Titel: Neueste Notizen über die Dampfwagenfahrten auf der Eisenbahn zwischen Liverpool und Manchester.
Fundstelle: Band 40, Jahrgang 1831, Nr. IV., S. 44
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IV. Neueste Notizen uͤber die Dampfwagenfahrten auf der Eisenbahn zwischen Liverpool und Manchester. Aus dem Mechanics' Magazine. N. 389. Januar. 1831. Neueste Notizen uͤber die Dampfwagenfahrten auf der Eisenbahn zwischen Liverpool und Manchester. Der neue Dampfwagen Wilhelm IV. erschien am 14. Jaͤnner d.i. das erste Mal wieder auf der Eisenbahn, nachdem sein Maschinenwerk von dem am 24. September vorigen Jahres erlittenen Unfall, in der Fabrik der HHrn. Fawcett und Comp. zu Liverpool wieder vollkommen hergestellt war.Die Beschaͤdigung dieses Dampfwagens (so wie eines anderen: die Adelaide genannt) ward dadurch herbeigefuͤhrt, daß die Kette, an welcher derselbe durch einen Krahn aus einem Kanalbothe gehoben wurde, brach, und der Wagen mehrere Fuß hoch herabfiel. A. d. O. Folgende Nachricht von dem ersten mit dieser Maschine angestellten Versuche geben wir aus dem Briefe eines Correspondenten, welcher dabei gegenwaͤrtig war. „Die Maschine begann ihren Lauf an der Muͤndung des Tunnels von Liverpool mit einer Ladung von 53 1/2 Tonnen (970 Zent-Bayerisch). Sie ging ziemlich rasch bis zur schiefen Flaͤche von Whiston, auf welcher sie eine betraͤchtliche Laͤnge zuruͤcklegte, bis der Widerstand dergestalt zunahm, daß die Raͤder an den Schienen Feuer schlugen, ohne weiter zu kommen. Nun ward eine von Hrn. Stephenson's Maschine zur Huͤlfe genommen, und dieser ungefaͤhr ein Drittel des Wilhelm aufgegeben, bis der ganze Zug den hoͤchsten Punkt der schiefen Flaͤche erreicht hatte. Als der Wilhelm auf der Mitte der Rainhill-Ebene angekommen war, hielt man um zu sehen, wie viel Wasser im Kessel verdampft war. Dieß betrug genau 48 Kubikfuß. Die Ladung von 53 1/2 Tonnen ward nun durch zwei Dampfwagen des Hrn. Stephenson weiter geschafft, und der Wilhelm kehrte ohne alle Ladung nach Liverpool zuruͤck. Sieben Meilen auf diesem Wege wurden jetzt in ungefaͤhr einer halben Stunde zuruͤckgelegt, und waͤhrend dieser Zeit 24 Kubikfuß Wasser verdampft. Hiedurch hat sich eine Schnelligkeit in der Dampfentwickelung erwiesen, welche die vorherigen Angaben und selbst die kuͤhnsten Erwartungen der Patent-Traͤger weit uͤbertrifft.Ruͤhmlicher waͤre es fuͤr diese Herren gewesen, wenn ihre Maschine denselben Weg in derselben Zeit mit einem geringeren Verbrauche von Dampf zuruͤckgelegt haͤtte. Denn eben in diesem ungeheueren Aufwande von Wasser und Dampf, folglich auch von Brennmaterial, welcher den gewoͤhnlichen Aufwand von feststehenden Dampfmaschinen weit uͤbertrifft, und außer allem Verhaͤltnisse zur hervorgebrachten Wirkung stehet, liegt noch die groͤßte Unvollkommenheit der bis jetzt erfundenen und gebrauchten Dampfwagenmaschinen. A. d. Ue. Auch die Reparation der Adelaide ist ihrer Vollendung nahe, und diese und der Wilhelm werden beide naͤchstens zum regelmaͤßigen Dienste verwandelt werden.“ Auszug eines anderen Briefes von demselben Correspondenten, datirt 17. Jaͤnner. „Der Wilhelm ist heute wieder, und zwar mit einem noch mehr entscheidenden Erfolge, versucht worden. Das endliche Resultat ist, daß diese Maschine mit Dampf von 21 Pfd. Druk auf den Quadratzoll, und mit dem angehaͤngten Wasserwagen allein, mit der Geschwindigkeit von 15 Meilen in einer Stunde gehen, und mit Dampf von 15 Pfd. Staͤrke, und 60 Tonnen (1093 bayerische Zent.) Ladung in jeder Stunde 10 Meilen zuruͤk kann. Bei dem heutigen Versuche arbeitete sich dieser Dampfwagen im kleinen Tunnel uͤber eine Anhoͤhe hinauf, deren Steigen 1 auf 64 betraͤgt (82 1/2 Fuß auf eine englische Meile), und uͤber welche, wie ich glaube, vorher noch keine solche Maschine gegangen ist; und von da hinauf bis in den Hof der Werkstaͤtten der Gesellschaft, wo das Steigen noch groͤßer ist. Die einzige Schwierigkeit, welche sich hiebei zeigte, bestand in einem von Zeit zu Zeit eingetretenen Mangel von Uebereinstimmung zwischen der Wirkung des Evacuators (exhauster) und jener des Kessels; was aber leicht zu verbessern seyn wird, und weßhalb die Maschine wieder in die Werkstaͤtte der HHrn. Fawcett und Comp. gebracht worden ist. In derselben Nummer des Mechanics' Magazine befinden sich (S. 361.) von einem Ungenannten folgende Fragen an Herrn Stephenson. Der Caledonian Mercury enthaͤlt ein langes Schreiben von einem Forscher nach Wahrheit uͤber die erzaͤhlten Leistungen des Dampfwagens: der Planet auf der Liverpool- und Manchester-Eisenbahn, in welchem folgende sehr vernuͤnftige Fragen gestellt werden: 1) Wie viel betrugen die wirklichen Kosten des Transportes von 51 Tonnen 11 1/2 Zent. Waaren zwischen Liverpool und Manchester? 2) Wie viele andere Maschinen wurden verwendet, um den Planet uͤber die Rainhill-Flaͤche hinauf zu ziehen, und wie viele Menschen wurden dabei gebraucht? 3) Warum die 15 Maͤnner, welche diesen Zug begleiteten, Handlanger oder Arbeiter, um nach Erforderniß zu helfen? 4) Leisteten diese Huͤlfsmaschinen und Maͤnner denselben Tag noch sonst etwas fuͤr ihre Loͤhnung? 5) Was war Ursache, daß der Planet auf diesem Wege zu drei verschiedenen Malen, jedes Mal 5 Minuten lang anhielt, da doch behauptet wird, daß unter gewoͤhnlichen Umstaͤnden ein einziges Anhalten hinreiche? 6) Hat eine von Hrn. Stephenson's Maschinen je mehr als eine Reise zwischen Liverpool und Manchester hin und zuruͤck in einem Tage (von 12 Stunden) gemacht, ohne daß einige Ausbesserungen an den Kesseln oder Federn der Maschinenwagen noͤthig wurden? Was mag eine solche Reparation fuͤr jede ReisekostenReise kosten, und wie oft ist eine doppelte Reise ohne dergleichen Reparaturen gemacht worden? Ich weiß, daß eine Hochdruckmaschine zuweilen selbst ohne Gefahr uͤber ihre eigentliche und vortheilhafte Kraft angestrengt werden kann; allein nach meiner Erfahrung soll dieses, so viel moͤglich, vermieden werden, da hiedurch alle Theile der Maschine bestaͤndigen Beschaͤdigungen und Bruͤchen ausgesetzt sind, und die Kosten und der Zeitverlust ungeheuer vermehrt werden. Ich war begierig zu erfahren, ob dieses der Fall mit dem Liverpool-Dampfwagen sey, wenn solche den Weg bis Manchester in 1 Stunde und 50 Minuten, oder in 2 Stunden, mit Einschluß der Anhaltungen, zuruͤcklegen; und ich haͤtte mich hievon gern selbst durch Untersuchung der Maschinen nach der ihrer Zuruͤckkunft uͤberzeugt, wenn nicht ein mechanischer Freund, welcher in der Absicht diese Maschinen zu sehen, Liverpool besucht hatte, mich versichert haͤtte, daß ihm der Zutritt in den Werkhof, in welchen die Dampfwagen nach ihrer vollendeten Reise gefuͤhrt werden, verwahrt worden sey. Ich erlaube mir daher noch eine letzte Frage: 7) Ist es wahr, daß in den Werkhoͤfen zu Liverpool und zu Manchester, wo die Dampfwagen nach jeder vollbrachten Reise ankommen, die groͤßte Eile und Thaͤtigkeit unter einem Haufen von Kuͤnstlern und Arbeitern herrscht, welche alle in Bereitschaft stehen, die Beschaͤdigungen an den Maschinen und Wagen auszubessern, und andere vorraͤthige Maschinen und Wagen an ihre Stelle zu setzen, gleichsam als ein Reservecorps, wenn jene nicht zeitig genug wieder ins Feld gebracht werden koͤnnen? Wenn zahlreiche Versuche mit Dampfwagen-Maschinen von verschiedener Bauart irgend Jemand in Stand setzen koͤnnen, diese Fragen zu beantworten, so sollte, wie ich denke, der Ingenieur der Liverpool- und Manchester-Eisenbahn dieß zu thun faͤhig seyn; denn wie ich hoͤre, sind nicht zwei dieser Maschinen sich gleich – da bei einigen die Cylinder vertical, bei anderen horizontal, und bei anderen in verschiedenen schiefen Stellungen angebracht sind, einige uͤber den Kessel, einige unter, und andere zu beiden Seiten des Kessels. Einige haben Roͤhren von durchaus gleicher Weite und Dicke, andere von verschiedener Groͤße und Staͤrke. Da der Planet die letzte, und folglich ohne Zweifel die beste dieser Maschinen ist, so wuͤnsche ich zu erfahren, zu welcher Classe von diesen verschiedenen Bauarten derselbe gehoͤrt?“Aus allen diesen Nachrichten, Bemerkungen, Bedenklichkeiten und Fragen geht deutlich hervor, daß die Herren Mechaniker in England mit ihren Dampf-Schnellposten doch nicht ganz im Reinen sind, und daß die locomotive Engines noch großer Verbesserungen beduͤrfen, wenn sie allgemein auf Eisenbahnen eingefuͤhrt werden sollen. Die Geschwindigkeit, welche man diesen Fuhrwerken zu geben gewußt hat, ist in der That außerordenlich, und graͤnzt an das Unglaubliche; sie wird aber offenbar nur mit dem ungeheuersten Aufwande von Bewegungskraft, d.i. von Dampf und Brennmaterial, und mit einer bedeutenden Abnuͤtzung aller Maschinentheile erzwungen. Die Raͤder, deren Durchmesser hoͤchstens 4 Fuß betraͤgt, muͤssen bei dem gewoͤhnlichen Laufe dieser Wagen 160 bis 200 Mal in jeder Minute sich umdrehen, und da, bei der gegenwaͤrtigen Bauart, die Kolben der Dampfmaschinen eben so viele Zuͤge in derselben Zeit machen muͤssen, so ist leicht einzusehen, daß durch den Widerstand der Traͤgheit von so ungeheuer schnell in ihrer Richtung und ihrem Momente wechselnden Massen, und durch die unvollkommene Wirkung der Ventile oder Schieber, durch welche der Dampf in die Cylinder eindringen und aus denselben entweichen muß, und deren regelmaͤßiges Oeffnen und Schließen in so kurzer Zeit nicht moͤglich ist, bei Weitem der groͤßte Theil der bewegenden Kraft ganz unnuͤtz verschwendet werden muß. Die allergroͤßte Unvollkommenheit der bisher erfundenen und gebrauchten Dampfwagen liegt aber darin, daß sie nur auf ganz wagerechten Eisenbahnen sich leicht und schnell fortbewegen, uͤber schiefe Flaͤchen aber, deren Steigen mehr als 1' auf 60' Laͤnge betraͤgt (88 Fuß auf eine englische Meile, oder 20'' auf 100') nur sehr langsam und mit vieler Muͤhe sich hinaufarbeiten koͤnnen, und daß daher, um ein so gleichfoͤrmiges Niveau mit solchen sanften Steigungen zu erhalten, die kostbarsten Erd- und Mauerarbeiten, Durchstiche, Abgraben, Stollen, hohe und lange Daͤmme, Bruͤcken u. d. gl. ausgefuͤhrt werden muͤssen, welche in den meisten Gegenden einen ungeheueren Aufwand erfordern, wie die Erfahrung an der Liverpool- und Manchester-Eisenbahn beweiset, wo diese Vorbereitungsarbeiten, die Zurichtung und Ebnung des Grundes acht Mal mehr als die eigentliche (doppelte) Eisenbahn gekostet haben. – Bei der so hohen Wichtigkeit dieses Gegenstandes, und bei dem lebhaften Interesse, welches derselbe uͤberall erregt, darf man indessen hoffen, daß die Maͤngel, welche dieser wichtigsten Erfindung unserer Zeit noch ankleben, allmaͤhlich gehoben werden, und daß es dem menschlichen Erfindungsgeiste und Fleiße endlich gelingen werde, alle Schwierigkeiten zu besiegen, welche der allgemeinen Einfuͤhrung bis jetzt noch im Wege stehen. Vielleicht erleben es dann unsere Ur-Ur-Enkel, daß im Jahre 1931 oder 2000 auch in Bayern eine vollkommene Eisenbahn zu Stande koͤmmt, nachdem ihre Ahnen vorher ein Paar Dutzend Millionen Gulden auf Kanalbau-Experimente ins Wasser geworfen haben werden. – A. d. Ue.