Titel: Kleinere Mitteilungen.
Fundstelle: Band 316, Jahrgang 1901, Miszellen, S. 594
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Kleinere Mitteilungen. Kleinere Mitteilungen. Ziegler's Differenzdreieck. Das Auftragen spitzer Winkel ist in allen technischen Bureaux eine häufig wiederkehrende zeitraubende Arbeit. Das genaue Auftragen bestimmter spitzer Winkel wird häufig beim Zeichnen von Geleiseplänen, Querprofilen und bei axonometrischen Projektionen notwendig. Das Abstecken der Winkel mittels Zirkels und Transporteurs hat man schon bisher durch die Benutzung von Trapezen und rechtwinkeligen Dreiecken ersetzt. Sobald es sich aber, wie in der Praxis oft, darum handelt, die Summe oder Differenz von spitzen Winkeln sowie deren Komplementwinkel schnell und richtig aufzutragen, versagen auch diese Hilfsmittel, denn sie sind unbequem und zeitraubend, weil man für jeden vorkommenden Winkel eines besonderen Instrumentesbedarf und die Auftragung von Winkelsummen und Winkeldifferenzen mit ihrer Zuhilfenahme noch mehr erschwert wird. Diesem wird nun durch Ziegler's Differenzdreiecke abgeholfen. Textabbildung Bd. 316, S. 594 Fig. 1. Die Winkel derselben sind so bestimmt, dass die Differenz je zweier an einer Dreieckseite anliegenden Winkel gleich einem der zu konstruierenden Winkel ist. Durch einfaches Umwenden oder Verdrehen des Differenzdreiecks gegen die Linie, an welche der bestimmte spitze Winkel anzulegen ist, geschieht die leichte und genaue Auftragung desselben, auch wenn er eine Winkel summe oder Winkeldifferenz ist. Durch Pfeile, welche auf den Differenzdreiecken angebracht sind, kann man beim praktischen Gebrauch im voraus erkennen, wie das Dreieck anzulegen ist, um die gewollte Richtung der kreuzenden Linie zu erzielen. Bei jedem Pfeil ist der aufzutragende Winkel in Graden u.s.w., sowie dessen trigonometrische Tangente angegeben. Zur bequemen und genauen Konstruktion von einseitigen und zweiseitigen Doppelweichen und von Zweibogenweichen für Eisenbahnen sind besondere Differenzdreiecke hergestellt, welche gestatten, den Differenzwinkel nach einer oder zwei Richtungen von der gegebenen Linie zweimal abzulenken, ohne die Lage des Lineals zu verändern. Textabbildung Bd. 316, S. 595 Fig. 2. Im folgenden sei gezeigt, wie man in einfacher Weise drei solcher Winkel – von denen immer einer die Summe oder Differenz der beiden anderen bildet – sowie deren Komplementwinkel schnell und genau auftragen kann. Es sind zu diesem Zweck die drei Winkel αβγ des Dreiecks abc (Fig. 1) so bestimmt, dass die Differenz je zweier an einer Dreieckseite anliegenden Winkel gleich einem der zu konstruierenden Winkel ist. Wenn demnach letztere mit xyz bezeichnet werden, so ist: x = β – α an Dreiecksseite c, y = γ – α b, z = γ – β a, Textabbildung Bd. 316, S. 595 Fig. 3. Wird ein solches Differenzdreieck mit einer Seite, z, B. c (Fig. 2) an die gegebene Linie AB angelegt und in dieser Lage die Seite b durch ein unverrückbar zu haltendes Lineal gestützt, hierauf das Dreieck so umgewendet, dass die Seite ä an das Lineal zu liegen kommt (a), so erhält die Seite c eine neue Richtung (c), welche die Linie AB unter dem Winkel x = α – β schneidet. In gleicher Weise wird verfahren, wenn man mit den anderen Seiten a oder b die Winkel y oder z darstellen will. Während bei dieser Handhabung jedesmal ein „Umwenden“ des Dreiecks auf die andere Fläche erfolgte, lassen sich die Differenzwinkel xyz auch durch blosses „Verdrehen“ des Dreiecks auf derselben Fläche konstruieren. Um z.B. den Winkel x zu bilden, wird das Dreieck (Fig. 3) mit der Seite c an die gegebene Linie AB und das Lineal an die Seite a angelegt und das Dreieck von rechts nach links in der Pfeilrichtung gedreht, so dass die Seite c an das Lineal zu liegen kommt (c); dann schneidet die Seite (b) die gegebene Linie A B ebenfalls unter dem gewollten Winkel x = α – β. Ebenso wird bei Darstellung der Winkel y und z verfahren. Um sofort zu erkennen, wie das Dreieck anzulegen ist, um die gewollte Richtung (rechts oder links bezw. über oder unter der gegebenen Linie) zu erzielen, sind an den drei Seiten und auf beiden Flächen Parallelen und Pfeile angeordnet, welche „im voraus“, also vor dem Umlegen oder Verdrehen des Dreiecks anzeigen, welche Richtung die kreuzende Linie (der Schenkel des Winkels) nach dem Umwenden oder Verdrehen erhalten wird. An jedem Pfeil ist der aufzutragende Winkel in Graden u.s.w., sowie dessen trigonometrische Tangente angegeben. Textabbildung Bd. 316, S. 595 Fig. 4. Bemerkenswert sind die Dreiecke (Fig. 4 und 5), welche an den Seiten b und c gleiche Differenzwinkel x und an der dritten Seite a den doppelten Winkel 2 x enthalten. Diese Dreiecke sind speziell dazu bestimmt, um den Differenzwinkel x von der gegebenen Linie zweimal abzulenken – entweder nach einer Richtung oder nach beiden Richtungen – ohne hierbei die Lage des Lineals zu ändern. Sie sind daher hauptsächlich zu benutzen, um die Achsen der einseitigen und der zweiseitigen Doppelweichen und Zweibogenweichen für Eisenbahnen in bequemster Weise und sehr genau zu konstruieren. Um die einseitige Doppelweiche zu zeichnen, legt man eine Seite mit dem einfachen Winkel x, beispielsweise c (Fig. 4) an die gegebene Linie AB und das Lineal an die Seite a mit dem doppelten Winkel 2 x an. Hierauf wird das Dreieck von rechts nach links so gedreht, dass die gegebene Linie AB zuerst von der Seite (b) unter dem einfachen Winkel x und bei Weiterdrehung von der Seite (a) unter dem doppelten Winkel 2 x geschnitten wird. Textabbildung Bd. 316, S. 595 Fig. 5. Zur Darstellung der zweiseitigen Doppelweiche wird ebenfalls eine der beiden Seiten mit dem einfachen Winkel x, beispielsweise c (Fig. 5) an die gegebene Linie AB angelegt dagegen das Lineal, statt an die Seite a mit dem doppelten Winkel 2 x, an die Seite b mit dem einfachen Winkel x. Von rechts nach links drehend wird zuerst die Linie AB von Seite (a) rechts abzweigend unter dem Winkel x = α – β geschnitten, und bei der Weiterdrehung von der Seite (b) links ablenkend unter dem Winkel x = γ – α. Das rechtwinkelige Dreieck (Fig. 6 und 7), mit welchem nur ein Differenzwinkel x\,\left(tang.\,\frac{1}{n}\right) und dessen Komplementwinkel 90^{\circ}-x\,\left(tang.\,1\,:\,\frac{1}{n}\right) konstruiert werden können, lässt sich auf folgende zweifache Weise handhaben: 1. Durch Verdrehen. Man legt, wie in Fig. 6, das Dreieck zuerst mit der Hypothenuse c an die gegebene Linie AB, das Lineal an die Kathete a und „dreht“ hierauf das Dreieck in bekannter Weise von rechts nach links, bis die Hypothenuse am Lineal anliegt. Dann wird die Linie AB von der Kathete (b) unter dem Winkel x = α – β und zugleich von der Kathete (a) unter dem Komplementwinkel 90° – x geschnitten. Textabbildung Bd. 316, S. 596 Fig. 6. 2. Durch Umwenden. Legt man dagegen, wie in Fig. 7 dargestellt ist, die eine Kathete a an die gegebene Linie AB und das Lineal an die Hypothenuse c, so führt nur ein „Umwenden“ des Dreiecks in der zuerst beschriebenen Weise (wobei die Hypothenuse wieder an das Lineal zu liegen kommt) zu demselben Ziele, indem die Kathete (b) die Linie AB unter dem Winkel x = α – β schneidet, während gleichzeitig die Kathete (a) mit der Linie AB den Komplementwinkel 90° – x bildet, dessen Tangente der reciproke Wert von \frac{1}{n} also: =1\,:\,\frac{1}{n} ist. Textabbildung Bd. 316, S. 596 Fig. 7. Will man die abzweigende Linie in möglichst grosser Länge erhalten, so empfiehlt es sich nach dem zuerst beschriebenen Verfahren (Fig. 2) die Hypothenuse allein zur Darstellung des Winkels x zu benutzen. Die Differenzdreiecke werden in folgenden 10 verschiedenen Sorten angefertigt: Rechtwinkelige: für die Winkelverhältnisse 1 : 11. 1 : 10. 1 : 9 1 : 8. Schiefwinkelige: für die Winkelverhältnisse 1 : 10 und 1 : 4,95. 1 : 9     „   1 : 4,44. 1 : 9, 1 : 11, 1 : 50. 1 : 9, 1 : 10, 1 : 91. 1 : 5, 1 : 1½   1 : 1.1 : 9, 1 : 11/4   1 : 1. Böschungs-dreiecke. Bücherschau. Meine Telegraphie von Dr. Cerebotani. München 1900. Theodor Ackermann. Es ist dies ein fast seltsam anmutendes 16 Druckbogen Grosslexikonformat umfassendes, mit 158 hübsch ausgeführten, in den Text eingesetzen Figuren ausgestattetes Buch, von dem 15 Bogen nebst sämtlichen Abbildungen ausschliesslich der Schilderung und näheren Beschreibung jener Neuerungen, Verbesserungen und Erfindungen gewidmet sind, welche der Verfasser in den verschiedenen Zweigen, ja man kann füglich sagen, auf allen Gebieten des elektrischen Fernsprechens und Fernschreibens entworfen oder geschaffen hat. In der That – anbetracht der ausserordentlichen Mannigfaltigkeit und grossen Zahl dieser Schöpfungen, noch mehr aber in Rücksicht auf die zumeist ebenso zweckentsprechenden als sinnreichen Lösungen der gestellten Aufgaben läge es nahe, Dr. Cerebotani eine Art Edison zu nennen, der allerdings seine unerschöpflichen Ideen vorwiegend nur für elektrische Zeichenapparate und Stromlaufschaltungen aufwendet. Die Lektüre der diesfälligen Darlegungen des Autors wird sicherlich jedem Feinmechaniker, namentlich aber jedem Telegrapheningenieur aufrichtiges Vergnügen bereiten und zur Belehrung gereichen. Schade nur, dass viele der so scharfsinnig erdachten Vorrichtungen oder Anordnungen auf die verdiente praktische Verwertung kaum mehr rechnen können, da sie Telegraphensysteme betreffen, welche gerade in jüngster Zeit anscheinend im Begriffe stehen, durch modernere Einrichtungen verdrängt zu werden. Hingegen dürften ein Universalrelais, dann besonders einfache, für kurze Linien bestimmte Typendrucker, ferner verschiedene Fernumschalter oder Stationswähler und einzelne Schaltungen zur Vielfachtelegraphie eine um so erfolgreichere Zukunft versprechen. Das gedachte Relais ist innerhalb weiter Grenzen für Stromschwankungen völlig unempfindlich, lässt sich aber auch für bestimmte Stromgrenzen abstimmen und sonach gut für Doppel- oder Vielfachtelegraphie ausnutzen. Die benannten Typendrucker sind wie einfache Schreibmaschinen zu handhaben, bedürfen daher keiner fachgebildeten Bedienung und dieselben gestatten – falls sie mit Stationswählern passend zusammengeschaltet werden – das Absetzen der Depeschen – ähnlich wie die bekannten Siemens und Halske'schen Börsendrucker – auch dann, wenn sich niemand an der Empfangsstelle befindet. Solche Anlagen erscheinen also ganz gut geeignet, an die Stelle von Fernsprechanlagen zu treten, indem sie nahezu ebenso leicht und bequem wie die letzteren von jedermann ohne besondere Vorkenntnisse oder Uebung benutzt werden können und doch den wertvollen Vorteil bieten, zu jeder Zeit dauernde Niederschriften in gewöhnlichen Drucklettern zu liefern, gleichgültig ob bei dem Empfangsapparat jemand anwesend ist oder nicht. Mit derartigen Einrichtungen, welche der Erfinder Kleinverkehrstelegraphen nennt, wurden in Bayern und in Italien bereits praktische Versuche durchgeführt, die überall von den besten Ergebnissen begleitet waren. Den letzten Bogen seines Buches benutzt der Verfasser für ein metaphysisches Essay über das Sein und über Natur im allgemeinen, sowie über das Wesen der Elektrizität im besonderen. Abgesehen von einigen Aussprüchen, die dem modernen Stande der Wissenschaften gegenüber wohl kaum mehr als ganz einwandfrei gelten dürften, gelangt Dr. Cerebotani im Wege einer lediglich philosophischen aber entschieden höchst geistreichen Ableitung zu dem Schluss, dass der elektrische Strom als eine besondere Molekulararbeitsform eines Körpers aufzufassen sei, gerade so wie das Flüssig- oder Festsein, das Stillstehen oder Sichbewegen desselben; eine Thesis, auf deren Stichhaltigkeit hier natürlich schon aus Raummangel nicht weiter prüfend eingegangen werden kann. Der auf dem empirisch-mechanischen wie auf dem vernunftwissenschaftlich-spekulativen Gebiet sattelfeste Landsmann Galileis legt übrigens grosses Gewicht darauf, dass seine Folgerungen zur „Offenbarung“ in keinerlei Widerspruch (!) stehen, ein Umstand, dessen besonderes Hervorheben wir schliesslich nicht verabsäumen wollen. L. K. Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung (A. Kröner) Stuttgart. Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft ebendaselbst.