Titel: Bücherschau.
Fundstelle: Band 322, Jahrgang 1907, S. 240
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Bücherschau. Bücherschau. Die Selbstkostenberechnung industrieller Betriebe. Eine Einführung von Friedrich Leitner. Frankfurt a. M. 1906, J. D. Sauerländers Verlag. Der ersten Auflage folgte schon nach ¾ Jahren die zweite, gewiß ein Zeichen dafür, daß wir es hier mit einem Buche zu tun haben, das unter der immer mehr anschwellenden Menge der Werke über die Organisation von Fabriken einen besonderen Platz einnimmt. Es soll „dem Anfänger einen klaren Einblick in die ganze Materie, eine Einführung in das immer mehr an Bedeutung zunehmende Gebiet des Selbstkostenwesens geben. Auch dem Praktiker soll es Anregung bieten, den bisherigen Modus der Kostenberechnung seines Betriebes genauer zu studieren, Fehler aufzusuchen und zu beseitigen.“ Und diese doppelte Absicht dürfte im Allgemeinen erreicht sein, wenn auch zeitweise namentlich für den ersteren Zweck eine größere Ausführlichkeit und dadurch klarere Darlegung am Platze gewesen wäre. Andererseits wird gerade für den zweiten Teil seiner Bestimmung der geringe Umfang von 148 Oktavseiten angenehm empfunden werden. Wohltuend berührt die Vorurteilslosigkeit, mit der manches Althergebrachte und doch so Verkehrte abgetan wird. Ich verweise in der Beziehung z.B. auf den § 39, der unter dem Motto steht: „Jeder Betriebsabteilung müssen bei der Unkostenverrechnung jene Kosten zugeschrieben werden, welche sie verursacht hat.“ Wie selbstverständlich klingt das und wie wenig wird danach gehandelt! Einleitend werden zunächst allgemeine Fragen der Selbstkostenberechnung besprochen, ihr Begriff und Umfang, ihre Aufgaben, Bedeutung, Organisation etc. Vorzüglich herausgeholt scheint mir hier namentlich im § 4 die Erklärung der Aufgabe der Kalkulation mit ihrem beherzigenswerten Schluß: „Wir halten die Trennung der Ressorts – Produktionskalkulation: Aufgabe der Betriebsleitung, Verkaufskalkulation: Aufgabe der kaufmännischen Verwaltung – in Großbetrieben für unerläßlich.“ Dabei soll natürlich erstere ihre Ergebnisse der letzteren zur Grundlage ihrer Arbeit übermitteln. Dagegen dürfte ein Vorgehen unzweckmäßig sein, wie es wenige Seiten später mit den Worten empfohlen wird: „In einzelnen Fällen wird schon bei der Verteilung der allgemeinen Spesen (Unkostenberechnung) auf die schlechte wirtschaftliche Lage einzelner Betriebsabteilungen Rücksicht zu nehmen sein. Sogenannte „kranke Betriebe,“ die an sich schon mit Verlust arbeiten, werden unter Umständen eine gerechte anteilmäßige Belastung nicht vertragen.“ Wozu wird hier denn geraten, wenn nicht zu einer Selbsttäuschung? Und was ist denn der Zweck der ganzen Kalkulation, wenn nicht die Erreichung der vollen Klarheit über Nutzen oder Verlust? Selbstverständlich kann, wie der Verfasser weiter ausführt, ein solcher „kranker Betrieb“ nicht immer ohne weiteres aufgegeben werden; dann läßt man ihn eben bestehen, aber begeht ganz sicher einen Fehler, wenn man auf die angedeutete Weise den dadurch entstehenden Nachteil rechnerisch zu verkleinern sucht. Es folgt dann ein Abschnitt über die durch das Material entstehenden Kosten, der sich zwanglos gliedert in Erörterungen über eigentliche Materialkosten mit allen dazu gehörigen Spesen, Fracht, Zoll, Anfuhr u. dergl., über Berücksichtigung der Materialverluste und der Abfall Stoffe. Von den Einzelheiten, über die man verschiedener Meinung sein kann, sei hier aus dem zuletzt genannten Kapitel die Bemerkung über die Bewertung der Hochofengase hervorgehoben, in der es am Schlusse einer längeren Ausführung heißt: „Doch kann man den ersparten Betrag unmöglich den Produktionskosten des erzeugten Metalls abrechnen.“ Man denke sich den ja häufig vorkommenden Fall, daß ein Hochofen werk an das mit ihm verbundene Walzwerke Gase zum Motorenbetriebe abgibt. Dann ist es meiner Ansicht nach durchaus berechtigt, auf das Konto des Hochofenwerkes einen Gewinn in der Höhe zu verbuchen, welche das Walzwerk bei fehlenden Gasen für deren Erzeugung etwa in besonderen Generatoren auszugeben hätte. Der gleiche Posten muß natürlich im Konto des Walzwerks als Ausgabe erscheinen. Nur so wird doch der wirkliche Reingewinn jeder Abteilung erhalten, der selbst bei ihrer Vereinigung in einer Firma dann praktische Bedeutung erhält, wenn die Chefs beider Abteilungen eine Tantieme in Höhe bestimmter Prozente des betr. Reingewinns beziehen. Mit vollem Recht geht der Verfasser in dem Kapitel Lohnkosten auf die eigentliche Lohnermittlung nicht ein (ebenso wie das auch bei den Materialkosten mit der Materialermittlung geschehen ist.) Es sind das weniger Fragen der Selbstkostenberechnung als der inneren Organisation. Dagegen beschäftigt er sich mit der Art der Lohnverteilung und Gliederung der Lohnverrechnung und gibt einen kurzen, aber mit dankenswerter Klarheit geschriebenen Abschnitt über Lohnsysteme. Einigen Bemerkungen über Sonderkosten, (Montage, Transport, Probestücke, Entwürfe etc.) folgt dann das Kapitel: „Allgemeine (indirekte) Kosten,“ das mit Recht die größere Hälfte des ganzen Buches beansprucht. Ihrer Wichtigkeit für die Rentabilität entspricht häufig in der Praxis die Sorgfältigkeit ihrer Behandlung nicht, was mit der verhältnismäßigen Schwierigkeit ihrer Berechnung erklärt, aber keineswegs entschuldigt werden kann. Mit Recht hebt der Verfasser diesen Zustand als unwürdig hervor und man muß ihm zugestehen, daß er durch seine Ausführungen zur Beseitigung der auf diesem Gebiete herrschenden Unsicherheit, zur Klärung der widerstreitenden Anschauungen nicht unwesentlich beigetragen hat. Wie er zunächst die Unkostenverrechnung als solche, die Verteilung dieser Spesen auf die einzelnen Betriebe erläutert, dann auf diesen Darlegungen fußend sich der Kalkulation der Einzelfabrikate zuwendet und dabei den Begriff der prozentuellen Zuschläge sowie des, insbesondere in den Vereinigten Staaten üblichen Stundenzuschlags entwickelt, soll hier im einzelnen nicht dargelegt werden. Hervorgehoben sei nur, daß die schönen, der Praxis entnommenen, und daher auch in dieser unmittelbar benutzbaren Tabellen 1 bis 5 das Verständnis dieses Teiles wesentlich erleichtern. Ob die Einfügung des § 42, Berechnung der Betriebskosten einer Kraftmaschine, in der hier gewählten Form dagegen das Richtige war, möchte ich stark bezweifeln. Trotz der Klarheit der Darlegungen wird der „Nichtfachmann“ (und nach der Anmerkung auf Seite 74 sind diese Auseinandersetzungen auch für ihn geschrieben) meines Erachtens nicht imstande sein, die vorliegende Aufgabe so wie erforderlich zu lösen, und dann erscheint es mir schädlich, in ihm die Empfindung wachzurufen, als. vermöge er das; dem „Fachmann“ aber werden große Teile dieses Paragraphen nichts Neues bringen. Eine größere Kürze an dieser Stelle, mit dem ja auch erfolgten Hinweis auf entsprechende Spezialwerke hätte ich daher für zweckmäßiger gehalten. Von den Schlußkapiteln möchte ich zunächst die Erörterungen über Herstellungspreis und Selbstkostenpreis als besonders wertvoll anführen. Man kann meines Erachtens dem Verfasser nur beistimmen, wenn er die Wichtigkeit der Unterscheidung beider Begriffe für richtige Inventurberechnung und Bilanzaufstellung hervorhebt. Ebenso glaube ich die Erörterungen über monatliche Rentabilitätsübersichten der Beachtung empfehlen zu dürfen, da diese wichtige Angelegenheit in industriellen Betrieben wegen der „vielen durch sie verursachten Arbeit“ wohl meistens negativ entschieden wird. Gewiß häufig mit Unrecht; denn die „viele Arbeit“ wird oft goldene Früchte zeitigen. Wenn aus Obigem auch hervorgeht, daß ich keineswegs in allen Punkten den Ausführungen des Verfassers beipflichten kann, so dürfte es doch klar geworden sein, daß es sich dabei nur um Einzelheiten handelt, daß wir es aber hier mit einem Werke zu tun haben, dessen Lektüre reiche Anregung bietet, und jedem Interessenten warm zu empfehlen ist. Die zahlreichen Literaturnachweise machen das Buch für denjenigen, der tiefer in die Materie einzudringen beabsichtigt, noch wertvoller. Friedrich Meyenberg. Bei der Redaktion eingegangene Bücher. Konstruktion und Berechnung elektrischer Maschinen und Apparate. Handbuch der Starkstromtechnik, I. Bd. Erläutert durch Beispiele. Mit zahlreichen Abb., 28 Konstruktionstafeln und 5 Kurventafeln. Bearbeitet von Ingenieur Robert Weigel. Leipzig, 1906. Hachmeister & Thal. Vollständig in 12 Lieferungen a. M. 1,25; komplett in Leinen geb. M. 18,–. Rechtschreibung der naturwissenschaftlichen und technischen Fremdwörter. Unter Mitwirkung von Fachmännern, herausgegeben vom Verein Deutscher Ingenieure. Bearbeitet von Dr. Hubert Jansen, Berlin-Schöneberg, 1907. Langenscheidt. (Professor G. Langenscheidt). Preis geh. M. 1,25, geb. M. 1,75.