Titel: [Kleinere Mittheilungen.]
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, Miszellen, S. 655
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[Kleinere Mittheilungen.] [Kleinere Mittheilungen.] Bei der Redaktion eingegangene Bücher. Der Eisenbeton und seine Anwendung im Bauwesen. Uebersetzung der zweiten Auflage des Werkes „Le béton armé et ses applications“ von Paul Christophe, Ingenieur des Ponts et chaussées. Mit 916 Abb. Berlin, 1905. Tonindustrie-Zeitung. Preis geb. 35 M. Lehrbuch der Physik. Von O. D. Chwolson, Prof. Ord. a. d. Kaiserl. Universität zu St. Petersburg. Dritter Band: Die Lehre von der Wärme. Uebersetzt von E. Berg, Abteilungschef am physikalischen Zentralobservatorium in St. Petersburg. Mit 259 Abb. Braunschweig, 1905. Friedrich Vieweg & Sohn. Preis geh. 16 M., geb. 18 M. Die Dampfturbine der A. E. G. (Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin). Die Riedler-Stumpf- und die Curtis-Turbine. Von Max Dietrich, Marine-Oberingenieur a. D. Mit 25 Abb. und Tabellen. Rostock. Volckmann. Preis geh. 1,50 M. Die Dampfturbine von Schulz für Land- und Schiffszwecke. Mit besonderer Berücksichtigung der Kriegsschiffe. Von Max Dietrich, Marine-Oberingenieur a. D. Mit 39 Abb. und 4 Tabellen. Rostock. Volckmann. Preis geh. 2 M. Construction des induits à courant continu. Manuel pratique du Cobinier, par E. J. Brunswick et M. Aliamet, Ingénieurs électriciens, Paris. Gauthier-Villars. Geh. 2 fr. 50 c., geb. 3 fr. Researches on the Affinities of the Elements and on the Causes of the Chemical Similarity or Dissimilarity of Elements and Com-pounds. By Geoffrey Martin, B. Sc. (Lond). With five wood-outs, one large plate, fourteen tables and three appendices. London, 1905. J. & A. Churchill. Preis geb. 16 M. Le Chauffage des Habitations par Calorifères. Par M. Raymond, Périssé, Ingénieur agronome, Paris. Gauthier-Villars. Geh. 2 fr. 50 c., geb. 3 fr. Eingesandt. Kommission zur Neugestaltung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts. Die geschichtliche Entwicklung unseres Schulwesens hat es mit sich gebracht, dass das Schwergewicht des Lehrplanes von jeher auf den sprachlich-geschichtlichen Fächern ruhte, die als die eigentlichen Träger der von der Schule zu lösenden allgemeinen Bildungsaufgabe galten. Den mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen blieb nur ein Nebenplatz als Vermittlern von zwar nützlichen, aber für die Allgemeinbildung bedeutungslosen und darum allenfalls entbehrlichen Spezialkenntnissen. Ganz besonders deutlich offenbart sich die Herrschaft dieser Auffassung in dem Gange, den die Schulreformbewegung genommen hat. Bei der Gestaltung des Lehrplanes, der durch diese Bewegung ins Leben gerufenen Reformschulen, war die Rücksicht auf die sprachlichen Fächer von ausschlaggebender Bedeutung, während die exaktwissenschaftlichen Disziplinen auf den Rest angewiesen wurden, der ihnen nach Befriedigung der Ansprüche des Sprachunterrichtes übrig blieb. Gegen diese, den Bildungsgehalt der mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen durchaus verkennende Auffassung, ist in neuerer Zeit eine immer stärkere Bewegung in Fluss gekommen, die zum Teil in den Kreisen der Fachlehrer, zum anderen Teil in den Kreisen der an einer gründlichen naturwissenschaftlichen Bildung besonders interessierten Berufsstände, namentlich denen der Techniker und der Aerzte, ihren Ursprung hat. Diese auf Anerkennung des vollen Bildungswertes der genannten Fächer mit immer stärkerer Gewalt drängende Bewegung macht sich auch in dem Lehrfach geltend, das von altersher noch am günstigsten dastand, nämlich der Mathematik. Hier wurde von den Fachlehrern selbst, sowie namentlich auch von einzelnen Hochschuldozenten und von den Vertretern der Anwendungen der Mathematik eine Aenderung des Lehrbetriebes in dem Sinne gefordert, dass unter Preisgebung mannigfacher isoliert dastehender Kapitel die Fähigkeit zur Anwendung des mathematischen Wissens und namentlich der Sinn für den in der Mathematik seinen schärfsten Ausdruck findenden funktionalen Zusammenhang stärker als bisher gepflegt und entwickelt werde. In der Physik wie in der Chemie sollte der Lehrbetrieb sich zu einer Schulung wissenschaftlicher Einsicht in die Art erheben, durch die auf dem Gebiete der Naturvorgänge überhaupt Erkenntnis gewonnen wird. Endlich macht sich in immer lebhafterer Weise die Ueberzeugung geltend, dass der im Jahre 1879 erfolgte Ausschluss der biologischen Lehrfächer aus dem Unterrichtsplan der höheren Schulen ein verhängnisvoller Fehler war, indem er die Bildung der aus diesen Schulen abgehenden, zu leitenden Stellen im Leben berufenen jungen Männer eines der wichtigsten, in seiner Eigenart durch kein anderes Fach zu ersetzenden Mittels beraubte. Das kam namentlich auf der Hamburger Naturforscherversammlung 1901 (die Wünsche wurden in den „Hamburger Thesen“ formuliert), sodann auf der Casseler Versammlung 1903, wo sich die mathematischen und biologischen Bestrebungen vereinigten und mit dem nachhaltigsten Erfolg in der Breslauer Naturforscherversammlung 1904 zum Ausdruck. Dort wurde nachstehender Beschluss einhellig angenommen: „In voller Würdigung der grossen Wichtigkeit der behandelten Fragen spricht die Versammlung dem Vorstande den Wunsch aus, in einer möglichst vielseitig zusammengesetzten Kommission diese Fragen weiter behandelt zu sehen, damit einer späteren Versammlung bestimmte, abgeglichene Vorschläge zu möglichst allseitiger Annahme vorgelegt werden können“. In dankenswerter Weise hat der Vorstand der Naturforschergesellschaft eine zwölfgliedrige Kommission eingesetzt aus den Herren: v. Borries-Berlin, Duisberg-Elberfeld, Fricke-Bremen, Gutzmer-Jena, Klein-Göttingen, Kräpelin-Hamburg, Leubuscher-Meiningen, Pietzker-Nordhausen, Poske-Berlin, Schmid-Zwickau, Schotten-Halle, Verworn-Göttingen. Von den Genannten schieden die Herren Leubuscher und Verworn zu Beginn dieses Jahres aus, und für sie haben sich die Herren Chun-Leipzig und Cramer-Göttingen zur Mitarbeit in der Kommission bereit finden lassen. Ihre umfangreiche Aufgabe hat diese Kommission zunächst mit der Neugestaltung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts an den drei in Preussen bestehenden neunklassigen Anstalten in Angriff genommen. Das nunmehr dem Meraner Naturforschertag in Vorlage gebrachte Material besteht aus einem allgemeinen Vorbericht, einem Bericht über den mathematischen Unterricht einem betreffs des Unterrichts in der Physik und einem Bericht über den biologisch-chemischen Unterricht. Hierbei mag erwähnt werden, dass an Realanstalten als Mindestmass für Chemie nebst Mineralogie ein Unterricht in zwei Wochenstunden, von der Untersekunda bis zur Oberprima angenommen worden ist, während für die biologischen Fächer zusammen mit der auf der Oberstufe zu behandelnden Geologie zwei Stunden durch alle Klassen in Ansatz gebracht worden sind. Wie die Kommission über den Wert der sprachlich-historischen und der mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildungselemente denkt, das bringt sie in folgenden drei Leitsätzen zum Ausdruck: 1. Die Kommission wünscht, dass den Abiturienten weder eine einseitig sprachlich-historische noch eine einseitig naturwissenschaftliche Bildung gegeben werde. 2. Die Unterrichtskommission erkennt die Mathematik und die Naturwissenschaften als den Sprachen durchaus gleichwertige Bildungsmittel an und hält fest an dem Prinzip der spezifischen Allgemeinbildung (das will sagen: einer Bildung, deren Ziel überall das gleiche ist, eine freie Bildung des Geistes und Charakters, jedoch gewonnen auf verschiedenen, den spezifischen Geistesanlagen der einzelnen Menschen entsprechend, durch die einzelnen Schularten verwirklichten Bildungswegen) der höheren Schulen. 3. Die Kommission erklärt die tatsächliche Gleichberechtigung der höheren Schulen (Gymnasien, Realgymnasien, Oberrealschulen) als durchaus notwendig und wünscht deren vollständige Anerkennung. In dem mathematischen Lehrplan wird schon frühe ein Betrieb empfohlen, der die Veränderungen der algebraischen Ausdrücke und der geometrischen Formen als Ausfluss gesetzmässiger, funktionaler Zusammenhänge auffassen lehrt, wobei zwischen den Gymnasien und Realgymnasien kein Unterschied gemacht wird, während für die Oberrealschule eine mässige Weiterführung des Planes durch Einbeziehung der Elemente der Infinitesimal-Analysis von einem Teil der Kommission gefordert wurde. Im physikalischen Lehrplan wird die Einteilung in zwei Stufen beibehalten und durch schärfere Betonung des verschiedenen Charakters auf beiden, Vorwiegen des Anschaulichen auf der unteren, der Einführung in den gesetzmässigen Zusammenhang auf der oberen Stufe verschärft und vertieft, ganz besonders aber die Selbständigkeit der Physik gegenüber der Mathematik gewahrt. Im chemischen Unterricht, der ebenfalls die Einteilung in zwei Stufen beibehält, wird durch Zurückdrängen der Stöchiometrie und Weglassen weniger wichtiger Elemente eine stärkere Betonung des physikalischen und ganz besonders des organischen Teils ermöglicht, und zwar wird der organischen Chemie nicht nur ihrer wissenschaftlichen Bedeutung wegen und ihrer nahen Beziehungen zur Biologie, sondern auch infolge ihrer Wichtigkeit für die allgemeinen theoretischen Anschauungen eine erweiterte Behandlung zuteil. Der bisher stark vernachlässigten Mineralogie wird eine selbständige Stellung eingeräumt und der Geologie, deren Stoffauswahl im Sinne der deutschen geologischen Gesellschaft vorgenommen wurde, ein Platz in O I angewiesen. Der biologische Lehrplan verteilt den Lehrstoff nach den aus ihm selbst folgenden, zum Teil auf der Hand liegenden Gesichtspunkten auf die einzelnen Klassenstufen und schliesst mit der Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers sowie einem Ausblick auf die Psychologie ab. Praktische Uebungen, die übrigens auch in der Mathematik nicht ganz fehlen (geometrisches Zeichnen, einfachere Vermessungen), werden für alle Zweige des naturwissenschaftlichen Unterrichts möglichst empfohlen unter Forderung der Ansetzung besonderer Stunden. Auf der obersten Klassenstufe soll in allen Zweigen des mathematischnaturwissenschaftlichen Unterrichts eine vertiefende, die philosophischen Elemente herausholende und betonende Behandlung des Stoffes Platz greifen. Für die Durchführung dieser Gesichtspunkte wird eine gewisse Erhöhung der Stundenzahl für diese Fächer ohne Vermehrung der Gesamtstundenzahl gefordert, die nach dem Urteil der Kommission auch für die Realanstalten im Bereich der Möglichkeit liegt. Für die Gymnasien bestehen besondere Schwierigkeiten, über deren Hebung die Kommission zu einem einheitlichen Beschluss nicht gelangt ist. Dass aber die Zurückdrängung naturwissenschaftlicher Ausbildung an diesen Schulen ein schwerer Misstand ist, doppelt empfindlich, so lange bei der so ausserordentlich überwiegenden Zahl der humanistischen Gymnasien die grosse Mehrzahl der zu leitenden Stellen in unserem öffentlichen Leben berufenen Männer ihre Bildung eben den humanistischen Gymnasien verdankt, darüber bestand im Schosse der Kommission nur eine Meinung, die auch im Gesamtbericht zum Ausdruck gekommen ist. Jedem der drei obengenannten Einzelberichte ist ein ins Einzelne gehender Lehrplan beigefügt, mit dem indessen die Kommission keineswegs einen Normalplan aufzustellen beabsichtigt vielmehr sollen diese Pläne lediglich einerseits ein Bild von der Art geben, in der die Kommission sich die Verwirklichung ihrer Gedanken vorstellt, anderseits für die praktischen Versuche einen fruchtbaren Anhalt bieten. Zur Anstellung solcher Versuche hat das preussische Kultusministerium in dankenswerter Weise seine Genehmigung gegeben, sie sind an einer Reihe von Anstalten bereits im Gange, an anderen sollen sie in nächster Zeit in Angriff genommen werden. Alle weiteren Fragen, die im Rahmen des ihr erteilten Auftrages liegen, hat die Kommission auf das nächste Jahr verschoben, es sind dies insbesondere der Unterricht an den Reformschulen, den Realschulen, den Fachschulen, der naturwissenschaftliche Mädchenunterricht, hygienische Fragen und namentlich auch die Frage der Lehrerbildung durch die Hochschulen. Diese Fragen werden Gegenstand des der Naturforscherversammlung 1906 zu erstattenden Berichtes sein.