Titel: | Die Elektrizität im neuzeitlichen Eisenhüttenwerk. |
Autor: | H. Kalpers |
Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 206 |
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Die Elektrizität im neuzeitlichen
Eisenhüttenwerk.
Von Dr.-Ing. H. Kalpers.
KALPERS, Die Elektrizität im neuzeitlichen
Eisenhüttenwerk.
Es hat verhältnismäßig lange gedauert, bis es der Elektrotechnik gelungen ist,
in der Eisenhüttenindustrie festen Fuß zu fassen. Diese Erscheinung dürfte zunächst
darin begründet sein, daß der Hüttenmann den Neuerungen und Umstellungen, wie sie
die elektrotechnische Industrie vorschlug, skeptisch gegenüberstand und daß sein
Vorurteil gegenüber dem Elektromotor dadurch bekräftigt zu werden schien, daß die
ersten in der Eisenhüttenindustrie verwendeten Elektromotoren ganz und gar nicht
befriedigen konnten. Die Anforderungen, die hier an die elektrotechnische Industrie
gestellt wurden, waren aber auch im Vergleich mit anderen Industriezweigen
besonderer Art; die Motoren hatten nicht allein Förderungen von Gütern in einem in
keiner Industrie gekannten Ausmaß mit ständigen Wechselbeanspruchungen zu
bewältigen, sondern waren außerdem noch dauerndem Temperaturwechsel und vor allem
tagtäglich eindringendem Rauch, Staub und Gas ausgesetzt. Einem derartig rauhen
Betrieb waren die ersten Elektromotoren in ihrer ursprünglichen Art denn auch nicht
gewachsen. Erst nachdem die elektrotechnische Industrie in der klaren Erkenntnis,
daß sich ihr hier ein besonders weites und dankbares entwicklungsfähiges
Betätigungsfeld eröffnen könnte, die ersten Krankheitserscheinungen an den von ihr
gebauten Motoren zu überwinden gelernt und diese den dem Hüttenwerk eigenen
Betriebsbedingungen anzupassen verstanden hat, erst von dieser Zeit ab war es ihr
möglich geworden, ihren Einzug in der Eisenhüttenindustrie zu halten, der sich dann
aber auch zu einem unaufhaltbaren und ständig fortschreitenden Siegeszug gestaltete.
Begünstigt wurden diese Bestrebungen zum großen Teil durch den Umstand, daß die
Nachfrage seitens der eisenverarbeitenden Industrie, dann der Eisenbahnen, des
Auslandes usw. an Eisen- und Stahlwaren sich ständig im Wachsen befand und daß die
Hüttenwerke schon hierdurch gezwungen wurden, auch ihrerseits Hand in Hand mit
diesem gesteigerten Bedarf ihre Erzeugung zu erhöhen. Ein wertvolles Hilfsmittel
hierzu bot die Elektrotechnik, die aber auch vom rein menschlichen Standpunkt aus
betrachet sich insofern als fortschrittlich erwies, als sie solche schwere Arbeiten
mechanisch zu übernehmen in der Lage war, die ganz besondere Ansprüche an die
Gesundheit und die Körperkraft der Arbeiter stellten, z.B. auf dem Lagerplatz für
Erze, Eisen und Stahl, am Hochofen, im Stahlwerk und im Walzwerk. Dann eignete sich
die Elektrotechnik angesichts der verhältnismäßig geringen Verluste und der leichten
Umwandlung in mechanische Energie, Licht und Wärme auch weit besser als der seit
Jahren vorherrschende Dampf zur Fortleitung auch in entferntere Betriebe, ein
Umstand, der bei dem besonders großen Umfang der meisten Hüttenwerke sehr schwer ins
Gewicht fällt. Es ist wohl nicht zu viel gesagt mit der Behauptung, daß die
Eisenhüttenwerke ihre riesenhafte Produktionssteigerung in den letzten Jahrzehnten
ohne Hilfe der Elektrotechnik nicht hätten durchführen können, die es fertig
gebracht hat, die Probleme der Zufuhr an Roh- und Hilfsstoffen und die Abfuhr der
Halbfertig- und der Fertigwaren befriedigend zu lösen. Die Entwicklung der
Elektrizität hat denn auch solche Formen angenommmen, daß jedes neuzeitliche
Hüttenwerk heute über eine mehr oder weniger große elektrische Zentrale je nach
seiner Bedeutung, über einen Stab von Elektroingenieuren und Elektrotechnikern und
über die notwendige elektrotechnische Ausbesserungswerkstätte verfügt.
Das Betätigungsfeld der Elektrotechnik auf einem Eisenhüttenwerk ist von sehr
umfangreicher und mannigfaltiger Natur, sei es auf dem Lagerplatz, bei den
Hochofenaufzügen und Begichtungsanlagen, an den Krananlagen in den verschiedenen
Werksabteilungen, Beschickungsmaschinen, im Walzwerk, bei der Gasreinigung, der
Elektrostahlerzeugung, im elektrischen Hochofen (wenn auch nur in Ländern mit
reichen Wasserkräften), sowie in Härte-, Glühöfen und vielen anderen Zwecken. Bevor
diese verschiedenen Anwendungsgebiete erörtert werden, sei der Frage der
Energieerzeugung kurz gedacht. Die meisten Eisenhüttenwerke sind Selbsterzeuger an
elektrischem Strom, der aus Gichtgas, Koksofengas und Abhitze gewonnen wird. Wie
jung die Krafterzeugung aus Gichtgas ist, erhellt daraus, daß noch keine 30 Jahre
seit Einführung der ersten Großgasmaschine in Deutschland vergangen sind, und zwar
war dies eine
600-PS-Oechelhäuser-Junkers-Gasmaschine, die 1898 in Horde zur Aufstellung kam.
Besondere Verdienste auf dem Gebiete der Großgasmaschinen hat sich die
Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg erworben, die die doppeltwirkende
Viertakt-Gasmaschine durchkonstruierte und durch diese eine möglichste wirksame
Gasausnutzung und Energieumwandlung erreichen konnte. Seit ihrer Verbindung mit der
Dynamomaschine ist die Gasmaschine auf dem Hüttenwerk als Krafterzeuger
vorherrschend. Im großen und ganzen sind auch die Grundsätze, die man vor einigen
Jahrzehnten für den Bau von Gasmaschinen aufstellte, fast unverändert beibehalten
worden (vor allem doppelt wirkender Viertakt, Tandemanordnung, hohe Verdichtung,
frei schwebender Kolben). Am häufigsten findet man den einkurbeligen 3000-PS-Motor
bzw. die durch Vereinigung zweier solcher Einheiten sich ergebenden Maschine von
6000 PS. Die größten Einheiten sind die 6000-PS.-Maschinen, die als
Zwillingsmaschinen auf 12 000 PS. gebracht werden können. Erzeugt wird in den
elektrischen Hüttenwerkszentralen Drehstrom von 5000-6000 V. Der Bezug von fremdem
Strom kommt bei Stahlwerken in Frage, die keinem Hochofenbetrieb angeschlossen sind
und denen infolgedessen Gichtgase nicht zur Verfügung stehen. Diese Fälle sind aber
vereinzelt. Von der Verwertung der Abhitze z.B. hinter Siemen-Martinöfen zur Dampf-
und mithin zur Krafterzeugung scheint man sich Vorteile zu versprechen; in dieser
Hinsicht bestehen noch andere Möglichkeiten, nämlich die Ausnutzung der Wärme aus
der flüssigen Schlacke und aus dem glühenden Koks, welche Fragen in Zukunft von den
Wärmestellen der Hüttenwerke zu lösen sein werden.
Wenden wir uns den einzelnen wichtigsten Verwendungsgebieten der Elektrotechnik auf
dem Hüttenwerk zu, so verdient als erste infolge seiner Bedeutung für die Leistung
des Werkes überhaupt die Materialbewegung Erwähnung. Die Eisenhüttenwerke sind
entweder auf Kohle oder auf Erz aufgebaut, die rheinisch-westfälischen und die
schlesischen auf Kohle, die lothringisch-luxemburgischen auf Erz. In jedem Fall sind
gewaltige Mengen an Erz bzw. an Koks heranzubringen. Die Zufuhr selbst erfolgt teils
mit der Eisenbahn, teils zu Wasser. Die Ausladung von Menschenhand vornehmen zu
lassen, erscheint unmöglich. Wenn man sich vorstellt, daß es Hochöfen von 600 t
Tageserzeugung an Roheisen gibt, daß dann Hochofenwerke aus mehreren Hochöfen
bestehen und daß die Oefen mit einem Mehrfachen ihrer Erzeugung an Erz, Koks und
Kalkstein zu beschicken sind, so gewinnt man ein annäherndes Bild von der gewaltigen
Masse an bei Tag und Nacht zu befördernden Gütern. Nimmt man ein Hochofenwerk von 4
Oefen zu 600 t Tageserzeugung an, also eine Gesamtroheisenerzeugung von 2400 t in 24
Stunden, so verschluckt dieses Hüttenwerk über 10000 t an Rohstoffen in 24 Stunden.
Für die Beförderung der Erze aus den ankommenden Schiffen entweder auf den
Erzlagerplatz oder in die Erzbunker dienen elektrisch betriebene Verladebrücken. Das
Hochofenwerk Vulkan-Duisburg der Gelsenkirchner Bergwerksaktiengesellschaft z.B.
arbeitet mit 3 Verladebrücken, von denen 2 für je 15 t, die dritte für 5 t
Nutzlast bemessen sind. Eine der größten Erzverladebrücken ist im Jahre 1925 in
Ashtubula Harbour, Ohio (Amerika) zur Aufstellung gekommen, deren ganze Länge 192 m
und deren Höhe von der Schiene bis zur Katzenfahrbahn 21 m beträgt. Zum Antrieb
dieser Brücke sind 2 voneinander unabhängige 100-PS.-Motoren vorgesehen, von denen
jeder für sich die ganze Bewegung der Brücke ausführen kann; ein Motor ist als
Reserve für etwaige Störungen bestimmt. Das Gewicht der Antriebe allein beziffert
sich auf 90 t. Diese Verladebrücke bestreicht Erztaschen, die 1¼ Million t Eisenerze
aufzunehmen in der Lage sind.
Die Zuleitung der gefüllten Erz- bzw. Kokskübel vom Lagerplatz zum Fuß des
Hochofenaufzuges geschieht durch elektrisch betriebene Kübelwagen. Die
Stromzuführung erfolgt bei den Siemens-Schuckert-Zubringewagen durch eine durch Holz
gegen Berührung von außen geschützte Schiene. Die Kübel mit 14–20 t Erzlast und
5–7,5 t Kokslast werden auf dem Wege des Hochofenschrägaufzuges ebenfalls durch
elektrische Motoren auf die Hochofengicht gebracht. Als vorteilhaft hat sich für
diese Zwecke die Leonhardschaltung erwiesen. Zum Antrieb hat man auf einem
rheinischen Werk als Hubmotor einen Nebenschlußmotor von 180 PS. und als Fahrmotor
einen von 88 PS. Dauerleistung gewählt. Die Fortschritte in der Begichtung der
Hochöfen ist nicht allein in produktionstechnischer und produktionssteigernder
Hinsicht bemerkenswert, sondern auch in hygienischer insofern, als das Sichaufhalten
und das Arbeiten auf der Gichtbühne wegen der Entweichungsmöglichkeit von
Kohlenoxydgasen aus der Gicht für die Arbeiter gesundheitsschädlich und sogar
mitunter lebensgefährlich werden konnte. Weiter begleitet die Elektrizität das
gewonnene Roheisen in elektrischen Roheisenpfannenwagen zum Mischer und dann zum
Stahlwerk und den Stahl aus dem Stahlwerk zum Walzwerk und zum Lagerplatz. Die
Chargiermaschinen im Siemens-Martinwerk werden elektrisch betrieben, draußen vor dem
Martinwerk arbeitet der Magnetkran auf dem Schrottplatz und bringt den
Chargiermaschinen den Schrott selbsttätig zu, während die gegossenen Stahlblöcke
nach Entfernung der Kokillen durch einen Kran von dem Stripperkran erfaßt und in die
Tieföfen gesenkt werden. Nach erfolgtem Walzen im Walzwerk werden die
Fertigerzeugnisse, wie Schienen, Träger, Bleche usw. ebenfalls von Krananlagen
übernommen und entweder dem Lagerplatz zugebracht oder in Eisenbahnwagen geladen.
Die Lagerplatzkrane besitzen wie die Erzverladebrücken besonders große Spannweiten
und sind teils mit Magneten, teils mit Lasthaken zum Festhalten der Last
ausgerüstet. Auf den Rheinischen Stahlwerken in Duisburg-Meiderich befindet sich
eine derartige Verladebrücke, die 4 Eisenbahngleise und außerdem noch einen tiefen
Lagerplatz übergreift. Nach der Wasserstraße hin ist die Brücke mit einem Ausleger
von 20,5 m Länge versehen, der noch über das zu beladende Schiff hinweg greift. Die
Brücke kann sich mit Hilfe eines 100-PS-Motors mit einer Geschwindigkeit von 32.5
m/min, bewegen. Der Drehstrom von 380 V wird durch Schleifleistung zugeführt.
Außerdem verfügt die Brücke noch
über einen Stabeisenverladekran, der vom Obergurt als Laufbahn der 2 durch
Querträger miteinander verbundenen fahrbaren Eisenfachwerksbrücken getragen wird.
Dieser Kran besitzt bei 22 m Spannweite einen 50,3-PS.-Drehstrommotor. Abgesehen von
Krananlagen auf dem Gebiete der Materialbewegung in Hüttenwerken kommen als
Fördermittel elektrische Lokomotiven in Frage, z.B. die Werkslokomotiven für
gemischte Betriebe von Siemens-Schuckert. Derartige Lokomotiven beziehen den Strom
sowohl von der Oberleitung als auch von einer Akkumulatorenbatterie; die letzte ist
vorgesehen, damit die Lokomotive sich auch auf Strecken bewegen kann, an denen noch
keine Oberleitung angelegt ist. Es ist weiter Vorsorge getroffen, daß die
Akkumulatoren während des Betriebes geladen werden können, so daß ein Auswechseln
der Batterie nicht notwendig wird. Man verwendet solche elektrischen Lokomotiven zum
Fortfahren der Schlackenkübel, der Stahlblöcke in den Kokillen nach dem Walzwerk,
sowie zu den verschiedensten Hilfszwecken. Neuerdings werden von Krupp elektrische
Gütertriebswagen von 50 t Ladegewicht gebaut, die sich besonders für die Beförderung
von Kohle und Koks eignen sollen. Die Geschwindigkeit dieser elektrischen Wagen, die
von 2 Gleichstrom-Reihenschlußmotoren für 220 V und je 16 PS.-Leistung angtrieben
werden, beträgt 14 km/st. Schließlich sind auch noch als Mittel für die
Güterbewegung auf Hüttenwerken die Elektrohängebahnen zu nennen, die mit Laufwerk
mit Antriebsmotor, Bremsmagnet mit Bremsvorrichtung, Stromabnehmer und bei großen
Anlagen auch mit einem Führerstand ausgeführt werden. Als Höchstleistung rechnet man
bei Elektrohängebahnen mit einer Stundenleistung von bis zu 200 t.
Eine nicht minder große Bedeutung kommt der Elektrizität im Walzwerk zu; auch hier
waren die Folgen geradezu umwälzend. Während früher die Verluste beim
Dampfmaschinenbetrieb in den Dampfleitungen an Sonn- und Feiertagen über die Hälfte
der Dampfmenge selbst betrugen, machen die Energieverluste bei der elektrischen
Uebertragung selbst bei großen Entfernungen von der Zentrale noch nicht 1 Prozent
aus. Die Dampfmaschine ist daher für den Walzwerksantrieb immer mehr in den
Hintergrund getreten, um dem Elektromotor das Feld zu lassen, trotzdem im Wettkampf
die Dampfmaschine verschiedene Verbesserungen erfuhr. Neuerdings werden schwere
Walzenstraßen für Schienen und Träger ohne Schwungrad gebaut und die Walzen sind mit
dem Elektromotor direkt gekuppelt. Die Entwicklung der Elektrizität als
Walzwerksantrieb ergibt sich daraus, daß die Leistung der von den
Siemens-Schuckert-Werken in den Jahren 1919–1924 für Walzwerke gelieferten
Elektromotoren sich im Vergleich zu den ganzen Vorkriegs- und Kriegsjahren
verdoppelt hat. Diese Umstellung ist nur dem Umstand zuzuschreiben, daß der
Wirkungsgrad der elektrisch betriebenen Walzenstraßen demjenigen des Dampfbetriebes
überlegen ist. Außerdem ergeben sich durch die Anwendung des Elektromotors noch
andere Vorteile: er beansprucht nämlich nur einen kleinen Raum und eine einfache
Bedienung und gestattet die Steuerung der Walzenstraße von einer gemeinsamen
Bühne für Walze, Rollgänge und sonstige Hilfsantriebe, sowie die ständige
Ueberwachung des Kraftverbrauches. Vergleicht man ein Walzwerk nach dem bekannten
Gemälde von Menzel vor einigen Jahrzehnten mit einem neuzeitlichen elektrisch
betriebenen Walzwerk, so ist der Unterschied und der erzielte Fortschritt
verblüffend: früher eine Schar von Arbeitern in unmittelbarster Nähe zu dem
glühenden Stahlblock, heute nur einige wenige Leute in sauberer geschützter Lage auf
der Steuerbühne. Auch hier hat sich die Technik als gesundheitsfördernd erwiesen,
wenn man berücksichtigt, daß die Arbeit im Walzwerk wohl zu den schwersten und
anstrengendsten Arbeiten gehört. Die neuzeitlichen Walzwerke verwenden daher für den
Antrieb der Straßen, Rollgänge, Hebe- und Wipptische fast ausschließlich den
elektrischen Strom. Die Entwicklung im Ausland, namentlich in den großen englischen
und amerikanischen Eisenwerken hat einen ähnlichen Verlauf genommen wie in
Deutschland; die in Deutschland gewonnenen Erfahrungen sind dabei den Großfirmen
Siemens und der A.E.G. insofern zustatten gekommen, als sie eine Reihe englischer
Walzwerke mit Elektromotoren beliefern konnten. An einer großen englischen
Blockstraße wird das Blockgerüst durch einen Umkehrmotor von 12000 PS., das Vor- und
Fertiggerüst durch einen solchen von 19000 PS. angetrieben. Die neu erbaute
Blockstraße der Walzwerke zu Sackawanna der Bethlehem Steel Corporation (Amerika)
erhält ihren Antrieb durch einen 7000-PS.-Westinghouse-Umkehrmotor; die Spannung
beträgt 750 V. Weiter ist von Interesse, daß auf dem gleichen Werk im Trägerwalzwerk
3 Walzgerüste (2 Trio-Gerüste und 1 Duo-Gerüst) von einem Motor angetrieben werden.
Das Universalwalzwerk wird ebenfalls elektrisch angetrieben, und zwar durch einen
5000-PS.-Motor. Die Elektrizität hat, wie aus diesen kurzen Beispielen hervorgehen
dürfte, auch als Antriebsart für die Walzenstraßen und deren Hilfsarbeiten sich
hervorragend bewährt und man kann sagen, daß die noch mit Dampfantrieb arbeitenden
älteren Werke über kurz oder lang die Vorherrschaft des Elektromotors doch
anerkennen müssen. Eines der neuesten Anwendungѳgebiete der Elektrizität in
Hüttenwerken bezieht sich auf die elektrische Gasreinigung, d.h. die Reinigung von
Hochofengas auf elektrischem Wege. Bisher bestehen nur einige derartiger Anlagen,
von denen zu nennen sind die Elektro-Filteranlage der Siemens-Schuckertwerke auf der
Dortmunder Union, auf den Dillinger Hüttenwerken der Elektrischen
Gasreinigungsgesellschaft, Kaiserslautern (Elga) und auf der Witkowitzer Bergbau-
und Eisenhütten-Gewerkschaft, ebenfalls der Elga. Auf dem letztgenannten Werk
arbeitet die neue Anlage zur elektrischen Feinreinigung von stündlich 40000 m3 Hochofengichtgas (Rohgas) auf Feingas ohne
Zwischenstufe vollkommen einwandfrei, so daß das Werk den weiteren Ausbau der
Reinigung der gesamten Gichtgase der vorhandenen Hochöfen in Aussicht genommen hat.
Es ist hier möglich, auf elektrischem Wege die Reinigung in einer Stufe von 5 gr
Staub je m3 Rohgas auf 0,02 gr/m3 zu treiben. Auch das von den
Siemens-Schuckert-Werken
ausgearbeitete Verfahren hat große Fortschritte gemacht. Was die
wirtschaftliche Seite des Verfahrens anbetrifft, so sind die durchgeführten
Berechnungen im Vergleich zur Trocken- und Naßreinigung zugunsten der elektrischen
Gasreinigung ausgefallen. Wenn die Hüttenwerke bisher von dieser neuen Erfindung
noch keinen großen Gebrauch gemacht haben, so liegt das daran, daß man einerseits
die ersten Erfahrungen auf den verschiedenen Versuchswerken zunächst einmal kennen
lernen wollte, andererseits die Werke sich in ihren Geldausgaben Zurückhaltung
auferlegen und die bestehenden Anlagen erst noch ausnutzen wollen. Bei etwaigen
Umstellungen oder Neubauten wird die Frage der elektrischen Gasreinigung jedenfalls
im Vordergrund der Erörterung stehen.
Einen weiten Schritt nach vorwärts hat die Elektrizität durch die Möglichkeit der
Veredlung von Stahl im elektrischen Stahlschmelzofen getan. Der elektrische Ofen
wird im Stahlwerk heute besonders da angewendet, wenn es sich um die Herstellung
besonders hochwertiger Stähle, der Edelstahle handelt. Man kann dabei davon
ausgehen, entweder festen Schrotteinsatz einzuschmelzen oder, was in der Regel der
Fall ist, flüssigen Stahl, der aus dem Stahlwerk kommt, zu feinern. Der elektrische
Ofen arbeitet mit einer höheren Temperatur als die übrigen metallurgischen Verfahren
und seine Erzeugnisse zeichnen sich durch einen besonderen Reinheitsgrad aus. Die
Ausgaben für elektrischen Strom sind dabei für flüssigen Einsatz selbstverständlich
weit geringer als bei festem Einsatz, da dieser vor der Feinerung erst
einzuschmelzen ist, ebenso spielen die Gehalte an den verschiedenen eingeschlossenen
Elementen eine Rolle; je niedriger diese sind, um so schneller ist die Feinerung
durchgeführt und um so weniger Strom wird verbraucht. Es gibt eine ganze Reihe von
Ausführungen elektrischer Oefen, die teils zur Gruppe der Lichtbogenöfen, teils zu
der der Induktionsöfen gehören. Von den ersten ist vor allem der Heroult-Ofen, von
den Induktionsöfen der Ofen von Röchling-Rodenhauser zu nennen; auch der
Nathusius-Ofen hat sich einen Namen erworben. Die Verbreitung des elektrischen Ofens
im Stahlwerk ist in der Hauptsache dem Umstände zuzuschreiben, daß die elektrische
Energie leicht eingestellt und infolgedessen die entsprechenden Temperaturen ohne
weiteres erhalten werden können, weiter daß im Vergleich zu anderen
Schmelzeinrichtungen beim elektrischen Ofen der Stahl ohne Anwendung einer
oxydierend wirkenden Flamme erhitzt wird. Gegenüber den Heizgasen anderer
metallurgischer Systeme ist die Heizkraft der Elektrizität rein und ein schädlicher
Einfluß der Feuerungsgase auf den Stahl kommt hier nicht in Frage. Vor allem kann
der Schwefel- und Phosphorgehalt beliebig niedrig geregelt werden. Dieser große
Reinheitsgrad des Stahles aus dem elektrischen Ofen macht es auch erklärlich, warum
dieser Stahl so hervorragende Eigenschaften besitzt, die bei anderen
Schmelzverfahren nicht zu erhalten sind. Es ist daher verständlich, wenn der
elektrische Ofen dank seiner Vorzüge mit dem Tiegelofen in erfolgreichen Wettbewerb
getreten ist und diesem für gewisse Zwecke mit Erfolg den Rang streitig gemacht
hat.
Der elektrische Hochofen ist in den mitteleuropäischen Industrieländern bisher
noch nicht zur Aufstellung gekommen und wird es bei den heutigen Verhältnissen auch
kaum werden, da seine Arbeitsweise ein technisches und ein wirtschaftliches Problem
darstellt. Entscheidend ist die Stromfrage, nur wenn billiger elektrischer Strom zur
Verfügung steht, wird seine Anwendung gegeben sein. Aus diesem Grunde ist er bisher
auch nur in den an Wasserkraft reichen skandinavischen Ländern zur Anwendung
gekommen, und zwar ist es besonders der unter dem Namen „Elektrometallofen“
von schwedischen Ingenieuren entworfene Elektrohochofen, der die Verhüttung von
Eisenerzen und die Gewinnung von Roheisen mit Hilfe des elektrischen Stromes
ermöglicht hat. Man kann damit rechnen, daß für die Erzeugung 1 t Roheisen aus dem
Erz 2300 kWst benötigt werden, dazu kommen noch 350 kg Koks für die Kohlung und
Reduktion. Die Tagesleistung der elektrischen Hochöfen beträgt je nach ihren
Abmessungen 20 bis 40 t. Die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten auf diesem Gebiete
sind durchaus offen.
Im vorstehenden dürften die wichtigsten Anwendungen der Elektrizität in einem
neuzeitlichen Eisenhüttenwerk aufgeführt sein; sie sind aber dadurch bei weitem noch
nicht erschöpft, vielmehr begegnen wir hier der Elektrizität auf Schritt und Tritt
in den verschiedensten Betriebsabteilungen. So gibt es elektrisch betriebene Gebläse
zur Lieferung der Luft für den Hochofenberieb und das Stahlwerk, und zwar
Kolbengebläse, die mit Gleichstrom, und Turbogebläse, die mit Drehstrom angetrieben
werden. Abgesehen von dem elektrischen Antrieb von Werkzeugmaschinen in den
mechanischen Werkstätten der Hüttenwerke zieht man den Elektromotor auch zum Antrieb
der verschiedenen Block-, Knüppel- und Blechscheren, der Stanzen, Loch- und
Biegepressen heran. Weiter hat man mit dem unmittelbaren Elektromotorenantrieb für
Schmiedepressen, die früher als Dampfhämmer, dann als dampfhydraulische Pressen
gebaut wurden, günstige Erfahrungen gemacht. Eine neue von der Kalker
Maschinenfabrik hergestellte derartige Presse mit elektrischem Antrieb z.B. ist für
Preßdrücke von 150–160 t abgestuft; diese Presse wird durch einen Arbeitsreglermotor
für Gleichstrom von 220 oder 440 V (AEG.) ohne Schwungrad mittels doppelten
Rädervorgeleges angetrieben. Die Vorteile der elektrischen Schmiedepressen liegen in
dem nur unbedingt notwendigen Energieverbrauch und in der leichten und genauen
Ausführung der Schmiedearbeit. Dann wird der elektrische Strom angewendet zum Heizen
der Salzbadeöfen beim Härten von Werkzeugen (Fräser, Bohrer, Matrizen, Drehstählen,
Federn, Magneten, Messern, Stahlbändern) und bei der Oberflächenhärtung, ferner in
elektrischen Nieten wärmern; für diese Einrichtungen rechnet man mit einem
Stromverbrauch von nur 0,45 kWst je kg Nieten. Es sind dann zu nennen die
elektrischen Glühöfen, die elektrischen Wärmeöfen, das elektrische Schweißen und
Schneiden (Lichtbogenschweißung und Widerstandsschweißung), die elektrischen
Meßgeräte und die vielen anderen elektrischen Hilfseinrichtungen, die auf einem
Hüttenwerk vorhanden sind. Dabei werden von den maßgebenden
elektrischen Großfirmen, die nunmehr über jahrelange Erfahrungen mit den
Betriebsbedingungen und den Anforderungen der Hüttenwerke verfügen, ständig neue
Verbesserungen und Vorschläge für eine noch großzügigere Anwendung des
elektrischen Stromes gemacht, so daß die Entwicklungsmöglichkeiten hier unabsehbar
sind und unbegrenzt erscheinen.