Titel: Bemerkungen über einige Hindernisse, durch welche die Fahrt auf Eisenbahnen im Winter erschwert werden kann, und Vorschläge zur Hebung dieser Hindernisse. Von Joseph Ritter von Baader.
Autor: Honorar-Prof. Dr. Joseph Baader [GND]
Fundstelle: Band 40, Jahrgang 1831, Nr. V., S. 48
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V. Bemerkungen uͤber einige Hindernisse, durch welche die Fahrt auf Eisenbahnen im Winter erschwert werden kann, und Vorschlaͤge zur Hebung dieser Hindernisse. Von Joseph Ritter von Baader. Baader, uͤber einige Hindernisse, durch welche die Fahrt auf Eisenbahnen im Winter. Zu den verschiedenen Einwuͤrfen, welche von den Gegnern der Eisenbahnen sorgfaͤltig hervorgesucht werden, gehoͤrt auch die Behauptung, daß die eisernen Geleise im Winter durch Schnee und Eis so bedeckt und verstopft werden, daß die Wagen auf denselben nicht mehr fortkommen koͤnnen. Die Erfahrung hat indessen seit 40 Jahren in England bewiesen, daß dieses Hinderniß von keiner großen Bedeutung ist. Was den Schnee betrifft, so kann freilich ein außerordentlich starkes und anhaltendes Gestoͤber die Bahn, besonders an einzelnen Stellen, wo der Wind ganze Massen zusammen treibt und aufhaͤuft, so tief bedecken, daß die Fahrt fuͤr den Augenblick unterbrochen wird. Derselbe Unfall trifft dann aber auch die gewoͤhnlichen Landstraßen; und so wie man sich auf diesen dadurch zu helfen weiß, daß man den Schnee wegraͤumt (ausschaufelt) so kann dieses auch, und zwar um Vieles leichter und schneller, auf den schmalen und erhoͤheten Eisenbahndaͤmmen geschehen. Alle Nachrichten aus England stimmen uͤberein, daß der Verkehr auf der Liverpool- und Manchester-Eisenbahn im vergangenen Winter, in welchem dort ungewoͤhnlich viel Schnee fiel, zwar einige Male etwas erschwert, doch nie gehemmt worden ist. Man muß uͤberhaupt nur nicht vergessen, welche großen Vortheile die Eisenbahnen vor den gewoͤhnlichen Straßen und vor den schiffbaren Kanaͤlen in Hinsicht auf Leichtigkeit, Schnelligkeit, Sicherheit und Bequemlichkeit des Transportes gewaͤhren, und daß es bei einer Vergleichung dieser verschiedenen Transportmittel in der That zu viel gefordert waͤre, wenn man von diesen Bahnen auch noch verlangen wollte, daß sie die atmosphaͤrischen Einfluͤsse beherrschen sollten, daß es darauf weder regnen noch schneien sollte. – Um frisch gefallenen lockeren Schnee von den Eisenbahnen wegzuschaffen, bedient man sich in England seit langer Zeit einer sehr einfachen und wirksamen Vorrichtung. Man laͤßt am fruͤhen Morgen, ehe die Wagenzuͤge ihre Reise antreten, einen besonderen Wagen vorausziehen, der, gleich einem Pfluge, mit schief gestellten Streichbrettern versehen ist, durch welche der Schnee von den Schienen rein abgekehrt wird. Trockene Kaͤlte ohne Schnee, so streng sie auch seyn mag, schadet der Leichtigkeit des Verkehrs auf Eisenbahnen nicht im Geringsten. Groͤßere Schwierigkeit verursacht allerdings der nasse Frost, wenn nach einem kalten Regen festes Eis an die Schienen sich anhaͤngt, wodurch im vergangenen Winter das Fortkommen der Wagen auf der Eisenbahn zwischen Liverpool und Manchester einige Male so erschwert worden ist, daß dieselben vier Stunden auf dem Wege zubrachten, welchen sie sonst immer in zwei Stunden zuruͤcklegen.Siehe Polyt. Journal XXXIX. Bd. 4. Heft. S. 327. Allein auch dieser Uebelstand ist von keinem großen Belange, um tritt nur selten und voruͤbergehend ein, da im Gegentheil der Verkehr auf schiffbaren Kanaͤlen nicht nur durch jeden bedeutenden Schneefall der im stille stehenden Wasser sogleich Grundeis bildet, sondern durch jeden trockenen oder nassen Frost, ohne alle Moͤglichkeit einer Abhuͤlfe meistens fuͤr mehrere Monate, gaͤnzlich gehemmt wird. In unseren Gegenden darf man annehmen, daß ein solcher Kanal wenigstens vier Monate lang in jedem Jahre zugefroren seyn wuͤrde; und wenn man hiezu noch die Zeit in Anschlag bringt, welche durch das jaͤhrlich noͤthig Reinigen (Abkehren oder Auskehren) fuͤr die Schifffahrt verloren geht, wobei der ganze Kanal gewoͤhnlich mehrere Wochen hindurch trocken gelegt werden muß, so wird man sich uͤberzeugen, daß im Durchschnitte kaum fuͤr die Haͤlfte des Jahres auf eine sichere und ununterbrochene Schifffahrt zu rechnen seyn duͤrfte. Auf einer zweckmaͤßig gebauten Eisenbahn hingegen kann der lebhafteste Verkehr das ganze Jahr hindurch, mit sehr wenigen und kurzen Unterbrechungen, fortgesetzt werden, und eine bedeutende Stoͤrung kann, wie gesagt, nur durch nassen Frost entstehen, wenn naͤmlich die Schienen mit Eis oder hart gefrorenem Schnee uͤberzogen sind. Indessen ist auch dieses momentane Hinderniß durch ein sehr einfaches Mittel leicht und schnell zu beseitigen. Man befestige einen Dampfkessel von hinreichender Groͤße auf einem Eisenbahnwagen, und lasse den erzeugten Dampf durch zwei zu beiden Seiten vorwaͤrts niedergebogene Roͤhren unmittelbar, und so nahe als moͤglich, auf die eisernen Schienen ausstroͤmen, so wird, indem der Wagen langsam fortgeruͤckt wird, das an den Schienen haͤngende Eis augenblicklich schmelzen und zu Wasser werden.Man kann hiezu auch einen gewoͤhnlichen Dampfwagen einrichten und verwenden, welcher aber alsdann von einem Pferde fortgezogen werden muß, waͤhrend die Maschine außer Thaͤtigkeit gesetzt ist. Ich weiß nicht, ob man in England schon auf diesen Einfall gerathen ist; aber ich kann die Unfehlbarkeit des Erfolges nach einer eigenen analogen Erfahrung verbuͤrgen. Ich bediene mich naͤmlich dahier schon seit vielen Jahren desselben Mittels, um die waͤhrend der strengsten Winterkaͤlte eingefrorenen, unter der Erde liegenden Roͤhrenleitungen aufzuthauen. Dieses besteht in einem tragbaren Ofen von Eisenblech mit einem kleinen Kessel, aus welchem der heiße Wasserdampf durch ein biegsames bleiernes Rohr in passende Loͤcher geleitet wird, die man von Stelle zu Stelle in die Roͤhren bohrt.Dieser Dampfapparat ist in Bd. XXXIX. S. 378. beschrieben und auf Tab. VI. Fig. 4 und 5. abgebildet. A. d. R. Mit Huͤlfe dieses kleinen Apparates wird das in den Roͤhren enthaltene und dieselben ausfuͤllende Eis, welches sich selbst uͤberlassen, im kalten Boden noch mehrere Wochen lang sich erhalten wuͤrde, durch den Waͤrmestoff, welcher aus dem Dampfe bei seiner Verdichtung entbunden und abgesetzt wird, sehr schnell und jedes Mal bis auf eine Strecke von 40–50 Fuß fluͤssig gemacht. Muͤnchen, den 9. Maͤrz 1831.