Titel: Das Heizkraftwerk in der A. E. G.-Transformatorenfabrik Oberschoeneweide.
Fundstelle: Band 342, Jahrgang 1927, S. 266
Download: XML
Das Heizkraftwerk in der A. E. G.-Transformatorenfabrik Oberschoeneweide. Das Heizkraftwerk in der A. E. G.-Transformatorenfabrik Oberschoeneweide. Die Transformatorenfabrikation erfordert eine vielseitige Verwendung von Dampf zu Heiz- und Kochzwecken, z.B. für die Herstellung von Isoliermaterialien, Befreiung des Transformatorenöles von Wasser, Trocknen von Hölzern u.a.m. Früher erzeugte man hierzu Dampf von 6 bis 10 atm, der an der Verbrauchsstelle durch Druckminderungsventile auf einen der Fabrikationstemperatur entsprechenden Druck gedrosselt wurde. Dies ist jedoch unwirtschaftlich, da zur Erzeugung von Dampf höherer Spannung nur ein verhältnismäßig geringer Mehrbedarf an Kohle aufzuwenden ist. Dieser Mehrbedarf spielt jedoch keine Rolle im Verhältnis zum Nutzen, der aus dem Hochdruckdampf gezogen werden kann. Man läßt den vom Kessel kommenden Frischdampf zuerst in Wärmekraftmaschinen Arbeit leisten, um ihn dann mit geringerer Spannung für Heizzwecke zu verwenden. Kraftwerke, die nach diesem Grundsatze arbeiten, nennt man „Heizkraftwerke.“ Je nach dem Standpunkte, von dem man ausgeht, wird entweder die Kraft oder die Wärme als „Abfallenergie“ gewonnen. In der Transformatorenfabrik der AEG. in Berlin-Oberschöneweide sind die für Kochzwecke benötigten Dampfmengen im Sommer und Winter ziemlich gleich; im Winter kommt hierzu noch eine etwa gleich große Dampfmenge für Raumbeheizung. Die Verhältnisse lagen daher für die Errichtung eines Heizkraftwerkes durchaus günstig. Ein solches nach den letzten technischen Errungenschaften eingerichtetes Kraftwerk ist kürzlich dort dem Betrieb übergeben worden. Der Dampf wird in zwei Kesselanlagen erzeugt. Die alte, jetzt nur noch im Winter benutzte Anlage liefert Dampf von 13 at und 280°. Die neuerrichtete Anlage (Bild 1) arbeitet mit 33 at Betriebsdruck und 415° Dampftemperatur. Die Kessel der neuen Anlage haben AEG-Kohlenstaubfeuerung. Textabbildung Bd. 342, S. 267 Bild 1.Heizkraftwerk, Außenansicht. Der Dampf wird zunächst in einer Dampfturbine zur Stromerzeugung ausgenutzt. Da für Koch- und Heizzwecke Dampf von 2 bis 10 at erforderlich ist, wurde eine zweigehäusige AEG-Anzapf-Gegendruckturbine gewählt, d.h. also ein Aggregat, dem an einer Stelle Dampf von entsprechender Spannung entnommen werden kann, während der die Maschine vollständig durchströmende Dampf nicht, wie sonst üblich, in einem Kondensator niedergeschlagen wird, sondern ebenfalls mit niedriger Spannung in das Heiznetz gelangt. Der Dampf von 33 at wird im ersten Gehäuse auf 12 at entspannt; hier wird dann ein Teil des Dampfes entnommen („angezapft“) und zu den Fabrikationsstätten geleitet. Der Rest arbeitet noch im zweiten Gehäuse der Turbine, wird hier auf 2 at entspannt und dann teils zur Fabrikation, teils zu Heizzwecken verwendet. Die Dampfturbine, die mit 7000 Umdrehungen in der Minute läuft, ist über ein Zahnradvorgelege mit einem Drehstromgenerator gekuppelt, der eine Höchstleistung von 1450 kW bei 3000 Umdrehungen in der Minute hat. Der erzeugte Strom dient zum Antrieb der Fabrikationsmaschinen. Im Winter kann ein etwa auftretender Stromüberschuß an das Kabelwerk Oberspree der AEG abgegeben werden. Die Anlage ist an das Netz der Berliner Städtischen Elektrizitätswerke (Bewag) angeschlossen, aus dem ständig ein Teil des Strombedarfes gedeckt wird. Textabbildung Bd. 342, S. 267 Bild 2.Kohlenmahlanlage, Außenansicht. Durch die Kohlenentladeanlage wird die Kohle teils aus Schiffen, teils aus Eisenbahnwagen entladen. und auf dem Lagerplatz gespeichert bzw. in die Rohkohlenbunker gefüllt. Die Leistung der Entladeanlage beträgt 25 t in der Stunde. In der Kohlen-Aufbereitungsanlage (Bild 2) wird die Kohle zunächst in einem Rauchgastrockner getrocknet, hierauf von zwei Ringwalzenmühlen gemahlen (Bild 3), durch Druckluft auf die nötige Feinheit gesichtet und als gebrauchsfertiger Staub dem Kohlenstaubbunker zugeführt. Aus diesem entnehmen zwei Kohlenstaubpumpen den Staub und fördern ihn durch eine 125 m lange Rohrleitung nach den Kohlenstaubbunkern im Kesselhaus (Bild 4). Zwei stehende AEG-Luftpresser erzeugen die für den Betrieb der Kohlenstaubpumpen erforderliche Druckluft. Das neue Kesselhaus enthält zwei Sektional-Schrägrohrkessel von je 250 qm Heizfläche mit 33 at Betriebsdruck bei 415° Dampftemperatur mit Economisern, und Saugzuganlagen, Eine Speisewasser-Aufbereitungsanlage (Bild 5), Kesselspeisepumpen und eine Anlage zur Verteilung des Dampfes auf die verschiedenen Verbraucher vervollständigen die Anlage. Textabbildung Bd. 342, S. 268 Bild 3.Mahlaggregat in der Kohlenmahlanlage. In der Schaltanlage wird die von dem Turbo-Generator erzeugte elektrische Energie nach Parallelschaltung des Generators mit dem Bewagnetz auf die verschiedenen Fabrikationsnetze verteilt. So wird im Heizkraftwerk die elektrische Energie als „Abfallstrom“ erzeugt, womit wesentliche Ersparnisse erzielt werden. Hierzu kommt noch, daß durch die bei Kohlenstaubfeuerung mögliche Verwendung minderwertiger Kohle eine weitere Verbilligung der Dampf- und Krafterzeugung eintritt. Cr. Textabbildung Bd. 342, S. 268 Bild 4.Brennerbühne im Kesselhaus. Textabbildung Bd. 342, S. 268 Bild 5.Verdampferraum in der Wasseraufbereitungs-Anlage.