Titel: Kleinere Mitteilungen.
Fundstelle: Band 317, Jahrgang 1902, Miszellen, S. 435
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Kleinere Mitteilungen. Kleinere Mitteilungen. Der Reichspostdampfer „Kurfürst“ der Deutsch-Ostafrika-Linie. Der Doppelschraubendampfer „Kurfürst“ der Ostafrikanischen Reichspostdampferlinie, der am 9. September des Vorjahres auf der Reiherstiegwerft zu Hamburg vom Stapel gelaufen, ist als ein Musterdampfer für Passagier- und Frachtverkehr anzusehen, dessen eingehendere Beschreibung deshalb von Interesse ist, weil sie die Fortschritte zeigt, welche in Bezug auf Einrichtungen und Komfort bis heute auch auf den Schiffen gemacht sind, die nicht zu den vielgerühmten, häufig beschriebenen und überall abgebildeten luxuriösen, aber auch sehr teuren Schnelldampfern gehören. „Kurfürst“ misst zwischen den Perpendikeln 125 m, ist 14,63 m breit, 9,5 m tief und deplaciert bei 7,16 m Tiefgang 9835 t Wasser, kann bei demselben Tiefgang 5100 t Schwergut laden und misst 5655 Bruttoregistertonnen. Es sind, ohne die Aufbauten, drei Decks vorhanden, über welchen sich die hohen Aufbauten mit dem Abschluss des Bootsdeck erheben, auf welch letzterem sich das Kartenhaus und die Wohnung des Kapitäns befinden. Das Dach des Kartenhauses bildet die Mitte des Bodens der Kommandobrücke. Der Dampfer hat nur einen mächtigen Schornstein und zwei Pfahlmasten, doch geben ihm die verhältnismässig langen, hohen Aufbauten ein sehr stattliches Aussehen. In den letzteren sind, wie bei den Schnelldampfern, eine Anzahl Kabinen, sowie die Speise-, Rauch- und Damenzimmer untergebracht, alle Räume, wenn auch nicht prunkhaft, so doch ansprechend in der üblichen Weise ausgestattet. Die viereckigen Fenster der Salons haben Luftklappen, die runden, 40 cm im Durchmesser haltenden Kabinen- u.s.w. Fenster stehen auf senkrechtem Pivot und lassen sich in beliebiger Stellung feststellen, beides Einrichtungen zur Erzielung besserer Ventilation. Für Kühlung sorgt eine Kaltluftmaschine, System Linde, die im stände ist, 250 kg Blockeis innerhalb 24 Stunden zu liefern, zugleich die Kühlanlagen zu bedienen, welche aus einem Kaltwassererzeuger und den Kühlräumen von über 100 cbm Rauminhalt bestehen. Es sind sechs Laderäume von zusammen 6850 cbm vorhanden, davon zwei Trimmtanks von 1525 cbm. Trinkwasser findet sich in drei Tanks mit 130 t, die Kaltwasserbassins sind auch dem Heizer- und Maschinenpersonal zugänglich, und ein Destillierapparat kann 8000 l täglich liefern. Alle drei Klassen für Reisende haben Badeeinrichtungen, desgleichen sind solche für etwa zu befördernde Truppen und die Besatzung vorhanden, und im Hospital stehen zehn Betten; auch eigene Badeanlage befindet sich dort. An Booten sind eine Dampfpinasse und eine Gig für den Verkehr mit dem Lande vorhanden, auf dem Bootsdeck stehen zehn stählerne Rettungsboote, sechs 8,6 m, vier 7,6 m lang, zusammen 130 t gross. Schotteneinrichtung mit selbstthätigem Verschluss, Doppelboden mit Zellensystem, Rettungsringe und Korkwesten sorgen für die Sicherheit der Reisenden nebst grossen Pumpen- und Feuerlöschanlagen. Eine Rettungsboje mit sich selbst entzündendem Acetylenlicht hängt klar zum Fallen am Heck. Drei Anker, System Hall, von rund 3000 kg jeder, nebst einem Warpanker von 500 kg, bilden die Ankerausrüstung, sieben Dampfwinden, drei am Fock-, vier uni Grossmast für sechs Ladeluken besorgen Laden und Löschen. Das Schiff ist für 100 Passagiere erster, 72 zweiter und 60 dritter Klasse eingerichtet, sowie für Truppentransporte, wenn auch den für Afrika voraussichtlich wenig veränderlichen Verhältnissen entsprachend, nur in beschränktem Masse. Der vorderste Laderaum des Hauptdecks hat je nach Bedarf einstellbare oder wegzunehmende Einrichtungen zur Unterbringung von rund 120 Mann und Aufstellung der gleichen Anzahl Betten, und in dringenden Fällen können noch weitere Räume desselben Decks, welche mit Fenstern versehen sind, zu gleichem Zweck herangezogen werden. Die beiden Maschinen mit dreifacher Expansion treiben zwei Schrauben und indizieren zusammen 3600 PS, die eine Geschwindigkeit von 18,5 Meilen in der Stunde gewährleisten; die Kessel sind Doppelender. Das Schwesterschiff des „Kurfürst“, „Kronprinz“, besitzt die gleichen Einrichtungen, ist etwas jünger und kann 30 Passagiere dritter Klasse mehr aufnehmen. Da der Krieg in Südafrika beendet ist, so wird auch den traurigen Zuständen dort, namentlich in den Hafenplätzen, in abzusehendem Zeitpunkt ein Ende gemacht sein, und erfahrungsgemäss heben sich gerade nach Kriegen in den davon heimgesuchten Ländern Handel und Wandel sehr erheblich. Diese Zeit wird auch für den Süden Afrikas kommen, und es ist erfreulich, dass die deutschen Linien dorthin sich auf keine Weise durch den Krieg haben abhalten lassen, ihre Verbindungen aufrecht zu erhalten und zu erweitern. Letzteres geschieht in nicht zu unterschätzendem Masse durch Einstellung hervorragend guter Schiffe, deren jedes zugleich, wenn auf deutschen Werften erbaut, ein greifbarer Beweis für den hohen Stand der deutschen Schiffbauindustrie und ein weiterer des Vertrauens der Reedereien in dieselbe ist. Geschützexplosionen auf britischen Schlachtschiffen. Auf dem englischen Schlachtschiff „Mars“ hat am Nachmittag des 14. April d. J. eine Geschützexplosion – wie die Berichte sagten – stattgefunden, durch welche zwei Offiziere, acht Mann der Bedienung den Tod fanden und vier Mann verwundet wurden. Am 11. November 1901 trat eine ähnliche Katastrophe auf dem Schlachtschiff „Royal Sovereign“ ein, bei welcher ein Offizier, fünf Mann tot blieben, neunzehn weitere, darunter der Kommandant, verwundet wurden. In beiden Fällen hat sich jedenfalls die Ladung der Cartouche entzündet, bevor der Verschluss des Geschützrohres gänzlich geschlossen war, und wahrscheinlich haben sich von der Cartouche des vorher abgegebenen Schusses noch glimmende Reste im Rohre oder der Ladekammer befunden. Da sehr viel darauf gegeben wird, eine möglichst grosse Zahl von Schüssen innerhalb kurzer Zeit abzugeben, und das im Ernstfall in weit höherem Grade wie bei einer Schiessübung durchgeführt wird, so werden auch derartige Vorkommnisse sich nicht vermeiden lassen und in Berechnung zu stellen sein. Die beiden englischen Geschütze, welche bei den angeführten Ereignissen in Frage kommen, haben Schraubenverschluss und sind im Arsenal zu Woolwich gefertigt. Linienschiff „Mars“, 14900 t Deplacement, 759 Mann etatsmässige Besatzung, gehört zum Kanalgeschwader, das ausser ihm noch sechs gleich grosse Schlachtschiffe zählt und lief am 31. März 1896 bei Laird in Birkenhead vom Stapel. Das havarierte Geschütz ist eins der vier Hauptgeschütze, welche zu je zweien in Barbetttürmen vorn und hinten in der Kiellinie des Schiffes stehen. Es sind Rohre von 30 cm Kaliber nach dem Drahtsystem erzeugt, 11,32 m lang, die ein 385 kg schweres Geschoss mit 76,1 kg Ladung feuern. Die Ladung ist Cordite, das für die englische Marine angenommen worden, rauchschwache Treibmittel in Schnurform, dessen erste Einführung nunmehr ein Jahrzehnt etwa zurückliegt. Man ist bemüht, die Feuergeschwindigkeit der schweren Geschütze auf alle erdenkliche Weise zu steigern, so dass neueste 30 cm Drahtgeschütze, Provenienz Vickers Maxim, die zur Zeit wohl die grössten Leistungen aufweisen, für die Abgabe von drei Schuss nur etwa 2 Minuten benötigen, eine Feuergeschwindigkeit, welche der der neuesten 24 cm und der erst noch auf den im Bau befindlichen Linienschiffen aufzustellenden 28 cm in der deutschen Marine ungefähr gleichkommt. In Deutschland bezeichnet man diese Ceschütze als Schnelllader, in England und den Staaten, welche Vickers-Geschütze für die Armierung ihrer Schiffe beziehen, sieht man von dieser Benennung ab, die überhaupt demnächst verschwinden dürfte, ebenso wie die Bezeichnung Hinterlader keinen Zweck mehr hat, da alle Geschütze auf allen Flotten Hinterlader sind – wenige Ausnahmen kommen nicht in Betracht. Das 30 cm Rohr als Hauptgeschütz in verschiedenen Nummern führen alle englischen Linienschiffe seit „Magnificent“, abgelaufen am 19. Dezember 1894 zu Chatam, mit Ausnahme des am 8. Mai 1895 im Pembroke-Arsenal zu Wasser gebrachten „Renown“, der vier 25 cm erhielt. Es sind bis jetzt seit „Magnificent“, ihn mit eingeschlossen, 29 Schlachtschiffe abgelaufen, die sonach 116 Geschützrohre von 30 cm tragen. Auf „Royal Sovereign“ war es im Vorjahre ein 15,2 cm Rohr, an welchem das Unglück passierte. Das 15,2 cm Schnellladergeschütz (6-Zöller) ist in fast 1500 Exemplaren auf der Flotte vertreten, die Schlachtschiffe haben rund 500, die Panzerkreuzer und grossen geschützten Kreuzer über 600 Schnelllader dieses Hauptkalibers aller Marinen für mittlere Artillerie. „Royal Sovereign“ gehörte zum Mittelmeergeschwader und ist das Typschiff für noch sieben Schwestern, bewilligt durch die Naval defense Act 1889, die den Ausgangspunkt bildet für die englische Flotte, welche heute machtgebietend schwimmt. Die Schlachtschiffe, 14150 t gross, erhielten neben je vier 34 cm Hauptgeschützen in Türmen, zehn 15,2 cm. Bei dem ungeheuren Material, das England an Rohren auf seiner Flotte hält und bei den vielen Schiessübungen, sind die beiden Unglücksfälle natürlich nicht geeignet, irgend welche Einwendungen gegen die Bestückung aufkommen zu lassen; so unangenehm solche Vorfälle auch sind, ganz werden sie nie verschwinden. Nach Engineering vom 7. März 1902 sollen die Neukonstruktionen der Geschütze der britischen Marine den Welinkeil-Verschluss evhalten, die vom Bureau of Ordnance endgültig für die Geschütze der Vereinigten Staatenflotte von 15,2 cm bis zu 30,5 cm angenommen ist. Kohlenübernahme in See. Die neuesten Versuche, in See Kohlen überzunehmen, werden in der englischen Marine mit Schiffen in Fahrt angestellt. Zu diesem Zwecke wurde der Kohlendampfer „Muriel“ dem Reservegeschwader, das seine Fahrten im Kanal und wenig darüber hinaus macht, zugeteilt. Die ersten Versuche beim Linienschiff „Trafalgar“ hatten bereits ein gutes Ergebnis, glänzend war das Resultat beim Linienschiff „Empress of India“. Es gelang diesem von „Muriel“ bei massigem Seegang und Windstärke fünf und bei !iner Fahrtgeschwindigkeit beider Schiffe von 10 bis 11 Meilen binnen 33 Minuten 21 t Kohlen überzunehmen – ohne dass also beide Schiffe die Fahrt unterbrochen oder auch nur wesentlich verlangsamten, denn Linienschiffe im Geschwaderverband fahren selten mehr wie 11 Meilen. Während der Uebernahme wurden Kursveränderungen bis zu acht Strich vorgenommen, was ohne Schwierigkeiten geschehen konnte. Die Uebungen werden fortgesetzt. Zuschrift an die Redaktion. In Nr. 25 (vom 21. Juni) Ihrer geschätzten Zeitschrift bringen Sie einen Artikel „Die Kosten des Spiritus-Motorbetriebes“. Gestatten Sie, dass ich dazu folgendes bemerke: Der Preis des denaturierten (Motoren-) Spiritus beträgt zur Zeit, und auf etwa 8 Jahre durch die Zentrale für Spiritusverwertung in Berlin garantiert, 15 Pfg. pro Liter; demnach stellt sich der Verbrauch in der gewöhnlichen Viertakt-Explosionsmaschine nicht auf 12½, sondern auf etwa 7½ bis 8 Pfg. pro Pferdekraft und Stunde. Handelt es sich aber um die Ausrüstung grösserer Schiffe mit Spiritusmotoren, etwa um Maschinen über 300 PS hinaus – es werden schon Motore dieser Art bis 300 PS für Bootsbetriebe verwendet –, so würden nicht Viertaktmotore in Frage kommen, sondern Maschinen mit langsamer Verbrennung des Gasgemisches, die in guter Ausführung sicher nicht mehr als etwa 240 g 90 %igen Spiritus pro Pferdekraft und Stunde verbrauchen. Eine 1000 PS-Maschine dieser Art würde demgemäss für den Spiritusbedarf einen Kostenaufwand von etwa 1000 M. pro Tag, die siebentägige Ueberfahrt eines mit 37000 PS ausgerüsteten Schiffes also einen Mehraufwand gegenüber der Steinkohle von etwa 194000 M. – nicht von 898000 M. – erfordern. Berücksichtigt man auf der anderen Seite die Vorzüge des Spiritusbetriebes, besonders die wesentlich geringere Rauminanspruchnahme durch Fortfall der Kessel, Kondensatoren, sowie des grössten Teiles der für Kohlenaufbewahrung nötigen Bunker, ferner die ständige Betriebsbereitschaft und andere gute Eigenschaften des Spiritusbetriebes dem Dampfbetrieb gegenüber, so ist wohl nicht zu leugnen, dass, besonders für die Handelsmarine, der Betrieb mit Spiritus für Schiffbewegung für bestimmte Spezialfälle keineswegs so utopistisch aufzufassen ist, wie dies der Verfasser Ihrer Notiz zum Ausdruck gebracht hat. Altmann, Technischer Direktor der Motorfahrzeug- und Motorenfabrik Berlin, A.-G.