Titel: Ueber die Oxydation des zu Kerzen bestimmten Talgs; von J. C. Reibstein.
Fundstelle: Band 95, Jahrgang 1845, Nr. XIII., S. 31
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XIII. Ueber die Oxydation des zu Kerzen bestimmten Talgs; von J. C. Reibstein. Aus dem Technologiste, Sept. 1844, S. 530. Reibstein, über die Oxydation. Schon vor langer Zeit beobachteten ältere Chemiker, daß die Schwefelsäure, wenn sie unter gewissen Bedingungen in Berührung mit Mangansuperoxyd gebracht wird, die Eigenschaft besizt, die Pflanzenfarben zu zerstören und die Indigolösung zu entfärben. Spätere Untersuchungen lehrten uns, daß sich hiebei Mangansäure und Uebermangansäure bilden, welche, wenn sie mit organischen Materien zusammenkommen, leztere zersezen unter Absonderung des Sauerstoffs und von Mangansuperoxydhydrat. In neuester Zeit scheint ein englischer Chemiker, Watson, dieselben Thatsachen beobachtet zu haben und empfahl in Folge davon, die Verbindungen der Mangansäure mit überschüssiger Schwefelsäure zum Bleichen des Talgs anzuwenden (polytechnisches Journal Bd. LXXXVIII S. 70). Dieß veranlaßte mich Uebermangansäure in Verbindung mit Schwefelsäure nach dem von ihm angegebenen Verfahren darzustellen und mit diesem Präparat einige Versuche über Talgbleichen anzustellen. In einem Glasschälchen verdünnte ich Nordhäuser Schwefelsäure mit so viel Wasser, daß diese Säure am Baumé'schen Aräometer nur mehr 54 bis 58° zeigte. Dieser Säure sezte ich, so lange sie noch durch ihre Vermischung mit dem Wasser warm war, feingepulvertes Mangansuperoxyd in Ueberschuß zu und rührte sorgfältig um. Nach Verlauf zweier Tage, während welcher die Mischung oft umgerührt wurde, hatte die geklärte Flüssigkeit eine dunkelcarmoisinrothe Farbe angenommen und wurde mit so viel Wasser verdünnt, daß die Lösung die Farbe verdünnten Himbeersafts annahm. Mit dieser Uebermangansäure (in Verbindung mit Schwefelsäure), welche ungefähr 38° B. zeigte, behandelte ich ein halbes Kilogramm frisch geschmolzenen guten Talgs auf folgende Weise: Ich ließ den Talg bei gelinder Wärme in einer Porzellanschale schmelzen und rührte, als er 48–49° R. zeigte, 30 Gramme (1 Unze) der Manganflüssigkeit sorgfältig unter den schmelzenden Talg. Da aber die Masse nach einer halben Stunde noch gar keine Veränderung erlitten hatte, sezte ich noch 15 Gramme der Bleichflüssigkeit hinzu und erhizte den Talg auf 78° R. Bei dieser Temperatur klärte sich der Talg und sezte schwärzliche Floken ab; er Verbreitete dabei einen dem frischer Gurken ähnlichen Geruch. Auf diesem Punkt angelangt kühlte ich die Masse mit Wasser ab, ließ sie aber noch eine Zeit lang über dem Feuer, damit sich die Flüssigkeit vollkommen klaren konnte. Nach dem Erkalten verglich ich diesen Talg mit einem gar keiner Behandlung unterzogenen, fand aber leinen merklichen Unterschied hinsichtlich der Färbung. Auch stellte ich eine vergleichende Untersuchung hinsichtlich der Verbrennung an und ließ zu diesem Behuf Kerzen davon gießen, welche ich mit andern verglich, die aus Talg bereitet waren, welcher mit einer Alaunlösung behandelt worden war, welche man nachher mittelst kohlensauren Natrons zersezte.Es ist dieß die gewöhnliche und zwekmäßigste Art den Talg zu reinigen, indem das dabei sich bildende schwefelsaure Natron den thierischen Leim etc. auflöst und die frei werdende Thonerde theils mit den Uneinigkeiten, theils mit dem Talg eine seifenartige Verbindung eingeht, welche die Fette vollkommen reinigt und ihnen Consistenz gibt. Es ergab sich, daß diese leztern ökonomischer verbrannten als die andern, und zwar im Verhältniß von 6 zu 7. Da die Ersparung beim Verbrennen der Lichte ein wichtiger Gegenstand ist, und die weiße Farbe des Talgs durch gehörige Behandlung desselben mit Schwefelsäure eben so schnell bewirkt werden kann, so glaube ich die Behandlung mit Mangansäure nicht empfehlen zu dürfen. Viel schneller bezwekt man die Oxydation des Talgs mittelst rauchender Salpetersäure, wodurch er zu gleicher Zeit mehr Consistenz erhält. Man nimmt zu diesem Behuf 1 Kilogr. geschmolzenen Talgs und 4 Gramme rauchende Salpetersäure und verfährt wie folgt: man läßt den Talg in einem kleinen Topf von Porzellan oder Steingut schmelzen, sezt dann Salpetersäure (im angegebenen Verhältniß) hinzu und erhizt unter beständigem Umrühren bis auf 78° R. Sobald der oben erwähnte Gurkengeruch sich einstellt, nimmt der nun gereinigte Talg eine citronengelbe Farbe an und es sondern sich davon bräunliche Floken ab; man kühlt die Masse mittelst Wasser ab und läßt sie stehen, damit sie sich klärt. Hat sich der Talg abgesezt, so schöpft man ihn aus, um ihn in das Gefäß zu gießen, in welchem er behufs der Kerzenfabrication gesammelt wird. Doch darf man mit dem so gereinigten Talg das Gießen der Lichter nicht sogleich vornehmen, weil er noch etwas Salpetersäure enthält, welche die Formen angreifen und verderben würde. Der so behandelte Talg ist in Folge der Oxydation gelb von Farbe, nimmt aber an der Luft schon in 2–3 Tagen eine schneeweiße Farbe an, und in diesem Zustand desselben brannten die Lichter, welche ich davon verfertigen ließ, je nach der äußern Temperatur 8 bis 9 Stunden. Die in der rükständigen Flüssigkeit enthaltene verdünnte Säure kann mit Vortheil zur Behandlung des rohen Talgs angewandt werden.