Titel: Kleinere Mitteilungen.
Fundstelle: Band 317, Jahrgang 1902, Miszellen, S. 307
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Kleinere Mitteilungen. Kleinere Mitteilungen. Vom Kanal des deux mers und sein Wert für den Seehandel. Für den Bau des Kanals zwischen Bordeaux und Narbonne hat sich die französische Kammer mit überwältigender Mehrheit ausgesprochen. Es will sonach scheinen, dass man in Frankreich ernstlich daran zu gehen beabsichtigt, das Werk auch wirklich in Angriff zu nehmen, denn es gehört, wie mancher andere Kanal, so der in Russland zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee und der in Italien zwischen La Spezzia und Venedig, zu den projektierten seit langer Zeit, und die Zahl der eigentlichen Pläne sowie deren Abänderungen ist sehr gross. Der neueste, anscheinend jetzt zur Ausführung bestimmte Entwurf sieht eine Kanalstrecke von 401 km – ausschliesslich der Girondemündung – vor (andere Quellen geben 600 km an) und soll 677 Millionen Frcs. kosten, was für 1 km 1,75 Millionen rund ausmachen würde. Da liegt ohne Zweifel ein grober Rechenfehler vor, denn die Kosten sind entschieden zu niedrig veranschlagt. Allerdings folgt nach dem Entwurf der Kanal bis Toulouse der Garonne und ist verhältnismässig billig in Schwemmland herzustellen, dann aber verlässt er die Garonne, wendet sich südöstlich und folgt dem Teil des Hermsflusses, der von dem Col de Naurose herkommt; hier ist eine Höhe von 190 m teils felsigen Bodens zu überwinden, und das erfordert Baugelder. Bedenkt man, dass bei der Ausführung des „Kaiser Wilhelm-Kanals“, die nirgend erhebliche Schwierigkeiten bot, das Kilometer 2 Millionen Frcs. kostete, so kann man ruhig das Kilometer des französischen Kanals auf die Hälfte höher, also auf 3 Millionen veranschlagen und erhält dann die respektable Gesamtsumme von 1200 Millionen Frcs., die später bei der Verzinsung, also bei den Kanalabgaben, schwer ins Gewicht fallen muss und nicht gerade die Aussichten des Kanals auf grosse Benutzung durch die Handelsmarine vermehrt. Wie bei allen solchen Kanalbauten, die sehr viel Geld kosten, ist man auch in Frankreich bestrebt, die bittere Pille zu verzuckern und mit allerlei statistischem Humbug zu verbrämen, der die spätere Rentabilität beweisen soll. Es ist wohl noch in ziemlich frischer Erinnerung, in welcher ausgiebigen Weise dieses Feld während des Baues bis zur – Eröffnung des Kaiser Wilhelm-Kanals, Juni 1895, beackert wurde. Es erschienen erschreckliche Karten, die in Tausenden grauer und schwarzer Punkte alle grossen und kleinen Schiffsunfälle an den deutschen und dänischen Ostseeküsten seit vielen Jahrzehnten darstellen sollten und schauerlich hohe Ziffern herausrechneten, und man scheute sich keineswegs, auf die Frequenz und die Rentabilität des Suezkanals hinzuweisen. Natürlich fehlte es auch nicht an vernünftigen Stimmen, aber sie waren, trotz aller Begründung, vereinzelt und wurden überschrieen. So findet man in der Internationalen Revue, Dresden, Heft 5, Jährgang 1895, also vor der Einweihung des Kanals, folgende sehr bemerkenswerte Auslassung: „An solche Einnahmen, wie etwa beim Suezkanal, von denen mancher schon träumt, ist ganz und gar nicht zu denken, und man kann zufrieden sein, wenn sich mit der Zeit, neben der Deckung der Betriebskosten, eine Verzinsung der 100 Millionen erreichen lässt, welche Hoffnung zu hegen, nicht allzu sanguinisch ist.“ – Vorläufig ist auch das noch Zukunftsmusik, denn gegenwärtig decken die Einnahmen, d.h. in neuester Zeit erst, die Betriebskosten und die Verzinsung soll erst noch kommen. Dem französischen Landkanal schreibt man bessere Chancen zu. Auch bei ihm kann man, wenn man will, mancherlei zu seinen Gunsten ins Gefecht führen. Von der grossen Zeitersparnis wollen wir absehen, denn 400 km Kanalfahrt mit zahlreichen Durchschleusungen – man spricht von über 20 solcher Anlagen – sind kein Vergnügen, erfordern auch Zeit, und es hat bisher noch kein Seeschiffer solche Reise gemacht. Aber man führt, wie beim Kaiser Wilhelm-Kanal die gefährlichen Passagen um Kap Skagen herum, beim Franzosenkanal die Stürme der Viscaya ins Treffen, und auch nicht mit Unrecht. Aber für grosse moderne Dampfer haben auch die Stürme viel von ihren Schrecken verloren und kleine Dampfer und gar Segler werden die Kanaltaxe kaum erschwingen können, also den Kanal auch nicht benutzen. – In Frankreich ist man übrigens auch nicht derartig zahlungsbereit für Kanalbauten, wie es den vielen dorther kommenden Nachrichten nach den Anschein erwecken kann. La Marine de France, la Marine française, 1893, Mitteilungen aus dem Gebiet des Seewesens vom 7. August 1893, bringen Beschreibungen des geplanten Kanals nach Plänen von Bartissol, die wenig von dem nunmehr beliebten Projekt abweichen. Das war vor nunmehr rund einem Jahrzehnt, und praktisch ist man noch keinen Schritt weiter gekommen. – Der französische Kanal wird in erster Linie ein strategischer Seekanal, wie es in ausgesprochener Weise der Kaiser Wilhelm-Kanal auch ist, nur dass letzterer wenig mehr als den zehnten Teil kostet, durch Verbindung der beiden Hauptkriegshäfen die Gefechtskraft der Kriegsflotte verdoppelt und seine Betriebskosten immerhin deckt. Der Franzosenkanal aber verbindet überhaupt keine Kriegshäfen unmittelbar, er ist nicht im stände, eine Vereinigung der Seestreitkräfte im Atlantik und im Mittelmeer zu garantieren, und daher ist seine kriegerische Bedeutung nicht allzu hoch anzuschlagen. Passagierverkehr wird sich auf ihm gar nicht bewegen. – Eisenbahnen fahren schneller und sind bequemer, weil man aussteigen kann, wenn man will, also kommt der Kanal in erster Linie für den Frachtverkehr in Betracht, und da ist eine Rentierung auch bei den bescheidensten Ansprüchen kaum denkbar, namentlich wenn man berücksichtigt, dass der Kanal für die Schiffe, welche in spanischen und portugiesischen Häfen verkehren, so gut wie gar keinen Wert haben kann. Nimmt man 5 Meilen Fahrt auf dem Kanal als zulässig an, so würde ein Schiff bei der Kanallänge von 400 km, gleich 216 Meilen, 43 Stunden gebrauchen, dazu der Aufenthalt an und in den Schleusen gut 10 Stunden, endlich Unterbrechungen bei Nacht u.s.w. hinzugerechnet, ergeben, dass man auf eine Fahrtdauer von 60 Stunden ganz gut rechnen kann. Länger braucht ein guter Dampfer moderner Bauart auch durch die Strasse von Gibraltar nicht und wird die Fahrt vorziehen, und den Kanal werden nur solche Schiffe benutzen, welche ausgerechnet von der französischen Ozeanküste an die französische Mittelmeerküste gelangen wollen; deren Zahl dürfte sehr gering sein. Was die Abmessungen der Strasse angeht, so schwanken die Angaben und dürften erst später endgültig festgelegt werden, jedenfalls werden sie allen existierenden Schiffen, soweit sie in absehbarer Zeit in Frage kommen können, genügen, also bei den Schleusen grössere Masse aufweisen wie die des Kaiser Wilhelm-Kanals mit 150 m Länge, welche von einer ganzen Anzahl Kriegs- und Handelsdampfer nicht benutzt werden können. Was Deutschland anbelangt, so scheint der Kanal wenig Aussicht auf Benutzung zu haben. Die Dampfer der Linien nach Ostasien, Indien, Australien drückt der Suezzoll schon ganz erheblich, und wenn nicht sehr geringe Kanalgebühren seitens der Franzosen erhoben werden, was kaum anzunehmen ist, wird die Reise nach wie vor an Gibraltar vorbei gehen. IX. Internationaler Schiffahrtskongress. Unter dem Protektorate und der persönlichen Teilnahme Seiner kaiserlichen und königlichen Hoheit des Kronprinzen des Deutschen Reiches und von Preussen findet in den Tagen vom 29. Juni bis 5. Juli d. Js. in der Tonhalle zu Düsseldorf der IX. Internationale Schiffahrtskongress statt. Nach der soeben zur Versendung gelangten Einladungsschrift scheint es, als würde dieser Kongress seinen Vorgängern in Paris, Brüssel u.s.w. an Bedeutung mindestens nicht nachstehen. Das Programm verzeichnet eine reiche Anzahl von Ausarbeitungen hervorragender Ingenieure, Nationalökonomen und Gelehrten des In- und Auslandes über Fragen teils wirtschaftlicher, teils technischer Natur, die auch das Interesse weiterer Kreise beanspruchen dürften. In der I. Abteilung (Binnenschiffahrt) stehen folgende Fragen zur Beratung: 1. Ueberwindung grosser Höhen, 2. Schiffahrtsabgaben, 3. Wertminderung von Kohle und Koks bei der Schiffsbeförderung. In der II. Abteilung (Seeschiffahrt) wird verhandelt über: 1. Anlage- und Unterhaltungskosten eiserner und hölzerner Schleusenthore, 2. Verkehr mit Seeleichtern, 3. Dockanlagen. Ausser den zu vorstehenden „Fragen“ angemeldeten 41 Berichten sind zu nachstehend bezeichneten „Mitteilungen“ weitere 41 Abhandlungen im Programm angekündigt. I. Binnenschiffahrt. 1. Anlage von Stauweihern, 2. Mechanischer Schiffszug auf Kanälen, 3. Flussfahrzeuge von geringerem Tiefgang als 75 cm, 4. Ausnutzung der Wasserkräfte an Wehren, 5. Schiffswiderstand auf Kanälen, 6. Neuere badische Rheinhäfen, 7. Der Crefelder Hafen, 8. Die hydrographischen Arbeiten in Preussen und Norddeutschland, 9. Binnenschiffahrt und Konjunktur, 10. Gesamtüberblick über die Einrichtung von Wasserstrassen für die Binnenschiffahrt, 11. Die österreichischen Kanalprojekte, 12. Die Wasserversorgung bei den österreichischen Kanälen, 13. Anwendung von Elektrizität auf den Schiffahrtsstrassen und in den russischen Häfen, 14. Ausführung und Erfolg der Korrektion der Hunte unterhalb Oldenburgs. II. Seeschiffahrt. 1. Spülung von Seehäfen, 2. Schutz der Leuchttürme, 3. Löffel- und Greifbagger, 4. Das Nebelsignalwesen, 5. Schiffswiderstand im freien Wasser, 6. Die Baggerungsarbeiten am Hafen zu St. Petersburg, 7. Der Dnjepr-Seekanal, 8. Der Kaiser Wilhelm-(Nord-Ostsee-)Kanal 1895 bis 1901, Betriebsergebnisse und Erfahrungen, 9. Die Häfen an der Westküste Portugals. Ausflüge sind am 1. Juli nach Ruhrort, Duisburg, Elberfeld und Barmen, am 3. Juli nach dem Siebengebirge und Köln und am 5. Juli nach dem Dortmund-Emskanal bei Herne, Henrichenburg (Hebewerk) und Dortmund, nach den Krupp'schen Werken zu Essen sowie nach Remscheid, der Remscheider Thalsperre und der Kaiser Wilhelm-Brücke bei Müngsten geplant. Nach Schluss des Kongresses findet ein Ausflug nach dem Kaiser Wilhelm-Kanal und den Hansestädten Bremen, Hamburg und Lübeck statt. An allen Ausflugsorten finden die Kongressteilnehmer gastliche Aufnahme. Während der Tagung des Kongresses soll in den an die Sitzungssäle sich anschliessenden Räumen der Tonhalle eine Wasserbau- und Schiffahrtsausstellung stattfinden, und zwar werden Gegenstände wie Modelle, Pläne, Druckwerke von allgemeinem Interesse, die besonders bemerkenswert und neu sind, ausgestellt. Seitens der Regierungen, Kommunalverbände, Handelskammern, kaufmännischen Korporationen, Schiffahrtsvereinen u.s.w. fast aller Staaten Europas und vieler Asiens und Amerikas wird dem Kongresse grosses Interesse entgegengebracht. Dieses zeigt sich u.a. in der Entsendung amtlicher staatlicher Delegierter, welche allein die Zahl von 150 erreichen dürften. Der Generalsekretär des Kongresses, Geh. Baurat Sympher, Berlin W. 66, Wilhelmstrasse 80, ist zur Erteilung jeder gewünschten Auskunft sowie zur Uebersendung der Einladungsschrift gern bereit.