderband den Arbeiter ständig kontrolliert: er muß arbeiten, denn kaum hat er eine Form in Bearbeitung, so kommt auch schon der nächste Kasten dahergewandert, der ihm das Arbeitstempo aufzwingt. Dadurch, daß der Former sich lediglich dem Formen widmen kann, wird seine Arbeitsfreudigkeit gehoben, zumal wenn ihm die Möglichkeit gegeben ist, Lohn und Verdienst zu steigern. Diese Möglichkeit darf ihm aber nicht genommen werden. Verdient ein fleißiger Former viel durch seinen Eifer, so kommt dies letzten Endes doch dem Betrieb zu gut. Für die Durchführung der Mechanisierung in der Gießerei ist allerdings Vorbedingung, daß die Verbraucher von Gußwaren jeglicher Art etwas mehr auf die Wünsche der Gießereien eingehen und nicht in fast eigensinniger Weise vielerlei verschiedene Ausführungen von Gußstücken verlangen. Es ist manchmal doch wirklich für das Stück belanglos, ob es einige Millimeter länger, breiter, rund oder oval ausgeführt ist; trotzdem bestehen viele Abnehmer auf die Lieferung bestimmter Ausführungen und sind nicht zu überzeugen, daß die Qualität des Gußstückes die gleiche bleibt, die Herstellung aber wesentlich vereinfacht oder verbilligt werden könnte. Dem könnten die Gießereien entgegentreten, wenn sie sich nur auf einige wenige Typen der betreffenden Artikel einigen und einfach auch nur diese ausführen würden. Verbraucher und Gießer müssen sich hier entgegenkommen, denn sonst nützt die beste Mechanisierung nichts. Durch ein Eingehen auf die Wünsche der Gießereien aber werden die Gußerzeugnisse billiger und die Güte und Zweckmäßigkeit des Gusses hat nicht nur nicht gelitten, sondern durch die Spezialisierung auf einige wenige Typen ist es der Gießerei möglich, sich auf eine stets gleichmäßig bleibende Produktion einzustellen, an der schließlich doch der Gußverbraucher das größte Interesse hat.