Titel: | Der Schubtransformator. |
Autor: | F. A. Förster |
Fundstelle: | Band 345, Jahrgang 1930, S. 222 |
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Der Schubtransformator.
Von Oberingenieur F. A. Förster
F. A. FOERSTER, Der Schubtransformator.
Das Problem der Spannungsregelung, insbesondere was die Konstanthaltung der
Spannung in den weitverzweigten und vielfach vermaschten Leitungsnetzen der heutigen
Elektrizitäts-Großversorgungsgebiete anbetrifft, gewinnt mit der immer weiteren
Ausdehnung der Netze und ihrer Versorgung aus verschiedenen Kraftzentralen bei
wechselseitiger Entnahme und Abgabe von Energie mehr und mehr an Bedeutung. Die
Konstanthaltung der Spannung an den verschiedenen Stellen des weitverzweigten
Verteilungsnetzes bei allen betriebsmäßig vorkommenden Belastungsschwankungen und
insbesondere auch bei den Spitzenbelastungen ist ein Problem der Kraftzentralen,
dessen zufriedenstellende Lösung eine betriebstechnische Voraussetzung für die
Bedingungen der Stromlieferungsverträge sowohl zwischen den Verwaltungen der im
Leitungsnetz gekuppelten Kraftzentralen unter sich, wie insbesondere auch in bezug
auf die tarifmäßige Stromabgabe an die Verbraucher bildet. Sie ist eine der
fundamentalsten Forderungen für die kommerziellen und vertragsrechtlichen Grundlagen
unserer gesamten Elektrizitäts- und Energie-Wirtschaft.
Für diese Spannungsregelung in den Verteilungsnetzen unserer Groß-Versorgungsgebiete
sind in den Kraftzentralen und deren Unterstationen, in den Umformer- und
Transformatorenstationen, in den Schalthäusern und a. a. O. geeignete Apparate
eingebaut, vermittelst deren man von Hand oder auch automatisch die Netzspannung
regeln und praktisch konstant halten kann. Die hauptsächlichsten dieser
„Netzregler“ sind: Der Anzapftransformator mit
Windungsschalter und der unter der Bezeichnung
„Drehtransformator“ bekannte Induktionsregler.
Textabbildung Bd. 339, S. 222
Abb. 1. Bewickelter Schenkel mit rechteckigem Wicklungsquerschnitt
Der Anzapftransformator ist ein gewöhnlicher Transformator mit einer dem Regelbereich
entsprechenden Anzahl primärer Anzapfungen, die durch kurze Verbindungsleitungen mit
den Kontakten des Windungsschalters verbunden werden. Die Regelung der Spannung
erfolgt hier stufenweise, je nach Größe und Anzahl der
Anzapfungen, die man jeweilig so ausführen wird, daß sie den praktisch vorliegenden
Betriebsverhältnissen nach Möglichkeit entsprechen. Der mehr oder weniger
empfindliche Windungsschalter mit seinen Kontakten und Schleifhebeln hat aber im Betriebe
doch auch mancherlei Mängel gezeigt, welche diese Lösung des Problems der
Spannungsregelung – ganz abgesehen von der meist unzulänglichen stufenweisen Regelung – nicht als eine den Forderungen
der Praxis entsprechende ideale Lösung erscheinen lassen.
Textabbildung Bd. 339, S. 223
Abb. 2. Vollständiger Kern mit Wicklung (Mittelstellung)
Eine völlig stufenlose Regelung der Netzspannung erhält
man dagegen durch den aus diesem Grunde bevorzugten „Drehtransformator“
Dieser entspricht in seinem prinzipiellen Aufbau und seiner Wirkungsweise dem
asynchronen Induktionsmotor. Er besteht wie dieser aus einem feststehenden Stator
und einem Rotor, der zwar nicht wie beim Motor umläuft, sondern nur um einen relativ
kleinen Winkel nach links oder nach rechts drehbar eingerichtet ist. In seiner
einfachsten Form (für Einphasen-Wechselstrom) ist in das Feld des Stators mit der
vom Netz gespeisten Primärwickelung der um 180 Grad um seine Achse drehbare Kern des
Rotors zu der in Serie zum Netz geschalteten Sekundärwicklung derart hineingelegt,
daß durch die Drehung des Rotors um einen bestimmten Winkel nach links oder nach
rechts jeweilig eine mehr oder weniger große Anzahl von Kraftlinien des Primärfeldes
in ihrer positiven oder negativen Einstellungsrichtung der Phase bezw. der
Phasenfolge oder Phasenlage umfaßt werden, die in der Sekundärwicklung einen nach
Größe und Richtung variablen Betrag an Zusatzspannung erzeugt, der sich zur
jeweiligen Netzspannung in dem einen Falle addiert, im anderen Falle subtrahiert.
Die Regelung erfolgt dabei völlig stufenlos, ohne
Kontakte und ohne Schalter; sie kann von Hand oder mit Hilfe eines kleinen
Elektromotors auch automatisch erfolgen.
Textabbildung Bd. 339, S. 223
Abb. 3. Vollständiger Kern mit Wicklung (Endstellung)
Bei dem heute in unseren Verteilungsnetzen vorherrschenden Drehstrom mit seinen drei um 120° gegeneinander versetzten Phasen, die
bekanntlich das Drehfeld erzeugen, zeigt der Drehtransformator, der hier in der
Regel mit nur einem Rotorkörper ausgerüstet wird, doch nicht mehr so ganz die
idealen Eigenschaften wie beim Einphasenstrom, weil hier durch die Drehung des
Rotors jetzt die Aenderung der Sekundärspannung nicht nach ihrer Größe, sondern nach
der Phasenlage erfolgt. Erst die geometrische Summierung der Primär- und
Sekundärspannung ergibt die nach Größe und Richtung geregelte Netzspannung. Außerdem
sind beim Drehtransformator auch noch einige andere Mängel nicht zu übersehen, wie
z.B. der hohe Leerlauf ström, die große Streuung und die geringe
Kurzschlußfestigkeit.
Neuerdings ist nun hier von der Firma Koch & Sterzel A. G. in Dresden in dem von ihr hergestellten,
sogenannten Schubtransformator ein neuer Apparat zur stufenlosen Regelung der Netzspannung auf den Markt
gebracht worden, der sowohl für Einphasen-Wechselstrom, wie für Drehstrom die
gleichen Vorteile in bezug auf seine Zuverlässigkeit und Sicherheit im Betriebe
zeigt und der insbesondere auch neben der idealen, völlig stufenlosen Regelung durch geringen Leerlauf, geringe Streuung und hohe
Kurz Schlußfestigkeit ausgezeichnet ist.
Textabbildung Bd. 339, S. 223
Abb. 4. Dreiphasen-Schubtransformator im Aufbau
Dieser Schubtransformator ist bereits im Jahre 1920 von der Firma herausgebracht
worden. Er wurde in der Folge durch weitere Verbesserungen zu einem in jeder
Hinsicht sicher und zufriedenstellend arbeitenden, marktfähigen Apparat entwickelt
und ist in der Fachpresse wiederholt beschrieben worden.W. Reiche. „Ein neuer Transformator zur
stufenlosen Spannungsregelung. E. T. Z. Heft 19 1927.ders. „Der Schubtransformator als Netzregler“.
Elektrizitäts-Wirtschaft, Heft 452 1928. Eine eingehende
Beschreibung hat der Schubtransformator u.a. auch in dem dem Verfasser vorliegenden
kleinen 46 Seiten mit 43 Abbildungen umfassenden Heft „Mitteilungen aus
dem Arbeitsgebiet der Koch & Sterzel A. G.
(Druckschrift VIII 206. Nr. T. 13 Juni 1928)“ gefunden, auf das hiermit
hingewiesen sei.
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Abb. 5. Netzregler für Drehstrom für 1670 kVA bei 20 kV
Das Prinzip und der konstruktive Aufbau des Schubtransformators ist aus Abb. 1 bis 4 zu
erkennen. Abb. 1 zeigt einen einphasigen Schenkel mit
der eingelassenen Sekundärwicklung, über welche sich das Joch mit den aus Abb. 2 und 3
erkennbaren konzentrisch, aber getrennt von einander angeordneten, beiden
entgegengesetztgeschalteten Primärwicklungen in der Längsrichtung auf dem Schenkel
derartig verschieben läßt, daß entweder – wie in Abb.
2 gezeigt – in der Mittelstellung des Joches weder die eine noch die
andere Primärwicklung über der Sekundärwicklung liegt, oder – wie in Abb. 3 – entweder die eine oder die andere
Primärwicklung in einer der beiden Endstellungen voll und ganz über der
Sekundärwicklung liegt und diese in solchem Falle für das Maximum der positiven oder
negativen, sich jeweilig aus der Phasenlage ergebenden Zusatzspannung
induziert. Dazwischen gibt es nun selbstverständlich beliebig viele Zwischenstufen,
so daß eine völlig stufenlose Regelung – wie beim
Drehtransformator – sowohl nach der einen wie nach der anderen Seite gegeben
ist.
Wie für Einphasenstrom mit nur einem Schenkel, so wird der Schubtransformator – was
in Abb. 4 veranschaulicht – in gleicher Weise auch
für Drehstrom mit drei Schenkeln aufgebaut. Die Regulierung, d.h. die Verschiebung
der Joche mit ihren zwei Primärwicklungen (Viator d. i.
Wanderer genannt) über dem feststehenden Schenkel mit der Sekundärwicklung (auch Stator – in Uebereinstimmung mit dem Drehtransformator –
genannt) wird entweder, wie das aus Abb. 4
ersichtlich ist, bei kleineren Apparaten durch Handrad über Räder und Spindeln,
oder, wie hauptsächlich bei größeren Apparaten, durch einen kleinen Elektromotor
unter Zwischenschaltung von Schneckenrädern bewirkt. Das Weiterlaufen des
abgeschalteten Motors wird durch eine elektrische Bremsvorrichtung und das
Ueberfahren der Endstellungen durch zwei sogenannte Endschalter verhindert.
In Abb. 5 ist ein Schubtransformator als
Drehstrom-Netzregler für ± 100 kVA Zusatzleistung bei
1670 kVA Durchgangsleistung und für einen Regelbereich von ± 6 % für ein 20 kV-Leitungsnetz dargestellt. Bei dieser Ausführung sind
die beiden Arbeitswicklungen des Schubtransformators elektrisch vom Netz getrennt
und für Niederspannung ausgeführt. Die Abbildung zeigt links den eigentlichen
Schubtransformator und rechts als Zubehör die in ein Gefäß zusammengebauten
Isoliertransformatoren mit den aus Ocelitstäben hergestellten Widerständen zur
Ueberbrückung der Zusatzwicklung.
Wie für Netzregelung, so werden Schubtransformatoren auch
für Ofenbetrieb hergestellt in entsprechender
Spezialwicklung und Schaltung.