Titel: Das Achensee-Kraftwerk.
Autor: Landgraeber
Fundstelle: Band 343, Jahrgang 1928, S. 46
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Das Achensee-Kraftwerk. (Tiroler Wasserkraftwerke A.-G.). LANDGRAEBER, Das Achensee-Kraftwerk. Der grundlegende Gedanke für die Ausnützung des Achensees besteht darin, daß aus dem Einzugsgebiet des Achensees und aus benachbarten Gebieten stammende Niederschlagswässer auf einer etwa 400 m hohen Gefällstufe vom Seespiegel des Achensees gegen das Inntal ausgenützt werden. Da hierbei der geräumige Speicherraum im Seebecken dazu verwendet werden kann, um die Ueberschüsse des Zuflusses während der Zeit der Schneeschmelze und der größeren Niederschläge im Frühjahr für die wasserarme Zeit im Herbst und im Winter aufzusparen, gewinnt diese Möglichkeit besonderen Wert für die Energieerzeugung. Naturgemäß ist bei diesem Vorgange eine Absenkung des Seespiegels im Herbste und Winter bedingt, der sich aber nach Eintreten der größeren Zuflüsse im Frühjahr wieder so rasch hebt, daß er zur Zeit des Fremdenverkehrs seine normale Höhe erreicht und bis zum Herbst behält. Um den See für die Zwecke der Wasserkraftnutzung geeignet zu machen, ist es vor allem nötig, den natürlichen Abfluß am Nordende des Sees durch Umbau der an dieser Stelle befindlichen primitiven Wehranlage so zu regeln, daß er den Bedürfnissen der Wasserwirtschaft entspricht. Ferner wurde am Südende des Sees für die im Betrieb des Werkes erforderliche größte Betriebswassermenge von 25 cbm pro Sekunde mit Hilfe von Druckluft in einer Tiefe von 13½ m unter dem höchsten Seewasserspiegel ein Entnahmebauwerk errichtet, welches die Verbindung mit dem beiläufig 4600 m langen bergmännisch getriebenen Stollen herstellt. Die Bergmassive des Bärenkopfes, des Schwarzeckes und des Weihnachtseckes werden von diesem mit kreisrundem Querschnitt von 2,75 m lichtem Durchmesser versehenen Druckstollen durchsetzt. Am Südhange des Weihnachtseckes mündet der Stollen in ein in den Felsen ausgesprengtes Wasserschloß, von welchem das Betriebswasser durch einen mit Eisenrohren ausgekleideten Druckschacht von 2,30 m lichtem Durchmesser und 520 m Länge dem an der Talsohle errichteten Maschinenhause zugeführt wird. Der nunmehr vollendete erste Ausbau des Achenseekraftwerkes sieht im Maschinenhaus drei Maschinensätze zu je 8000 PS für die Belieferung der österreichischen Bundesbahnen mit Einphasenstrom und zwei Maschinensätze von je 15350 PS zur Erzeugung von Drehstrom vor. Die zum Transporte erforderliche Transformierung der erzeugten Energie erfolgt in Freiluftanlagen beim Einphasenstrom auf 55000 und beim Drehstrom auf 115000 V in unmittelbarer Nähe des Maschinenhauses. Das im Kraftwerke verbrauchte Betriebswasser fließt durch einen offenen Unterwasserkanal dem benachbarten Innflusse zu. Das Achenseekraftwerk erzeugt demnach im ersten Ausbau eine Spitzenleistung von 54700 PS und kann hierbei mindestens 90 Millionen kWh Jahresarbeit liefern. Der Vollausbau des Werkes ist zu Beginn des Jahres 1927 bereits begonnen worden. Er besteht in der Einleitung eines rechtsufrigen Zuflusses zum Seeabfluß und in der Auspumpung einiger unterhalb des Sees im Achentale entspringender Quellen. Die Einleitung dieser Gewässer erfolgt durch ein mehr als 7 km langes, teils im Stollen, teils offen geführtes Zuleitungsgerinne, an dem bereits gearbeitet wird. Das Entnahmeobjekt, der Stollen, das Wasserschloß und die Zuleitung zum Krafthause sind von vornherein für den Vollausbau bemessen worden, so daß nur noch die maschinellen und elektrischen Einrichtungen sowie das Krafthaus in Jenbach einer dem Vollausbau entsprechenden weiteren Ausgestaltung bedürfen. Dem künftigen Bedarf der Bundesbahnen wird durch die Aufstellung eines vierten Maschinensatzes von 8000 PS-Leistung entsprochen werden. Zur Drehstromerzeugung werden noch je zwei Maschinensätze von 31000 PS-Leistung zur Aufstellung gebracht. Zur Unterbringung dieser drei neuen Maschinensätze ist das Maschinenhaus verlängert worden und auch eine entsprechende Erweiterung der Freiluftanlagen im Gange. Durch diese Erweiterung, die spätestens im Herbste des Jahres 1929 beendet sein wird, steigt die Maschinenleistung des Werkes auf fast 125000 PS, und die erzeugbare Jahresarbeit auf etwa 150 Millionen Kilowattstunden. Es verdient besonders hervorgehoben zu werden, daß die erheblichen Energiemengen, welche im Achenseekraftwerke nach dem Vollausbau zur Verfügung stehen werden, bereits fast ganz Ihre Verwertung im Wirtschaftsleben gefunden haben. Die Stadtgemeinde Innsbruck bezieht aus dem Achenseekraftwerk zur Ergänzung und Veredlung der in ihren eigenen Wasserkraftanlagen erzeugbaren Energiemengen vom heurigen Winter angefangen jährlich 8 Millionen kWh während der Zeit des Niederwassers. Eine ähnliche Belieferung hat die Stadtgemeinde Schwaz mit dem Achenseewerk vereinbart, die ihr einen Winterstrombezug von mindestens 500000 kWh im Jahr sichert. Die Stadtgemeinde Hall ist Abnehmer von 300 kWh jahresdurchgängiger Leistung aus dem Achenseekraftwerk. Eine wesentlich größere Bedeutung besitzt die Belieferung der österreichischen Bundesbahnen aus dem Achenseekraftwerke, die bereits begonnen hat und im Laufe von 18 Jahren von 25 Millionen kWh auf 40 Millionen kWh jährlich, ansteigt. Einen großen Teil jener Energiemengen des Achenseekraftwerkes, welche in Tirol keine Verwendung finden können, hat sich die Bayernwerk A.-G. durch einen Stromlieferungsvertrag mit der Tiroler Wasserkraftwerke A.-G. gesichert. Er sieht den Bezug von Spitzenleistungen vor, die bis zu 40000 kWh ansteigen. Diesem Vertrag kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als durch seine Auswirkungen die Energiequellen für das deutsche Versorgungsgebiet bis ins österreichische Alpenvorland erstreckt wurden. Um den erwähnten Stromlieferungen nachkommen zu können, hat die Tiroler Wasserkraftwerke A.-G. nicht unbeträchtliche Leitungsanlagen errichtet: Vor allem eine 115000- bzw. 125000-V-Leitung von dem Achenseekraftwerke über Innsbruck zur Landesgrenze zwischen Scharnitz und Mittenwald, wo der Anschluß an das Leitungsnetz der Bayernwerk-A.-G. erfolgt. Von der im Zuge dieser Leitung bei Innsbruck errichteten Unterstation und vom Kraftwerke in Jenbach gehen zur Lokalversorgung 25000-V-Leitungen nach Hall, Schwaz und ins Achental aus. Eine Erweiterung des 25000-V-Leitungs-Netzes und eine Verlängerung der Hochspannungsleitungsanlage im Inntale nach Osten und Westen ist nach Maßgabe des weiterhin auftretenden Bedarfs in Aussicht genommen. Es muß anerkannt werden, daß die beträchtlichen Arbeiten für die baulichen, maschinellen und elektrischen Anlagen des Achenseekraftwerkes, welche zum überwiegenden Teil von österreichischen Unternehmungen und Lieferfirmen aus geführt wurden, dem gegenwärtigen Stande der Technik voll entsprechen und innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Frist von 3 Jahren vollständig dem ursprünglichen Bauprogramm entsprechend ausgeführt werden konnten. Landgraeber.