Titel: | Geschwindigkeitsmesser für Kraftfahrzeuge mit selbsttätig sich aufzeichnendem Fahrtbild. |
Autor: | A. Lion |
Fundstelle: | Band 344, Jahrgang 1929, S. 102 |
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Geschwindigkeitsmesser für Kraftfahrzeuge mit
selbsttätig sich aufzeichnendem Fahrtbild.
LION, Geschwindigkeitsmesser für Kraftfahrzeuge.
Keine unzuverlässigen Zeugenaussagenmehr bei
Automobil-Unfällen! Zur Klärung der Schuldfrage
bei Automobil-Unfällen ist oft die Feststellung der Geschwindigkeit des Fahrzeuges
oder der zusammenstoßenden Fahrzeuge von größter Bedeutung. Aber gerade in diesem
Punkt sind erfahrungsgemäß Zeugenaussagen sehr unzuverlässig und beeinflußt durch
die subjektive Einstellung des Zeugen gegenüber dem Unglücksfall; und das
Tachometer, der Geschwindigkeitsmesser, geht ja im Augenblick des Zusammenstoßes in
die Nullstellung zurück und beweist nichts. Deshalb verdient ein neuerdings für den
praktischen Gebrauch gebauter Geschwindigkeitsmesser Beachtung, der jeweils die
Kurve der in den letzten 10 km gefahrenen Geschwindigkeiten selbsttätig aufzeichnet.
Er ist ein stummer Zeuge, der ebenso unparteiisch für wie gegen den Fahrer auftreten
kann, dem, verschuldet oder unverschuldet, ein Unglücksfall zugestoßen ist.
Deshalb ist der Apparat von vornherein so gebaut, daß ein Eingriff von außen in seine
Funktion ausgeschlossen ist. Die Registrierung der Geschwindigkeit erfolgt auch
nicht auf einem von Zeit zu Zeit auszuwechselnden, endlichen Papierband, sondern auf
einer, ringförmig um das eigentliche Tachometer aufgebrachten, Farbschicht. In jedem
Augenblick hat man ein genaues Bild der zuletzt durchfahrenen 10 km. In demselben
Maße, wie die Geschwindigkeitskurve sich während der Fahrt automatisch weiter
aufzeichnet, verwischt ein eingebauter Steg den ältesten Teil der Kurve. Man wird an
die bekannten Schreibtafeln erinnert, bei denen die Schrift immer durch das
Herausziehen einer Blechtafel ausgelöscht werden kann. Das Bild der letzten 10
Fahrt-Kilometer bleibt aber stets hinter dem Glasring des „Tachometers in
aeternum“ sichtbar, nicht beeinflußbar durch äußere Einwirkungen. Der Steg
trägt eine Einteilung von 0 bis 100 km (Stundengeschwindigkeit), und diese
Einteilung setzt sich in konzentrischen Ringen fort auf der sichtbaren Scheibe der
Schreibkapsel. Der Steg selbst bleibt stets am unteren Ende der Kapsel stehen,
während sich die, in sich vollständig geschlossene, Schreibkapsel mit dem sich dabei
aufzeichnenden Fahrtbild im Sinne des Uhrzeigers dreht (eine ganze Umdrehung während
10 km Fahrt), mit einer Geschwindigkeit, die dem zurückgelegten Weg, bzw. der
augenblicklichen Geschwindigkeit, proportional ist. Hält der Wagen, dann geht
im Augenblick das „endlose“ Diagramm auf Null zurück. – Die Kapsel wird
normal für 10 km Fahrt und 100 Stunden-km Höchstgeschwindigkeit eingerichtet, doch
kann sie ebenso gut für eine kleinere oder größere Wegstrecke und eine größere
Höchstgeschwindigkeit gebaut werden.
Der Apparat, der aus einem Tachometer mit Kilometer-Zählwerk und einem Schreibwerk
besteht, kann im Armaturenbrett des Wagens oder an anderer sichtbarer Stelle
angebracht werden. Der Antrieb erfolgt zwangsläufig von der Kardanwelle des Wagens
aus, über eine biegsame Welle, die die Antriebswelle des Apparates in Umdrehung
versetzt und auf diese Weise Zeiger und Schreibwerk-gleichzeitig bewegt. Wie alle
zwangsläufigen Tachometer stellt auch dieser Apparat die jeweilige Geschwindigkeit
durch laufende unmittelbare Messung des vom Fahrzeug in einer bestimmten Zeiteinheit
zurückgelegten Weges fest, wobei in diesem Fall die „Meßzeit“ auf ⅓ Sekunde
herabgedrückt ist, Ge3chwindigkeitsänderungen also praktisch augenblicklich
angezeigt werden. Uebereinstimmend mit dem Ausschlag des Tachometer-Zeigers, also
ebenfalls proportional der augenblicklichen Geschwindigkeit, bewegt sich durch
Zahnstangen-Antrieb der Schreibstift nach dem Mittelpunkt des sich drehenden
Geschwindigkeits-Anzeigers und drückt das Bild der gefahrenen Geschwindigkeiten in
die Farbschicht; die Kurve erscheint dunkel auf hellem Hintergrund. Der Apparat
arbeitet in folgender Weise:
Zur Regelung der Meßzeit dient ein aus Unruhe und Ankergang bestehendes Gangwerk,
dessen Triebfeder dauernd selbsttätig aufgezogen wird.
Dieses Gangwerk treibt eine Nockenwelle, durch welche die Meßorgane in folgender
Weise periodisch gesteuert werden: mit Beginn einer jeden Meßperiode wird ein den
Zeiger und den Schreibstift einstellendes Zahnrad („Meßrad“) mittels einer
feingezahnten Kronenrad-Kupplung für die Dauer einer ⅓ Sekunde mit der Antriebswelle
gekuppelt.
Das unter dem Einfluß einer Rückzugsfeder stehende „Meßrad“ führt dabei eine
der jeweiligen Umdrehungsgeschwindigkeit der Antriebswelle entsprechende Teildrehung
aus, welche durch Mitnahmestifte auf ein ebenfalls unter Federwirkung stehendes
„Einstellrad“ und von diesem in gleicher Weise auf das „Zeigerrad“
übertragen wird.
Der Ausschlag des mit dem „Zeigerrade“ zwangsläufig verbundenen Zeigers
und des übereinstimmend mit diesem durch Zahnstangenantrieb bewegten
„Schreibstiftes“ ist der gemessenen Geschwindigkeit proportional.
Während das Meßrad nach jedesmaliger Kupplung mit der Antriebswelle sofort in seine
Anfangsstellung zurückgeht, wird das „Einstellrad“ in seiner jeweiligen
Endstellung zunächst gegen Rückgang gesperrt gehalten. Während dessen wird die
Sperrung des „Zeigerrades“ vorübergehend aufgehoben, damit bei verminderter
Geschwindigkeit der Zeiger bzw. der Schreibstift sich entsprechend der
Geschwindigkeits-Verminderung zurückbewegen kann. Hierauf wird das
„Zeigerrad“ wieder gesperrt und nunmehr die Sperrung des
„Einstellrades“ gelöst. Dieses dreht sich unter dem Einfluß seiner
Rückzugsfeder nunmehr soweit zurück, bis es mit seinem Anschlagstift auf den
Mitnehmer des inzwischen bereits wieder gekuppelten „Meßrades“ trifft, worauf
letzteres das „Binstellrad“ und dieses wiederum das „Zeigerrad“ durch
Mitnahme in die der neuen Messung entsprechende Stellung dreht. Dieses Spiel
wiederholt sich fortgesetzt, bis bei Stillstand der Antriebswelle auch das
„Zeigerrad“
bzw. Zeiger und Schreibstift in ihre Anfangsstellungen zurückgelangen.
Der Apparat ist weder durch Stöße und Lageveränderungen, noch durch
Temperaturschwankungen beeinflußbar. Als innerer Belag des durchsichtigen Ringes ist
eine zähe Farbmasse verwendet, die weder zerrinnt noch erstarrt und eintrocknet.
Zeiger und Schreibstift, von einander abhängig, stimmen natürlich in ihren Angaben
immer überein. Eine Erneuerung der Farbschicht und damit ein Eingriff in den Apparat
selbst ist nicht notwendig. Der abschließende Glasdeckel kann amtlich plombiert
werden.
Nach einem Unfall kann die Plombe entfernt, der Deckel abgeschraubt und die
Schreibkapsel mit dem Geschwindigkeits-Diagramm als Beweismittel entnommen und
aufbewahrt werden. Bei einer Störung des Apparat-Antriebes gehen Zeiger und
Schreibstift naturgemäß auf Null zurück. Gleichzeitig enthält der Apparat eine
Einrichtung, die bei Antriebsstörungen durch die Erschütterungen des fahrenden
Wagens die ganze Kurve allmählich völlig löscht und so Täuschungen unmöglich
macht.
Dipl.-Ing, A. Lion, Berlin.