Titel: Miscellen.
Fundstelle: Band 238, Jahrgang 1880, Miszellen, S. 176
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Miscellen. Miscellen. Ueber Girard-Turbinen; von Professor C. Fink. In einem längeren, dem Civilingenieur, 1880 Bd. 26 * S. 33 mitgetheilten Aufsatz tritt Professor C. Fink in Berlin der namentlich unter Laien vielfach verbreiteten Ansicht entgegen, daſs die Girard-Turbine einen höheren Nutzeffect als andere gut ausgeführte Turbinensysteme gebe, und beweist vielmehr, daſs das Gegentheil der Fall sei. Als Uebelstand der Girard-Turbinen wird hervorgehoben, daſs bei denselben mit Rücksicht auf die Querschnittsform ihrer Zellen die jeder Turbinentheorie zu Grunde gelegte Voraussetzung nicht zutreffen kann, daſs alle Wasserelemente möglichst einen Weg derselben Form durchlaufen. Dann wird dargelegt, daſs die seitlich eintretende Luft in der Bewegung des Wassers Unregelmäſsigkeiten hervorrufen kann, welche noch gröſser werden, wenn bei steigendem Unterwasser statt Luft Wasser durch die Ventilationsöffnungen in das Rad gelangt. Die Nothwendigkeit, die Turbine über dem höchst möglichen Unterwasserstand aufzuhängen, hat an und für sich schon einen Gefällsverlust zur Folge und ist Ursache, daſs bei wechselndem Unterwasserstand nicht das ganze vorhandene Gefalle ausgenutzt werden kann. Der Vortheil der Girard-Turbinen, daſs bei Abschätzung einzelner Leitkanäle beträchtliche Effectverluste nicht eintreten, weil der Austritt des Wassers aus der unter eine geschlossene Leitradzelle tretenden Laufradzelle durch den äuſseren Luftdruck nicht gehindert wird, ist vom Verfasser allerdings bemerkt, doch gleichzeitig geltend gemacht, daſs sich dieser Vortheil auch bei Turbinen ohne Laufrad-Ventilation erreichen läſst, wenn man die erste geschlossene Leitzelle, unter welche die gefüllten Laufradzellen treten, mit einem Luftzuführungsrohr versieht, dessen lichter Querschnitt sich mit Hilfe eines Hahnes nach Bedürfniſs regeln läſst. Wir halten an dieser Stelle noch die Bemerkung für gerechtfertigt, daſs Professor R. Werner in seiner Turbinentheorie (Verlag von R. Gärtner in Berlin) bei Reaktionsturbinen höhere Wirkungsgrade als bei Druckturbinen für erreichbar hält. Versuche mit einer kleinen Compound-Maschine. Wir haben S. 8 d. Bd. über eine 70pferdige französische Compound-Maschine berichtet, welche für 1e indicirt stündlich 7k,6 Speisewasser benöthigt.Vgl. auch Schröter's Versuche mit einer 150e-Compound-Dampfmaschine der Maschinenfabrik Augsburg, 1880 237 337. Daſs auch kleine gut construirte Compound-Maschinen ein vorzügliches ökonomisches Resultat geben können, zeigt der Bericht von Prof. Hartig im Civilingenieur, 1880 S. 381 über Versuche an einer von Ph. Swiderski in Leipzig gebauten Maschine mit Durchmessern der beiden Cylinder von 180 und 310mm, Hub 550mm, welche bei durchschnittlich 28 Proc. Füllung im Hochdruckcylinder und bei 87 Umdrehungen in der Minute 19e,8 indicirte und stündlich für 1e ind. 8k,94 Speisewasser benöthigte, wobei der groſse Cylinder noch um 20 Proc. weniger leistete als der kleine. Der normale Füllungsgrad von 33 Proc. entspricht beiläufig gleicher Leistung beider Cylinder. G. S. Sailer's Zirkelmaſsstab. Zur Beurtheilung von Entfernungen auf Karten ist ein einfaches Instrumentchen von L. Sailer, k. b. Premierlieutenant a. D. in München, empfehlenswerth, welches aus einem länglichen Cartonstreifen besteht, der vorn halbkreisförmig abgerundet und hier mit eingesetzten Metallspitzen in je lern Entfernung versehen ist. Dieser Rand läſst sich nun bequem der auf der Karte abzumessenden Strecke entlang rollen und deren wahre Länge sofort auf einem der drei Maſsstäbe ablesen, welche concentrisch zum Rand auf die Vorderseite des Carton aufgedruckt sind. Diese Maſsstäbe sind den gebräuchlichsten Kartenmaſsstäben entsprechend mit 1 : 25000, 50000 und 100000 gewählt. Ein anderer Kartenmaſsstab würde eine entsprechende Umrechnung nöthig machen. Auf der Rückseite des Instrumentes sind Böschungsmaſsstab und Terrainscale, auf der Vorderseite noch die durch Abschreiten oder Abreiten (im Trabe) zurückzulegenden Entfernungen angegeben. Das Instrument läſst sich bequem in jeder Brieftasche oder Karte mitführen. Hohle Ankerbolzen für hydraulische Pressen. H. J. Bartlett in New-York (* D. R. P. Kl. 58 Nr. 8013 vom 26. April 1879) benutzt bei hydraulischen Pressen die Bolzen, welche die Kopfplatte tragen, gleichzeitig als Windkessel, zu welchem Zweck er sie durchbohrt und an beiden Enden mit Schraubenpfropfen schlieſst, im übrigen aber mit der gewöhnlichen Armatur, als Manometer, Einlaſs- und Auslaſsrohr, Sicherheitsventil und Lufthähnen, versieht. Vom Erfinder sind auch hohl gegossene Guſsbolzen in Betracht gezogen. Neuerungen an Façon-Hobeleisen. Die Schwierigkeiten, die sich beim Nachschärfen der Façon-Hobeleisen ergeben, haben E. Pliwa (Mittheilungen des technologischen Gewerbemuseums, Wien 1880 S. 132) auf die Idee geführt, die Randlinie des Schliffes unmittelbar auf das Messer selbst einzuätzen. Diese Methode bietet den Vortheil, daſs man immer das gleiche Profil erhält, was namentlich bei Herstellung von Maschinenprofilen in die Wagschale fällt. Für hölzerne Handhobel ist diese Methode nicht anwendbar, weil einerseits der Hobelkasten „arbeitet“, andererseits aber das Profil durch die Abnutzung beim Gebrauch sich fortwährend ändert. Das Verfahren ist folgendes. Es wird aus Holz oder besser aus Stahl eine Schablone nach der Schnittlinie des Hobelmessers hergestellt und mit einer Führungsleiste versehen, welch letztere zum parallelen Verschieben der Schablone in der Richtung der Längskante des Messers dient. Das blank polirte Hobelmesser wird mit einer dünnen Schicht Wachs überzogen und hierauf mit der Schablone und einer Nadel die Schnittlinie wiederholt in etwa 1mm Abstand eingerissen. Das Aetzen erfolgt mittels reiner Salpetersäure, die man 1 bis 2 Minuten auf das so vorgerichtete Messer einwirken läſst, so daſs die vom Wachsüberzuge befreiten Umrisse als mäſsig vertiefte Linien erscheinen. Das Wachs wird durch gelindes Erwärmen entfernt und sodann das Hobelmesser mit Feile und Schmirgel abgezogen, um etwaige Unebenheiten auszugleichen. Die Idee liegt nahe, nach diesem Verfahren Mühl- und Gattersägeblätter zuzurichten. Schnellbrater von A. Kuntze in Dresden. Der vorliegende Apparat (* D. R. P. Kl. 34 Nr. 6951 vom 5. Februar 1879 und Zusatz Nr. 9131 vom 5. October 1879) hat die Aufgabe, die Herstellung eines guten saftigen Bratens mit wenig Feuerungsmaterial und ohne Anwendung von besonderen Zuthaten zu ermöglichen. Dieser Zweck ist in einfachster Weise dadurch erreicht, daſs der gewöhnliche mit gut schlieſsendem Deckel versehene Topf von Eisenblech einen mit Asbest oder sonst einem schlechten Wärmeleiter ausgefüllten Doppelboden erhalten hat, wodurch die Hitze gleichmäſsig vertheilt und jedes Anbrennen verhütet wird. Die Einrichtung des Schnellbraters ist beistehend skizzirt und ohne weiteres zu verstehen. Auſser Fleisch können darin auch Kartoffeln, Gemüse u. dgl. mit Vortheil behandelt werden. Die Firma Weibezahl und Schneider in Dresden hat den Vertrieb dieses empfehlenswerthen Kochgeräthes übernommen. Textabbildung Bd. 238, S. 178 Sandtapete. Jans und Kleingarn in Altona (D. R. P. Kl. 8 Nr. 10082 vom 24. Januar 1880) tragen gefärbten Sand auf das mit einem geeigneten Firniſs mittels Hand- oder Maschinenformen bedruckte Papier in ähnlicher Weise auf wie Wollstaub. Zum Färben des Sandes wird derselbe z.B. mit Schweinfurtergrün gemischt, dann mit einer Lösung von Schellack in Aether und nach dem Trocknen mit Leinölfirniſs. Die Masse wird getrocknet, dann mit heiſsem Wasser Uebergossen, wodurch sie in ein feines Pulver zerfällt. Daſs dieser Sand durch Waschen mit Wasser, ohne seine Farbe zu verlieren, gesundheitsunschädlich werden soll, ist offenbar irrthümlich. Kempe's elektrischer Geschwindigkeitszeiger. Am 28. April d. J. hat H. R. Kempe in der Society of Telegraph Engineers einen elektrischen Geschwindigkeitszeiger vorgeführt, welcher in beliebiger Entfernung von der Maschine aufgestellt werden kann. Nach dem Journal des Vereines (1880 Bd. 9 S. 243) springt am Ende jeder Minute, wenn der Secundenzeiger der mit dem Instrumente verbundenen Uhr auf 60 eintrifft, ein Zeiger auf die Zahl, welche angibt, wie viel Umdrehungen die Maschine in der verflossenen Minute gemacht hat, und bleibt während der nächsten Minute auf dieser Zahl stehen. Die Maschine entsendet bei jeder Umdrehung einen Strom nach dem empfangenden Instrumente; dieser Strom wirkt auf ein Sperrrad und dreht dieses um einen Zahn. Am Ende jeder Minute wird ein mit dem Sperrrade verbundener, aber nicht an ihm befestigter Zeiger frei gelassen, setzt sich vorwärts oder rückwärts gehend in Uebereinstimmung mit dem Sperrrade und wird gleich darauf wieder festgehalten; das Sperrrad aber springt auf Null zurück. Etwa während dieser Vorgänge einlangende Ströme werden durch einen besonderen Accumulator aufgenommen und der nächsten Minute mit zugezählt. Auch kann das Instrument selbstregistrirend gemacht werden. Es zeigt natürlich die mittlere Geschwindigkeit in jeder Minute. E–e. Das elektrische Leuchten der Gase bei niederer Temperatur. Schon früher (Annalen der Physik, 1878 Bd. 5 S. 500. 1879 Bd. 6 S. 298) hatte E. Wiedemann gezeigt, daſs die Temperatur eines Gases, welches in einer Geiſsler'schen Röhre leuchtet, weit unter 100° liegen kann (vgl. 1880 237 331). Seine fortgesetzten Untersuchungen (daselbst 1880 Bd. 10 S. 202) zeigen zunächst, daſs die von G. Wiedemann und R. Rühlmann aufgestellte Theorie der Fortführung elektrischer Entladungen durch Gase sich nicht mehr aufrecht erhalten läſst. Nach ihnen wäre die Entladung bedingt durch von der Elektrode fortgeschleuderte, mit Elektricität geladene Molecüle, die beim Zusammentreffen mit anderen Molecülen an diese ihre Elektricität abgeben u.s.f. Dieselbe Theorie ist von Crookes in etwas abgeänderter Form zur Erklärung der von ihm beschriebenen, aber zum groſsen Theile bereits vor längerer Zeit von Hittorf und dann von Goldstein u.a. bekannt gemachten Erscheinungen wieder aufgenommen worden. Nach dieser Theorie müſsten jedenfalls die einzelnen fortfliegenden Molecüle Geschwindigkeiten besitzen, die der Forpflanzungsgeschwindigkeit der Elektricität in Gasen entsprechen. Aus Wheastone's Versuchen über die Entladungen in Gasen folgt aber, daſs diese jedenfalls gröſser als 200km ist. Eine so groſse translatorische, in der Richtung des Stromes zu messende Geschwindigkeit besitzen die Theilchen aber sicher nicht. Nach E. Wiedemann's Ansicht können wir uns den Vorgang bei der Entladung in folgender Weise vorstellen. Die von der Maschine gelieferte Elektricität, welche wir uns etwa als freien Aether denken, wird auf der Oberfläche der Elektroden zum Theil als freie Elektricität angehäuft und dort durch die Wechselwirkung zwischen ihr und den Metalltheilen an dem Austritte in die Umgebung gehindert-, ein solcher kann erst eintreten, wenn ihre Dichte hinlänglich groſse Höhe erreicht hat; zugleich erzeugt aber die Elektricität in dem umgebenden Medium eine dielektrische Polarisation und zwar in der Weise, daſs die Aetherhüllen der einzelnen Gasmolecüle deformirt werden und während der Rotation der Molecüle um ihre Achsen stets eine bestimmte Orientirung beibehalten. Tritt eine Entladung ein, so pflanzt sich zunächst die dadurch hervorgerufene plötzliche Aenderung der dielektrischen Polarisation von der Elektrode aus durch die Aetherhüllen der Gasmolecüle fort und setzt sie dadurch in Schwingungen. Daneben kann freilich auch ein Uebergang freier Elektricität von der Elektrode aus von Molecül zu Molecül stattfinden. Wie der Lichtstrahl bei phosphorescirenden und fluorescirenden Körpern in den Aetherhüllen der Molecüle oscillatorische Bewegungen bedingt, deren lebendige Kraft beträchtlich gröſser ist als der Temperatur entspricht, so ist es auch hier der Fall. Wie dort die das Leuchten bedingende Aetherbewegung sich allmählich auf die Massen der Molecüle selbst überträgt und Wärmebewegungen veranlaſst, so tritt auch bei der elektrischen Entladung ganz analog secundär eine Erhöhung der Gesammttemperatur ein. Haben nämlich in Folge dieser Uebertragung zwei Molecüle des Gases eine gröſsere oscillatorische Bewegung, als ihnen nach dem der Temperatur desselben entsprechenden normalen Verhältniſs zwischen translatorischer und oscillatorischer (rotatorischer) Bewegung zukommt, so verwandelt sich bei dem Zusammenstoſs derselben allmählich ein Theil der innern Bewegung in die translatorische, bis endlich der normale Zustand eingetreten ist. Daſs wirklich in den elektrisch leuchtenden Gasen ein solcher Ueberschuſs von innerer Bewegung vorhanden ist, zeigen die niedrigen Temperaturen derselben. Die Verwandlung der oscillatorischen Bewegung in eine translatorische geht ungemein schnell von statten. E. Wiedemann hat gezeigt, daſs nach den Gesetzen der Wärmeleitung in einem lern weiten Rohre sich noch nach 0,001 Secunde ein merklicher Bruchtheil der anfänglichen Energie in der Mitte des Rohres befinden müſste; nichts desto weniger erscheint dasselbe im rotirenden Spiegel ebenso discontinuirlich leuchtend wie engere Röhren, so daſs schon hieraus auf eine viel schnellere Uebertragung der durch den Strom erzeugten inneren Bewegungen in Wärme geschlossen werden muſs, als die Fortleitung der Wärme im Gase selbst ist. Die durch die elektrischen Entladungen eingeleiteten Schwingungen können so stark werden, daſs die Molecüle selbst aus einander fallen und sich in ihre Atome zerlegen, ähnlich wie wir beim Auftreffen chemisch wirksamer Strahlen auf Chlorsilber Zersetzungen, oder beim Auftreffen auf Chlor ein Activwerden desselben wahrnehmen. Führen die oscillatorischen Bewegungen zu einem Zerfallen der Molecüle, so wird die dazu nöthige Energie den Molecülen durch die Elektricitätsquelle zugeführt und nachher bei der Wiedervereinigung von denselben an die Calorimeter wieder abgegeben. Ob in diesem Falle indeſs die gesammte producirte Wärmemenge von letzterem Processe herrührt, ist nicht wohl ohne weiteres zu entscheiden. Möglich wäre es, daſs ein erster Bruchtheil der durchgehenden Elektricität zu einer Vergröſserung der mittleren Temperatur verwendet wird, ebenfalls herrührend von Umsetzung der oscillatorischen Bewegung, daſs dadurch erst eine Lockerung der Molecüle stattfindet und dann die folgenden Bruchtheile der Elektricität die Zersetzung vollenden. Zwischen den Wärmeproductionen, die ein in einem schwach absorbirenden Medium fortschreitender Lichtstrahl erzeugt, und denen, welche die elektrischen Entladungen hervorrufen, besteht ein eigenthümlicher Parallelismus: 1) Schreitet ein kegelförmig sich erweiternder Lichtstrahl in einem schwach absorbirenden Medium fort, so ist die von ihm entwickelte Wärmemenge in jedem Querschnitte nahezu dieselbe; ebenso ist die von der elektrischen Entladung in verschiedenen Querschnitten abgegebene Wärmemenge dieselbe. – 2) Vergröſsern wir die Intensität des Lichtstrahles, lassen ihn aber dem entsprechend auch nur kürzere Zeit hindurchgehen, so wird wieder in beiden Fällen eine gleiche Menge absorbirt; dasselbe gilt für die Entladungen, wenn wir die Stärke derselben vergröſsern, ihre Zahl aber vermindern. – 3) Vergröſsern wir die Stärke der optischen Absorption, etwa indem wir in einer absorbirenden Lösung die Menge der absorbirenden Theile vermehren, so wird dem entsprechend auch die entwickelte Wärmemenge vergröſsert; ebenso ist die elektrische Wärmeentwicklung bei einem Gase im gleichen Querschnitte mit zunehmendem Druck gröſser. Sehr wahrscheinlich erscheint es daher, daſs die Abgabe der Energie in beiden Fällen in derselben Weise erfolgt, daſs also die Entladungen in einer Fortführung von Schwingungen bestehen, die einen Theil ihrer Energie an die Gastheilchen abgeben. Wir müssen dann aber die Annahme machen, daſs die Amplitude, die eine Elektricitätsmenge e erzeugt, nicht ihr selbst, sondern der √e proportional ist. Die so sehr groſsen Unterschiede im Verhalten der positiven und negativen Elektricität lassen sich vielleicht erklären, wenn man annimmt, daſs die Fortführung der letzteren allein durch die Fortpflanzung dielektrischer Polarisationen bedingt ist, während die der ersteren zugleich mit einem Uebergang des freien Aethers von Molecül zu Molecül verknüpft ist, wie dies v. Ettingshausen auch neuerdings aus den Versuchen von Hall geschlossen hat. An der negativen Elektrode ist allein die Auslösung der dielektrischen Polarisation nöthig, während an der positiven noch die Anziehung der materiellen Molecüle zu dem Aether überwunden werden muſs. Die Ablenkung der positiven Entladung durch äuſsere Ableitung des Rohres an eine Stelle würde eine Folge des durch die veränderte Vertheilung der freien Elektricität auf den Gefäſswandungen veränderten Potentials auf die freie strömende Elektricität sein. Die Wand, gegen eine positive Entladung sich wendend, übernimmt dann naturgemäſs die Rolle einer negativen Elektrode. In welcher Weise die von beiden Elektroden ausgehenden Entladungen sich ausgleichen, ist eine noch offene Frage. Wie bereits erwähnt, können die von den Kathodenstrahlen hervorgerufenen Erscheinungen nicht durch fortgeschleuderte Theilchen bedingt sein. Würden wir einmal annehmen, daſs die Dicke einer solchen fortgeschleuderten Schicht ein ganzes Centimeter betrüge, so würde sie, um die beobachteten Erwärmungen des Rohres um die negative Elektrode hervorrufen zu können, doch Geschwindigkeiten von 100km und mehr besitzen. Wenn W. F. Gintl (Studien über Crookes' strahlende Materie und die mechanische Theorie der Elektricität, Prag 1880) und Puluj die Phänomene auf Fortschleuderung von Substanzen der Elektroden zurückführen wollen, so müſste, da man z.B. bei Aluminiumelektroden keine Abnahme desselben beobachtet, diese Geschwindigkeit danach eine ganz kolossale sein. Diese Ansicht ist also nach dem Obigen kaum haltbar. Auch die sämmtlichen übrigen beobachteten Phänomene dürften sich aus der Fortpflanzung von Aetherwellen mit sehr groſser Energie erklären; so z.B. die gegenseitige Beeinflussung zweier Strahlen aus den an der Vorderfläche fortschreitender Wellen auftretenden Drucken, die in unserem Falle sehr beträchtlich werden können u.s.f. Bemerkenswerth sind die Resultate, die sich aus dieser Untersuchung für die Spectralanalyse ziehen lassen. Im Anschluſs an die Untersuchungen von Lockyer, Lecoq de Boisbaudran u.a. findet E. Wiedemann, daſs das Bandenspectrum den ungetrennten, das Linienspectrum den getrenntan Atomen im Molecül zukommt. Diejenige Wärmemenge, welche nöthig ist, um das Banden- in das Linienspectrum überzuführen, gibt daher einen Maximalwerth für die Zersetzungswärme der Wasserstoffmolecüle, von welcher neben der Arbeit, die auf die Disociation verwendet wird, noch ein Theil verbraucht wird, um das Gas zu erhitzen. Wir finden, daſs zu 1g Wasserstoff von gewöhnlicher Temperatur zur Zerlegung in seine Atome etwa 128000 Gramm-Calorien zugeführt werden müssen. Diese Zahl ist nur als eine ziemlich rohe Annäherung zu betrachten, da die zahlreichen Fehlerquellen dieselbe störend beeinflussen; weiteren Untersuchungen muſs es vorbehalten sein, diese Gröſse sicherer zu fixiren. Sie entspricht übrigens Werthen, wie wir sie bei thermochemischen Umsetzungen häufig finden. Eine Ermittlung der zur Zersetzung der Molecüle der Elemente nöthigen Wärmemenge muſs aber für die Thermochemie wesentlich sein. Haben wir z.B. eine Reaction H.H + Cl.Cl = 2HCl, so sind die thermischen Effecte dreierlei: einmal wird Wärme verbraucht, um ein Atom Wasserstoff von einem andern zu trennen; ebenso wird Wärme verbraucht, um ein Atom Chlor von einem andern zu trennen, und endlich wird die doppelte Wärme producirt, die der Erzeugung eines Molecüls Chlorwasserstoff entspricht. Bisher maſs man nur das Gesammtresultat. Auf spektroskopischem Wege wird es möglich, die beiden ersten Theile für sich und so die wahren Verbindungswärmen zu bestimmen. Nehmen wir an, daſs die Spectra von der auf jedes Molecül kommenden Elektricitätsmenge und der von ihr an dasselbe abgegebenen Energie bedingt sind, so läſst sich die bekannte Abhängigkeit der Spectra vom Druck in folgender Weise ableiten. Ist in einem Entladungsrohr der Druck groſs, so ist es auch die Menge der Gasmolecüle. Da zugleich die Zahl der Entladungen bei gleicher Elektricitätszufuhr relativ klein ist, so ist die durch jede einzelne Entladung abgegebene Energie relativ sehr groſs. ZugleichZugleieh kann sich dieselbe unter Bildung eines schmalen Funkens auf wenige Molecüle beschränken. An jedes Molecül wird eine sehr groſse Energiemenge übertragen; dasselbe zerfällt in seine Atome, wir haben ein Linienspectrum. Sinkt der Druck, so mehrt sich die Zahl der Entladungen, die abgegebene Energie nimmt ab und weiter werden die sämmtlichen Theile des Gases in Bewegung gesetzt; also ist auch die bewegte Zahl eine gröſsere, für jedes Molecül wird eine geringere Energiemenge abgegeben, sie genügt nicht mehr zur Zerfällung des Molecüls in Atome, das Spectrum wird zum Bandenspectrum. Schalten wir Funkenstrecken ein, so vergröſsern wir dadurch die bei jeder einzelnen Entladung durchgehende Elektricitätsmenge und dem entsprechend die abgegebene Energie, es muſs daher hierbei das Bandenspectrum in das Linienspectrum übergeführt werden. – Bei ganz niedrigen Drucken treten Complicationen ein, die sich erst bei einer vollständigen Entwicklung der Theorie der Entladungen behandeln lassen. Zustandsgleichung der atmosphärischen Luft. In den Annalen der Physik und Chemie, 1880 Bd. 11 S. 171 theilt Prof. Gustav Schmidt die von ihm aufgestellte Zustandsgleichung der atmosphärischen Luft in folgender Form mit: pv=B\ (T-\Theta), wobei \Theta=\frac{D}{B\,v^x-1} und \varkappa=1,412,\ B=29,287,\ D=1,6\,B ist. Die Wärmecapacität bei constantem Volumen ist nach Gustav Schmidt c=0,16785, jene bei constantem Drucke C=\varkappa\,c\,\left(\frac{T-\Theta}{T-\varkappa\,\Theta\right)}, der Ausdehnungscoefficient bei constanter Spannung =\alpha_p=\frac{1}{a-\varkappa\,\Theta}, der Spannungscoefficient bei constantem Volumen \alpha_v=\frac{1}{\alpha-\Theta}, und es ist hierbei a nicht = 273, sondern a=274,6 und die absolute Temperatur T=a+t zu setzen. Die für die atmosphärische Luft gefundenen Beobachtungsresultate werden hierdurch in der möglichst besten Weise erklärt. Das mechanische Wärmeäquivalent \frac{1}{A} ist nach den neuesten Joule'schen Versuchen so wie früher = 423,5 angenommen und es besteht zwischen A, B und c die Clausius'sche Gleichung: c\, (\varkappa-1)=AB. Bei der numerischen Berechnung von v aus p und t benutzt man zuerst die bekannte Näherungsgleichung p_v=29,272\ (273+t) und sucht hiermit \Theta=\frac{1,6}{v^{0,412}}. Ueber den Ozongehalt der atmosphärischen Luft. E. Schöne führt in den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft, 1880 S. 1503 aus, daſs die Gegenwart von Ozon in der atmosphärischen Luft noch nicht bewiesen sei, sondern nur die des Wasserstoffsuperoxydes. Jodkaliumpapier ist zur Nach Weisung von Ozon völlig unbrauchbar, da seine Färbung lediglich von der atmosphärischen Feuchtigkeit abhängt. Unabhängig davon, ist das Thalliumpapier, zu dessen Darstellung in eine kochende Lösung von Bariumhydrat eine äquivalente Menge Thalliumsulfatlösung eingetragen wird. Die erhaltene Lösung von Thalliumoxydulhydrat wird im Vacuum so weit abgedampft, daſs 100cc 10g Hydrat enthalten; dann wird Filtrirpapier damit getränkt und dieses getrocknet der zu untersuchenden Luft ausgesetzt. Die Stärke der Färbung dieser Papiere durch Bildung von braunem Oxyd ist nach den Untersuchungen von Schöne bis jetzt dem Gehalte der Luft an Wasserstoffsuperoxyd entsprechend gewesen. Ueber die Zusammendrückbarkeit des Wassers. R. A. Mees (Beiblätter zu den Annalen der Physik, 1880 S. 512) findet für Wasser bei 10,820 zwischen 0,5 bis 9at Druck als Coefficienten für die Zusammendrückbarkeit den Werth 0,00004783, während Grassi bei 10,8° 0,000048 gefunden hatte. Ueber Desinfection. Jul. Athenstädt in Bad Essen (D. R. P. Kl. 75 Zusatz Nr. 10488 vom 6. Januar 1880) will in derselben Weise essigmilchsaure und essigcitronensaure Thonerde herstellen und anwenden wie früher die essigweinsaure Verbindung (vgl. 1880 237 172). A. Wernich (Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege, 1880 S. 578) erinnert daran, daſs Desinfection und Bacterientödtung durchaus nicht immer zusammenfallen. Viel sicherer und leichter als die Tödtung der vorhandenen Organismen sei ihre Verbreitung durch rechtzeitige Tränkung der zur Aufnahme von Organismen bereiten Nährflächen, z.B. Wunden, mit feindlichen Stoffen zu hindern. An eine praktische durchführbare Desinfection der menschlichen Abfälle ist nicht zu denken; hier kann es sich nur um rasche Beseitigung derselben handeln. Nach einer Mittheilung der Wiener medicinischen Blätter, 1880 Nr. 31 wird seit einiger Zeit mit Vortheil zum Wundverband Resorcin angewendet. Gaze und Watte werden mit einer Lösung von Resorcin in Alkohol und Glycerin getränkt; in 100 bis 200 Th. Wasser gelöst, dient es zu Inhalationen und für den Staubregen bei Operationen, mit Vaseline gemischt für bösartige Wunden. – Nach neueren Versuchen von Lichtheim (Pharmaceutische Centralhalle, 1880 S. 283) ist Resorcin ein Antipyreticum, welches in mancher Beziehung noch das Chinin übertrifft. Eine Gabe von 2 bis 3g Resorcin bewirkt bei fiebernden Kranken Herabminderung der Temperatur um 3°, die Zahl der Pulsschläge sinkt um mehr als ein Drittel. Th. Siegen empfiehlt für Wundverband Eucalyptusöl, in 5 Th. Alkohol gelöst und mit 50 Th. Wasser versetzt; mit dieser Flüssigkeit wird Gaze getränkt und naſs aufgelegt. Viehfutter aus landwirthschaftlichen Abfällen. O. Thümmel in Berlin (D. R. P. Kl. 53 Nr. 10451 vom 11. December 1879) will Kleie, Biertreber, Oelkuchen, Rübenpreſslinge u. dgl. derart mischen, daſs das Verhältniſs der Protein Stoffe zu den Kohlehydraten sich auf 1 : 3 bis 4 stellt. Die noch 47 bis 48 Proc. Wasser enthaltende Masse wird mit etwas Salz und phosphorsauren Kalk versetzt, gequetscht und in geeigneten Behältern der Selbsterhitzung überlassen. Die dadurch gleichartig gewordenen Massen werden durch hydraulische Pressen zu Kuchen geformt und diese getrocknet. Verwerthung der Abwässer aus Stärkefabriken. W. Kette in Jassen, Pommern (D. R. P. Kl. 12 Nr. 10033 vom 29. October 1879) will die Abwässer der Kartoffelstärkefabriken mit durch Kochen von Stärke mit verdünnter Schwefelsäure erhaltenen Dextrinlösungen versetzen. Die dadurch gefällten Proteinstoffe sollen als Viehfutter verwendet werden. Verwerthung der Weinsäuremutterlaugen. F. Dietrich in München (D. R. P. Kl. 12 Nr. 10111 vom 10. August 1879) verdünnt die Mutterlaugen von der Weinsäurefabrikation auf 20 bis 25° B., neutralisirt 0,9 der darin enthaltenen freien Schwefelsäure mit Kalk, filtrirt vom ausgefällten Gyps ab und versetzt mit einer Lösung von neutralem weinsaurem Kalium, so lange noch Weinstein gefällt wird. Der Niederschlag wird mit Wasser gewaschen und in gewöhnlicher Weise mit Kalk zersetzt (vgl. 1879 231 288). Verwendung der Röstproducte des Kaffees. E. Perger und Comp. in Baden bei Wien (D. R. P. Kl. 53 Nr. 10519 vom 25. December 1879) machen den Vorschlag, die beim Rösten des Kaffees entwickelten flüchtigen Producte (vgl. 1880 237 414) zu verdichten und zur Verbesserung von Kaffeesurrogaten, Extracten u. dgl. zu verwenden. Ueber die saure Reaction des Fleisches. Die saure Reaction der abgestorbenen thierischen Gewebe ist nach den Versuchen von M. Ekunina (Journal für praktische Chemie, 1880 Bd. 21 S. 483) die Folge der sofort nach dem Tode eintretenden Zersetzung der Gewebesäfte durch die Spaltpilze. Dabei treten zuerst flüchtige Fettsäuren auf, welche von der beginnenden Zersetzung des Eiweiſses herrühren, bald dann auch die von Glycogen herstammenden beiden Milchsäuren. Je reicher das Gewebe an Kohlehydraten ist, um so länger erhält sich die saure Reaction desselben nach dem Tode, so namentlich Leber, Muskeln, Lunge. Bei hinreichender Temperatur verschwinden in 2 bis 4 Tagen nach dem Tode des Thieres die Milchsäuren und es tritt Bernsteinsäure auf, bis schlieſslich bei allen Geweben die saure Reaction in die alkalische übergeht, in Folge der überwiegenden Zersetzung des Eiweiſs und Bildung von viel Ammoniak. Herstellung von weiſsem Dextrin. Um ein gleichmäſsig durchgebranntes Dextrin herzustellen, will Th. Blumenthal in Denkwitz bei Klopschen (* D. R. P. Kl. 6 Nr. 10593 vom 27. Februar 1880) einen runden gemauerten Ofen anwenden, mit zwei oder mehreren Feuerungen, deren Züge spiralförmig nach der Mitte des Ofens laufen und hier in einen gemeinschaftlichen Rauchkanal einfallen. Die darüber gelagerte Röstplatte von polirtem Marmor oder Granit ist in Folge dessen dem Rande zu am wärmsten. Die Stärke fällt ununterbrochen auf die Mitte der Platte, wird mittels eines Rührapparates nach und nach dem heiſsen Rande zugeschoben und fällt schlieſslich durch zwei seitliche Oeffnungen herunter. Harzessenz. W. A. Tilden (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1880 S. 1604) hat aus der Harzessenz, dem leichter flüchtigen Theile des Harzöles, Isobutylaldehyd, Heptan und ein Terpen C10H16 abgeschieden, konnte aber kein Benzol und Toluol auffinden. Zur Bestimmung des Stickoxyduls. O. Dumreicher (Monatshefte für Chemie, 1880 S. 732) bestätigt die Angabe Bunsen's (Gasometrische Methoden, S. 60), daſs Stickstoffoxydul durch Verbrennung mit Wasserstoff im Eudiometer bestimmt werden kann. Er fand z.B. Vol. Druck Temp. Reducirtes Vol. Stickoxydulgas feucht 216,20 0,3113 21,3   58,664 = a Nach Zugabe von H 399,17 0,4958 21,2 176,73  =  b Nach der Verbrennung 320,57 0,4167 21,2 118,43  =  c Daraus ergeben sich folgende Rechnungselemente: abc = V= Vc = 58,664= 58,30 oder = 1,0000oder = 0,9938 V = 1 gesetzt. Das specifische Gewicht des Stickstoffoxyduls wurde bei 10° zu 1,52638, bei 100° zu 1,52336 gefunden, so daſs erst in höheren Temperaturen die theoretische Dichte von 1,52327 beobachtet wird. Flüssiger Schwefelphosphor. H. Schulze (Journal für praktische Chemie, 1880 Bd. 22 S. 113) zeigt, daſs die flüssigen Phosphorsulfide keine chemischen Verbindungen sind. Wie verschiedene Salze mit Eis, so verflüssigt sich Phosphor mit Schwefel zu Schwefelphosphor. Für derartige Vorgänge wird der Ausdruck mechanische Verbindungen passend sein.