Titel: | Temperaturmessungen an flüssigem Gußeisen. |
Autor: | Möller |
Fundstelle: | Band 345, Jahrgang 1930, S. 207 |
Download: | XML |
Temperaturmessungen an flüssigem
Gußeisen.
Dipl.-Ing. Möller,
Frankfurt/M.
Dipl.-Ing. MÖLLER, Temperaturmessungen an flüssigem
Gußeisen.
Die in der Meßtechnik üblichen Methoden zur Temperaturmessung bedürfen einer
besonderen Ausgestaltung, wenn es sich um die Messung flüssigen Gußeisens handelt.
Der erforderliche Meßbereich umfaßt etwa 1250 bis 1550° Cels. Von den Thermometern,
die das wärmeempfindliche Element in unmittelbare Berührung mit dem zu messenden
Medium bringen, ist bei diesen Temperaturen nur noch das thermoelektrische Pyrometer
brauchbar.
Textabbildung Bd. 339, S. 206
Bild 1: Strahlungspyrometer an einem Schmelzofen.
Es beruht auf der Erscheinung, daß zwei an einem Ende
miteinander verschweißte Stäbe verschiedenen Metalls an ihren freien Enden eine
elektrische Spannung (Thermospannung) zeigen, wenn die Schweißstelle einer von
den freien Enden abweichenden Temperatur ausgesetzt wird. Da der rechnerische
Zusammenhang zwischen Temperatur und Thermospannung bekannt ist, kann man den
Spannungsmesser für die Thermospannung gleich in Temperatureinheiten eichen. Für die
Metallstäbe benutzt man einerseits Platin, andererseits eine Legierung von Platin
und Rhodium.
Textabbildung Bd. 339, S. 206
Bild 2: Pyropto im Schnitt.
Um rasche Zerstörungen des Platinelements durch Bildung von
Platin-Eisenlegierungen zu vermeiden, muß das Element in eine Schutzhülle eingebaut werden,
wobei allerdings Verzögerung und Verschlechterung des Wärmeübergangs mit in Kauf
genommen werden müssen. An die Schutzrohre werden nun große Anforderungen gestellt:
der Werkstoff, aus dem das Rohr besteht, darf auch bei 1500° noch nicht schmelzen,
muß im Gegenteil noch ausreichend fest und hart bleiben. Der Werkstoff soll
weiterhin schroffe Temperaturwechsel vertragen, darf weder von flüssigem Gußeisen
noch von flüssiger Schlacke angegriffen werden und muß vor allen Dingen die Wärme
gut leiten. Diesen vielgestaltigen Anforderungen entsprechen nur Schutzrohre aus
besonderen keramischen Massen einigermaßen, doch muß man stets infolge Verschleiß
und mechanischer Zerstörung mit einem häufigen Ersatz der Schutzrohre rechnen. Für
Dauermessungen in flüssigem Gußeisen sind thermoelektrische Pyrometer nicht zu
verwenden.
Wegen der Nachteile, die allen den Thermometern notwendig anhaften müssen, deren
wärmeempfindlicher Teil mit dem flüssigen Eisen unmittelbar in Berührung kommt, hat
man versucht, die strahlende Wirkung der Glutmasse zur Temperaturmessung
auszunutzen; so entstanden die Strahlungspyrometer. Allen Strahlungspyrometern
gemeinsam ist zunächst der Vorteil, daß die Meßgeräte mit dem flüssigen Eisen
überhaupt nicht in Berührung kommen, sondern daß das Eisen aus einiger Entfernung
anvisiert wird. Ein weiterer Vorteil ist darin zu sehen, daß die Anzeige stets
augenblicklich ohne jede Verzögerung erfolgt. Man unterscheidet zwei auf ganz
verschiedenen physikalischen Grundsätzen beruhende Pyrometer:
Gesamtstrahlungspyrometer und Teilstrahlungspyrometer.
Textabbildung Bd. 339, S. 207
Bild 3: Messen mit dem Pyropto.
Die Wirkungsweise des Gesamtstrahlungspyrometers beruht auf folgender Grundlage: als
schwarzer Körper wird in der Physik ein Körper bezeichnet, der alle auf ihn
fallenden Strahlen absorbiert und keine reflektiert. Da nun das Emissionsvermögen
eines solchen Körpers proportional dem Absorptionsvermögen ist, sendet ein schwarzer
Körper bei Erhitzung ein Maximum von Strahlen aus. Vollständig schwarze Körper gibt
es nicht, doch nähert sich der Innenraum eines glühenden Ofens dem Idealfall sehr
stark, wenn alle Klappen verschlossen sind und die Beobachtung nur durch ein
Schauloch erfolgt. Das Gesamtstrahlungspyrometer arbeitet nun in der Weise, daß die
von einem glühenden Körper ausgehenden Strahlen durch irgendein optisches System
gesammelt und auf einem kleinen, möglichst schwarzen Körper vereinigt werden. Es setzt sich dann
hier die Energie der sichtbaren und unsichtbaren Strahlen zu Wärme um. Die dadurch
erzeugte Temperatursteigerung wirkt auf die Schweißstelle eines kleinen
Thermoelements und hat eine entsprechende Thermospannung zur Folge, die mit einem
gleich in Temperatureinheiten geeichten Milli-Voltmeter gemessen wird. Damit die
Schweißstelle des Thermoelements dem Idealfall eines schwarzen Körpers möglichst
nahe kommt, wird sie in eine luftleere Glashülle eingeschmolzen und geschwärzt. Die
Angaben eines Strahlungspyrometers sind grundsätzlich unabhängig von der Entfernung
des Strahlers von der Optik, solange der Strahler ausreichend groß ist. Die Optik
schneidet stets einen Kegel aus, dessen Oeffnungswinkel konstant ist. Zwar nimmt die
Energie der Strahlung mit dem Quadrat der Entfernung ab, in gleichem Verhältnis aber
die vom Kegel aus dem Strahler geschnittene strahlende Fläche zu, so daß die auf das
Thermoelement fallende Energiemenge theoretisch konstant bleibt.
Die Strahlung flüssigen Gußeisens an freier Luft z.B. in der Abstichrinne weicht nun
von der Strahlung eines schwarzen Körpers sehr stark ab. Die anzuwendenden
Korrekturwerte unterliegen starken Streuungen, deren Ursachen und Ausmaße noch nicht
geklärt sind. Man hat versucht, diese Schwierigkeit auf folgende Weise zu umgehen:
in den Vorherd eines Kupolofens wird ein einseitig geschlossenes Rohr aus
hochfeuerfester Masse so eingebaut, daß es allseitig in das flüssige Gußeisen
eintaucht. Das Strahlungspyrometer wird so eingestellt, daß durch das Rohr hindurch
der glühende Boden des Rohres anvisiert wird. Das Rohrinnere strahlt etwa wie ein
schwarzer Körper, so daß die Messung theoretisch einigermaßen richtig ausfällt. Beim
praktischen Gebrauch jedoch werden die Glührohre vielfach durch Verschleiß und den
schroffen Temperaturwechsel zerstört, so daß dieses Verfahren keine allzugroße
Verbreitung gefunden hat. Will man dagegen die Innentemperatur von Glühöfen,
Schmelzöfen und dergleichen dauernd überwachen oder aufzeichnen, so eignet sich dazu
ein Gesamtstrahlungspyrometer sehr gut. Das Bild 1
zeigt den Anbau mehrerer Strahlungspyrometer an einem Schmelzofen. Die Temperatur
wird an einem gemeinsamen Anzeiggerät abgelesen, das durch Umschalter mit den
einzelnen Meßstellen verbunden werden kann. Die ganze Anlage wurde von der Hartmann
& Braun A.-G. geliefert. Statt des Anzeiggeräts kann man auch ein Schreibgerät
verwenden und damit den Temperaturverlauf über längere Zeitstrecken hin
aufzeichnen.
Bei einem Teilstrahlungspyrometer wird folgendes Meßverfahren angewandt: die
Helligkeit eines glühenden Körpers steht mit seiner Temperatur im bestimmten
gesetzmäßigen Zusammenhang. Durch fotometrischen Vergleich der Lichtstärken bei
einer bestimmten Wellenlänge lassen sich also die Temperaturen glühender Körper
vergleichen. Man kann diesen Vergleich der Lichtstärken auf zwei verschiedene Arten
vornehmen. Man nimmt eine konstante bekannte Vergleichlichtquelle und schwächt
die vom Prüfling ausgehende Strahlung soweit, bis die Helligkeit übereinstimmt. Der
Grad der Schwächung ist dann ein Maß für die Temperatur des Prüflings (Prinzip von
Wanner). Man kann aber auch die Vergleichslichtquelle so einregeln, daß ihre
Helligkeit mit der Helligkeit des Prüflings übereinstimmt (Prinzip von Holborn und
Kurlbaum). In der Praxis haben sich fast nur Geräte der zweiten Art bewährt. Als
Vergleichslichtquelle wird der Glühfaden einer elektrischen Lampe genommen. Durch
Aendern der Fadenspannung wird die Lampe so eingeregelt, daß der Glühfaden auf dem
Bild der gleichzeitig betrachteten strahlenden Fläche verschwindet. Die
Fadenspannung ist ein Maß für die Temperatur des Fadens und damit für die Temperatur
der strahlenden Fläche. Die Fadenspannung mißt man mit einem kleinen
Spannungsmesser, der gleich in Temperatureinheiten geeicht wird. Ein Beispiel für
solch ein optisches Pyrometer ist das Pyropto von Hartmann & Braun (Bild 2.)
Textabbildung Bd. 339, S. 208
Bild 4: Meßstelle am ausfließenden Eisen.
Es besteht aus einem Fernrohr, durch das die glühende Masse betrachtet wird. Im
Innern des Fernrohrs zwischen Objektivlinse und Okularlinse ist eine Glühlampe
eingebaut. Blickt man durch das Fernrohr, so erscheint der Lampenfaden vor dem
glühenden Körper. Die Glühlampe wird von einem Sammler gespeist, der im Handgriff
des Geräts untergebracht ist. Ueber dem Fernrohr liegt die Skala des
Spannungsmessers, um das Fernrohr herumgreifend der Regelwiderstand für die
Glühlampe. Wie das Bild 3 zeigt, schaut man durch das
Fernrohr auf die glühende Masse und dreht die Rändelscheibe soweit, bis der
Glühfaden der Lampe in dem Bild der glühenden Masse gerade verschwindet. Dann schaut
man kurz auf und liest die Temperatur ab (Bild 3). Am
besten wird die Temperatur des flüssigen Gußeisens in der Weise bestimmt, daß man
den aus der Abstichrinne abfließenden Eisenstrahl von rückwärts unmittelbar unter
der Rinne anvisiert (Bild 4). Das Eisen ist dort noch
vollständig blank, hat sich an der Oberfläche noch nicht nennenswert abgekühlt und
entwickelt auch noch nicht Kieselsäuredämpfe, die an allen anderen Stellen des Eisenstrahls
aufsteigen und die Lichtemission abschwächen.
Da im höheren Temperaturbereich der optisch wirksame Teil der Strahlung sehr stark
zunimmt, ergibt ein Helligkeitsfehler von 10 % bei der Einstellung nur einen
Temperaturfehler von 1 bis 2 %. Ein solcher Helligkeitsfehler von 10 % ist bei einem
einigermaßen geübten Beobachter ganz ausgeschlossen. Man soll sich allerdings
nicht auf die absolute Richtigkeit der gemessenen Werte verlassen. Darauf kommt es
aber auch im Betrieb nicht an, sondern man will die relativen Temperaturschwankungen
ganz genau kennen, die das flüssige Gußeisen an den einzelnen Tagen und bei den
einzelnen Abstichen zeigt. Dazu sind die optischen Pyrometer heute schon ein
unentbehrliches Hilfsmittel geworden.