Titel: | Polytechnische Schau. |
Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 199 |
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Polytechnische
Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Der Frachtverkehr durch die Luft. Die Aufgabe des
Flugzeuges als Verkehrsmittel besteht nicht allein in der Personen-, sondern auch in
der Güterbeförderung, die heute schon eine so große Bedeutung hat, daß ihre
Entwicklung und Verbesserung einer der leitenden Gesichtspunkte für die Erzielung
der Wirtschaftlichkeit im Luftverkehr ist. Der Platzmangel in unseren gegenwärtigen
Verkehrsflugzeugen zwingt das Flugzeug, sich auf die Beförderung von Einzelgütern zu
beschränken, wobei seine große Geschwindigkeit, die es vor den Land- und
Seeverkehrsmitteln auszeichnet, es im besonderen Maße für den Eilfrachtverkehr
geeignet macht. Hierbei handelt es sich vor allem um Waren und Güter, die infolge
ihres hohen Sach- bzw. Qualitätswertes oder ihres zeitlich-begrenzten
Gebrauchswertes einen schnellen Transport erfordern, oder um Sendungen, die aus
wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen sofort und beschleunigt befördert werden
müssen.
Diese Bedeutung der Güterbeförderung auf dem Luftwege ist von den interessierten
Kreisen in Handel und Wirtschaft bald erkannt und mit der zunehmenden Ausdehnung des
Luftverkehrs in steigendem Maße ausgenutzt worden. Im ersten Halbjahr 1925 sind von
den beiden Deutschen Luftverkehrsgesellschaften auf 2½ Mill. Flug-km 266 t Fracht
befördert worden; das ist dreimal so viel wie im ganzen Jahre 1923. Auch in diesem
Jahre ist das Interesse am Luftfrachtverkehr weiter gestiegen, wofür vor allem die
großen Vorzüge, die der Luft-Transport mit sich bringt, von ausschlaggebender
Bedeutung sind. Außerdem haben der Ausbau des deutsch-mitteleuropäischen
Streckennetzes, die sorgfältige und zweckmäßige Frachtorganisation des deutschen
Luftverkehrs und die Einstellung nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten gebauter
Handelsflugzeuge den Güterverkehr weiter gefördert.
Da der Luftverkehr ein ausgesprochener Schnellverkehr ist, kommt seine Ueberlegenheit
über alle anderen Transportgelegenheiten desto mehr zur Geltung, je größer die
zurückzulegenden Entfernungen sind. Die Geschwindigkeit des Flugzeuges ist heute
durchschnitlich 2½mal so groß wie die eines D-Zuges, wobei der Anteil der Nutzlast
an der Gesamtlast beim Flugzeug 18 und beim D-Zug 5,8 v. H. beträgt. Dagegen
verhalten sich bei diesen beiden Verkehrsmitteln die Antriebskräfte zur Bewegung
einer Nutztonne wie 13 zu 1. Diesen Mangel. an Wirtschaftlichkeit macht das Flugzeug
jedoch wett durch seine überragende Geschwindigkeit und die dadurch erreichte
Zeitersparnis, durch den Wegfall der Gleitbahnkosten und die Ersparnis an Umwegen,
die 7 bis 30 v. H. gegenüber der Bahn beträgt. Die an die Betriebssicherheit und
-regelmäßigkeit zu stellenden Anforderungen werden vom planmäßigen Luftverkehr in
vollem Maße erfüllt, denn die Flugzeuge der deutschen Lufthansa sind bisher im
Streckenverkehr mit einer Sicherheit von 100 v. H. und einer Regelmäßigkeit von 98,7
v. H. geflogen.
Die bisherige Entwicklung des Luftverkehrs hat es mit sich gebracht, daß heute noch
Personen und Güter mit denselben Flugzeugen gemeinsam befördert werden. Da diese
Maschinen aber für die Beförderung von Personen gebaut sind, eignen sie sich ihrer
ganzen Konstruktion nach nicht für den Lastentransport. Deshalb geht die weitere
Entwicklung dahin, die Frachtbeförderung vollkommen vom Personenverkehr zu trennen,
was auch durch den Umstand begünstigt wird, daß der Frachtstrom nicht
gleichbedeutend mit dem Personenstrom ist. Es wird daher in Zukunft reine Fracht-
und reine Passagierlinien geben. Dann wird sich auch der Einsatz von besonderen
Frachtflugzeugen lohnen, die nur der Güterbeförderung dienen und naturgemäß
geräumige und leicht zugängliche Laderäume enthalten müssen. Als Vorläufer dieser
zukünftigen Lastenflugzeuge sind die heutigen Zeitungstransportflugzeuge anzusehen,
die Zeitungspakete im Gesamtgewicht von 400 kg mit hoher Fluggeschwindigkeit
befördern und auch einzelne Pakete über Orten, an denen nicht gelandet werden soll
oder kann, mittels einer einfachen praktischen Vorrichtung im Fluge abwerfen können.
(„Fördertechnik und Frachtverkehr“ XIX. Bd. Hft. 15.)
Dipl.-Ing. Abendroth
Verbrennungskraftmaschinen. (Hauptversammlung des VDI
1927.)
Im Wettkampf zwischen der Dampfkraftmaschine, in der die Wärme von Brennstoffen jeder
Art verwertet werden kann, und der Verbrennungsmaschine, die vorerst auf die
hochwertigen gasförmigen und insbesondere auf die flüssigen Brennstoffe angewiesen
ist, beginnt sich mit fortschreitender Entwicklung eine gewisse Abgrenzung der
Anwendungen abzuzeichnen, durch die jeder dieser Maschinenarten weite Möglichkeiten
zugewiesen werden und die trotzdem die technische Vervollkommnung der Maschinen in
ganz bestimmten Richtungen ermöglicht.
Während dem Dampfbetrieb in erster Linie das Gebiet der ortsfesten Anlagen
vorbehalten bleibt,
wo in Verbindung mit großen Einzelleistungen für sehr hohe Anfangsdrücke
namentlich durch die Verwertung von Anzapf- und Gegendruckdampf für Heizzwecke der
Wärmebedarf für die Krafterzeugung bedeutend verringert werden kann, geht die
Entwicklung der Verbrennungsmaschinen, wenigstens soweit sie flüssige Brennstoffe
verwerten, ganz deutlich in der Richtung der Fahrzeugmaschinen. Der Umfang dieses
Anwendungsgebietes ist dem der Dampfmaschinen mindestens ebenbürtig und läßt auch an
Mannigfaltigkeit ebensowenig wie bei der Dampfmaschine zu wünschen übrig, wenn man
sich vorstellt, welche Unterschiede z.B. ein Großdieselmotor für Schiffsantrieb und
ein schnellaufender Vergaser- oder Zündermotor für den Kraftwagenantrieb
aufweisen.
In der gelegentlich der diesjährigen Hauptversammlung stattfindenden Fachsitzung
„Verbrennungsmotoren,“ die am 28. Mai um 9 Uhr vorm. in der Aula des
Realgymnasiums eröffnet und wie stets in den letzten Jahren von Prof. Dr.-Ing. Nägel
geleitet wurde, besprach man aus dem großen Gebiet der Verbrennungsmotoren wieder
eine kleine Gruppe von Fragen. Wegen der Bedeutung der Arbeiten des Ausschusses für
die Neuaufstellung von Regeln für Leistungsversuche an Verbrennungsmotoren und
Gaserzeugern leitete Prof. Langer, Aachen, die Sitzung mit kritischen Betrachtungen
über die Wertung von Verbrennungsmotoren ein; da alle heutigen Verbrennungsmotoren
auf dem deutschen Patent 532 von Otto beruhen, das am 4. August d. J. 50 Jahre alt
wird, liegt ein Bedürfnis vor, für Gasmaschinen, die nach dem Verpuffungsverfahren,
und für Dieselmotoren, die nach dem Gleichdruckverfahren arbeiten, verschiedene
Vergleichsprozesse zu verwenden, um ihren Gütegrad zu berechnen. Vielmehr genügt für
alle der bekannte Ottosche Prozeß.
Als zweiter Hauptpunkt der Verhandlungen war eine Aussprache über die neuesten
Fortschritte im Bereich der schnellaufenden Dieselmotoren in Aussicht genommen. Zu
dieser Frage berichtete Prof. Dr.-Ing. Stribeck, Stuttgart, über beachtenswerte
Ergebnisse von Temperaturmessungen während der Verbrennung im Zylinder des
Acro-Motors der Firma R. Bosch A.-G. Seine Versuche haben ergeben, daß bei diesem
Motor das bei hohen Drehzahlen so schwierig erscheinende Problem, Luft und
Brennstoff miteinander im richtigen Verhältnis und möglichst innig zu mischen, sich
gleichsam selbsttätig im Verlauf der Verbrennung vollzieht. Infolge der eigenartigen
Anordnung eines trichterförmigen Brennraumes mit daran anschließendem Luftspeicher
im Kolben paßt sich nämlich, wie Temperaturmessungen in verschiedenen Höhen des
Brennraumes im Zylinder beweisen, die Geschwindigkeit der Mischung von Luft. und
Brennstoff selbsttätig der Drehzahl an, die Mischung erfolgt also um so schneller,
je höher die Drehzahl ist. Die Versuche wurden mit Thermoelementen mit sehr dünnen
Drähten bei Drehzahlen bis zu 800 Uml./Min. durchgeführt, wobei Temperaturen bis zu
2100° aufgenommen worden sind.
Als weiteren Beitrag zum gleichen Thema besprach Prof. Dr.-Ing. K. Neumann, Hannover,
seine Untersuchungen am Dorner-Motor. Dieser Bericht ist insofern bemerkenswert, als
er das Problem des schnellaufenden Dieselmotors zum erstenmal sozusagen auf
eine exakte wissenschaftliche Grundlage stellt. Die Ergebnisse der Untersuchungen
zeigen nämlich, daß heute grundsätzlich keine Schwierigkeit mehr besteht, kleinste
Brennstoffmengen bei jedem Arbeitsspiel genau der Belastung entsprechend auch bei
hohen Drehzahlen jedem Zylinder zuzumessen und vollkommen zu verbrennen.
Vorbedingung hierfür ist nur, daß der in den Zylinder eingespritzte Brennstoff
schnell die notwendigen Zustandsänderungen erfährt und mit einer Geschwindigkeit
verbrennt, die im Verhältnis zur Kolbengeschwindigkeit hoch ist. Von diesem
Verhältnis der Geschwindigkeit der Verbrennung zur Kolbengeschwindigkeit hängt dann
der Verlauf der Drücke im Zylinder während der Verbrennung und Expansion ab. Um
schnelle Verbrennung zu erreichen, muß man für genügende Luftzufuhr sorgen. Das
bedingt auch bei hohen Drehzahlen einen hohen Liefergrad des Zylinders als
Luftpumpe.
In der Fachsitzung sprach ferner Dr.-Ing. L. Richter, Wien, über Probleme der
Zündermotoren für flüssige Brennstoffe. Mit diesem Bericht wurden zum erstenmal auch
Fragen der schnellaufenden Vergasermaschinen für Kraftwagen in den Kreis der
Verhandlungen dieser Fachsitzung einbezogen, was sich wegen der großen Bedeutung
solcher Maschinen für die neuzeitliche Verkehrstechnik auch ohne weiteres
rechtfertigt.
Kritische Betrachtungen über die Wertung von
Verbrennungskraftmaschinen. (Prof. Langer auf der Hauptversammlung des VDI.
1927.)
Am 4. August d. J. wird das deutsche Patent auf den Viertaktmotor von Otto fünfzig
Jahre alt. Nicht nur der Viertakt, sondern auch die Vorverdichtung vor der
Verbrennung hat dieses DRP. Nr. 582 in die Technik der Verbrennungsmaschinen
eingeführt. Den vor 50 Jahren nicht unberechtigten Wunsch, den
„Explosionsstoß“ durch eine künstliche Verlangsamung der Verbrennung zu
vermeiden oder doch zu mildern, findet man heute unter dem Namen
„Gleichdruckverbrennung“ bei Dieselmaschinen wieder. Bei der
Gleichartigkeit der Wärmezufuhr und der Wärmekraftwirkung in allen
Verbrennungsmaschinen darf der Gleichdruckprozeß jedoch nicht als Kennzeichen der
Unterscheidung für Diesel- oder Halbdieselmaschinen genannt werden.
Infolge der verschiedenen Vergleichsprozesse für Gasmaschinen und Dieselmaschinen
(„Verpuffungsprozeß“ und „Gleichdruckprozeß“) ist eine Spaltung in
die Gruppe der Verbrennungsmaschinen hineingebracht worden, die ein sachlich
unbegründetes und unfruchtbares Auseinanderleben dieser Maschinengruppen
begünstigt.
Die Angst vor Hochdruckverbrennung ist im heutigen technischen Zeitalter des
Höchstdruckes nicht mehr am Platze. Die Wärmekraftwirkung aller
Verbrennungsmaschinen sollte nur mit dem Otto-Prozeß, als dem innerhalb des
Zylinderraumes vollkommensten, verglichen werden. Diese Wertung soll und kann in
einfacher Weise durch Aufstellung von Rechentafeln praktisch erleichtert werden.
Eine noch zu wenig beachtete Kennzahl bei Verbrennungsmaschinen ist die Temperatur
der Abgase. Sie läßt den Grad der Anstrengung der Maschine,
Unregelmäßigkeiten im Energieumsatz deutlich erkennen und ist von maßgebender
Bedeutung für die Betriebsicherheit und Lebensdauer der Maschine. Es kommt dabei
nicht so sehr auf die Höhe der Abgaswärme, sondern auf die Abgastemperatur an, die
unter allen Umständen niedrig gehalten werden muß. Hohe Abgaswärme bei niedriger
Abgastemperatur ist nicht als Nachteil zu werten. Ausgiebige innere Belüftung der
Maschine, sei es durch großen Luftüberschuß, sei es durch zusätzliche Spülluft nicht
nur bei Zweitakt, sondern auch bei Viertakt-Maschinen ist vorteilhaft.
Die im technischen Schrifttum veröffentlichten Wärmebilanzen zeigen fast ausnahmslos
den Fehler einer falschen Buchung der Reibungsarbeit und der Arbeit der
Nebenmaschinen, wodurch die Abwärme zu klein erscheint.
Die Bedeutung der Anstrichstoffe für Technik und
Wirtschaft. (Vortrag auf der Hauptversammlung des Vereins deutscher
Chemiker e. V.)
Betrachten wir unsere Gebäude, unsere Möbel, unsere Verkehrsmittel, wie die Maschinen
und Geräte, so bemerken wir, wie nur eine geringe Zahl von Rohstoffen zur Verfügung
steht, mit denen wir die zu stellenden Forderungen des höchsten Nutzens für uns und
die der Schönheit gleichzeitig erfüllt werden. Wir brauchen also Anstrichstoffe und
zwar in ganz erheblichen Mengen, um künstliche Farbüberzüge herzustellen, für die
Erzeugnisse aus Gewerbe und Technik, die aus diesen Rohstoffen hergestellt sind.
Anstrichstoffe in diesem Sinne sind nicht nur die streichfertigen Farben und Lacke,
sondern alle Stoffe, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen zur
Herstellung von Anstrichen oder anstrichartigen Ueberzügen dienen, also auch die
Farbpulver, wie wir sie als Erd-, Mineral- und Pigmentfarben kennen, ferner die
Flüssigkeiten, die als Binde- oder Streichmittel dienen und die meisten Rohstoffe
dazu, ferner die Verdünnungsmittel, Trockenstoffe und dergl. Die Anstrichstoffe
haben in dreifacher Hinsicht technische Bedeutung. Sie sind in erster Linie
Gegenstand der produzierenden Technik, in zweiter Linie sind sie der Werkstoff der
verarbeitenden Technik und schließlich sind sie das notwendige Hilfsmittel vieler
Techniken, die schützende und verschönernde Anstriche notwendig brauchen. Der
Umstand, daß für die Anstrichstoffe die verschiedenartigsten Rohmaterialien
Verwendung finden, daß aber auch nach Fertigstellung es ganz verschiedenartige
Körper von sehr verschiedenartigen Eigenschaften sind, bringt es mit sich, daß das
Gesamtbild der Techniken, die hier in Betracht kommen, höchst kompliziert ist.
Sowohl als Farbstoffe, wie als Bindemittel kommen anorganische und organische
Substanzen in Frage. Die Herstellung geschieht teils durch mechanische, teils durch
chemische Prozesse, vielfach durch komplizierte Verfahren, in denen beide
Herstellungsarten vereinigt sind. Von den Farbstoffen sind einerseits die weißen
Farben, Bleiweiß, Zinkweiß und Lithopon, sowie Titanweiß von großer Bedeutung,
andererseits die bunten Farben, die teils natürliche und künstliche Mineralfarben
sind, teils organische Farbstoffe, unter denen die sog. Lackfarben die Hauptrolle
spielen. Unter den Bindemitteln spielen besonders das Leinöl und die hieraus
hergestellten Firnisse die Hauptrolle, ferner die unter Verwendung von natürlichen
und künstlichen Harzen hergestellten Lacke. Wichtig sind auch tierischer Leim und
Pflanzenleim, Kaseinprodukte und dergl. In neuerer Zeit haben sich die
Celluloselacke schon auf manchem Gebiet das Feld erobert. Ihre besondere Bedeutung
liegt darin, daß man bei ihrer Herstellung von chemisch genau definierten Substanzen
ausgeht. Wenn es gelingt, die Schwierigkeiten zu überwinden, die in Anbetracht des
Umstandes, daß noch wenig Erfahrungen vorliegen, sehr groß sind, dann wird der
Celluloselack den Oellack in hohem Maße verdrängen. Damit werden auch an die
Farbenindustrie neue hohe Anforderungen gestellt.
Unter den angeriebenen Farben verdienen vor allem die Druckfarben Beachtung, weil bei
diesen hinsichtlich Feinheit der Mahlung usw. besonders hohe Anforderungen gestellt
werden. Säurebeständige Lacke sind wichtig für die chemische Industrie, Isolierlacke
für die Elektrotechnik. Die Anstrichtechnik ist neuerdings in den Vordergrund des
Interesses gerückt, da man vielfach dazu übergeht, die Handarbeit durch mechanische
Auftragsverfahren zu ersetzen. Ein notwendiges Hilfsmittel der Technik sind die
Anstrichstoffe in der Bautechnik, Eisenbauten bedürfen größter Sorgfalt. Die
Schiffsbodenfarben müssen nicht nur rostschützend wirken, sondern auch die
Bewachsung des Schiffsbodens mit Pflanzen und Muscheln verhindern oder wenigstens
einschränken. Alle Fahrzeuge für Land, Wasser und Luft sind ohne Anstrich nicht
denkbar. Bedeutende Mengen von Anstrichstoffen werden für die Fabrikation von
Wachstuchen, Kunstleder und Linoleum verbraucht. Besondere Bedeutung haben die
Anstrichstoffe für die Tapetenfabrikation, die Herstellung von Buntpapier und vor
allem für alle graphischen Gewerbe. Die Entwicklung der Druckverfahren ist ohne
gleichzeitige Entwicklung der Druckfarbenindustrie nicht denkbar. – Um ein richtiges
Bild der wirtschaftlichen Bedeutung der Anstrichstoffe zu bekommen, ist es
notwendig, sich sowohl für die wirtschaftlichen Verhältnisse der Produktion, die
Verhältnisse in den verarbeitenden Industrien und Gewerben als auch über die
Bedeutung der Anstriche für die gestrichenen Objekte Rechenschaft zu geben.
Besonders charakteristisch ist, daß die Rohstoffe aus allen Zweigen der
Weltwirtschaft stammen, nur ein geringer Teil durch einheimische Produktion gedeckt
wird. Nach den Feststellungen der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie
Deutschlands sind 1924 391 Betriebe mit 13050 versicherten Personen in der Mineral-
und Farbenwarenindustrie gezählt worden, in der Firnis-, Lack- und Kittindustrie
1195 Betriebe mit 17435 versicherten Personen. Darunter sind viele sehr kleine
Betriebe von geringer Bedeutung. In Verbänden zusammengeschlossen sind etwa 150
Betriebe mit etwa 10000 Arbeitern, die weiße und bunte Farbstoffe herstellen. Die
überwiegende Mehrzahl der Betriebe sind solche mit 5–25 Arbeitern, ein größerer Teil
hat bis 100 Arbeiter, nur wenige Fabriken beschäftigen 100–600 Arbeiter. Reine
Lackfabrikationsbetriebe gibt es etwa 200, davon hat die Hälfte weniger als 5
Arbeiter. Der Wert der Gesamtproduktion an Buntfarben beträgt 200 Mill. RM, der an
weißen Farbstoffen etwa 40
bis 50 Mill. RM. Lacke werden für etwa 100 Mill. RM hergestellt. Dazu kommen
2–3000 t Eisenlacke, 10000 t Carbolineum und große Mengen von anderen präparierten
Teerprodukten. Die Ausfuhr von Anstrichstoffen aller Art beläuft sich auf etwa 50
Mill. RM. In den Betrieben, die Anstriche herstellen, sind über 120000 Personen
beschäftigt. Eine umfassende Feststellung, welche Farbmengen in den einzelnen
Industriezweigen verbraucht werden, ist zurzeit noch nicht möglich. Beispielsweise
sei erwähnt, daß die Linoleumindustrie für etwa 8 Mill. RM verbraucht, die Werften
z. Z. 2,2 Mill. (gegen 4,9 vor dem Kriege), die Eisenbahnen etwa 8 bis 9 Mill., die
Druckfarbenindustrie für etwa 25 Mill. RM. Die weitaus größten Mengen werden auch
heute noch in den Malereibetrieben verarbeitet.
Dr. K. Würth, Schlebusch.
Werkstofftagung. Die Vorarbeiten zur Werkstofftagung sind
inzwischen soweit fortgeschritten, daß das endgültige Programm sowohl für die
Werkstoffschau als auch für die Werkstoffvorträge nunmehr festliegt. In der soeben
erschienenen Druckschrift WT 4 sind sämtliche Vorträge, die auf der Tagung gehalten
werden sollen, sowie die genaue Zeiteinteilung bekanntgegeben. Insgesamt sind in der
Zeit vom 22. Oktober bis 4. November 40 Vortragsreihen geplant, die einerseits nach
den Werkstoffen selbst, andererseits nach den Verbraucher- und Interessentengruppen
gegliedert sind.Die „Bau- und Werkstoffe,“ das etwa alle 4 Wochen erscheinende
Beiblatt der Vdl-Nachrichten enthält in Nr. 30 vom 27. Juli 1927 einen
genauen Zeitplan der Werkstoffvorträge. Auch die Platzeinteilung in der Neuen Automobilhalle am Kaiserdamm liegt
nunmehr endgültig fest. Neben allen technischen Einzelheiten hat man auch die Frage
der künstlerischen Gesamtwirkung von der Art des Aufbaues eingehend geprüft. In der
Mitte der Halle befindet sich die Werkstoffprüfschau, an den Seiten und auf der
Galerie die Werkstoffübersicht. Diese beiden Hauptteile der Werkstoffschau sind
wieder in drei Untergruppen: Stahl und Eisen, Nichteisenmetalle und
elektrotechnische Isolierstoffe unterteilt.
Ferner sind auf der Galerie für eine Bücherei und eine Zeitschriftenschau, sowie für
den Deutschen Normenausschuß, den Deutschen Verband der Materialprüfungen der
Technik und den Deutschen Ausschuß für Technisches Schulwesen Plätze vorhanden. Als
bleibendes Ergebnis dessen, was auf der Werkstofftagung gezeigt wird, soll ein ganz
neuartiges Werkstoffhandbuch in Form eines Ringbuches herausgegeben werden, von dem
jedes Einzelblatt käuflich erworben und jederzeit ergänzt oder ersetzt werden kann.
Die einzelnen Abschnitte für die drei großen Gruppen werden von hervorragenden
Fachleuten der jeweiligen Sondergebiete nach einem einheitlichen Plan bearbeitet und
in sorgfältiger Gemeinschaftsarbeit genau geprüft. Die Darstellung wird zugleich
elementar und wissenschaftlich sein, damit das Werkstoffhandbuch ein wertvolles
Hilfsmittel für die Zusammenarbeit aller Kreise der Technik sein kann. Der Beirat
der Verbraucher, der sich aus den Vertretern der technischen Behörden, der weiter
verarbeitenden Industrie, des Handwerks und auch der letzten Verbraucher
zusammensetzt, hat inzwischen in zehn Verbrauchergruppen und einer Anzahl besonderer
Werkstoffausschüsse gemeinsam mit den Erzeugergruppen wertvolle Vorarbeit geleistet
und dafür gesorgt, daß den Wünschen und Anregungen der Verbraucher bei der
Werkstoffschau und den Werkstoffvorträgen Rechnung getragen wird. Jeder Verbraucher,
der zur Mitarbeit an den wichtigen Fragen der Werkstoffkunde und der Materialprüfung
bereit ist, ist dem Beirat der Verbraucher jederzeit willkommen. Inzwischen ist ein
Plakat angefertigt worden, das von der Pressestelle der Werkstofftagung allen
Interessenten in verschiedenen Größen zur Verfügung gestellt werden kann. Das
gleiche gilt von der Druckschrift WT 4, die etwa 30 Seiten umfaßt und über alle
wichtigen Fragen der Organisation und Einteilung genaue Auskunft gibt.