Titel: | Bücherschau. |
Autor: | A. Sander |
Fundstelle: | Band 330, Jahrgang 1915, S. 458 |
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Bücherschau.
Bücherschau.
Technische Mechanik. Von
Karl J. Kriemler. Ein Lehrbuch der Statik und Dynamik
starrer und nachgiebiger Körper. Stuttgart 1915. K. Wittwer.
Das vorliegende Buch fällt aus dem Rahmen der gewöhnlichen Darstellung der
technischen Mechanik heraus. Der Verfasser will den Leser nicht an Hand von
Definitionen und Ableitungen systematisch in die grundlegenden Begriffe und Sätze
einführen, sondern stellt ihn mitten hinein in die Welt der Technik, um ihn zu ihrem
Verständnis anzuleiten. Eine solche Darstellung besitzt zweifellos ihre besonderen
Reize, doch setzt sie, wie mir scheinen will, Leser voraus, denen die Grundlagen
nicht mehr unbekannt sind und nur noch zur Anwendung ihrer Kenntnisse auf Probleme
der Technik erzogen werden sollen.
„Der Grundgedanke bei der Anordnung und der Auswahl des Stoffes war der, das Wesen
der Gesetze in den Vordergrund zu stellen und in engster Aufeinanderfolge und
kürzester Fassung die verschiedenen Teile der Mechanik einander zu nähern“,
sagt der Verfasser im Vorwort. Die Lösung dieser Aufgabe ist ihm in der Tat
gelungen. Die Sätze werden zugleich durch eine Fülle von Beispielen erläutert, die
von zahlreichen geschickten Skizzen begleitet sind.
Was die Anordnung des Stoffes angeht, so sind zunächst die Statik des starren und des
elastischen (oder, wie der Verfasser sagt, nachgiebigen) Körpers behandelt, dann
folgt die Kinematik des Massenpunktes und des starren Körpers, und endlich werden
die Hauptpunkte aus der Dynamik entwickelt. In der Statik werden die Aufgaben des
belasteten Balkens mit besonderer Ausführlichkeit erörtert, in der Dynamik dem
Schwingungsproblem ein besonderer Abschnitt gewidmet.
Im einzelnen erlaube ich mir folgende Bemerkungen anzufügen. Der Verfasser vermeidet
es ängstlich, das Wort „Vektor“ zu benutzen, obwohl er natürlich den
Vektorbegriff nicht entbehren kann, im Gegenteil Wert darauf legt, den vektoriellen
Charakter z.B. von Kraft, Geschwindigkeit und Beschleunigung scharf zu betonen.
Seine Bezeichnung für Vektoren erweckt leises Gruseln. Weshalb will der Verfasser
nicht deutsche Buchstaben (magere oder fette Fraktur) verwenden, wie es doch mehr
und mehr üblich wird? Seine „symbolischen Gleichungen für auf dem Reißbrett
auszuführende Operationen“ sind in der verwendeten, aber nicht konsequent
durchgeführten Schreibweise nicht richtig!
Der Abschnitt über den momentanen Drehpol scheint mir zu knapp gehalten und verdiente
bei einer Neuauflage wohl eine ausführlichere Darstellung.
Auf S. 223 wird aus der Definition: Kraft gleich Masse und Beschleunigung gefolgert,
daß sich die Beschleunigungen wie die Kräfte zusammensetzen, obwohl doch jene
Definition nicht den Charakter einer Vektorgleichung hat.
Sehr dankenswert sind die verschiedenen literarischenHinweise. An manchen
Stellen sucht man allerdings vergeblich danach. So vermißt man einen Hinweis auf die
Kreiselliteratur, etwa Klein-Sommerfeld; in der Kinematik könnte auf das Buch von
Timerding
„Theorie der Kräftepläne“ verwiesen werden. Bei Gelegenheit der
Geschwindigkeits- und Beschleunigungskurven wäre bei einer künftigen Auflage auf das
neuerdings erschienene Buch von Runge
„Graphische Methoden“ zu verweisen.
Auf S. 258 spricht der Verfasser von Unstetigkeiten in den Geschwindigkeitskurven,
meint aber Unstetigkeiten der zugehörigen Beschleunigungskurven, denn die
betreffenden Geschwindigkeitskurven verlaufen stetig, nur ihre
Differentialquotienten machen Sprünge.
„Entbehrliche Fremdwörter sind tunlichst vermieden worden“, liest man im
Vorwort mit besonderer Genugtuung. Gleichwohl wird von einer „Tourenzahl“
gesprochen. Ist nicht die Verdeutschung: Drehzahl durchaus annehmbar? Auf der
anderen Seite scheint mir der Verfasser zu weit zu gehen, wenn er
„nachgiebig“ statt „elastisch“, „verformen“ statt
„deformieren“ in Vorschlag bringt.
Auf S. 264 fiel mir der Satz auf: „Wenn eine Arbeit negativ ist, so ist die Kraft
von dem beweglichen Punkt rückwärts gedrängt worden“; auf S. 195 die
Ausdrucksweise: „bei genügend kleinem dt“; auf
S. 119 die schwerfällige Bezeichnung
S\,{t^\ast}_{\mbox{v}}^{\mbox{e}_2}.
Endlich möchte ich anregen, bei der Behandlung der Aufgabe auf S. 312 bis 313 die
Hyperbelfunktionen einzuführen, damit der Studierende von der Existenz und der
Verwendbarkeit der ja auch in der „Hütte“ abgedruckten Tafeln einmal
erfahre.
Diese Bemerkungen sollen in keiner Weise das schon zum Ausdruck gebrachte Urteil
beeinflussen, daß das vorliegende Werk eine hochinteressante Neuerscheinung
darstellt, der man weite Verbreitung, besonders in den Kreisen der Studierenden des
Baufachs, wünschen wird.
E. Jahnke.
Handbuch der physikalisch-chemischen
Technik für Forscher und Techniker. Von Prof. Dr. Kurt Arndt, Privatdozent an der Kgl. Technischen Hochschule zu Berlin. 830
Seiten mit 644 Abbildungen. Stuttgart 1915. Ferd. Enke. Preis geh. 28,– M.
Das vorliegende umfangreiche Buch wird sicherlich allen in wissenschaftlichen oder
Fabriklaboratorien tätigen Chemikern sehr willkommen sein, und man muß dem Verfasser
dankbar dafür sein, daß er sich der mühseligen Aufgabe unterzogen hat, die überaus
zahlreichen und mannigfaltigen Apparate und Meßmethoden, die bei
physikalisch-chemischen Arbeiten Anwendung finden, einmal im Zusammenhang zu
besprechen und auf ihre Vorzüge oder Mängel hinzuweisen. Neben den klassischen
Apparaten haben auch alle wichtigeren neuen Konstruktionen Berücksichtigung
gefunden, die Verfasser mit großer Sorgfalt aus der Zeitschriftenliteratur und oft
an entlegener Stelle gesammelt hat. Die Bauart der einzelnen Apparate wird an Hand
einer großen Zahl recht guter Abbildungen näher beschrieben und eine genaue
Anleitung zu ihrem Gebrauch gegeben. Auf diese Weise hat Verfasser ein für jeden
Laboratoriumschemiker höchst wertvolles Werk geschaffen, aus dem man sich rasch und
zuverlässig auch über die weniger gebräuchlichen Arbeitsmethoden der physikalischen
Chemie Auskunft und Rat holen kann, während man bisher in vielen Fällen unter großem
Zeitaufwand die betreffende Originalabhandlung aufsuchen mußte. Um den reichhaltigen
Inhalt des Buches zu kennzeichnen, seien im folgenden die Ueberschriften der
wichtigsten Kapitel angeführt. Im ersten allgemeinen Teil wird kurz die Behandlung
des Glases, das Kitten und Löten, das Reinigen von Laboratoriumsgeräten und Metallen
sowie das Verhalten von Glas, Quarz, Porzellan und anderen Materialien bei hohen
Temperaturen besprochen. Der zweite Teil trägt die Ueberschrift „Hilfsgeräte und
ihr Gebrauch“ und behandelt die elektrischen Widerstandsöfen, Luftpumpen,
Thermostaten und Vorrichtungen zum Rühren sowie zur Druckreglung. Im dritten Teil
berichtet Verfasser auf 680 Seiten über die Meßgeräte und ihren Gebrauch, und zwar
über das Wägen, über die Bestimmung der Dichte und des Gasdruckes, über
Löslichkeits-, Zeit- und Temperaturmessungen, über die Bestimmung des Schmelz- und
Siedepunktes, über das Messen von Wärmemengen, von spezifischen Wärmen, Zähigkeit,
Oberflächenspannung, Diffusion, elektrischen Widerständen,
Dielektrizitätskonstanten, Ueberführungszahlen, Strommengen und Spannungen sowie
schließlich über optische Messungen. Wie aus dieser kurzen Aufzählung schon
hervorgeht, stellt das Buch für jeden Chemiker und Physiker ein sehr nützliches
Nachschlagewerk dar, das in keinem Laboratorium fehlen sollte. Bei einer Neuauflage
wäre es zweckmäßig, den Titel des Buches in „Handbuch der physikalisch-chemischen
Laboratoriumstechnik“ abzuändern.
A. Sander.
Durch Belgien. Wanderungen eines
Ingenieurs vor dem Kriege. Von Hans Günther. 191 Seiten
8° mit 25 Abbildungen und einer Uebersichtskarte. Stuttgart 1915. Franckh. Preis
geb. 4,– M.
Das Buch ist eine freie kritische Bearbeitung und Ergänzung des vor wenigen Jahren
erschienenen Werkes „La Belgique au travail“, in welchem Ingenieur J. Izart seine durch mehrere Reisen in Belgien gewonnenen
Eindrücke niedergelegt hat. Das arbeitende und handel- treibende Belgien kurz vor
dem Ausbruche des Weltkrieges ist es also, das in dem Buche geschildert wird:
Kohlenzechen, Kanäle, Glashütten, Eisenwerke, Spinnereien, Webereien, also eine Art
technischer Bädeker, aber so geschildert, daß auch ein Nicht-Techniker das Buch mit
Interesse lesen wird, vorausgesetzt, daß er für technische und soziale Einrichtungen
etwas übrig hat. Recht fesselnd sind auch die geschichtlichen Bemerkungen sowohl
über die einzelnen Industrieen als auch über die Entwicklung der geschilderten
größeren Städte. Die durch den Krieggeschaffenen Veränderungen sind nicht
berücksichtigt, nur an ganz wenig Stellen finden sich kurze darauf bezügliche
Bemerkungen. Wenig zutreffend erscheint mir die Stelle über die Bergleute (S. 16),
die „mit düsteren Mienen an ihr Tagewerk gehen“ und die dann abends
„langsam wieder aus der Finsternis des Schachtes emportauchen (NB. mit einer
Geschwindigkeit von 6–10 m/sek!), um in langem schweigsamem Zuge mit schweren
Schritten ihrem Dorfe zuzuwandern, die Köpfe auf die Brust gesenkt (!), wie
niedergebeugt von dem Bewußtsein, daß sie sich plötzlich unter freiem Himmel
befinden . . . . “ Man denkt dabei doch unwillkürlich an Galeerensträflinge,
nicht aber an Männer, die zum Teil schon seit Generationen mit Begeisterung ihrem
Berufe obliegen! Die zu dem Hochofen von Cockerill
gehörige Gebläsemaschine von 18 PS ist hoffentlich nur ein Druckfehler.
Das Buch gibt einen anschaulichen Begriff von der ungeheueren wirtschaftlichen
Bedeutung des Landes, und gerade deswegen ist ihm eine weite Verbreitung im
gegenwärtigen Zeitpunkte sehr zu wünschen; denn wer es gelesen hat, der wird sich
auch sagen, daß dieses von uns mit so vielem teueren Blute erkaufte Land . . . .
aber über Kriegsziele darf man ja nicht reden!
R. Vater.
Anlage und Berechnung von
Gasfernleitungen in technischer und wirtschaftlicher Beziehung. Von
Dr.-Ing. H. Hempelmann. 88 Seiten mit 22 Abbildungen und
2 Tafeln. Berlin 1914. M. Krayn. Preis geh. 3,– M.
Bei der von Jahr zu Jahr wachsenden Bedeutung der Anlagen zur Gasfernversorgung wird
das Erscheinen der vorliegenden kleinen Schrift, in der an Hand zahlreicher Formeln,
Tabellen und Schaubilder die Anlage und Berechnung von Gasfernleitungen erörtert
wird, allen Gasingenieuren willkommen sein. Verfasser bespricht zunächst den
Widerstand bei der Strömung in Rohrleitungen und unterzieht die zur Bestimmung des
Druckverlustes aufgestellten empirischen Formeln einer kritischen Betrachtung.
Sodann geht er auf die Berechnung des Durchmessers der Rohrleitung näher ein, der
für die Wirtschaftlichkeit einer Gasfernleitungsanlage von außerordentlicher
Wichtigkeit ist. Für diese Berechnung, die für einfache und verzweigte Leitungen
sowie für schwankende Fördermengen durchgeführt wird, schlägt Verfasser einen
Ausdruck für den Reibungsverlust vor, der bei hinreichender Genauigkeit eine
verhältnismäßig einfache Rechnung ermöglicht. In einem weiteren Abschnitt wird die
Verwendung hoher Betriebsdrucke, wie sie bei den nordamerikanischen
Naturgasleitungen üblich sind, und der Einfluß solch hoher Leitungsdrucke auf die
Undichtigkeitsverluste kurz besprochen. Ebenfalls recht wichtig sind die
Ausführungen über die Unterteilung der Druckerzeugung und über die Behälterwirkung
der Leitung. Zum Schlusse werden die Maschinenanlagen der Druckstationen und ihr
Betrieb noch kurz gestreift. Die kleine interessante Schrift kann bestens empfohlen
werden.
A. Sander.