Titel: Verdrängt der Fahrzeug-Diesel den Vergasermotor?
Autor: A. Lion
Fundstelle: Band 345, Jahrgang 1930, S. 25
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Verdrängt der Fahrzeug-Diesel den Vergasermotor? Von Dipl.-Ing. A. Lion, Berlin. LION, Verdrängt der Fahrzeugdiesel den Vergasermotor. Da durch höhere Verdichtung im motorischen Betriebe der Wirkungsgrad, die Ausnutzungsmöglichkeit des Betriebsstoffes vergrößert, die Betriebskosten also vermindert werden, hat es immer, nicht erst in den letzten Jahren, nahegelegen, diesen Vorteil nicht durch die Steigerung der Verdichtung im Vergasermotor auszunutzen, sondern den Vergasermotor überhaupt durch den Dieselmotor zu ersetzen. Der Dieselmotor arbeitet bekanntlich mit hochkomprimierter Luft, in die unter Ueberdruck Brennstoff eingespritzt wird. Und zwar können hier die schwersiedenden Schweröle verwendet werden, die im Vergasermotor nicht ausnutzungsfähig sind, weil es einen einwandfreien Schweröl-Vergaser wahrscheinlich niemals geben wird. Die Verdichtungsgrade der bisher gebauten Fahrzeug-Diesel – es gibt ja heute eine große Zahl von Motoren-Fabriken, die sich sehr eingehend mit dem Fahrzeug-Diesel beschäftigen und eine Reihe guter Konstruktionen ausgebildet haben – beginnen etwa da, wo praktisch auch bei noch so weitgehender Hochzüchtung die der Vergasermotoren aufhören müssen; bei den Junkers-Lastwagen-Dieselmotoren liegen sie etwa bei 13 und 14 : 1. Die Folge ist, verglichen mit dem Vergasermotor, eine Verminderung des Betriebsstoff-Verbrauchs um durchschnittlich etwa 30%. Hinzu kommt eine weitere Senkung der Betriebskosten um etwa 60% infolge des niedrigen Gasöls, so daß sich in günstigen Fällen eine Senkung der Betriebskosten um 70 und mehr % ergeben kann. Dieser außerordentlich wesentliche wirtschaftliche Vorteil des Fahrzeug-Diesels wird allerdings dadurch etwas verringert, daß die Entwicklung des Vergasermotors in der Richtung der höheren Verdichtung bereits Verbrauchsziffern ergeben hat, die die der Fahrzeug-Diesel teilweise unterschritten haben, selbstverständlich bei Verwendung vollkommen kompressionsfester Kraftstoffe. Sa verbraucht z.B. der 10fach verdichtende Napier-Lion-Motor 160 g Betriebsstoff je PS und Stunde, der 11fach verdichtende B.M.W.-Motor 185 g, gegenüber etwa 215 g beim Mercedes-Benz-Fahrzeug-Diesel und 195 g bei den Junkers-Typen. Hinzu kommt ferner, daß die Kraftstoffkosten ja nur einen Bruchteil, wenn auch einen recht wesentlichen, der laufenden Kosten ausmachen, und daß vielleicht, bei stärkerer Nachfrage als Folge einer entsprechenden technischen Entwicklung und einer Einbürgerung des Schwerölmotors für Fahrzeuge, die Nachfrage nach Diesel-Oelen stark ansteigen wird und damit auch deren Preis. Abgesehen von einem rein wirtschaftlichen, bietet der Fahrzeug-Diesel auch noch andere Vorteile, vor allem die Feuersicherheit infolge der schweren Entzündlichkeit des Kraftstoffes, was besonders für Flugzeug- und Luftschiff-Motoren außerordentlich wichtig sein kann, und das gute Anzugsvermögen in kaltem Zustand, da ja der Diesel schon beim ersten Verdichtungshub infolge der hohen Kompression über die Wärmemenge verfügt, die zur einwandfreien Vergasung des Kraftstoffes notwendig ist. Diesen Vorteilen stehen zweifellos Nachteile des Fahrzeug-Diesels gegenüber, die seiner weitgehenden Einbürgerung bisher im Wege gestanden haben. Denn an sich hat ja von Anfang an die Verwendung der billigeren Schweröle für den Fahrzeugbetrieb nähergelegen als die der bisherigen, teureren und größtenteils in komplizierten Verfahren gewonnenen Kraftfahrzeug-Betriebsstoffe, ähnlich etwa wie der noch am Beginn seiner Entwicklung stehende Vorderrad-Antrieb eigentlich das technisch Näherliegende, aber praktisch Schwierigere ist. Ein Nachteil des Fahrzeug-Dieselmotors ist sein hohes Gewicht, das beim ortsfesten Motor eine geringere Rolle spielt. Es wird bedingt durch die starke Triebwerks-Bemessung als Folge der hohen Arbeitsdrücke, die normalerweise zwischen 60 und 70 at liegen können. In der letzten Zeit ist allerdings eine wesentliche Verringerung der Gewichte durchgeführt worden, wenn auch das Gewicht des Vergasermotors, gemessen in kg je PS, noch beträchtlich unter dem Lastwagen-Diesel liegt. Das hohe Motoren-Gewicht hat beim Lastwagen allerdings eine geringere Bedeutung als beim Personenwagen, wo es ja ausschlaggebend sein kann. Wenn etwa beim 5-t-Mercedes-Diesel-Lastwagen eine Vermehrung des Gewichts um 75 kg unvermeidlich ist, so macht das nur einen Bruchteil des Wagen-Gesamtgewichts aus, und sogar nur 1,5 % der Nutzlast. Im Langstreckenflug-Betrieb wird allerdings das Motor-Mehrgewicht mehr als ausgeglichen durch die Ersparnis an Betriebsstoffgewicht. Die starke Ausbildung des Triebwerkes steht auch einer Erhöhung der Drehzahl im Wege, doch genügt im allgemeinen die heute erreichbare Drehzahl von 13–1500 für den praktischen Betrieb. Ebenfalls bedingen die schwerere Bauart und andere Ursachen einen Mehrpreis gegenüber dem Vergasermotor von etwa 20–30 %, der allerdings durch die Ersparnis an Betriebskosten ausgeglichen wird. Nachteilig wirkt auch der harte, unelastische Gang des Fahrzeug-Diesels, als Folge der hohen Drücke, der, ebenso wie das Gewicht, vorläufig die Einführung des Dieselmotors in den Personenwagen- und Omnibus-Betrieb unmöglich macht, und der die Abnutzung beschleunigt. Der Diesel arbeitet stets mit dem vollen hohen Verdichtungsdruck; eine Anpassung an den stark wechselnden Fahrzeugbetrieb ist nur mit Hilfe wechselnder Einspritzmengen möglich, und dies Mittel ermöglicht nicht die Erreichung einer, dem Vergaserbetrieb entsprechenden Geschmeidigkeit. Bei plötzlichen Schwankungen der Beanspruchung ist eine wesentliche Verschlechterung der Verbrennung unvermeidlich, als deren Folge sich leicht ein unangenehmer Auspuff-Geruch bemerkbar macht, von wirtschaftlichen Nachteilen abgesehen. Das alles sind Gründe, die der Einführung des Schweröl-Motors im Personenwagen- und Omnibus-Betrieb im Wege stehen, ja selbst den Diesel-Lastwagen-Betrieb im Stadt-Verkehr beträchtlich erschweren. Hinzu kommt die große Empfindlichkeit der Einspritz-Organe und der Kolben-Dichtungen, die dem, nicht immer rücksichtsvollen Fahrzeug-Betrieb schwer gewachsen sind und leicht zu Störungen Anlaß geben. Man darf nicht vergessen, daß die Kraftstoff-Einspritzpumpen unter Umständen mit mehreren 100 at Druck arbeiten und infolgedessen sehr empfindlich sind. Auch macht sich jede Undichtheit an Kolben und Ventilen infolge der auftretenden hohen Drücke unangenehmer bemerkbar als beim Vergasermotor. Das sind die Nachteile, die, hauptsächlich auf konstruktivem Gebiet liegend, bisher der Entwicklung des Fahrzeug-Diesels im Wege gestanden haben, und die, vor allem für Personen- und Stadt-Verkehr, bis heute eine Verdrängung des Vergasermotors, besonders des höher verdichtenden, nicht zugelassen haben.