| Titel: | Höchstspannungs-Oelkabel. | 
| Autor: | F. A. Förster | 
| Fundstelle: | Band 345, Jahrgang 1930, S. 161 | 
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                        Höchstspannungs-Oelkabel.
                        Von Oberingenieur F. A.
                              								Förster-Berlin.
                        FOERSTER, Höchstspannungs-Oelkabel.
                        
                     
                        
                           In unserer, das ganze Reichsgebiet umfassenden Elektrizitätswirtschaft, die hier
                              									und da sich wohl auch über die Grenzen des Reichsgebietes hinaus in wechselseitiger
                              									Abnahme und Abgabe elektrischer Energie erstreckt, sind heute für die Versorgung
                              									Deutschlands die Wasserkräfte des Deutschen Alpengebietes, der Mittelgebirge und der
                              									Masurischen Seen Ostpreußens mit den Großkraftwerken an den Rheinischen
                              									Steinkohlengruben, und denen der Mitteldeutschen Braunkohlenlagern mit denen der
                              									Ostfriesischen Torfgründe durch die das ganze Deutsche Reich durchziehenden Hoch-
                              									und Höchstspannungsstraßen zusammengeschlossen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 339, S. 161
                              Abb. 1. Querschnitt des 100 kV-Einleiter-Oelkabels.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 339, S. 161
                              Abb. 2. Querschnitt des Drehstrom-Oelkabels 3 × 95 mm für 30 kV.
                              
                           In kühnem Wagemut ist man dabei in der Kraftübertragung auf
                              									weite Entfernungen über die Höchstspannung von 100 oder 110 kV zu 220 kV und sogar
                              									bis zu 380 kV (Versorgungsgebiet der RWE) gelangt, mit der man die größten
                              									Entfernungen überbrückt hat. Damit scheint der weiteren Erhöhung der Spannung über
                              									380 kV hinaus aber vorläufig wohl eine wirtschaftliche Grenze gesetzt zu sein. Die
                              									systematisch-fortschreitende Entwicklung unserer Elektrizitätswirtschaft, wie sie
                              									sich bis heute vor unseren Augen abgespielt hat, und der mit dieser in gleichem
                              									Tempo fortschreitenden Erhöhung der Betriebsspannungen auf 100, 220 und 380 kV war
                              									nicht ohne Ueberwindung außerordentlicher Schwierigkeiten bei den Vorarbeiten für
                              									die Ausführung der nächst höheren Höchstspannungsanlagen, für die keinerlei
                              									Erfahrungen oder Vorbilder vorlagen, vor sich gegangen. Für Maschinen, hauptsächlich
                              									aber für Transformatoren, Schaltgeräte und für das ganze Leitungs- und
                              									Ausrüstungsmaterial für den Freileitungs-Streckenbau mußten z. T. neue
                              									Konstruktionen nach völlig neuen Gesichtspunkten und Prinzipien ausgebildet werden,
                              									um den Anforderungen der neuen Höchstspannung in bezug auf Isolationsfestigkeit und
                              									Betriebssicherheit zu genügen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 339, S. 161
                              Abb. 3. Ansicht des Drehstrom-Oelkabels 3 × 95 mm für 30 kV.
                              
                           Es mußten in vielen Fällen völlig neue Wege beschritten
                              									werden, grundsätzlich neue Methoden zur Anwendung gebracht werden, um der
                              									Schwierigkeiten Herr zu werden. Es sei an dieser Stelle nur erinnert an die
                              									Isolations-Schwierigkeiten beim Bau von Höchstspannungs-Transformatoren, von Höchstspannungs-Oel Schaltern, an den
                              									Uebergang vom Stützisolator zum Kettenisolator, von denen wir als letzte
                              									Ausführungsform für die Höchstspannungen von 220 und 380 kV die acht- bis
                              									zehngliedrigen Isolatorenketten mit Ringisolatoren und die Isolatorenketten mit
                              									Motorisolatoren kennen gelernt haben. Es sei weiter erinnert an die völlige Umgestaltung
                              									der Schaltwerksanlagen, an den Uebergang vom geschlossenen Schalthaus zur Freiluft-Schaltstation, und weiter an den sich gerade
                              									gegenwärtig vollziehenden Uebergang vom Hochleistungs-Oelschalter zum ölfreien Hochleistungsschalter und an den Uebergang vom
                              									massiven Kupfer- und Stahl-Aluminiumseil für den Freileitungs-Streckenbau zum Hohlseil, wie es von den Firmen Siemens-Schuckertwerke A.-G., der Allgemeinen
                                 										Elektrizitäts-Gesellschaft und der Felten &
                              										Guilleaume-Lahmeyerwerke A.-G. hergestellt wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 339, S. 162
                              Abb. 4. Verbindungsmuffen zum 100 kV-Oelkabel
                              
                           Da alle diese Neukonstruktionen auf einen bestimmten Sicherheitsmodulus, der ihre.
                              									absolute Betriebssicherheit gewährleistet, im Laboratorium auch geprüft werden
                              									mußten, und zwar unter Anwendung von Spannungen, die wesentlich höher als die
                              									jeweils neuen Betriebsspannungen von 100, 200 und 380 kV sein mußten, so hat man
                              									auch immer wieder neue, oft sehr kostspielige Prüfanlagen und Einrichtungen schaffen
                              										müssenVgl. F. A. Foerster
                                    												„Hochspannung und die Hochspannungs-Prüftechnik“ in „Dinglers
                                       												Polyt. Journal“ Heft 9 10, Band 343/1928., Einrichtungen,
                              									mit denen man Prüfspannungen bis zu 1 Million Volt und mehr zu erzeugen in der Lage
                              									war.
                           Soweit es sich um das Leitungsmaterial für den Freileitungs-Streckenbau handelte,
                              									hatte man im Hohlseil eine für die heute gebräuchlichen Höchstspannungen geeignete
                              									Konstruktion gefunden, durch die man bei dem gleichen stromführenden
                              									Leitungs-Querschnitt einen größeren Seildurchmesser erhielt, mit dem man den Korona-
                              									und Strahlungsverlusten erfolgreich begegnen konnte. Anders verhält es sich beim
                              									unterirdisch verlegten Kabel, auf das man an Stelle der Freileitungen in den Städten
                              									und namentlich in den starkbevölkerten Industrie- und Großstädten zur größeren
                              									Sicherheit gegen Hochspannungsgefahren doch angewiesen war. Hier hatte man
                              									bisher eigentlich nur die in ihrer Konstruktion mehr oder weniger von einander
                              									abweichenden eisenarmierten Bleikabel mit Massefüllung, die bis zu 100 kV im
                              									Höchstfalle benutzbar waren (Großkraftwerk Franken A. G.). So ist u.a. auch in der
                              									Technischen Hochschule in Braunschweig ein 100 kV-Kabel mit Massefüllung zu
                              									Versuchszwecken im Gebrauch. Stark schwankende größere Strombelastungen, wie sie im
                              									praktischen Betriebe, namentlich in Industriebezirken öfter vorkommen, stellen
                              									indessen so hohe fabrikationstechnische Anforderungen an die Herstellung von
                              									Höchstspannungskabeln in bezug auf absolute Betriebssicherheit und Lebensdauer
                              									(geringe dielektrische Verluste und hohe Durchschlagsfestigkeit), die von einem
                              									Kabel mit Massefüllung in wirtschaftlich befriedigender Weise doch nicht erfüllt
                              									werden können. Praktische Versuche und planmäßige Messungen und Beobachtungen haben
                              									zu der Wahrnehmung und Erkenntnis geführt, daß die Schwierigkeiten in der
                              									Herstellung von Höchstspannungskabeln eigentlich kein
                              									elektro-hochspannungstechnisches, sondern mehr ein wärmetechnisches Problem
                              									darstellen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis wurde das neue Oelkabel (vgl. Abb. 1–3) entwickelt.Näheres hierüber vgl.1. F. Schrottke. „Das 100000-Volt-Kabel in
                                       												Nürnberg“ Siemens-Jahrbuch 1929, S. 95 u. f.2. Derselbe. „Oelkabel“ Siemens-Jahrbuch 1930,
                                    											S. 123 u. f. Man war sich dabei wohl auch von vornherein bewußt,
                              									daß die Anwendung von Oel als Kühlmittel beim Kabel gewisse Schwierigkeiten bereiten
                              									würde, deren Ueberwindung indessen mit den heutigen technischen Mitteln in
                              									vollkommener Weise gelang.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 339, S. 162
                              Abb. 5. Trennstelle zum 100 kV-Einleiter-Oelkabel.
                              
                           Unter einem Oelkabel, die übrigens in Amerika bereits seit 1927 im Betrieb sind,
                              									versteht man ein Kabel, dessen Papierisolierung mit dünnflüssigem Oel getränkt ist,
                              									im Gegensatz zu dem mit einer konsistenteren Tränkmasse ausgeführten Massekabel.
                              									Aber gerade diese konsistentere Tränkmasse hat sich für Höchstspannungskabel als
                              									ungeeignet erwiesen, weil sie bei den betriebsmäßig auftretenden starken
                              									Erwärmungen, infolge starker Belastungen, zunächst zu Auftreibungen des Bleimantels führt, dann
                              									aber durch Brüchigwerden Hohlräume schafft, welche die dielektrischen Verluste
                              									vergrößern und damit die Durchschlagsfestigkeit vermindern, auf Kosten der
                              									Wirtschaftlichkeit des Massekabels, infolge Verkürzung der Lebensdauer.
                           Die Oelkabel werden fabrikationsmäßig in Längen von 800 m hergestellt. Die Verbindung
                              									der einzelnen Längen an Ort und Stelle der Verlegung erfolgt durch Muffen (vgl. Abb. 4). Die
                              									Gesamtkabelstrecke wird bei größerer Länge und unter Berücksichtigung etwaiger
                              									Terrain-Schwierigkeiten, wie Steigungen und dergl. durch an geeigneten Punkten
                              									eingebaute Trennstellen (vgl. Abb. 5) unterteilt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 339, S. 163
                              Abb. 6. Endverschlüsse zum 100-kV-Oelkabel mit Einrichtung zum Messen
                                 										dielektr. Verluste.
                              
                           In Abb. 6 ist ein Hochspannungskäfig mit den Endverschlüssen eines Oelkabels und Einrichtung zum
                              									Messen der dielektrischen Verluste dargestellt. An diesen Endstellen sind die Kabel
                              									öldicht abgeschlossen, während sie in den Trennstellen (Abb. 5) mit größeren Oelgefäßen in Verbindung stehen, die – ähnlich wie
                              									die bekannten Oelkonservatoren (Ausdehnungsgefäße) bei den Transformatoren – den
                              									Ausgleich des sich durch betriebsmäßige Erwärmung und Abkühlung ausdehnenden und
                              									zusammenziehenden Oeles gestatten. Unzulässige Abweichungen vom normalen Oelstand in
                              									den Gefäßen wird durch Schwimmerkontakt-Signale gemeldet.
                           Die Oelkabel werden in ihren Fabrikationslängen bezw. in ihren für die Anlage
                              									hergerichteten Längen mit Oelfüllung zum Versand gebracht. Das Nachfüllen des
                              									verlegten Kabels erfolgt in solcher Weise, daß Lufteinschlüsse für Kabel und Muffen
                              									mit Sicherheit vermieden werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 339, S. 163
                              Abb. 7. Muffe zum 100 kV-Einleiter-Oelkabel unter innerem Druck von 50
                                 										at.
                              
                           Neuerdings ist es auch gelungen, Kabel, Verbindungsmuffen und Endverschlüsse für sehr
                              									hohen Druck, bis zu 50 at und mehr herzustellen, So zeigt Abb. 7 eine Verbindungsmuffe zu einem unter dem hohen Druck von 50 at
                              									stehenden Oelkabel. Solche Oelkabel für hohen Druck kommen bei größeren
                              									Geländesteigungen zur Verlegung. Durch Durch Einschaltung von Sperrumffen, durch die
                              									der Oelfluß im Kabel eine Unterbrechung erfährt, kann man meist mit geringerem Druck
                              									auskommen. Bei den im ebenen Gelände verlegten Oelkabeln hat sich ein Oeldruck von 2
                              									bis 4 at als der wirtschaftlich vorteilhafteste erwiesen.