Titel: | Ueber Chlorometrie von Hrn. Achille Penot. |
Fundstelle: | Band 40, Jahrgang 1831, Nr. XXIV., S. 143 |
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XXIV.
Ueber Chlorometrie von Hrn. Achille Penot.
Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
Mulhausen. N. 18. S. 285.
Achille Penot, uͤber Chlorometrie.
Alle Fabrikanten, welche sich des Chlors und der Chloruͤre bedienen, sowie
diejenigen, welche sie bereiten, wissen, wie viel das bisher zur Bestimmung best
Chlorgehalts einer Fluͤssigkeit oder eines trokenen Salzes angewandte
Verfahren noch zu wuͤnschen uͤbrig laͤßt. Erstens kann man sich
im Handel nicht immer einen vollkommen gleichen Indigo verschaffen, um die
Probefluͤssigkeit zu bereiten; will man hingegen diese vorlaͤufig nach
dem Verfahren des Hrn. Gay-Lussac pruͤfen,
so muß man ein Liter gasfoͤrmiges Chlor bei der Temperatur von 0° und
einem Barometerstand von 76 Centimeter mit der groͤßten Genauigkeit abmessen,
eine Operation, welche die wenigsten Fabrikanten anstellen koͤnnen. Man kann
freilich auch die Fluͤssigkeit mit troknem Chlorkalk pruͤfen, muß dann
aber seine Entfaͤrbungskraft vorher genau kennen, was schwierig ist, weil der
Chlorkalk bei der Aufbewahrung leicht etwas Chlor verliert, so daß man
genoͤthigt waͤre diesen selbst wieder zu pruͤfen. Bekanntlich
entfaͤrbt sich auch die Indigaufloͤsung am Lichte, daher sie nicht
immer identisch seyn kann. Zweitens erhaͤlt man bei Bestimmung des
Chlorgehaltes mit Indigaufloͤsung keine genauen Resultate, weil es einerseits
sehr schwer ist genau den Punkt, wo die Fluͤssigkeit entfaͤrbt ist, zu
bestimmen und andererseits das Resultat um mehrere Grade abweicht, je nachdem man
die Indigaufloͤsung in das Chloruͤr oder dieses in jene gießt.
Seit einiger Zeit bediene ich mich eines Verfahrens, welches nicht nur genauer,
sondern auch leichter ausfuͤhrbar zu seyn scheint. Bekanntlich zersezt das
Chlor unter den geeigneten Umstaͤnden alle wasserstoffhaltigen Substanzen,
und bildet auf ihre Kosten Salzsaͤure (Chlorwasserstoffsaͤure) und diese Zersezung findet
bei einigen Koͤrpern augenbliklich Statt. Dahin gehoͤren zum Beispiel
die in Wasser aufgeloͤsten schwefelwasserstoffsauren Alkalien. Wenn man damit
das Chlorwasser oder die Aufloͤsung irgend eines Chloralkalis versezt, so
faͤllt Schwefel nieder, es bildet sich Salzsaͤure und folglich ein
salzsaures Salz. Wenn man vorsichtig verfaͤhrt, so kann man gerade den Punkt
treffen, wo das Chlor ganz neutralisirt (in Salzsaͤure umgeaͤndert)
ist, oder man kann auch in seine Aufloͤsung einen sehr geringen Ueberschuß
von dem schwefelwasserstoffsauren Alkali gießen, was man daran erkennt, daß die
Fluͤssigkeit ein vorlaͤufig mit Bleiaufloͤsung
getraͤnktes und getroknetes Papier augenbliklich schwaͤrzt.Man traͤnkt das Papier mit einer Aufloͤsung von krystallisirtem
salpetersaurem oder essigsaurem Blei, welches moͤglichst wenig freie
Saͤure hat. Ich habe oͤfters bei meinen Versuchen mich
uͤberzeugt, daß ein saures Papier nicht empfindlich genuͤg
ist. A. d. O. Die Menge des angewandten schwefelwasserstoffsauren Alkalis muß nothwendig
mit dem Chlorgehalt der gepruͤften Fluͤssigkeit im Verhaͤltniß
stehen. Wenn man das Bleipapier mit der Aufloͤsung des Chlors befeuchtet, so
schwaͤrzt es sich immer (oder wird gelb) nach einigen Augenbliken, selbst
wenn die Fluͤssigkeit noch viel nicht neutralisirtes (nicht in
Salzsaͤure umgeaͤndertes) Chlor enthaͤlt und man muß so lange
von dem schwefelwasserstoffsauren Salze zusezen, bis das Papier sich im Augenblike
der Beruͤhrung schwaͤrzt.Daß das Papier durch chlorhaltige Fluͤssigkeit gelb oder braun wird,
ruͤhrt daher, daß das Bleioxyd in Bleihyperoxyd umgeaͤndert
wird. A. d. R. Am besten verfaͤhrt man so, daß man nicht (wie beim Pruͤfen
auf Saͤure oder Kali mit Lakmuspapier) einen Tropfen der Aufloͤsung
darauf bringt, sondern schnell mit dem Glasstabe, womit man umruͤhrt, eine
Linie daruͤber hinzieht.
Ich habe als chlorometrische Substanz den schwefelwasserstoffsauren Baryt
gewaͤhlt, weil er schnell bereitet werden kann und nicht so unangenehm riecht
wie die Kali- und Natronsalze. Ich bewahre die Aufloͤsung in luftdicht
verschlossenen und mit schwarzem Papier uͤberzogenen Glasflaschen auf.
Ungeachtet dieser Vorsicht zersezt sich jedoch der schwefelwasserstoffsaure Baryt
mit der Zeit, so daß man dann, wenn er Anfangs von einer gewissen Staͤrke
bereitet war, keine vergleichbaren Resultate mehr erhaͤlt.
Um den Irrthuͤmern, welche hiedurch veranlaßt werden koͤnnten, zu
begegnen, pruͤfe ich den selbst mit schwefelsaurem Zink, wovon man immer eine
identische Aufloͤsung haben kann. Man braucht davon nur so lange dem
schwefelwasserstoffsauren Salze zuzusezen, bis lezteres das Bleipapier nicht mehr
schwaͤrzt.Es bildet sich schwefelsaurer Baryt und schwefelwasserstoffsaures Zink,
welche beide niederfallen. Ich waͤhlte ein Zinksalz, weil das
Zinkoxyd mit Schwefelwasserstoff eine farblose Verbindung eingeht. Bei einem
gefaͤrbten Niederschlage hatte ich die Wirkung der
Fluͤssigkeit auf das Bleipapier nicht gehoͤrig erkennen
koͤnnen. A. d. O.
Dadurch kann man jedes Mal den Grad des schwefelwasserstoffsauren Salzes finden.
Nach Hrn. Gay-Lussac enthaͤlt ein Kilogramm
pulverfoͤrmigem Halb-Chlorkalk 320,88 Grammen Chlor, daher 5 Grammen
dieses Chloruͤrs 0,7842 Grammen Schwefelwasserstoff zersezen koͤnnen.
Man wird also eine Aufloͤsung von schwefelwasserstoffsaurem Baryt von solcher
Starke haben muͤssen, daß ein Alkalimeter (denn ich bediene mich dieses
Instrumentes) 0,7842 Grammen Schwefelwasserstoff enthaͤlt, damit der reine
Halb-Chlorkalk 100 Grade zeigt. Diese Aufloͤsung wuͤrde selbst
durch ein gleiches Volum einer Aufloͤsung, welche 73,05) Grammen
krystallisirtes schwefelsaures Zink im Liter enthielte, gerade zersezt.
Ich fange also damit an, meinen schwefelwasserstoffsauren Baryt zu pruͤfen;
ich fuͤlle naͤmlich damit einen Alkalimeter bis zu 0 der Skale, gieße
ihn in ein Glas und seze ihm auch das Wasser zu, womit der Alkalimeter ausgeschwenkt
wurde. Ich fuͤlle sodann einen Alkalimeter mit schwefelsaurem Zink, und gieße
davon so lange in den schwefelwasserstoffsauren Baryt, bis dieser das Bleipapier
nicht mehr schwaͤrzt. Ich nehme an der Alkalimeter sey in zehn Grade und in
Zehntelsgrade eingetheilt. Wenn der schwefelwasserstoffsaure Baryt alle im
Instrumente enthaltene Fluͤssigkeit erfordert, so sage ich er zeige 10 Grade
und in 10 Grade theile ich auch den Alkalimeter ein, wenn ich das Chlor mit dem
Barytsalz pruͤfe; wenn man die Grade des Chlors mit denen des Barytsalzes
multiplicirt, so erhaͤlt man den wirklichen Gehalt des Chlors. Hat man daher
10 Grade Barytsalz angewandt, welches selbst 10 Grade zeigt, so ist der Gehalt des
Chlors 100. Braucht man 8,3 Grade Barytsalz von 7,8 Grad, so ist der Gehalt des
Chlors 64,74.
Um trokenes Chloruͤr zu pruͤfen, loͤse ich 5 Grammen in einem
halben Liter Wasser auf. Wenn es 100 Grade zeigt, muß man nach dem Vorhergehenden
schließen, daß das Kilogramm davon 320,88 Grammen Chlor enthaͤlt. Nun wiegt
ein Liter Chlorgas bei 0° Temperatur und 76 Centimeter Barometerstand, 3,1516
Grammen, daher das Kilogramm des gepruͤften Chloruͤrs 101,815 Liter
Chlor enthaͤlt. Ueberhaupt entspricht ein Grad meines Chlorometers 1,01815
Liter Gas im Kilogramm, so daß z.B. ein Chloruͤr, welches 65 Grade zeigt,
davon 66,18 Liter enthaͤlt.
Man koͤnnte in den Fabriken ohne merklichen Fehler das Gewicht eines Liters
Chlor zu 3,2088 Grammen annehmen (so findet man es durch Versuche, das oben angegebene ist berechnet).
Alsdann wuͤrde jeder Grad meines Chlorometers genau einem Liter Gas
entsprechen, so daß ein Chloruͤr, welches z.B. 72 Grade zeigen wuͤrde,
72 Liter Chlor im Kilogramm enthielte. Da ich hauptsaͤchlich das
Beduͤrfniß der Fabrikanten im Auge habe, so werde ich leztere Hypothese
annehmen.
Wenn ein fluͤssiges Chloruͤr zu untersuchen ist, fuͤlle ich
damit einen Alkalimeter und pruͤfe es. Wenn es 100 Grade zeigt, schließe ich
daraus, daß ein halber Deciliter Aufloͤsung ein halbes Liter Chlor
enthaͤlt (weil sie eben so viel schwefelwasserstoffsauren Baryt
saͤttigt als 5 Grammen troknes Chloruͤr von 100 Grad), und ein Liter
davon 10. Zeigt das Chloruͤr 80 Grade, so enthaͤlt ein halber
Deciliter davon 2/5 Liter gasfoͤrmiges Chlor und ein Liter 8. Ueberhaupt
entspricht ein Grad der zehnfachen Menge Chlor in der Aufloͤsung.
Dadurch wird es uns moͤglich ein Verhaͤltniß zwischen dem Preise des
trokenen und des fluͤssigen Chloruͤrs herzustellen, weil bei gleichem
Gehalt ein Kilogramm festes Chloruͤr zehn Liter Chlor in der
Aufloͤsung entspricht. Hier kann nur von dem wirklichen Werthe die Rede seyn,
dem Consumenten kommt es dann zu, zu bestimmen, welches von beiden unter
verschiedenen Umstaͤnden am geeignetsten ist.
Um mich von der Genauigkeit meines Verfahrens zu versichern, bat ich mehrere Personen
mir Proben von Chloruͤr zu geben, welches sie auf irgend eine Art aber in
bekanntem Verhaͤltnisse verfaͤlscht hatten. Ich hatte immer die
Genugthuung die Resultate vollkommen genau zu finden. Nur reines Chlor in
Aufloͤsung koͤnnte man vielleicht mit einer Saͤure
verfaͤlschen, welche nicht ohne Einfluß auf die chlorometrische
Fluͤssigkeit waͤre; versezt man sie aber zuvor mit Aeznatron in
Ueberschuß, so ist man gegen jedem Irrthum gesichert.
Ich glaube hinreichend gezeigt zu haben, daß das von mir vorgeschlagene
chlorometrische Verfahren genauere Resultate gibt als das bisher befolgte. Ich habe
nur noch zu erweisen, daß es auch leichter auszufuͤhren ist. Nach Hrn. Gay-Lussac soll man bei Pruͤfung eines
Chloruͤrs mit Indigaufloͤsung drei Proben machen, waͤhrend ich
nur zwei Versuche, einen mit dem schwefelwasserstoffsauren Baryt, den anderen mit
dem Chlor selbst anstelle. Selbst den ersten braucht man nicht jedes Mal zu
wiederholen, wenn man Chlor pruͤfen will, denn nach meinen Beobachtungen
verliert das Barytsalz im Verlauf eines Monates nur 1/10 Grad.
Den Chlorometer habe ich so graduirt, daß 10 Grade meines Instrumentes einem am Chlorometer des Hrn. Gay-Lussac entsprechen, oder daß die beiden Instrumente
uͤbereinstimmen, wenn man, wie es oft geschieht, die Grade des Hrn. Gay-Lussac nach Zehntheilen zaͤhlt.
Bericht des Hrn. Eduard Schwarz im Namen des chemischen
Comités der Soc. industr. uͤber
vorstehende Abhandlung.
Hr. Penot faͤngt seine Abhandlung damit an, daß er
die Unsicherheit der bisher gebraͤuchlich gewesenen Pruͤfungsart des
Chlorkalks auseinandersezt. Er bemerkt, daß man verschiedene Resultate
erhaͤlt, je nach der Art und Weise wie man den Versuch anstellt und sagt
hierauf, daß es sehr schwer ist, sich im Handel vollkommen identischen Indigo zu
verschaffen; wenn man aber den Indigo aus seiner kalkhaltigen Aufloͤsung
durch Schuͤtteln derselben in Beruͤhrung mit Luft, niederschlagt, den
Niederschlag mit Salzsaͤure behandelt, aussuͤßt und troknet, so
erhaͤlt man ein Product, welches nicht sehr merklich verschiedenartig
ausfallen kann. Uebrigens ist die Aufloͤsung vollkommen identisch, wenn man
sie von Paris kommen laͤßt;Man wendet sich am besten an MMrs. Collardeau et
Comp. A. d. R. wenn es auch einerseits sehr unbequem ist, daß man die Aufloͤsung
sehr weit herkommen lassen muß, so hat man doch andererseits den Vortheil, daß alle
Fabrikanten eine in demselben Laboratorium und immer auf dieselbe Weise bereitete
Aufloͤsung anwenden. Freilich verliert diese Aufloͤsung mit der Zeit
an ihrer Kraft.Wenn man sich einmal schwefelsaure Indigaufloͤsung von Hrn. Collardeau hat kommen lassen, so kann man sich in
der Zukunft eine identische sehr leicht dadurch verschaffen, daß man eine
etwas staͤrkere Indigaufloͤsung, welche man selbst bereitet
hat, so lange verduͤnnt bis sie genau eben so viel Chloruͤr
entfaͤrbt, als die bezogene. A. d. R.
Eine andere von dem Verfasser bezeichnete Schwierigkeit besteht darin, den
Entfaͤrbungspunkt genau zu bestimmen, diese verschwindet aber großen Theils,
wenn die Indigaufloͤsung mit einem auf oben angegebene Weise gereinigten
Indigo bereitet wurde und man eine große Uebung in diesen Versuchen erlangt hat.
Nach diesen Bemerkungen beschreibt der Verfasser sein Verfahren die Chloruͤre
mit schwefelwasserstoffsaurem Baryt zu pruͤfen, dessen Staͤrke man
durch eine in gehoͤrigem Verhaͤltnisse bereitete Aufloͤsung von
schwefelsaurem Zink bestimmt. Ich habe dieses Verfahren oͤfters wiederholt
und nach einigen Versuchen gelang es mir, mit einer hinreichenden Genauigkeit
verschiedene Chlorkalk-Aufloͤsungen zu pruͤfen, deren
Entfaͤrbungskraft mir vorher bekannt war. Die Hauptschwierigkeit besteht ohne
Widerspruch darin, den Gehalt des schwefelwasserstoffsauren Baryts zu bestimmen und
ich habe gefunden, daß wenn man den Saͤttigungspunkt genau ermitteln will,
man das Gemenge vorher
sich sezen lassen und auf das Bleipapier nur klare Fluͤssigkeit bringen muß.
Wenn man zu viel schwefelsaures Zink zugesezt haben sollte, so ist natuͤrlich
das Bleipapier nicht mehr anwendbar und man muß alsdann entweder eine Gegenprobe mit
schwefelwasserstoffsaurem Baryt machen oder die Operation wieder von Neuem anfangen
und nur die erforderliche Menge schwefelsaures Zink nehmen.
Wenn man den Grad des schwefelwasserstoffsauren Baryts ausgemittelt hat, so kann man
leicht das Chloruͤr pruͤfen; denn nicht nur durch das Bleipapier,
sondern auch durch die Farbe der Mischung wird der geringste Ueberschuß des
Barytsalzes auf der Stelle angezeigt.
Wenn dieses neue Verfahren die Unbequemlichkeit hat, daß der Grad der
chlorometrischen Fluͤssigkeit oͤfters untersucht werden muß, als bei
Anwendung von Indigaufloͤsung, so hat es andererseits den Vortheil, daß diese
Untersuchung sehr leicht anzustellen ist, waͤhrend es sehr schwer ist die
Indigaufloͤsung zu pruͤfen.
Das Comité glaubt, daß dieses Verfahren mehrere Vorzuͤge vor dem
aͤlteren hat, welche aber durch die Praxis bestaͤtigt werden
muͤssen. Da man allen Grund hat anzunehmen, daß es in den Fabriken eine
nuͤzliche Anwendung finden wird, und wenn es auch nur waͤre um
Gegenproben zu den mit Indigaufloͤsung angestellten Untersuchungen zu machen,
so schlaͤgt es der Gesellschaft vor die Abhandlung des Hrn. Penot im Bulletin bekannt zu
machen und ihm fuͤr die Mittheilung derselben danken zu lassen.