Titel: | Kleinere Mitteilungen. |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, Miszellen, S. 499 |
Download: | XML |
Kleinere Mitteilungen.
Kleinere Mitteilungen.
73. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in
Hamburg am 22. bis 28. September 1901.
Aus der reichen Fülle der zur Versammlung angemeldeten Vorträge und Demonstrationen
mögen dem soeben erschienenen Verzeichnis speziell diejenigen entnommen sein, die
für unseren technischen Leserkreis ein besonderes Interesse bieten.
1. Abteilung: Schilling (Göttingen): Neue kinematische
Modelle zur Verzahnungstheorie und ihre Beziehung zur Theorie der
Berührungstransformationen.
2. Abteilung: Ahlhorn (Hamburg): Ueber den Mechanismus
des Widerstandes flüssiger Medien (mit Demonstration). Archenhold (Treptow): Die Entwickelung der Fernrohrtechnik im 19.
Jahrhundert (mit Lichtbildern). Blochmann (Kiel): Ueber
elektrische Strahlentelegraphie. Braun (Strassburg):
Ueber elektrische Wellentelegraphie. v. Geitler (Prag):
Ueber Kathodenstrahlen. Hesekiel (Berlin): Neuartige
Photographien in natürlichen Farben. Hoppe (Hamburg):
Ueber elektrodynamische Convection. Kahlbaum (Basel):
Ueber destillierte Metalle. Marcuse (Berlin): Ein neues
photographisches Universalinstrument zur geographischen Ortsbestimmung. Mewes (Berlin): Grundlagenund Hauptresulate der
Aetherschwingungstheorie in Physik und Psychophysik. Möller (Braunschweig): Drehschwingung und Zentralschwingung in Beziehung
zu Magnetismus und Elektrizität. Müller-Erzbach
(Bremen): Das Wesen des Dampfdruckes durch Verdunstung. Precht (Heidelberg): Eigenschaften der Becquerel-Strahlen. Ruhmer (Giessen): Ueber das Photographophon. Voller (Hamburg): Versuche über remanenten und latenten
Magnetismus. Wachsmuth (Rostock): Die innere
Wärmeleitung in Flüssigkeiten. Walter (Hamburg): a)
Ueber die Haga- und Wind'schen Beugungsversuche mit Röntgen-Strahlen (mit Demonstrationen), b) Ein
photographischer Apparat zur genaueren Analyse des Blitzes.
3. Abteilung: Bauch (Potsdam): Vorausbestimmung der
Kurvenform einer Wechselstromspannung. Benischke
(Berlin): Die Schutzvorrichtungen der Starkstromtechnik gegen atmosphärische
Entladungen. Frahm (Hamburg): Neuere Untersuchungen im
Schiff- und Schiffsmaschinenbau auf der Werft von Blohm und
Voss (der Vortrag findet auf der Werft statt). v.
Gaisberg (Hamburg): Die Einrichtung der Hamburgischen Elektrizitätswerke,
mit Besichtigung der Zentrale in der Karolinenstrasse. Gümbel (Hamburg): Der an den Enden festliegende transversal belastete Stab.
Hoppe (Hamburg): Naturforschung und Technik. Kammerer (Charlottenburg): Die Erhaltung der Energie
vom Standpunkt des Ingenieurs. Liebenow (Berlin): Ueber
den gegenwärtigen Stand der Akkumulatorentechnik. Lorenz (Göttingen): Schwingungen rotierender Wellen. Simon (Frankfurt a. M.): Tönende Flammen und
Flammentelegraphie.
Fabrikschornsteine aus armiertem Cementguss.
Vor kurzem gelang es der Anwendung von armiertem Cementguss, nun auch auf einem
Gebiet Geltung in Amerika zu gewinnen, auf welchem man in Europa, wie es scheint,
vorläufig noch nicht den Mut zu praktischen Versuchen gefunden hat. Laut einer
Mitteilung der Railroad-Gazette sind nämlich zur Zeit
bereits zwei ganz bedeutende Fabrikessen in der bezeichneten Bauweise ausgeführt
worden, von denen die ältere, in Bayonne
(Nord-Indiania) errichtete, welche nicht weniger als 45,75 m Höhe und doch nur eine
mittlere Rohrwandstärke von 0,305 m besitzt, schon wiederholten heftigen Stürmen
ohne jeglichen ersichtlichen Nachteil und ohne jede Spur bedenklicher Erscheinungen
standgehalten hat. Ein zweiter, ähnlicher, jedoch um fast 8 m niedrigerer
Schornstein wurde erst kürzlich in Elizabethport
(New-Jersey) hergestellt, und in beiden Fällen war es die Ransome-Concrete-Company, welche die betreffenden Bauten entworfen und
durchgeführt hatte. Hinsichtlich der zuletzt angeführten Herstellung eines
Fabrikschornsteins in Elizabethport bringt unsere oben
angezogene Quelle einige nähere Mitteilungen, die allerdings nach manchen Richtungen
lückenhaft, aber trotzdem interessant genug erscheint, um nachstehend im
wesentlichsten wiedergegeben zu werden.
Der in Rede stehende Schornstein (Fig. 1 und 2) ist 38 m hoch und sein bis zur Mündung hinauf rein
cylindrischer Querschnitt besitzt durchwegs einen Durchmesser von 2,57 m. Das
Gesamtgewicht beträgt 260 t und erzeugt an der Basis einen Druck von 10,30 kg pro 1
qcm; der Winddruck berechnet sich mit 98 kg pro 1 qm. Für die Fundierung müssen die
örtlichen Verhältnisse ganz besonders günstig gewesen sein und wahrscheinlich
handelt es sich dabei um Felsboden o. dgl., obwohl unsere Quelle hierüber nichts
Näheres angibt. Man hatte es sich nämlich bei Herstellung des Fundamentes damit
genügen lassen, den gewachsenen Boden einfach glatt abzurichten und
Textabbildung Bd. 316, S. 500
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 316, S. 500
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 316, S. 500
Fig. 3.
Textabbildung Bd. 316, S. 500
Fig. 4.
sodann einen 760 mm hohen Betonklotz K darauf zu giessen, als ein einziges Stück, das zu unterst auf 20 mm Höhe
einen Cylinder von 6 m Durchmesser bildet, weiter oben hingegen bis zur
Schornsteinbasis als Kegel zusammenläuft, und ganz allein, etwa wie der Fuss eines
Lampenständers, den Essenschaft zutragen und zu halten hat. Der Betonklotz K ist armiert durch eine Anzahl Flacheisenkränze
verschiedenen Durchmessers und eines Hauptkranzes, der den die Basis des Fundamentes
bildenden Cylinder umschlingt. Zwischen diesen Kränzen und mit denselben durch
Blechbügel verbunden oder an denselben mittels Drahtbünden befestigt, sind eine
grosse Zahl strahlenförmig angeordneter Eisenstäbe eingelegt, wie sie bei b in Fig. 2 angedeutet
erscheinen, welche im unteren Cylinderfuss die wagerechte Lage erhalten haben, im
kegelförmigen Oberteil des Fundamentes aber zur Mantelfläche parallel gestellt
wurden. Für diese letztangeführten, sowie überhaupt für alle, sei es im Fundament,
sei es im Schaft, in Verwendung genommenen Armierungsstücke, welche vollkommen von
Cement umgössen werden, hatte man grundsätzlich nur gezopftes Stangeneisen, nämlich
Quadrateisen benutzt, welches durch eigene Maschinen zu Spiralen, wie sie die
Nebenfig. 1b ersichtlich macht, gedreht wird, und sich in dieser Form für den
Cementbau bekanntlich als ganz besonders leistungsfähig erweist. Die besagten
radialen Rippen des Fundamentes, sowie acht Rippen, welche gleichmässig im
Schornsteinmantel verteilt der ganzen Höhe entlang bis zum Abschlusskranze der
Mündung emporgehen, bestehen aus gewundenen Quadrateisen von 19 mm Seitenlänge.
Nach Fertigstellung des oben geschilderten Fundamentes wurde der Ausbau des Schaftes
mit Hilfe eines Gusskastens (Fig. 3 und 4) hergestellt, der aus zwei Cylindern besteht, in
welche noch acht Rippen als Kern eingesetzt wurden, so dass der Gusskörper der
Schornsteinwand den in Fig. 2 gekennzeichneten
Querschnitt erhielt. Die acht Hohlräume hatten natürlich den Zweck, das Gewicht des
Mauerwerkes zu verringern. In den auszugiessenden Raum wurden in vertikalen
Abständen von je 0,75 m wagerechte Ringe aus stehendem Flacheisen (Nebenfig. 1 c)
eingelegt, und zwar einer an der Innenfläche der Wand und ein zweiter an der
Aussenseite der Wand, während in den Rippen die schon weiter oben erwähnten Anker
emporgingen, die aus Stücken von 1,5 m Länge zusammengesetzt wurden, welche man wie
die Glieder einer Messkette durch Oesen und Haken aneinander befestigte. Diese bis
zur Spitze des Schornsteines emporgehenden Anker wurden vor dem Entstehen des
Mauerwerkes Schichte für Schichte mit den vorbesagten inneren und äusseren
Wandringen durch Bügel aus schwächerem, gezopften Quadrateisen in Verbindung
gebracht; in gleicher Weise wurde auch jeder äusserer Ring an jedem höher und tiefer
liegenden inneren Ring durch 16 gleich weit voneinander abstehende, radial
angeordnete Verbindungsbügel befestigt. Die Fertigstellung der auf diese Weise
armierten Schornsteinwand in einer Höhe von 1,5 m bildete eine Tagesarbeit. Nächsten
Tages beseitigte man die Riegel und Keile des Gusskastens, lüftete die acht
Schraubenmuttern n des Kastens, welche während der
vortägigen Arbeit ganz am untersten Ende ihrer Spindel sassen, um 1,5 m, und erhöhte
sodann das im Inneren des Schornsteines aufgestellte, aus den vier Ständern m bestehende Untergerüst des Gusskastens samt den
beiden darüber liegenden Querträgern A ebenfalls um 1,5
m, wodurch die letzteren und die Muttern n die in Fig. 3 dargestellte Lage erhielten. Nunmehr wurden die
acht Muttern n ganz gleichzeitig und gleichmässig
angezogen, bis sie ihre ursprüngliche Lage an tiefster Stelle der Spindel wieder
erreicht hatten, wodurch also auch der Gusskasten um 1,5 m höher gezogen wurde und
für eine neuerliche Tagesarbeit Raum bot. Von dem frischen Mauerwerk blieben
hierbei, da die Gesamthöhe des Gusskastens 3,655 m betrug, stets noch 2,15 m im
Schütze des Gusskastens und eine volle Blosslegung erfolgte lediglich hinsichtlich
des untersten 0,845 hohen Teiles der drittletzten Tagesschichte, deren oberer 0,655
hoher Teil erst am vierten Tage frei wurde. Die Zufuhr der Materialien geschah
ausschliesslich im Inneren des Schlotes durch die Thür P des Rauchkanals.
Noch bleibt zu erwähnen, dass jede Tagesarbeit, d.h. jedes 1,5 m hohe Stück des
Schornsteinschaftes am äusseren Rande durch zwei aufeinander gelegte wagerechte
Schichten gepresster Cementziegel von dunkelroter Farbe abgeglichen wurde, die
zufolge ihres Kontrastes mit dem Tone des übrigen Gusskörpers einiges Leben in die
Aussenseite des Schaftes gebracht haben und überhaupt nur zum Zweck der
architektonischen Verschönerung zur Verwendung kamen. Die Kapitale, welche als
Abkrönung der Schornsteinmündung dienen, sind bloss aus Gips und nach gewöhnlicher
Befestigungsart dieser Zierwerke an der Cementwand angebracht. Der zur ganzen
Bauausführung benutzte Cementguss bestand aus einer mit Hilfe von Mörtel -maschinen
sorgsam hergestellten Mischung von 1 Teil Portlandcement, 3 Teilen Kiessand und 5
Teilen aus dem Strombett des Hudsons gewonnenen gebrannten Kalkschlamm nebst dem
erforderlichen Wasser.
K.
Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung (A. Kröner)
Stuttgart.
Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft ebendaselbst.