Titel: | Kleinere Mitteilungen. |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, Miszellen, S. 147 |
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Kleinere Mitteilungen.
Kleinere Mitteilungen.
Russische Kriegsschiffbauten bei Beginn des Jahres
1901.
Nach Englands Auffassung existiert nur eine Marine erster Klasse – die britische.
Neben ihr gibt es noch eine Grossmacht auf dem Wasser – Frankreich. – Um den dritten
Platz kämpfen heiss Russland, Deutschland und die Vereinigten Staaten von
Nordamerika. Italien hat den Wettlauf, wohl mit seiner Finanzen wegen, aufgeben
müssen, Japans Marine ist noch zu neu, was den grossen Aufschwung anbelangt, um auf
diesen Platz zu reflektieren, und somit sind es nur zwei Staaten Europas, die in
engeren Betrachtungskreis behufs Baukonkurrenz gezogen werden können: das Deutsche
Reich und Russland. Es sei von vornherein darauf besonders hingewiesen, dass die
Meinung, Russland zersplittere seine Seemacht wegen seiner grossen Flotte im
Schwarzen Meere, heute – was Bauthätigkeit anbelangt – nicht mehr zutrifft. Die
Sehwarze-Meer-Flotte hält man in Russland in ihrem gegenwärtigen Zustande, mit einem
Kern von sieben fertigen Linienschiffen von 8500 bis
12428 t Wasserverdrängung, gestützt auf das sehr starke Sebastopol, für genügend,
nicht etwa gegen die verrottete Flotte der Türkei, die überhaupt kaum bewegungsfähig
zu machen ist, sondern gegen die Streitkräfte, welche England von seiner Flotte im
Mittelmeer in das Schwarze Meer entsenden könnte, ohne seine Machtmittel dort in
gefahrdrohender Weise zu schwächen. Es tauchte vor etwa drei Jahren die Meldung auf,
Russland baue für die Schwarze-Meer-Flotte nur das Notwendigste, und man werde alle
Mittel zur Vergrösserung der Baltischen Flotte aufwenden. In der That befindet sich
im Schwarzen Meer gegenwärtig nur ein Schlachtschiff im Bau, „Knjaz Potemkin
Tawritschewski“, der am 9. Oktober 1900 zu Nieolajew vom Stapel lief,
woselbst am 27. September 1897 der Kiel gestreckt wurde. Es ist ein 12480 t (à 1000
kg) Wasser verdrängendes Schiff, Schwester der am 12. November 1893 ebendort
abgelaufenen „Tri Swiatitelja“, in der mittleren Artillerie aber weit
schwerer und moderner bestückt, wobei es interessant sein dürfte zu erfahren, dass
in den Angaben nach dieser Richtung, wie bei russischen Flottennachrichten
überhaupt, die Quellen weit auseinander gehen; so hier die beiden besten
Deutschlands: Jahrbuch des Deutschen Flottenvereins
1901 und Marine-Almanach, Pola 1901. Ersteres
sagt: „Tri Swiatitelja“ vier 30,5 cm, acht 15,2 cm, vier 12 cm Hinterlader nebst zehn 4,7 cm, zwanzig 3,7 cm Schnellladern. – Almanach führt an: vier 30,5 cm Hinterlader, acht 15 cm, vier 12,7 cm, zehn 4,7 cm,
zwanzig 3,7 cm Schnelllader. – Noch
auffallenderaber ist die Verschiedenheit bei „Knjaz Potemkin“. Jahrbuch gibt ihm vier 30,5 cm Hinterlader, sechzehn
15,2 cm, zehn 4,7 cm, vierzig 3,7 cm Schnelllader, fünf Torpedolancierrohre, Almanach dagegen vier 30,5 cm Hinterlader, sechzehn 20
cm, vier 12 cm, vierzehn 7,6 cm, sechs 4,7 cm Schnelllader, sechs
Maschinengeschütze, fünf Torpedorohre.
Ausser diesem einen Panzer sind Ende 1900 nur noch zwei geschützte Kreuzer von 6250 t
zu Nocolajew und Lazareff in Bau gelegt worden, da man die freiwillige Flotte, für
die übrigens auch nur ein Schiff, die 12000 t grosse „Ssmolensk“, gebaut
wird, nicht direkt zur Kriegsflotte zählen darf, obgleich sie unter Kriegsflagge
fährt und den Marinebehörden untersteht. Die Schiffe sind gänzlich ungeschützt, fünf
von ihnen aber laufen 18,5 Meilen in der Stunde (à 1852 m) und darüber. Im Jahre
1901 will man ausserdem zu Nicolajew ein Schlachtschiff von 13000 t in Angriff
nehmen, das 118,9 m lang wird, 18 Meilen laufen soll und Maschinen von 17000 PS
erhält.
Diese geringe Bauthätigkeit im Schwarzen Meer zeigen auch die Werften im Kaspisee,
für dessen Flotte im Vorjahr der 430 t grosse Kreuzer „Astrabad“ ablief, und
für welche ein 318 t grosser Transporter auf dem Helling liegt. In Ostasien hat
bisher Wladywostock noch das Uebergewicht; vier Torpedoboote, „Nr. 208 bis
211“, nähern sich der Vollendung, während in Ochta „Nr. 212 und 213“
erstehen. Die Werftanlagen von Port Arthur sind vorläufig für Torpedobau vorgesehen,
erhalten hölzerne Hellinge und zunächst werden auf ihnen zehn Torpedoboote
zusammengesetzt, die in Sektionen von Europa dorthin transportiert werden, dann will
man zum Bau von 20 weiteren Booten schreiten. So gering nach vorstehenden Angaben
demnach die Bauten für die Marine Russlands ausserhalb der Baltischen Flotte
thatsächlich sind, so scharf in die Augen springend zeigt sich das Bestreben
Russlands, eine machtvolle Flotte schaffen zu wollen, die man allerdings mit dem
Namen „Ostseeflotte“ nur deshalb bezeichnet, weil man keinen besseren hat,
denn thatsächlich befinden sich, mit ganz geringen Ausnahmen, alle grossen,
modernen, fertigen Schiffe der so benannten Flotte nicht in der Ostsee, sondern in
Ostasien oder im Mittelmeer. Zu Anfang des Jahres 1901 befanden sich in der
Ausrüstung an Schlachtschiffen: „Osslabja“, „Peresswjät“, abgelaufen
1898, „Pobäda“, abgelaufen 1900, Schwestern von 12670 t Deplacement.
„Pobäda“ hat, auf Kosten der Stärke der Turmpanzer stärkeres Panzerdeck,
sonst sind die Schiffe gleich. „Retwisan“, abgelaufen am 23. Oktober 1900 bei
Cramp and Sons, Philadelphia, 12700 t gross. Im Bau lagen
die Schlachtschiffe „Cäsarewitsch“ zu La Sayne bei Toulon, 13100 t gross,
„Borodino“ zu St. Petersburg, „Imperator Alexander III.“, begonnen
auf der Baltischen Werft, St. Petersburg, am 24. Mai 1900, „Orel“, ebenda auf
der Galeereninsel, „Knjäs Suworoff“ auf der Baltischen Werft; alle vier je
13600 t gross. Endlich ist noch auf der Werft zu Windau ein 12700 t grosser, noch
unbenannter Panzer, Typ „Borodino“, vor kurzem aufgelegt. Das wären in Bau
und Ausrüstung zehn Schlachtschiffe erster Klasse von 140910 t Wasserverdrängung,
armiert mit achtundzwanzig 80,5 cm, zwölf 25,4 cm Hinterladern, vierundachtzig 15,2
cm, hundertachtzig 7,6 cm Schnellladern und über zweihundert leichten Schnellladern
und Maschinengeschützen, zwei Schlachtgeschwader zu je vier Linienschiffen bildend,
mit einer Reserve von zwei Linienschiffen, fertig bis auf ein Schiff um 1904.
Es ergibt sich, dass Russland seine Schlachtschiffe nicht allein auf heimischen
Werften herstellen lässt, sondern nach Frankreich und den Vereinigten Staaten
Bestellungen auf Schlachtschiffe hat ergehen lassen. Gleiches ist der Fall auch bei
Kreuzern, Torpedofahrzeugen und Booten. Während man in England, Frankreich,
Deutschland und in den Vereinigten Staaten grundsätzlich Kriegsschiffe nur auf
Inlandwerften baut, hält sich Russland an solche, vom Nationalgefühl gezogene
Grenzen, nur bedingt gebunden. Es war die erste europäische Macht, welche aus
Amerika Panzerplatten bezog und zwar solche nach Harvey-Art an der Oberfläche gehärtete für die drei 10960 t grossen
Linienschiffe Typ „Sebastopol“, welche Schiffe Mitte des vorigen Jahrzehnts
abliefen. Dann freilich erwarb man das Patent der besseren Härtung von F. Krupp, Essen, aber wiederum wurden bei Cramp, Philadelphia, Schiffe bestellt, die wohl auf
längere Zeit die einzigen in den Flotten der europäischen Mächte bleiben dürften,
und die in ihren Leistungen auch zu Vergleichen herausfordern werden. Namentlich
wird viel über Linienschiff „Retwisan“ geschrieben, das 89 elektrische
Motoren erhält. Ausser in den Vereinigten Staaten nehmen Privatwerften von
Frankreich, Deutschland und Dänemark am Ausbau der russischen Kriegsflotte teil,
England dagegen, dessen Firmen Brown und
Camell-Sheffield bis vor noch nicht langer Zeit die fast ausschliesslichen
Lieferanten der Panzerplatten für Russland waren, ist seit längerer Zeit nicht mehr
mit Bestellungen bedacht worden.
Von Küstenpanzern sind nur zwei, „Admiral Butakoff“ nebst einem
SchwesterschiffMitteilungen aus dem Gebiet des Seewesens 5.
1900., je 5985 t, im Bau, beide in Russland; gepanzerte und
geschützte Kreuzer gehen in grosser Zahl der Vollendung entgegen. Bereits abgelaufen
sind die folgenden: „Bajan“, 7800 t zu La Sayne bei Toulon, abgelaufen
1900Army and Navy Gazette 3. 9. 98. Morning Post 8. 98., „Diana“,
„Pallada“, „Aurora“, abgelaufen in St. Petersburg 1899 und 1900,
je 6730 t gross, also um rund 1000 t grosser wie die deutschen grossen Kreuzer der
Klasse „Hertha“, „Warjac“, 6500 t Deplacement, vom Stapel gegangen am
31. Oktober 1899 bei Cramp and Sons, Philadelphia,
„Ascold“ von der Germaniawerft (Krupp)
Gaarden bei Kiel, am 20. März 1900 zu Wasser gebracht, „Novic“ von 3000 t,
der am 15. August 1900 auf der Werft von F. Schichau,
Danzig, den Helling verliess und „Bogatyr“ am 30. Januar 1901 beim Vulkan, Bredow bei Stettin, 6600 t gross. – Auf den
Werften liegen noch: „Bojarin“, 3200 t bei Burmeister
und Wein, Kopenhagen, ein unbenannter 6500 t grosser auf der
Regierungswerft zu Windau, zwei weitere von 3000 und einer von 3500 tMitteilungen aus dem
Gebiet des Seewesens 9. 98, 11. 98 etc. Army and Navy Gazette, Deutsche Marine-Rundschau, Army and Navy
Journal, Royal Un. Serv. Instit., Deutsche Marine-Zeitung, The Shipping
World, Un. Serv. Gaz. Quellen gelten auch im allgemeinen für die
vorstehenden Namen- und Zahlenangaben. Als Deplacementszahlen sind Jahrbuch des Deutschen Flottenvereins,
Marine-Almanach, Les flottes de Combat hauptsächlich benutzt, wenn
nicht Originalangaben vorlagen.. Das wären zusammen 13 gepanzerte
und geschützte Kreuzer von zusammen 69290 t Deplacement, hierzu kommt ein im Bau
befindliches Schulschiff, 11000 t gross.
Sehr bedeutende Anstrengungen werden gemacht, die Torpedoflotte zu vermehren. An
Torpedobootzerstörern, eine Benennung, die Deutschland nicht angenommen hat,
obgleich alle seine neuen Torpedoboote von der Nummer 90 an aufwärts bei über 300 t
Wasserverdrängung als Torpedo-„Boote“ kaum anzusprechen sind, befinden sich
auf verschiedenen Werften des In-und Auslandes in Ausrüstung: Sieben von 240 t, zwei
von 230 t, fünf von 350 t. Im Bau liegen sieben von 240 t, neun von 350 t, fünf von
312 t Wasserverdrängung. Das wären 35 Torpedobootzerstörer von 10280 t. Die
Torpedoboote sollen nicht weiter Berücksichtigung finden, sie werden schnell gebaut,
und Statistiken sind daher, sie betreffend, nicht gerade sehr zuverlässig,
namentlich nicht für Russland, worüber die Angaben, wie vorher erwähnt, überhaupt
schwanken. In vorstehendem haben nur mehrfach belegte Zahlen Aufnahme gefunden,
nicht solche, deren Sicherheit schwankend erscheint. So sollen bei Cramp, Philadelphia,drei geschützte 6000 bis 6500
t-Kreuzer in Bau gegeben seinArmy and Navy Gazette 3. 9. 98. und
nach dem Kronstadski Wjästnick, August 1900, wäre ein
14000 t-Schlachtschiff nach Plänen von Skowrozoff
bereits auf Stapel. Es sind demnach die Anstrengungen, die Russland macht, nicht zu
verkennen, und wenn man bedenkt, dass der Marineetat, der für 1900 mit 87564700
Rubel (280207000 Mark) abschliesst, für 1901 eine Summe von 17805439 Rubel für
Schiffbau eingestellt hat, und dass diese Summe fast ausschliesslich für Bauten der
sogen. Ostseeflotte bestimmt ist, so wird man in Russland eine Strömung erkennen
müssen, die entschlossen ist, mit dem Deutschen Reich den Kampf um den dritten Platz
unter den Seemächten aufzunehmen; Zahlen sprechen! Russland rüstet aus und baut von
Anfang des Jahres 1901: zehn Schlachtschiffe von 140910 t, zwei gepanzerte
Küstenverteidiger von 11970 t, dreizehn gepanzerte und geschützte Kreuzer von 69290
t. Ein Schulschiff von 11000 t, 35 Torpedobootzerstörer von 11000 t. Zusammen 60 Schiffe und Fahrzeuge von 243250 t
Wasserverdrängung, und da ein weitreichender Flottenbauplan nicht, wie
beispielsweise in Deutschland, besteht oder eingehalten zu werden braucht, lässt
sich die Flottenvermehrung soweit steigern wie Mittel für sie eingestellt werden.
Wenn auch die russischen Werften noch auf einige Zeit hinaus nicht ausreichen
werden, den Gesamtbedarf decken zu können, so ist doch zweifellos aus den Leistungen
zu ersehen, dass im Ostreich auf dem Gebiet des Stahlschiffbaues wie der
Geschützfabrikation gewaltige Fortschritte gemacht sind, und es ist wohl anzunehmen,
dass diese Fortschritte, trotz mancher Hemmungen, andauernde sein werden.
F. E.
Bücherschau.
Die Sicherungswerke im
Eisenbahnbetriebe, ein Lehr- und Nachschlagebuch von E. Schubert. Dritte umgearbeitete und erweiterte
Auflage. Mit 427 Textabbildungen und einer lithographierten Tafel. Wiesbaden 1900.
J. E. Bergmann.
Dieses stattliche, vorzüglich ausgestattete Buch ist aus kleinen Anfängen
hervorgegangen, die ursprünglich lediglich als Lehrbehelf gelten sollten für
Stationsbeamte und Bahnmeister und diejenigen, welche sich diesem Berufe widmen
wollen. Die Auswahl und Behandlung des Stoffes war dieser Absicht entsprechend in
ähnlicher Trefflichkeit angepasst, wie in zahlreichen anderen, aus der gewandten
Feder desselben Autors stammenden Unterrichtsschriften. Die vorliegende dritte
Auflage geht nunmehr weit über das einstige Ziel hinaus, insofern sie nach Ton und
Umfang ein Lehr- und Nachschlagebuch bildet, das weniger mehr den subalternen
Stationsbeamten, als den Studierenden des Eisenbahnwesens im allgemeinen zu dienen
geeignet ist. Der äusserst knappe Ausdruck, jene militärisch kurze Form, welche in
den preussischen Instruktionsbüchern zumeist so vorteilhaft zur Geltung kommt, hat
es möglich gemacht, auf 19½ Druckbogen eine reiche Menge der zur Zeit namentlich in
Deutschland angewendeten Sicherungswerke oder doch fast aller derartigen
Einrichtungen der preussischen Staatsbahnen zu behandeln. Das Buch ist mithin für
die interessierten Kreise ohne Frage sehr nützlich und empfehlenswert. Allerdings
erscheint durch die bereits erwähnte Knappheit in den Erläuterungen das volle und
rasche Verständnis mancher schwierigerer Einzelheiten für jene Leser, welche die
Abbildungen nicht mit einem gewissen Grad technologischer Sachkenntnis zu betrachten
vermögen, ziemlich erschwert und daher ist ein Teil des Buches dem ursprünglich bei
den älteren Auflagen an vorderster Stelle ins Auge gefassten, minder vorgebildeten
Leserkreise nicht mehr ganz mundgerecht. Trotzdem darf dem Buche schon mit Rücksicht
auf seinen aktuellen Inhalt in nicht allzuferner Zeit eine vierte Auflage in
Aussicht gestellt werden, für welchen Fall wir aber den Autor zu einer doppelten
Behandlung des Stoffes anregen möchten, nämlich zu einer erneuerten Bearbeitung nach
Art des Nachtrages II zu Susemilh's Eisenbahnwesen für
jene subalternen Eisenbahnbeamten und Anwärter, für welche das ebengenannte Werk
bestimmt ist, und zu einer zweiten getrennten Bearbeitung, in welcher unter
Weglassung alles einführenden Materials lediglich die Sicherungswerke und namentlich
die Blockwerke nebst den Signal- und Weichenstellwerken einer noch umfassenderen und
ausführlicheren Behandlung unterzogen würden, als es in der dritten Auflage
geschah.
L. K.