Titel: Kleinere Mitteilungen.
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, Miszellen, S. 452
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Kleinere Mitteilungen. Kleinere Mitteilungen. Zur Lösung des Flugproblems. Schon vor einigen Jahren hat auf einer Naturforscherversammlung der Physiker Prof. Boltzmann den Ausspruch gethan, dass wir unmittelbar vor der Lösung des Flugproblems stünden und jeder Tag die Erfindung des lenkbaren Luftschiffes bringen könne. Aber im Augenblick streiten sich die Theoretiker sogar noch über die grosse prinzipielle Frage, ob die Luftschiffahrt den Ballon, welcher die ganze oder den grössten Teil der Auftriebskraft darstellt, entbehren kann, oder ob er unentbehrlich ist. Das grossartigste unter den neuesten Projekten des lenkbaren Luftschiffes ist wohl dasjenige des Grafen Zeppelin. Dasselbe beruht auf dem Prinzip der Unentbehrlichkeit des Gasballons; eine Reihe anderer wollen bloss durch Motoren, Luftschrauben und Flügel Auftrieb und Fortbewegung in der Luft erzielen. Unter den letzteren ist das Projekt des österreichischen Ingenieurs Kress eines der interessantesten, dessen Luftschiff vor den Thoren Wiens fast fertig liegt. Bei der Station Unter-Tullnerbach- der Westbahn liegt das grosse Staubassin der Wien, eine imposante Wasserfläche. An den südlichen Ausläufen dieses Sees erhebt sich eine Holzhütte massigen Umfanges, welche das Heim des Luftschiffes bildet. Das Kress'sche Prinzip beruht auf der Anwendung von Drachenflächen. Es präsentiert sich nicht gerade überwältigend, und im Vergleiche zu den riesigen Dimensionen, welche das Luftschiff des Grafen Zeppelin aufweist, ist es ein Zwerg zu nennen. Immerhin hat dieser Apparat eine Längenausdehnung von gut 10 m und besteht in seinem unteren Teile aus einer Art Schlitten – Automobil-Schlittenboot nennt es der Erfinder. Zwei ziemlich dicke Aluminiumkufen mit gut gleitender unterer Fläche sind durch Querleisten miteinander verbunden. Dieses Schlittenboot kann sowohl auf dem Wasser schwimmen, wie auf jeder halbwegs glatten Fläche (z.B. auf einer Wiese) sich mit ziemlich grosser Geschwindigkeit fortbewegen. Auf dieser Unterlage ist nun ein ziemlich grosses, aber leichtes Gerüst montiert, auf welchem sich der Raum für die Luftfahrer befindet; eben da wird auch der 20 PS. Benzinmotor aufgestellt werden, der die Luftschraube bewegt. Diese sieht etwa wie eine Schiffsschraube aus, nur besteht sie aus leichterem Material – starke Leinwand auf einen Rahmen gespannt. Sie ist es, welche das Luftschiff eigentlich bewegt, und ihre Auftriebskraft ist es auch, die das Kress'sche Luftfahrzeug in die Luft heben soll. Drei grosse Flügel – Kress nennt sie Drachenflächen – sind quer über dem Boot festgemacht; sie wirken wie Fallschirme und werden den Apparat tragen, wenn er sich einmal in der Luft befindet. Das hintere Ende des Bootes bildet ein bewegliches Horizontalsteuer. Die Luftschraube erhält vom Motor mittels einer Transmissionskette eine grosse Umdrehungsgeschwindigkeit, bis 120 Touren in der Minute. Ueber dem Sitz des Luftschiffers befindet sich ein Apparat, der durch einige Handgriffe alle Teile des Flugapparates in Bewegung setzt. Kress will zunächst mit seinem Luftschiff auf dem Wasser so lange manövrieren, bis er alle Teile des Apparates völlig ausprobiert hat; dann wird er seinen Aufstieg unternehmen. Um den Aufstieg zu vollführen, ist eine Anfangsgeschwindigkeit von 10 m nötig; im Augenblicke, als diese erreicht ist, soll sich das Luftschiff aus dem Wasser erheben. Die Luftschraube treibt es in die Höhe, und je mehr es sich aus dem Wasser hebt, desto geringer wird die Adhäsion zwischen Wasser und Boot, desto weniger Tragkraft braucht der Motor zu entwickeln und desto rascher wird der Flug in die Lüfte. Der Apparat beruht also auf demselben Prinzip des Papierdrachens, den ein Knabe zum Steigen bringen will, er läuft, und wenn er rasch genug läuft, hebt sich der Drache in die Lüfte, nur vertritt bei dem Kress'schen Drachenflieger die Luftschraube die Stelle des laufenden Knaben. Der Apparat wiegt ungefähr 200 kg; mit der Bemannung und dem Motor steigert sich sein Gewicht auf 600 kg. – h. Bücherschau. Die praktische Wartung der Dampfkessel und Dampfmaschinen. Ein Lehrbuch für Dampfkessel- und Dampfmaschinenwärter, sowie für Fabriksbeamte ohne technische Vorbildung von Ingenieur Prof. J. Wilhelm Mayer und Ingenieur Prof. Edmund Czass. Zweite, sehr vermehrte und erweiterte Auflage. Wien 1900. Verlag von Karl Graeser und Co. 156 Seiten. Preis M. 3.20. Der Inhalt des Buches bietet mehr als wie der Titel desselben in Aussicht stellt; der Interessent kann demselben nicht allein das Erforderliche über die Wartung der Dampfkessel und Dampfmaschinen entlehnen, sondern dies leichtverständlich und ansprechend verfasste Werkchen macht auch den Nichttechniker mit dem Wesen aller in Betracht kommenden Maschinen, bezw. Kesselteile bekannt und werden demselben von den Verfassern in guter Auswahl die neueren für die Gegenwart wichtigen Systeme von Kesseln und Maschinen vorgeführt. Das Buch wird nicht verfehlen, seinem Zwecke, ein gemeinverständliches und nützliches Schriftchen zu sein, voll zu entsprechen. Zuschriften an die Redaktion. (Unter Verantwortlichkeit der Einsender.) Zu Heinz' Grundlagen zur Fluglehre. Die von mir in D. p. J. S. 372 dieses Bandes versprochene Stellungnahme zu der von Heinz in D. p. J. 1899 315 224, 225 veröffentlichten Zuschrift war bereits fertig geschrieben, als ich die Replik zu ersterer Zuschrift las; dieser möchte ich einige Worte widmen, bevor ich die vermeintlich offene Rückzugslinie des Herrn Heinz auf das Planetenflugproblem beleuchte. Wenn ich überhaupt die Absicht hätte, die Autorität eines Marey für mich in Anspruch zu nehmen, so könnte ich das mit grösserer Berechtigung als Herr Heinz, denn Marey und ich sind über die auslösende Ursache des Bazin'schen Phänomens vollkommen einig, nämlich „die Bewegung der Unterlage“Thatsächlich teile ich bei Heinz dasselbe Schicksal, wie sein im Eingange hochgepriesener Gewährsmann Marey, wodurch ich mich in allem Ernste hochgeehrt fühle.. Auch über die Form, unter welcher sich die Erscheinung manifestiert, bin ich mit Marey einig, dass es nämlich die Beharrung der Kugel ist; dass diese Wirkungsform aber die Ursache der Erscheinung ist, behauptet Marey nicht und niemand) der nicht direkt behaupten will, Wirkung und Ursache sei eines und dasselbe. Marey hat bloss ergänzend beizufügen das durch den Stoss „vergrösserte Beharrungsvermögen“, wobei also der Stoss Ursache des letzteren ist. In D. p. J. 315 224 sagt Heinz wörtlich: „Die Reaktivkraft sei, ähnlich wie die Fliehkraft eine Reaktion gegen Aenderung des Beharrungszustandes der Planeten ist, eine Reaktion des Flugkörpers – die infolge Stoss des Stirnwindes!! – auf die Aenderung des Beharrungszustandes der Bewegung (also des Flugkörpers) von geringerer Geschwindigkeit in Bewegung grösserer Geschwindigkeit wirkt. Das heisst mit anderen Worten: eine Reaktion des Flugkörpers auf seine eigene Bewegung, also auf sich selbst, und nun der verschämte Schaltsatz: „die infolge Stoss des Stirnwindes wirkt“. Ohne Stoss des Stirnwindes ist „diese Reaktion des Flugkörpers“ nicht vorhanden; ergo ist nach Heinz die Ursache dieselbe, welche Professor Wellner, Lilienthal und viele andere, darunter auch ich, behauptenDazu bemerkt Herr Heinz: Da aber der Stoss des Stirnwindes genau so lange vorhanden ist, als sich der Flugkörper gegen die Luft bewegt (auch wenn diese selbst in Ruhe ist), so ist auch die dadurch geweckte Reaktion des Flugkörpers während der ganzen Flugdauer vorhanden; sie ist die lange gesuchte Ursache, die den Segelflug ermöglicht. Ob die Wirkungen dieser „Reaktion“ so gering sind, wie Marey glaubte, oder so gross, wie ich zu begründen suchte, fällt nicht sehr ins Gewicht; dennoch wäre eine kompetente Entscheidung auch in dieser Beziehung sehr erwünscht. Verletzt bin ich nicht, nur belustigt!. Ueber das Wesen des Windes mögen die Meinungen auseinandergehen wie sie wollen, das Faktum steht, dass auch Heinz meint, was seine Gegner klar und deutlich behaupten können. Damit ist mein Zweck erreicht und ich brauche mich weiter in keine langatmigen Erörterungen mehr einzulassen. Herr Heinz ist anscheinend über die schlechte Note unwissenschaftlich, welche ich nicht seiner Person, sondern seiner Methode gegeben haben wollte, verletzt; indem ich diese des persönlichen Charakters bestimmt entkleide, obliegt es mir nur noch die Berechtigung der Anwendung zu beweisen. Heinz sagt z.B.: „Wir nähern uns dem kritischen Punkt“ u.s.w., siehe D. p. J. S. 372 dieses Bandes, sodann: „Ist a1 kleiner als die entsprechende Schwerkraftkomponente, dann wird die Kugel trotz der Entgegenwirkung von a1 auf der schiefen Ebene hinabrollen, wenn sie während des Stosses sich nicht am tiefsten Punkte der schiefen Ebene befand; ist dagegen a1 grösser als die entgegengerichtete Schwerkraftkomponente, dann muss doch die Kugel hinaufrollen!!!“ „Ich füge dem bei: „und wenn a1 und die entgegengerichtete Schwerkraftkomponente gleich gross sind, dann bleibt die Kugel wohl auch einmal im Gleichgewichte stehen??“ Denkt sich Herr Heinz etwa die Kräftedisposition der Schwerkraft und der Wurfkraft im sogen. toten Punkt der Wurfbewegung auch so, dann begreife ich, warum Heinz sich darüber wundert, dass ich in meiner übrigens ersten Lösungsart, die für sich ihre Richtigkeit behält, Bai bezw. deren KomponentenWelchen Namen sie eigentlich nicht mit Recht führen, denn sie sind nur Richtungen der Beharrung einer Kraft, welche in der Kugelmasse fortwirkt, nicht die Kraftrichtungen selbst. im toten Punkt der Bewegung verschwinden lasse. Ich behaupte, entweder wirkt die Schwerkraft auf die Kugel, dann ist die Beharrung der erteilten Beschleunigung = θ oder umgekehrt; ein dritter Fall ist der, wo Schwerkraftbeschleunigung und Beharrung der Wurfbeschleunigung ± θ sind, das ist im sogen. toten Punkt der Bewegung, als welchen man den Wendepunkt der beiden Bewegungen bezeichnet; naturgemäss dauert dieses Stadium nur ein unendlich kleines Zeitteilchen hindurch. Beide Kräfte einer Kugel können nicht zu gleicher Zeit wirken, die würden ja die Kugel am Ende zerreissen?? Oder bliebe sie irgendwo im Raume stecken?? Oder springt a1 im toten Punkte auf 0 zurück und ebenso die Schwerkraft? Heinz sagt ferner selbst ganz wie beim Stoss des Windes im früheren Teile dieser Zuschrift: „Ohne Stosskraft keine Beharrung!“ Warum noch eine Reaktivkraft, wenn wir die Ursache schon haben, d. i. die Beharrung der Stossbeschleunigung! Zu solchen Widersprüchen kann nur die unwissenschaftliche Umtaufe eines wissenschaftlichen Begriffes führen, des Begriffes Trägheit in eine Reaktivkraft. Mit dieser Bezeichnung unwissenschaftlich oder unmethodisch will ich aber der Person des mir persönlich gewiss hochachtbaren Gegners nicht im geringsten nahetreten. Irren ist menschlich! Ich erlaube mir nun anschliessend an diese Zuschrift einen Versuch zur zwanglosen Erklärung des Wesens der Fliehkraft der Planeten zu bringen, um das unaufgeklärte Gebiet der Perpetuum mobile-Erfinder zu beleuchten. Vielleicht dient diese Anregung im Vereine mit der Forschung auf dem Gebiet der elektrotechnischen Wissenschaften dazu, die Lösung eines Jahrhunderte alten, von Kepler, Galilei, Newton, Laplace resultatlos behandelten Problems anzubahnen. Hochachtend Karl Steffen. ––––––––– 1. Das Perpetuum mobile des Herrn Heinz besteht darin, dass abwechselnd Luft komprimiert wird und dann wieder expandiert. Da der Voraussetzung nach Wärme von aussen weder zu- noch abgeführt wird, so kommen hier die Poisson'schen Gleichungen zur Anwendung, wie ich es auch gethan habe. 2. Herr Heinz berechnet die Kompression der Luft nach dem Mariotte'schen Gesetz, die Expansion hingegen nach einer ganz willkürlichen Formel, deren Unzulässigkeit bereits Herr Dr. R. Wirth indirekt bewiesen hat. Die Anwendung der Mariotte'schen Formel zur Berechnung der Kompression ist nicht genau richtig, aber dies selbst zugegeben, muss man dann folgerichtig auf die Expansion nach dem Mariotte'schen Gesetz berechnen. Man erhält die diesbezügliche Formel, wenn man in der von mir angeführten Poisson'schen Formel x = 1 setzt, es ist daher, um nach dem Mariotte'schen Gesetz zu rechnen, nur nötig, in meinen Berechnungen 1 statt 1,41 zu setzen. Es ergibt sich dann h = 50 cm – genau so wie es auch Herr Heinz errechnet hat – und h1 = 41,5 cm, so dass sich eine Steighöhe von 8,5 cm ergibt. 3. Die von Herrn Heinz berechnete Steighöhe des Kolbens von 140 cm kann nicht richtig sein, weil sie mittels einer Formel berechnet wurde, die eine mathematische Unmöglichkeit ist. Sie lautet: v=\sqrt{\frac{t\,\times\,2\,g}{P}} worin v die Geschwindigkeit, t einen Druck, P ein Gewicht und g die Beschleunigung der Schwere bedeuten. Wird diese Formel quadriert und t gesucht, so ist t=\frac{P\,v^2}{2\,g} Wie ersichtlich, stellt \frac{P\,v^2}{2\,g} die lebendige Kraft eines Körpers vor, dessen Gewicht P und dessen Geschwindigkeit v ist. Da t als Druck eine Kraft ist, die in Kilogramm anzusetzen kommt, hingegen \frac{P\,v^2}{2\,g} als lebendige Kraft in Meterkilogramm ausgedrückt werden muss, so kann das Gleichheitszeichen nicht aufrecht erhalten werden. Diese Gleichung kann nicht existieren, denn sie widerspricht einem der ersten Grundsätze der Mathematik, dass Gleiches nur mit Gleichem verglichen werden darf. Weiss, Artill.-Ingenieur. Replik von F. Heinz, Sarajevo: Die von Herrn Ingenieur Weiss ermittelten Höhen von 50 cm und 41,5 cm für h und h1 unseres Beispieles sind auch jetzt noch viel zu gross, und zwar deshalb, weil von Herrn Ingenieur Weiss nicht berücksichtigt wurde, dass vom grossen Cylinder an den kleinen Cylinder eine grössere Luftmenge abgegeben wird. Dass die Formel t=\frac{P\,v^2}{2\,g} unrichtig ist, gebe ich zu.