Titel: | Neuheiten der Siemens-Schuckert-Werke A. G. auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1930. |
Fundstelle: | Band 345, Jahrgang 1930, S. 46 |
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Neuheiten der Siemens-Schuckert-Werke A. G. auf
der Leipziger Frühjahrsmesse 1930.
Neuheiten der Siemens-Schuckert-Werke.
Der Stand der Siemens & Halske A. G. im Hause der Elektrotechnik auf der
diesjährigen Leipziger Frühjahrsmesse gibt zunächst einen Ueberblick über die in der
letzten Zeit geschaffenen Neukonstruktionen auf dem Gebiete
des Fernsprechwesens. An Fernsprechzentralen
werden neben den Einrichtungen eines Selbstanschlußamtes für 10000 Teilnehmer vor
allem die für kleinere Teilnehmerzahlen, wie sie in Privatanlagen die Regel sind,
neu entwickelten Vermittlungsstellen gezeigt. Zu nennen wären hier eine nach dem
Vorwählersystem arbeitende Zentrale für 150 Teilnehmer, eine mit Wählern neuer
Bauart ausgerüstete nach dem Anrufsuchersystem gebaute Vermittlung, sowie die für 10
und 23 Teilnehmer bestimmten, ebenfalls mit neuen Wählern ausgestatteten Kleinautomaten (Bild 1).
Handbediente Vermittlungsschränke, die in Privatanlagen zur Abfertigung der vom Amt
ankommenden Anrufe nötig sind, werden in verschiedenen Ausführungen gezeigt. Neben
den bereits bekannten automatischen Nebenstellenzentralen ist als Neuheit ein Einschnurschrank (Bild 2)
zu nennen. Dieser Vermittlungsschrank ist so gedrängt gebaut, daß er eventuell auf
einem Schreibtisch aufgestellt werden kann, ist dabei aber im Innern so
übersichtlich angeordnet, daß Montage und Instandhaltung nicht erschwert werden.
Textabbildung Bd. 339, S. 46
Bild 1. Neuer Kleinautomat für 10 Teilnehmer.
Um die Benutzung von Fernsprech- und Fernmeldeanlagen im
Betrieb eines neuzeitlichen Büros und ihren großen Nutzen für die flotte
Abwicklung der Büroarbeit deutlich zu machen, ist ein
Teil
des Standes als Büro ausgestattet. An
Fernsprecheinrichtungen befinden sich hier im Betrieb eine Konferenz-Fernsprechanlage sowie eine in Verbindung mit der automatischen
Hausfernsprechzentrale arbeitende Personensuchanlage.
Ferner sind in diesem Rahmen die verschiedensten Arten neuester Fernsprechstationen,
wie Sekretärsstationen, Reihenschaltstationen usw. untergebracht. Die an einer
Eingangstür dieses Büros angebrachte Signallampe, deren Aufleuchten anzeigt, daß
eine Störung nicht erwünscht ist, ist in der Weise mit der Hausfernsprechanlage
vereinigt, daß man beim Wählen einer bestimmten Rufnummer entweder ein Frei- oder
ein Besetztzeichen erhält und somit erfährt, ob ein Besuch möglich ist. Ferner wird
an der Anlage als interessante Neuerung gezeigt, wie die Fernsprechleitungen auch zum gleichzeitigen Anschluß von Feuermeldern,
Polizeimeldern und elektrischen Nebenuhren benutzt werden können.
Textabbildung Bd. 339, S. 46
Bild 2. Neuer Einschnurschrank.
Die Bemühungen, den Fernsprecher noch volkstümlicher zu
machen und seine Verbreitung immer mehr zu fördern, veranlaßten eine Anzahl von
Neukonstruktionen, die im wesentlichen eine Verbilligung des Fernsprechanschlusses
herbeizuführen geeignet sind. Die neuen Einrichtungen haben grundsätzlich den Zweck, an eine Leitung mehrere Fernsprechapparate anschließen zu
können, um auf diese Weise die Ausnutzung der teuren Teilnehmerleitung zu
verbessern. Es gibt diesem Zwecke dienende Zusatzeinrichtungen für 2 und 10
Teilnehmer. Beispielsweise ermöglicht es die in Bild
3 dargestellte „Wohnungszentrale“, an
eine Doppelleitung 10 Teilnehmer anzuschließen, wodurch natürlich der Wirkungsgrad
erheblich gesteigert wird. Die zugehörige Akkumulatorenbatterie ist so gebaut, daß
sie keinerlei Wartung benötigt, vielmehr vom Amt her ständig aufgeladen wird. Eine
Leitung, in der ein Kurzschluß ist, wird nach 20 Sekunden selbsttätig abgeschaltet,
das gleiche geschieht, wenn ein Teilnehmer seinen Hörer längere Zeit abnimmt, ohne
zu wählen. Eine ebenfalls für 10 Teilnehmer bestimmte
„Landgruppenstelle“ weist insofern eine Abweichung auf, als die
Teilnehmer auch untereinander in Verbindung treten können, wobei die Leitung zur
Zentrale selbsttätig abgeschaltet wird, so daß die Verbindung nur innerhalb der
Gruppenstelle verläuft.
Textabbildung Bd. 339, S. 47
Bild 3. Wohnungszentrale zum Anschluß von 10 Teilnehmern an eine
Doppelleitung.
Textabbildung Bd. 339, S. 47
Bild 4. Siemens-Fernschreibmaschine.
Als wichtige Neuerung im Fernmeldewesen erscheint zum ersten Male die Siemens-Fernschreibmaschine auf der Leipziger Messe (Bild 4). Sie wird im Betriebe vorgeführt, und zwar auf
einer Fernleitung Leipzig–Berlin. Diese Fernschreibmaschine verspricht ein wichtiges Hilfsmittel für den Nachrichtenverkehr zu
werden, das in gewissem Sinne die Vorteile der telegraphischen und
telephonischen Verständigung vereinigt. Sie erledigt nämlich wie der Telegraph die
Nachrichtenübermittlung auf schriftlichem Wege, läßt sich aber wie der Fernsprecher
in jedem Büro aufstellen und auch von jedermann bedienen. Die Bedienung der
Siemens-Fernschreibmaschine unterscheidet sich in nichts von der einer normalen
Schreibmaschine. Insbesondere ist die Tastatur in gleicher Weise angeordnet, auch
gehört zum Anschlagen der Tasten keine größere Kraft. Die Arbeitsweise einer
Nachrichtenübermittlung mittels Fernschreibmaschine ist folgende: Zunächst werden an
beiden durch eine Doppelleitung verbundenen Maschinen die vom Netz gespeisten
Antriebsmotoren eingeschaltet, und zwar von der als Sender arbeitenden Maschine aus.
Man schreibt nun auf der Sendemaschine den zu übertragenden Text, der dann auf der
Empfangsmaschine erscheint, jedoch zur Kontrolle auch auf der Sendemaschine
mitgeschrieben wird. Die Siemens-Fernschreibmaschine kann auf allen
Fernmeldeleitungen, insbesondere auf den von der Post mietweise abgegebenen
Leitungen betrieben werden. Fernschreibmaschinen sind ferner zur gleichzeitigen
Nachrichtenübermittlung von einer Stelle aus an zahlreiche Interessenten gut
geeignet. Der Aufbau der Anlage wird zu solchen Zwecken so vorgenommen, daß nur eine
Maschine als Sender arbeitet, während die übrigen Maschinen lediglich Empfänger
sind. Für die Zwecke der Polizei und Feuerwehr sind Fernschreibmaschinen-Anlagen
besonders geeignet. Wichtig ist dabei, daß z.B. Alarmnachrichten gleichzeitig an
alle Empfänger gegeben werden können, und ferner, daß alle Befehle in eindeutiger
Form schriftlich vorliegen.
Textabbildung Bd. 339, S. 47
Bild 5. Rundfunk-Fernempfänger mit elektrischer
Schallplattenwiedergabe.
An Neuheiten auf dem Rundfunkgebiet wäre vor allem ein
kombiniertes Empfangsgerät mit Einrichtung zur elektrischen Wiedergabe von
Schallplatten zu nennen, bei dem der Rundfunkteil dem bewährten
Vierröhren-Schirmgitter-Netzempfänger von Siemens & Halske entspricht, also zum
Fernempfang geeignet ist. Der Antrieb des Schallplattentellers erfolgt elektrisch. Das Gerät wird
als Tisch- und als Schrankapparat geliefert (Bild
5).
Textabbildung Bd. 339, S. 48
Bild 6. Lederkoffer mit einem Zehnohm-Instrument für Strom- und
Spannungsmessungen, einem Vorwiderstand und sechs ansteckbaren
Nebenwiderständen.
Die Abteilung für elektrische Meßinstrumente bringt
zunächst eine umfassende Zusammenstellung ihrer verschiedenen Laboratoriums- und
Betriebsmeßgeräte. Die Anwendung von Preßstoffgehäusen für
Meßinstrumente wurde in der letzten Zeit ständig erweitert, da diese
Gehäuse eine gute Isolation verbürgen, tropenfest sind und zudem ihr gutes Aussehen
auch auf die Dauer beibehalten. Die neuen tragbaren Präzisions-Instrumente in diesen
Gehäusen werden soweit wie möglich mit mehreren Meßbereichen ausgeführt, um sie
vielseitig anwendbar zu machen. Beispielsweise wird das bekannte Zehnohm-Instrument,
das für Strom- und Spannungsmessungen zu gebrauchen ist, mit einem 45-mV-Meßbereich
und einem 3-V-Meßbereich zum Anschluß äußerer Neben- und Vorwiderstände geliefert,
so daß mit der in Bild 6 dargestellten, in einem
Lederkoffer untergebrachten Zusammenstellung nahezu sämtliche
in der Gleichstromtechnik vorkommenden Ströme und Spannungen zu messen
sind. Das gleiche Instrument wird ferner mit eingebauten Vorwiderständen für 6
Meßbereiche (bis 750 V) und mit eingebauten Neben- und Vorwiderständen für 11
Meßbereiche hergestellt. Die Meßbereiche dieses zuletzt erwähnten Instrumentes
werden durch einen Stöpsel umgeschaltet. Für die Schaltorgane sind neuartige
Schulter-Stöpselklötze verwendet, die sich vor allem durch unbedingt sichere
Kontaktgabe auch nach längerem Gebrauch auszeichnen.
Die Erzeugnisse der Abteilung für wärmetechnisches
Meßwesen sind wie immer in der Halle 21 für Brennstoff, Kraft und Wärme
ausgestellt. Auf dem ausgedehnten Stande werden an einem gasbeheizten Glühofen die
verschiedenen wärmetechnischen Meßgeräte wie Gasmesser, CO2 und CO + H2-Messer sowie
Temperaturmeßgeräte im Betriebe vorgeführt. Die Temperatur in der Glühkammer wird
mit einem Thermoelement überwacht, das in eine sogenannte halbpotentiometrische Meßschaltung gelegt ist. Diese neu entwickelte
Schaltung hat im wesentlichen den Zweck, den nicht benötigten Skalenbereich zu
unterdrücken, wodurch die genaue Ablösung in dem besonders in Betracht kommenden
Skalenbereich wesentlich erleichtert wird. Die Anwendung dieser Schaltung ergibt
zudem den Vorteil, daß Temperaturschwankungen der kalten
Lötstelle selbsttätig ausgeglichen werden. Als Neuheit erscheint auf der
Messe ein mechanisches Zählwerk, das dazu dient, die mit
Strömungsmeßgeräten oder Schwimmermessern überwachten Durchflußmengen von
Flüssigkeiten, Gasen und Dampf fortlaufend zusammenzuzählen. Das Zählwerk kann wegen
seiner geringen Abmessungen auch in Anzeigeinstrumente und Schreibgeräte eingebaut
werden. Es wird in seinen verschiedenen Anwendungsarten auf der Messe gezeigt (Bild 7). Der neue Siemens-Venturi-Einsatz als Mengenmeßgerät für Dampf, Gase und Flüssigkeiten
vereinigt, in sich die Vorteile des Meßflansches und
des Venturirohres. Mit dem Meßflansch hat er die leichte Einbaumöglichkeit
zwischen zwei Rohrflansche gemein, mit dem Venturirohr vor allem den geringen
Druckverlust. Die Konstruktion des Venturi-Einsatzes ist aus Bild 8 zu ersehen.
Textabbildung Bd. 339, S. 48
Bild 7. Strömungsschreiber für Dampf mit eingebautem mechanischen
Zählwerk.
Textabbildung Bd. 339, S. 48
Bild 8. Neuer Siemens-Venturi-Einsatz für Mengenmessungen von Gasen, Dampf und
Flüssigkeiten.
Das von Siemens & Halske entwickelte System der
selbsttätigen Kesselreglung mit elektrischer Schaltung wird in seinem
apparativen und konstruktiven Aufbau auf der Messe gezeigt. In konstruktiver
Hinsicht ist vor allem hervorzuheben, daß die für das Regelsystem notwendigen
Schalter usw. auf dem Kesselschild, das die Ueberwachungsinstrumente enthält,
untergebracht werden, während die Tafel mit dem Hauptregler an getrennter Stelle
unterzubringen ist. Als wichtige Neuerung bringt der Siemens & Halske-Messestand
die Anwendung des Fernmessens nach dem Impuls
Frequenzverfahren für die Fernübertragung wärmetechnischer Meßgrößen. Das
zunächst nur für die Fernanzeige elektrischer Meßgrößen wie Strom, Spannung usw.
benutzte Impuls-Frequenzverfahren wird von Siemens & Halske neuerdings auch für
die Fernanzeige wärmetechnischer Meßgrößen verwendet, nachdem sich die Notwendigkeit
solcher Fernübertragungen herausgestellt hat. Bei dem Verfahren wird die Meßgröße
bekanntlich dazu benutzt, die Umdrehungszahl eines Zählers entsprechend zu
beeinflussen, und von dieser Umdrehungszahl hängt die Zahl der in der Zeiteinheit
über die Fernleitung gegebenen Impulse ab. Aus dieser Arbeitsweise des Systems
ergibt sich der wesentliche Vorteil, daß Isolationsschäden an den
Uebertragungsleitungen und deren induktive Beeinflussung durch Starkstromleitungen
keine Fälschung der Anzeigen hervorruft. Als Geber dient bei dem Verfahren ein
Zähler, dessen Umdrehungszahl, wie erwähnt, von der jeweiligen Meßgröße abhängt und
der auf seiner Achse einen als Kollektor ausgebildeten Unterbrecher trägt. Auf der
Empfangsseite wird die Impulsfrequenz mittels einer Zusammenstellung von Relais und
Kondensatoren in eine kontinuierliche, zur Betätigung der Instrumente nötige Anzeige
umgewandelt. Auf der Messe zeigen Siemens & Halske die Anwendung dieses
Fernanzeigeverfahrens an einem Druckmesser. Angewandt in der Praxis wird das
Verfahren bereits bei der zentralen Ueberwachung von
Gasfernleitungen. Ferngemessen wird hier hauptsächlich die Menge, der
Druck, die Temperatur sowie der Heizwert des Gases an verschiedenen Stellen. Als
wichtiger Ausstellungsgegenstand wäre ferner eine Ueberwachungstafel für die Heizung und Belüftung eines großen Gebäudes zu
erwähnen. Auf der Tafel werden die an verschiedenen Stellen herrschenden Raum- und
Dampftemperaturen, ferner auch die Stellung der Lüftungsklappen angezeigt.