Titel: | Kleinere Mitteilungen. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, Miszellen, S. 735 |
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Kleinere Mitteilungen.
Kleinere Mitteilungen.
Neue Spezialschiffe.
Die „Howaldtswerke“ in Kiel gehören mit zu den
deutschen Werften, die in den letzten Jahren einen ganz aussergewöhnlichen
Aufschwung genommen haben. Abgesehen davon, dass sich diese Werke neuerdings an dem
Ausbau unserer Kriegsflotte beteiligt haben, erfreuen sie sich auch des besonderen
Vertrauens des Auslandes. Dafür spricht unter anderem, dass diese Werft bei
lebhaftem internationalem Wettbewerb von der russischen Kriegsmarine den Bau des
Maschinistenschulschiffes „Okean“ übertragen erhielt, dessen vor kurzer Zeit
erfolgten Abnahme-Probefahrten zur vollsten Zufriedenheit des Bestellers ausgefallen
sind.
Dieses Schiff (s. Fig. 1)Diese und die nachfolgenden Abbildungen sind
dem Verfasser von dem Verlage der „Ueberall, illustrierte Wochenschrift
für Armee und Marine“, freundlichst zur Verfügung
gestellt. verdient nicht allein seines Spezialtyps wegen, sondern
auch deshalb in allen technischen Kreisen beachtet zu werden, weil seine von der
russischen Marine vorgeschriebenen, maschinellen Einrichtungen ein beredtes Zeugnis
dafür sind, wie sehr der Russe bestrebt ist, sich ein selbstständiges, technisches
Urteil zu bilden. So sind beispielsweise zum Studium der immer noch ungelösten
Kesselfrage vier verschiedene Systeme von Wasserrohrkesseln in den „Okean“
eingebaut, und zwar zwei weitrohrige Kesselarten, 6 Belleville- und 6 Niclaussekessel, und zwei
engrohrige Arten, 2 Schulz- und 3 Yarrowkessel. Die eng- und weitrohrigen Kessel, die
alle einen Betriebsdruck von 21 Atm haben, sind jede Gruppe für sich in wasserdicht
abgeschlossenen Räumen untergebracht, und ihre Hauptdampfleitungen derart
angeordnet, dass jede Gruppe mit jeder der beiden Hauptmaschinen arbeiten kann. Es
ist hierdurch ermöglicht, mit jedem der Kesselsysteme unter den gleichen
Betriebsbedingungen Versuche und Vergleiche der Kesselarten untereinander
anzustellen. Diese Versuche haben nach den kurzen, bisherigen Erfahrungen bereits
für die weitrohrigen Kessel einen merklich günstigeren Kohlen verbrauch ergeben.
Textabbildung Bd. 318, S. 735
Fig. 1. Das russische Maschinenschulschiff „Okean“ auf einer Probefahrt
begriffen.
Beim Einbau der vier Kesselsysteme sind die neuesten Verbesserungen der Spezialfirmen
allgemein berücksichtigt worden.
Als weiteres, eigenartiges Versuchsfeld auf maschinellem Gebiet ist zu erwähnen, dass
von den 14 Beibooten vier mit Dampfmaschinen und fünf mit verschiedenen Motoren
ausgestattet sind. Ausser dem Studium dieser verschiedenen Maschinen wird dadurch
auch eine wertvolle, vielseitige Ausbildung des Personals im Betrieb mit
Beibootsmaschinen ermöglicht. Auffallend ist ferner die Mannigfaltigkeit der
Hilfsmaschinen.
Für die einzelnen Kesselsysteme sind auch verschiedene Speisepumpen vorgesehen. Für
die Bellevillekessel zwei Belleville-Simplexkolbenspeisepumpen, für die Niclaussekessel zwei Weir-Simplexkolbenspeisepumpen, für die Schulzkessel zwei Blake-Simplex-Plungerspeisepumpen und für die Yarrowkessel zwei Duplex-Blake-Plungerspeisepumpen. Ausserdem sind zwei
Dampfhilfsmaschinen für die ausgedehnte Pumpenanlage, für die Ventilation,
Ascheejektoren, für den Betrieb des Steuerapparates, der elektrischen Beleuchtung
und Befehlsübermittlung, für die schweren Lade- und Bootswinden, sowie für die
Trinkwasser- und Eiserzeugung vorhanden.
Die beiden senkrechten, vierzylindrigen Hauptmaschinen dreifacher Expansion leisten
gut 12000 PS und verleihen nach den Probefahrtsergebnissen dem Schiff eine
Geschwindigkeit von fast 19 Knoten, während nur 18 Knoten verlangt waren.
Die Hauptabmessungen dieser nicht ausgeglichenen Maschinen sind:
Hochdruck-Zylinder
780 mm
Mitteldruck- „
1270 „
I. Niederdruck- „
1520 „
II. „ „
1520 „
Kolbenhub
1100 „
Verhältnis der Zylindervolumen
1 : 266 : 6,7
Betriebsdruck
17,5 kg/qcm
Die Hauptabmessungen des nach den Vorschriften für Kriegsschiffbau aus bestem Stahl
erbauten Schiffes sind:
Grösste Länge
150,0 m
Grösste Breite auf Spanten
17,4 „
Höhe von Oberkante Kiel bis Oberdeck
11,1 „
Mittlerer Tiefgang mit voller Ausrüstung und 5600 t
Kohlen
7,5 „
Deplacement dabei
12000 t
Das Fahrzeug ist ausser den zahlreichen, für die Zwecke der Maschinistenausbildung
dienenden Raume und Werkstätten gleichzeitig als grosses, schnelles
Truppentransportschiff eingerichtet, besitzt aber eine nur bescheidene Armierung und
keine Panzerung. Der „Okean“ macht jetzt regelmässige Fahrten zwischen der
Ostsee und den ostasiatischen, russischen Häfen. Die Wohnräume für die aus 25
Offizieren und 700 Mann bestehende Besatzung sind mit Rücksicht darauf, dass das
Schiff sich zeitweise in tropischen Gegenden befindet, äusserst reichlich und hoch
bemessen.
Wann wird wohl unserer strebsamen Kriegsmarine ein so lehrreiches Versuchs- und
Ausbildungsschiff beschieden sein?
Zwei weitere interessante Spezialschiffe, die ebenfalls auf den Howaldtswerken in Kiel erbaut wurden, sind die
Bergungsdampfer „Ober-“ und „Unterelbe“ des Nordischen
Bergungsvereins, die ein erhebliches Verbessern und Vergrössern der
Leistungsfähigkeit dieser Gesellschaft ihren bisherigen Hilfsmitteln gegenüber
darstellen.
Die Hauptabmessungen dieser Hebefahrzeuge sind: Länge m der Wasserlinie 36,6 m,
grösste Breite 12,2 m, Tiefe im Raum 5,8 m, Deplacement normal 1100 t, grösstes
Deplacement (nach Einlassen von Wasser) 2200 t.
Das Eigenartigste an den beiden Schwesterschiffen sind je zwei, der Längsschiffsachse
parallel, im Abstande von 5,23 m von einander gelagerte Kranbalken von 38 m Länge,
die 7,5 m über das Heck hinausragen (s. Fig. 2 u.
3). Die oberhalb des Decks liegenden Wände der
Kranbalken sind zur Erhöhung der Schwimmfähigkeit der Schiffe wasserdicht
hergestellt und in weitgehendster Weise mit dem sehr starken Schiffskörper verbunden
und versteift. Die lange, gerade, gleitbahnartige Oberseite der Kranbalken bietet
den gewaltigen Hebegiens eine lange, freie Bahn, auf der die Giens an den schweren
Hebetrossen, für die Stahldrahttrossen von 300 mm Umfang und 6001 Bruchfestigkeit
verwandt werden, stets unbehindert wirken können. Die Hebearbeit und die dazu
dienenden Einrichtungen sind verschieden, je nachdem ein oder beide Hebefahrzeuge an
der Hebung eines Wracks beteiligt sind.
Arbeitet nur ein Hebeprahm daran, so werden die Hebetrossen über die an jedem der
Hinterenden der beiden Kranbalken befindlichen zwei Rollen von 1,32 m Durchmesser
unter dem Wrack hindurch nach oben und nach vorn den Hebegiens zugeführt. Die Giens
auf den Kranbalken bestehen jedes aus zwei Stahlguss-Gienblöcken von 6 t Gewicht,
die je 6 Scheiben von 1 m Durchmesser haben, und dem Gienläufer, zu dem eine
Stahldrahttrosse von 150 mm Umfang verwandt ist. Die Befestigung der Hebetrossen
erfolgt durch Seilklemmer. An den Läufern arbeiten die für diesen Zweck eigens
konstruierten Winden.
Jeder Kranbalken nebst Grien und zugehöriger Wiride hat eine Hebekraft von gut 250 t,
so dass jedes der beiden Bergungsfahrzeuge imstande ist, Wracks bis 500, ja im
Notfall sogar bis 550 t zu heben.
Beim Heben über die Heckrollen müssen die Fahrzeuge natürlich durch Füllen von im
Vorschiff vorgesehenen Tanks mit Wasser das nötige Gegengewicht herstellen.
Wird das Heben eines Wracks von beiden Bergungsprähmen gemeinsam vorgenommen, so
werden diese zunächst zu beiden Seiten und frei von dem Wrack fest verankert. Die
Fahrzeuge sind dazu am Bug und Heck mit schwerem, vollständigen Ankergeschirr und
Spillen ausgestattet. Sind dann die Hebetrossen unter dem Wrack durchgeholt, so
werden erst die beiden Fahrzeuge durch starke, der Breite des Wracks entsprechende
Streben gegen einander versteift, damit sie nicht beim Anhieven der Hebetrossen
seitlich zusammenkommen. Die Streben sind hohl, in der Längsrichtung verstellbar,
aus Eisen mit Holzbekleidung, sowie schwimmfähig konstruiert und in besonders dazu
vorgesehenen Spuren an den Schiffs wänden gelagert. Die Hebetrossen werden bei
dieser Stellung der beiden Bergungsfahrzeuge nicht etwa einfach seitlich
hochgeführt, da dann durch den seitlichen Zug sowohl ein sehr unangenehmes,
krängendes Moment, als auch leicht an Bord der Fahrzeuge durch Brechen von Trossen
oder durch sonstige Havarieen Unfälle entstehen könnten, sondern sie werden durch
Oeffnungen im Schiffsboden, die in der Mittschiffsebene liegen, durch schräg nach
den beiden Kranbalken führende Schächte und über starke Leitrollen nach den
Kranbalken geleitet. Die klüsenartigen Oeffnungen im Schiffsboden, die Schächte und
die Leitrollen bei den Kranbalken haben in der Längsschiffsrichtung einen Abstand
von 25 m von einander. In der gleichen Entfernung von einander liegen demnach auch
die Hebetrossen unter dem Wrack, und die für die Hebegiens ausnutzbare Länge der
Gleitbahn beträgt bei dieser Hebeweise ebenfalls nur 25 m. Dennoch können dabei von
beiden Bergungsdampfern gemeinsam, nachdem sie durch Füllen ihrer Wassertanks
gesenkt, die Hebetrossen zweckentsprechend verteilt und durch Einwinden der
Gienläufer steif geholt sind, Wracks oder Teile davon bis zu einem Gewicht von 2000
t durch Auspumpen des Wasserballastes beider Fahrzeuge gehoben werden.
Textabbildung Bd. 318, S. 736
Fig. 2. Die „Oberelbe“ von Steuerbord gesehen.
Jedes der beiden Schiffe ist ferner mit einem an der äusseren Schiffswand in
drehbaren Kugelgelenken angebrachten Sandsaugerohr ausgerüstet. Das auf der
„Oberelbe“ hat 600 mm Durchmesser und fördert 500 cbm groben Sand in der
Stunde, das auf der „Unterelbe“ nur 300 cbm bei 400 mm Durchmesser. Werden
die Saugrohre mit Hilfe von aufgeschraubten Schläuchen zum Pumpen von Wasser
verwandt, so schafft der Sauger auf der „Oberelbe“ 5000 t Wasser, der auf der
„Unterelbe“ 2000 t stündlich.
Die Maschinenanlage besteht bei jedem der beiden Bergungsfahrzeuge aus zwei Maschinen
von zusammen 600 i. PS, die durch zwei Schrauben dem Schiff eine massige
Geschwindigkeit erteilen. Der Kohlenvorrat beträgt etwa 100 t. Bei grösseren Fahrten
werden die Fahrzeuge jedoch geschleppt. Von den mannigfaltigen Hilfsmaschinen haben
die Maschine für die grossen Winden und Luftpumpen 200, für den Sandsauger 300,
sowie für die elektrischen Maschinen und Taucherpumpen 80 i. PS. Ankerspille und
Steuerapparat werden ebenfalls durch Dampfmaschinen bedient. Die elektrische
Beleuchtung umfasst 50 Glüh- und 2 Bogenlampen, die in klarem und stillem Wasser bis
25 m unter der Wasseroberfläche Licht spenden. Im trüben Wasser führen die Taucher
die schwierigen Dichtungsarbeiten an den Wracks lediglich nach ihrem Gefühl aus.
Unterstützt werden die Taucher dabei von pneumatischen Werkzeugen, für deren Betrieb
an Bord jedes der beiden neuen Fahrzeuge Luftdruckmaschinen vorgesehen sind.
Textabbildung Bd. 318, S. 736
Fig. 3. „Oberelbe“ von hinten gesehen.
Die erste, ihnen gestellte Aufgabe haben die beiden Bergungsfahrzeuge vor kurzem
glänzend gelöst – die schwierige Hebung des in der Elbmündung gesunkenen
Torpedobootes „S. 42“ ist gelungen und weitere Hebearbeiten harren bereits
der Inangriffnahme durch diese Schiffe.
Bücherschau.
Schule der Elektrizität. Von
G. Schollmeger. Neuwied, Leipzig, Berlin, Heusers
Verlag.
Die vorliegende, kürzlich erschienene Broschüre stellt ein praktisches Handbuch der
Elektrizitätslehre dar. 117 in den Text eingedruckte Abbildungen unterstützen in
anschaulicher Weise die Ausführungen des Verfassers. Dieser sagt in seinem Vorwort,
dasser nicht Fachleuten etwas Neues bieten, sondern die Gebildeten aller Stände
mit dem Wesen der Elektrizität bekannt zu machen beabsichtige. Die Abhandlungen sind
auch derart abgefasst, dass sie den Leser nicht ermüden und damit um so leichter
ihren Zweck erreichen dürften. Es ist anzunehmen, dass das Buch sich viele Freunde
erwerben wird.
C. H.