Titel: [Kleinere Mitteilungen.]
Fundstelle: Band 319, Jahrgang 1904, S. 623
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[Kleinere Mitteilungen.] [Kleinere Mitteilungen.] Bücherschau. Entropie oder Thermodynamik vom Standpunkt des Ingenieurs von James Swinburne Westminster 1904. Archibald Constable & Co. „Es scheint sehr viele Menschen zu geben, welche mathematisch geschult sind nur bis zu dem Punkte, eine gewisse Geschicklichkeit in der blinden Handhabung mathematischer Symbole zu besitzen und welche die ausserordentliche Fähigkeit haben, mathematische Symbole zu lesen und sogar zu benutzen und mit ihnen richtige Resultate zu erhalten, ohne eine klare Vorstellung davon zu haben, womit sie arbeiten.“ In diesem Satz, den gewiss viele Ingenieure unterschreiben, drückt der Verfasser aus, warum der Begriff der Entropie, der doch nun schon vor einem halben Jahrhundert eingeführt ist, so wenig Aufnahme gefunden hat; die in den Lehrbüchern sich gewöhnlich findende Definition der Entropie \Phi=\int\,\frac{d\,H}{\vartheta} hat scheinbar nur die Bedeutung einer mathematischen Abkürzung. Dass die Entropie auch die Bedeutung eines physikalischen Begriffs hat, kann man hieraus nicht erkennen; und daher schreiben sich auch die vielen Irrtümer inbezug auf die Entropie. Bei seinem Suchen nach physikalischer Anschaulichkeit für den Begriff der Entropie geht Verfasser davon aus, dass Wärmeenergie eine Energieform von geringerem Wert, von beschränkter Verwandelbarkeit sei, als mechanische Arbeit. Hat ein Körper irgend eine Aenderung erfahren, so muss, damit er wieder in seinen Anfangszustand zurückgeführt werden kann, Wärmeenergie, d.h. Energie von geringstem Wert abgegeben werden. Die Menge dieser abzugebenden Energie ist von der Temperatur abhängig. Die bei der kältesten erreichbaren Temperatur abzugebende Wärmemenge bezeichnet Verfasser als den durch jene Aenderung notwendig gewordenen Verlust an verwandelbarer Energie. Dieser Verlust braucht nicht unmittelbar bei jener Aenderung einzutreten, im Gegenteil, er ist zeitlich vollständig unabhängig von ihr, aber eintreten muss er einmal. Die Entropie ist nun ein Maass für diesen notwendig gewordenen Verlust, derart, dass die Zunahme der Entropie multipliziert mit der kältesten erreichbaren Temperatur den Verlust ergibt. Die Zerlegung des durch eine Zustandsänderung eines Körpers notwendig gewordenen Verlustes in zwei Faktoren, kälteste erreichbare Temperatur und Entropiezunahme, ist deshalb von Vorteil, weil man auch für den Fall, dass die kälteste erreichbare Temperatur nicht angegeben werden kann, in der Entropiezunahme ein Maass für den Verlust hat. Denn denkt man sich zwischen der Temperatur ϑ1 bei welcher die zur Zurückführung des Körpers in seinen Anfangszustand abzugebende Wärme H1 abgegeben wird, und der kältesten erreichbaren Temperatur ϑ2 einen umkehrbaren Carnotschen Prozess, so ist der Verlust H2 an verwandelbarer Energie H_2=\Phi\,\cdot\,\vartheta_2=\frac{H_1}{\vartheta_1}\,\vartheta_2 Man hat also in \Phi=\frac{H_1}{\vartheta_1} schon ein Maass für den notwendig gewordenen Verlust, selbst wenn man den Wert von ϑ2 nicht kennt. Messen kann man die Entropieänderung, welche dem Zustand B eines Körpers im Vergleich mit einem Normalzustand A desselben entspricht, durch das Verhältnis der Wärme, welche vom Körper aufgenommen oder abgegeben werden muss, um ihn von A nach B auf umkehrbarem Wege zu bringen zu der Temperatur,bei welcher die Aufnahme bezw. Abgabe der Wärme erfolgt. Diese Beschreibung des Begriffes der Entropie und die Methode Entropieänderungen eines Körpers zu messen wendet Verfasser dann auf das Temperatur-Entropie-Diagramm an, indem er namentlich hervorhebt, dass für den Fall, dass der Körper Zustandsänderungen durchmacht, welche infolge Vorhandenseins endlicher Druckdifferenzen nicht umkehrbar sind, die Fläche dieses Diagramms nicht Wärmeenergie darstellt, welche vom Körper aufgenommen oder abgegeben ist. Zustandsänderungen, welche infolge des Vorhandenseins endlicher Temperaturdifferenzen nicht umkehrbar sind, wie sie vom Referenten D. p. J., S. 113 ff. d. Bd. behandelt sind, und welche jedenfalls zur Klarstellung der Bedeutung des Temperatur-Entropie-Diagramms wichtiger sind als jene mit endlichen Druckdifferenzen, weil die Temperatur in das Gebiet der Wärmelehre gehört, sind vom Verfasser nicht untersucht. Ohne auf eine genaue Besprechung der Anschauungen des Verfassers einzugehen, welche zu einer vollständigen Neubearbeitung der Aufgabe führen würde, möchte ich doch nicht unterlassen auf einen, allerdings sehr verbreiteten Fehler aufmerksam zu machen. Verfasser gebraucht, wie viele andere auch die Bezeichnungen: hohe Temperatur, niedrige Temperatur usw. Diese Bezeichnungen veranlassen aber vielfach ein Missverständniss, welches sogar zu dem Wort Wärmegewicht für Entropie geführt hat. Unsere gewöhnlichen Thermometer sind meist so eingerichtet, dass das Quecksilbergefäss am unteren Ende des Rohres hängt und da seit Stromer bezw. Linné die Zahlen vom Schmelzpunkt des Eises nach dem Siedepunkt zunehmen, also bei der gewöhnlichen Aufhängung von unten nach oben, so hat man sich daran gewöhnt, Temperaturen mit grossen Zahlenwerten als hohe, solche mit kleinen Zahlenwerten als niedrige zu bezeichnen. Gerade so wie man sich in der Geographie daran gewöhnt hat die Karten so aufzuhängen, dass Norden oben ist und man deshalb auch vorn hohen Norden spricht. Es wird aber daraus niemand folgern, dass deshalb nun von Norden nach Süden stets ein Gefälle vorhanden ist. In der Wärmelehre spricht man aber allgemein von einem Temperaturgefälle von hohen nach niedrigen Temperaturen, trotzdem diese Ausdrucksweise genau ebenso falsch ist, wie die entsprechende in der Geographie falsch wäre. Will man durchaus die Wärmeenergie mit der Energie der Lage inbezug auf die Erde, mit der Energie der Wasserfälle vergleichen, so hat man zu beachten, dass das Wasser des Mühlteiches nur darum durch das Turbinenrohr nach unten fällt, weil es schwerer ist als die Luft, welche dafür nach oben steigt: Man denke sich in einer beliebigen Höhe zwei Gefässe g1 und g2 und in einer geringeren Höhe, d.h. näher dem Erdmittelpunkte ebenfalls zwei g3 und g4; alle vier seien gleich gross; g1 sei mit Quecksilber, g2 und g3 mit Wasser, g4 mit Luft gefüllt; g1 sei mit g3 durch eine mittels Hahnes verschliessbare Röhre verbunden; in die g3 mit g2 und g2 mit g4 verbindenden Röhren seien Turbinen eingebaut; g4 sei mit g1 durch die Atmosphäre verbunden; g2 und g3 seien hermetisch verschlossen. Oeffnet man den Hahn, so sinkt das Quecksilber aus g1 nach unten und das Wasser aus g3 steigt nach oben nach g2. Dabei setzt es die im Rohr g3 bis g2 enthaltene Turbine in Tätigkeit. Wir haben also hier eine, Arbeit nach aussen abgebende Turbine, welche durch Wasser in Betrieb gesetzt wird, welches sich von unten nach oben bewegt; der unterhalb der Turbine befindliche Teil des Verbindungsrohres ist als Einfall-, der oberhalb befindliche als Saugrohr zu bezeichnen. Gleichzeitig sinkt das Wasser aus g2 nach g4 herunter und setzt die im Verbindungsrohr g2 bis g4 enthaltene Turbine in gewöhnlicher Weise in Betrieb. In demselben Maasse, wie sich Quecksilber und Wasser bewegen, bewegt sich durch Vermittlung der Atmosphäre die Luft aus g4 nach g1. Die ganze, durch beide mittels Wasser betriebene Turbinen nach aussen abgegebene Arbeit entspricht der Gewichtsdifferenz Quecksilber-Luft und hätte unmittelbar erhalten werden können, wenn g3 offen, mit Luft gefüllt und in das Rohr g1 – g3 eine Turbine eingebaut gewesen wäre. Betrachtet man diesen Versuch vom Standpunkt der Energiebewegung, so erkennt man, dass das Quecksilber einen Teil seiner Energie der Lage an das aus g3 nach g2 verdrängte Wasser abgegeben hat, – dessen Energie der Lage ist ja um den der Höhendifferenz g2 – g3 entsprechenden Betrag gewachsen, – während der andere durch diejenige Turbine, durch welche das Wasser aufwärts strömt, in Arbeit umgesetzt worden ist. Ferner hat das ursprünglich in g2 befindliche Wasser einen Teil seiner Energie der Lage an die aus g4 nach g1 verdrängte Luft abgegeben, während der andere Teil durch die normal bewegte Turbine in Arbeit verwandelt worden ist. Es ergibt sich also, dass für den Uebergang der Energie der Lage von einem Ort g1 mit dem spezifischen Gewicht s1 des Quecksilbers an einen zweiten Ort g2 mit dem spezifischen Gewicht s2 des Wassers, unter Verwandlung eines Teiles derselben in Arbeit nur die Differenz der spezifischen Gewichte s1 – s2 maassgebend ist. Ebenso ist für den Uebergang der Energie der Lage von einem Ort g2 mit dem spezifischen Gewicht s2 des Wassers an einen Ort g1 mit dem spezifischen Gewicht s3 der Luft nur die Differenz s2 – s3 maassgebend. Das spezifische Gewicht der Luft ist nun so klein, dass man in der Praxis bei Berechnung der Energiemenge des Wassers s3 neben s2 vernachlässigen darf. In der Theorie darf man das natürlich nicht und das Beispiel Quecksilber-Wasser zeigt deutlich, wie man die spezifischen Gewichte in Rechnung zu setzen hat. Für den Uebergang der Wärmeenergie aus einem Ort mit der Temperatur T1 an einen zweiten Ort mit der Temperatur T2 unter Verwandelung eines Teiles derselben in Arbeit ist die Differenz der Temperaturen T1 – T2 maasgebend. Die vollständige Analogie dieses Satzes mit den soeben gegebenen Sätzen für die Bewegung der Energie der Lage zeigt,dass Temperatur und spezifisches Gewicht und somit auch Entropie und Höhe einander entsprechende Grössen sind, sobald es sich um die Verwandelung von Energie in Arbeit handelt. Der Ausdruck Wärmegewicht kann also gar keine Anschaulichkeit für Entropie, selbst bei umkehrbaren Vorgängen, ergeben, weil Gewicht und Entropie nichts mit einander zu tun haben. Es sind aber auch die Ausdrücke hohe, niedrige usw. Temperatur zu vermeiden, weil sie zu leicht Anlass zu Missverständnissen geben, und durch die Bezeichnungen heisse, warme, kalte usw. Temperatur zu ersetzen. Ob man sich mit den Anschauungen des Verfassers einverstanden erklären will oder nicht, immer ist es dankbar anzuerkennen, dass der Versuch gemacht worden ist, den recht schwierigen Begriff der Entropie menschlich näher zu bringen; das kleine Buch wird für jeden, der es liest, von grossem Vorteil sein; dem Referenten hat es viel Freude bereitet. Dr. K Schr. Lehrbuch der Physik. Von O. D. Chwolson, übersetzt von Pflaum. II. Band: Lehre vom Schall (Akustik), Lehre von der strahlenden Energie. Braunschweig, 1904. Friedrich Vieweg & Sohn. Auch dieser zweite Band (1056 Seiten) ist in derselben leicht verständlichen Weise geschrieben wie der erste (D. p. J. 1903, 318, S. 495.) Auffallend und trotz der Begründung in der Vorrede nicht recht einzusehen ist, warum Verfasser die Optik mit der Lehre von den elektrischen Schwingungen verknüpft hat und trotzdem die ganze Lehre als zweiten Band gibt. So berechtigt das Zusammenfassen der sämtlichen Strahlungsarten auch ist, so dürfen sie dann erst als letzter Band der Physik behandelt werden, sonst enthält die ganze Lehre doch nur, wie auch im vorliegenden Falle geschehen, die gewöhnliche Optik. Die schon beim ersten Band gerühmten Literaturnachweise am Schlusse jedes Kapitels sind hier ganz besonders ausführlich und machen namentlich auf die schwierigeren theoretischen Abhandlungen aufmerksam, deren Inhalt nur kurz angegeben werden konnte. Dr. K. Schr. Bei der Redaktion eingegangene Bücher. Theorie und praktische Berechnung der Heissdampfmaschinen. Mit einem Anhange über die Zweizylinder-Kondensations-Maschinen mit hohem Dampfdruck. Von Josef Hrabak, K. K. Hofrat, Emer. Professor der K. K. Bergakademie in Pribram Berlin, 1904. Julius Springer. Preis geb. 7 Mk. Die sieben grössten deutschen Elektrizitätsgesellschaften, ihre Entwicklung und Unternehmertätigkeit. Eine volkswirtschaftliche Studie. Von Dr. Friedrich Fasolt, Ingenieur. Nebst einem Anhange: Die zahlenmässige Entwicklung der deutschen elektrotechnischen Industrie, ihre örtliche Verteilung und ihre Gliederung. Dresden, 1904. Böhmert. Die vagabundierenden Ströme elektrischer Bahnen. Von Dr. Carl Michalke, Oberingenieur. Mit 34 Abbildungen. Braunschweig, 1904. Fr. Vieweg & Sohn. Preis geh. 2,50 Mk., geb. 3 Mk. Die gebräuchlichen Trommelwickelungen der Gleichstrommaschinen mit Nutenankern. Berechnung der Wickelung, Konstruktion und Ausführung in Beispielen. Von Rudolf Krause, Ingenieur. Mit 9 Tafeln und 15 Figuren. Mittweida, 1904. Polytechn. Buchhandlung (R. Schulze). Preis geb. 3 Mk. Dr. J. Fricks, Physikalische Technik oder Anleitung zu Experimentalvorträgen sowie zur Selbstherstellung einfacher Demonstrationsapparate. Siebente vollkommen umgearbeitete und stark vermehrte Auflage. Von Dr. Otto Lehmann, Professor derPhysik an der Technischen Hochschule in Karlsruhe. In zwei Bänden Erster Band. Erste Abteilung. Mit 2003 Abbildungen. Braunschweig, 1904. Fr. Vieweg & Sohn. Preis geh. 16 Mk., geb. 18 Mk. Der Kaiser, die Kultur und die Kunst. Betrachtungen über die Zukunft des deutschen Volkes, aus den Papieren eines Unverantwortlichen. München und Leipzig, 1904. Georg Müller. État Actuel du Labourage Électrique. Par Émile Guarini. Bruxelles. Ramlot Frères et Söures. Preis 2 fr. Der deutsche und internationale Patent-Kalender für das Jahr 1904. Die wichtigsten Bestimmungen über deutsches und internationales Patentwesen, Muster- und Warenzeichenschutz. Von Patentanwalt Gaston Dedreux, München. XI. Jahrgang. München. Franz Stein. Patentgesetz vom 7. April 1891. Nebst Ausführungsbestimmungen“ völkerrechtlichen Verträgen und der Patentanwaltsordnung, unter eingehender Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Praxis des Patentamts. Erläutert von Professor Dr. jur. R. Stephan, Geh. Regierungsrat, Abteilungs-Vorsitzendem im Kaiserl. Patentamt. Sechste vermehrte Auflage. Berlin, 1904. J. Guttentag, G. m. b. H. Die Gebühren technischer Sachverständiger nach den deutschen Prozess- und Gebührenordnungen. Von Theodor Unger, Königl. Baurat. Wiesbaden, 1904. C. W. Kreidel. Preis geh. 0,80 Mk.