Titel: | Die Beleuchtung der Turmuhr. |
Autor: | Karl Wernicke |
Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 157 |
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Die Beleuchtung der Turmuhr.
Von Karl Wernicke.
WERNICKE, Die Beleuchtung der Turmuhr.
Außer den Bahnhofuhren, die aber nur für das reisende Publikum und die Bewohner
des Bahnhofsviertels als genaue Zeitmesser in Betracht kommen, sind es vor allem die
Turmuhren der Rathäuser und Kirchen, die von der Stadtbevölkerung als öffentliche
Uhren betrachtet werden, auf deren Genauigkeit man sich verläßt und danach auch
seine eigene Uhr einstellt. Durch ihre sehr hohe Lage und durch die Größe des
Zifferblattes sind sie weithin sichtbar und erfüllen deshalb ihren Zweck meistens
recht gut, aber nur am Tage, wenn nicht in der Nacht für künstliche Beleuchtung
gesorgt ist.
Textabbildung Bd. 342, S. 157
Abb. 1.
Bahnhofsuhren sind in Rücksicht auf den ausgedehnten Nachtbetrieb der Eisenbahn in
der Regel mit transparentem, von innen beleuchtetem Zifferblatt ausgestattet.
Auch bei den aus neuerer Zeit stammenden Rathäusern findet man häufig die Uhr in
dieser Weise beleuchtet. Weit überwiegend ist jedoch die Zahl der Turmuhren,
besonders an den Kirchen, aber auch an vielen älteren Rathäusern, die
undurchsichtige Zifferblätter haben und deshalb nachts nicht erkennbar sind.
Auch diese Uhren können beleuchtet werden, ohne daß es nötig ist, sie mit
transparenten Zifferblättern auszustatten, wovon auch in den meisten Fällen, teils
aus Rücksicht auf den oft historischen Wert der Uhr, teils wegen der entsprechenden
Aenderungskosten, abgesehen werden muß. Solche Uhren, an deren Aeußeren man nichts
ändern möchte, werden zweckmäßig von außen beleuchtet.
Daß eine hinreichend kräftig beleuchtete Fläche sich sehr gut sichtbar aus dunkler
Umgebung heraushebt, und daß darauf angebrachte Schrift oder bildliche Darstellung
weithin erkennbar ist, beweisen die in Großstädten schon häufig anzutreffenden, von
außen beleuchteten Firmenschilder. Auch große Wandreklamen, ja selbst ganze
Hausfassaden werden mit Glühlampen in geeigneten Reflektoren so hell beleuchtet, daß
sie neben den im Dunkel bleibenden Flächen wie im Tageslicht zu stehen scheinen.
Mit den heutigen Glühlampen hoher Wattstärke ist es auch möglich, eine nicht zu große
Fläche so stark anzuleuchten, wie es das Tageslicht tut. Praktisch braucht man aber
nicht so weit zu gehen, weil das Auge abends an sich auf eine weit geringere
Helligkeit adaptiert ist als bei hellem Tageslicht. Es empfindet deshalb schon eine
beleuchtete Fläche relativ als taghell, auch wenn sie absolut eine weit geringere
Helligkeit hat.
Weil sich die Turmuhr durch ihre hohe Lage immer außerhalb des Bereiches der nach
unten gerichteten Straßenbeleuchtung befindet und auch etwaige Lichtreklame an
Hausgiebeln und Dächern überragt, hat sie genügende dunkle Umgebung zur Erzielung
der Kontrastwirkung zwischen dieser und der beleuchteten Fläche des
Zifferblattes.
Wie gut die Wirkung ist, zeigt Bild 1, das den
nächtlichen Eindruck des Rathauses und seiner Umgebung in einem Berliner Vorort
wiedergibt.
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Abb. 2.
Unzweckmäßig ist jedoch bei dieser Beleuchtungsanlage, daß der den Reflektor tragende
Arm vom unteren Rande des Zifferblattes ausgeht, wie es die Zeichnung in Bild 2 deutlicher darstellt. Die Folge dieser
Anordnung ist, daß der Reflektorarm dem auf die Uhr blickenden Straßenpassanten als
dunkler Strich auf dem Zifferblatt erscheint. Aus Bild
3 geht hervor, daß schon bei verhältnismäßig geringer Höhe der Uhr dieser
dunkle Strich für den entfernter Stehenden bis über die Mitte des Zifferblattes,
reicht, für den nahe Stehenden aber über das ganze Zifferblatt läuft. Das ist nicht
nur störend, sondern kann Kurzsichtige sogar irreführen, weil diese den Strich für
den Minutenzeiger halten können, wenn die Zeiger selbst sich gerade decken.
Textabbildung Bd. 342, S. 158
Abb. 3.
Dieser offenbare Nachteil läßt sich leicht vermeiden, wenn der Reflektor aus Stellung
1 (Bild 3) in die Stellung 2 gerückt und von einem
oberhalb des Zifferblattes befestigten Arm gehalten wird, wie es Bild 4 zeigt. Der Blick auf das Zifferblatt bleibt
dann für alle Straßenpassanten stets frei (Bild
5).
Eine eigenartige Beleuchtungseinrichtung hat die Uhrenabteilung des Wernerwerkes von
Siemens & Halske ausgebildet und bei den Turmuhren der Siemensschen
Fabrikanlagen, später auch bei anderen Unternehmungen zur Anwendung gebracht. Die
Stunden- und Minuten-Marken des Zifferblattes bestehen aus runden I
Mauerdurchbrüchen, die, wie aus Bild 6 ersichtlich,
innen montierte Glühlampen enthalten. Nach vorn sind sie mit Milchglas abgedeckt.
Bei dem 7 m Durchmesser aufweisenden Zifferblatt der Uhr des großen Siemens-Turmes
haben die Stundenmarken einen Durchmesser von 60 cm und die Minutenmarken einen
Durchmesser von 10 cm. Die in einer Höhe von 51 m über Straßenfläche liegenden
Zeigerachsen tragen je ein Zeigerpaar, dessen Stundenzeiger 2,2 m und dessen
Minutenzeiger 3,4 m lang ist. Diese in Eisenkonstruktion ausgeführten Zeiger haben
der ganzen Länge nach einen mit Milchglas abgedeckten Hohlraum zur Aufnahme von
Glühlampen, so daß sie wie die Stunden- und Minutenmarken nach Einschalten der
Lampen als gleichmäßig leuchtende Flächen erscheinen.
Textabbildung Bd. 342, S. 158
Abb. 4.
Wie klar und markant sich ein derart eingerichtetes Zifferblatt vom dunklen
Untergrunde abhebt, zeigt Bild 7. Die Erkennbarkeit
reicht weiter als bei transparenten Zifferblättern üblicher Art oder bei von außen
beleuchteten Uhren. Die Siemens-Turmuhr kann nachts auf eine Entfernung von 2–3 km
Luftlinie noch gut abgelesen werden. Aber auch bei Tage wirkt das Bild des
Zifferblattes sehr klar, weil sich die weißen Deckscheiben der Zeiger und
Ziffermarken gut von dem ziegelroten Untergrunde des Mauerwerkes abheben.
Weil Zeiger und Zifferblatt bei einer Reinigung wegen der großen Höhe von außen
schwer zugänglich sein würden, ist bei jedem Zifferblatt zwischen Zeigerachse und
unterster Stundenmarke ein viereckiger Durchbruch hergestellt, der, wie aus Bild 6 ersichtlich ist, das Herausfahren einer kleinen
Schiebebühne ermöglicht.
Aehnlich ist die Beleuchtungseinrichtung der vier Zifferblätter der Uhr
eingerichtet, die der Turm des neuen Ullstein-Verlagshauses in Berlin-Tempelhof
besitzt. Hier hat man, wie Bild 8 zeigt, von einer
leuchtenden Markierung der Minuten abgesehen und sich auf die strichartig gehaltenen
Stundenmarken beschränkt. Diese Vereinfachung läßt das Bild des Zifferblattes
besonders klar und weithin sichtbar erscheinen.
Textabbildung Bd. 342, S. 159
Abb. 5.
Textabbildung Bd. 342, S. 159
Abb. 6.
Die Herstellung eines Zifferblattes mit der Beleuchtungseinrichtung nach Siemens wird
besonders für neu einzubauende Turmuhren in Frage kommen, läßt sich aber wegen des
geringen Durchmessers der Leuchtkammern für die Ziffermarken ohne besondere
Schwierigkeiten auch bei solchen Türmen anbringen, die baulich nicht für große
Durchbrüche berechnet sind, wie sie der Einbau von ganzen Transparentzifferblättern
erfordern würde, während man hier in dem Zifferblatt-Durchmesser fast unbeschränkt
ist.
Textabbildung Bd. 342, S. 159
Abb. 7.
Textabbildung Bd. 342, S. 159
Abb. 8.
Wo aber das Zifferblatt ganz unverändert bleiben soll gibt die Anleuchtung von außen
nach Bild 4 ein stets anwendbares Mittel, solche
Uhren auch nachts zur Wirkung kommen zu lassen.