Titel: Ueber das Umkehren der Zeichnungen und Schriften auf Stein von Schwarz in Weiß und vice versa; von E. Knecht.
Fundstelle: Band 95, Jahrgang 1845, Nr. LXI., S. 227
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LXI. Ueber das Umkehren der Zeichnungen und Schriften auf Stein von Schwarz in Weiß und vice versa; von E. Knecht. Aus dem Technologiste, Jan. 1845, S. 154. Knecht, über das Umkehren der Zeichnungen und Schriften auf Stein von Schwarz in Weiß etc. In Sennefelders Lehrbuch der Steindrukerei (München 1818) S. 340, 357, 358 und 359 wird dieser Gegenstand umständlich behandelt. Nicht als Erfinder also, sondern als Praktiker theile ich das Folgende mit. Eine Zeichnung weiß hervortreten zu lassen. Man präparirt einen gut zugerichteten und polirten Stein mit einer Mischung von Salpetersäure, Galläpfelabsud und Wasser (das Verhältniß ist unten im Recept Nr. 1 angegeben) und wascht den Stein mit Wasser ab. Wenn er ganz troken ist, zeichnet man darauf mittelst des Pinsels oder der Feder mit einer Tusche, welche aus arabischem Gummi und Kienruß besteht. Man läßt troknen und schwärzt sodann den Stein mittelst einer mit leichter Drukschwärze (Präparir-Tinte) beschikten Walze vollkommen ein. Man vermeide hierbei jede Walze, welche an demselben Tage schon benuzt wurde, weil das geringste Theilchen Wasser oder Feuchtigkeit die ganze Arbeit verderben würde. Wenn der Stein ganz mit Schwärze überzogen ist, sprengt man einige Tropfen Wasser darauf und fährt dabei immer mit der Walze über den Stein. Die mit Gummi gemachte Zeichnung wird allmählich weiß hervortreten. Man läßt einen Augenblik ruhen, säuert den Stein zum zweitenmal mit der Mischung Nr. 1 und macht nachher die Abdrüke. Soll das Abziehen lange fortgesezt werden, so trägt man fette Schwärze auf den Stein, säuert wie bei einer Federzeichnung und läßt ihn einige Stunden unter Gummi, ehe man zum Abziehen schreitet. Will man diese weiße Zeichnung in Schwarz umkehren, so braucht man nur zuvörderst den Stein mit Wasser zu reinigen, auf mehreremal und sehr langsam ein nach der Vorschrift Nr. 2 bereitetes Seifenwasser darauf zu gießen, und nachdem der Stein wieder troken geworden ist, in die je nach der gegebenen Präparirung, mehr oder weniger ausgehöhlten (geäzten) Stellen eine fette, mit chemischer Kreide vermischte Tinte einzureiben; diese fette Tinte, welche man auf ein Stük Flanell aufträgt, bleibt zulezt am Stein haften und häuft sich in seinen Vertiefungen an. Auf diese Weise wird der Stein zum zweitenmal durchaus schwarz. Man läßt ihn 24 Stunden lang liegen, damit die fette Substanz recht eindringen kann und beseitigt dann alle Tinte mittelst Terpenthinöhl. Man schwärzt den Stein wieder mittelst des Flanells mit der erwähnten fetten Tinte ein, wobei der Flanell aber mit einer Mischung von Wasser und Phosphorsäure (Nr. 3) schwach befeuchtet wird. Fährt man zu reiben fort, so wird der Grund wieder mit Tinte versehen, die Oberfläche gereinigt und es bleibt nichts als ein grauer Ton zurük, welcher allmählich verschwindet, entweder durch Abreiben mit einem reinen Stükchen feinen Tuchs, welches man bloß mit dem phosphorsäurehaltigen Wasser anfeuchtet, oder durch Behandlung mit der Walze oder Berührung mit den Fingern. Allerdings erheischt diese Arbeit einige Uebung und Umsicht, allein der Erfolg ist sicher, namentlich, wenn man gleich anfangs zum Präpariren des Steins statt der in Nr. 1 angegebenen Salpetersäure die Säure Nr. 3 benuzt. Die Phosphorsäure läßt die Fettsubstanzen nicht in den Stein eindringen, es müßte denn ihre Einwirkung vorher durch ein Alkali aufgehoben werden. Die Oberfläche ist viel leichter zu reinigen, wovon man sich überzeugen kann, indem man einen Stein zur Hälfte mit Salpetersäure und zur Hälfte mit Phosphorsäure (1 und 3) präparirt. Diese leztere Hälfte wird nicht ein Drittheil so viel Arbeit bedürfen. Verfahren jede Art Ueberdruk von Autographien, Letterndruk, Kupferstichen etc. umzukehren. Man präparirt den Stein mit der Säure Nr. 3, wascht die präparirte Fläche ab, läßt bei feuchter Witterung am Ofen, außerdem an der Sonne troknen, drukt den frischen Abzug über, überzieht nachher mit Gummilösung, schwärzt hierauf mit einer gut gefertigten Walze und einer leichten Tinte, wobei man sich in Acht nimmt nicht auszugleiten; man macht einen oder zwei Abdrüke und schwärzt wieder ein; man schüttet Seifenwasser (2) auf, läßt troknen und die übrige Operation geschieht geradeso, wie wir schon oben angaben. Die Zeichnung oder Schrift, welche schwarze Abdrüke gab, wird endlich heraustreten und weiße geben. Aus dem Vorhergehenden ergibt sich von selbst, daß man, statt überzudruken, auch sogleich mit Tinte oder mit lithographischer Kreide direct auf den Stein zeichnen und dann diese Zeichnungen in Weiß umkehren kann. Um aber nicht zu viele Schwierigkeiten bekämpfen zu müssen, geben wir unter Nr. 4 und 5 eine besondere Tinte und Kreide an. Man kann sehr originelle Arbeiten machen, indem man ein Papier zum Gegenabdruk der Kreide (Recept 6) präparirt. Man hat dadurch den Vortheil, die Zeichnungen auf zwei verschiedene Weisen abziehen zu können, ohne dem Künstler Schwierigkeiten zu verursachen. Es ist durchaus nothwendig, zu allen diesen Arbeiten vollkommen gut zugerichtete, feinkörnige und polirte Steine ohne Adern, Sandkörner oder andere Fehler anzuwenden. Soll eine schwarze Zeichnung, von welcher schon viele Abzüge gemacht wurden und die nicht schon im Voraus dazu vorbereitet wurde, in Weiß umgekehrt werden, so hat das sehr viele Schwierigkeiten; man thut sich viel leichter einen Ueberdruk davon zu machen. Doch kann man durch genaue Befolgung dessen, was im ersten Paragraph darüber gesagt wurde, den Zwek erreichen. Auf Stein gravirte Zeichnungen sind leicht umzukehren. Man nimmt zuvörderst die Zeichnung mit Terpenthinöhl hinweg und bringt dann Kalkmilch darüber, indem man die vertieften Stellen mit einer geeigneten zarten Bürste reibt. Man wascht mit Wasser ab, läßt troknen, schwärzt hierauf den Stein mit einer recht guten und sehr harten Walze ein, worauf sich wenig, aber gut angemachte fette Schwärze befindet; man führt sie recht lange Zeit und recht leicht darüber hin, bis die Oberfläche des Steins ganz mit fetter Schwärze überzogen ist; hierauf gießt man das Präparat 1 oder 3 auf den Stein und kann dann, nachdem die fette Schwärze mittelst Terpenthinöhls entfernt wurde, zum Abziehen schreiten; die vertieften Stellen nehmen kein Fett mehr an. Man stellt den Stein in seinen frühern Zustand wieder her, indem man diese Operation wieder von vorn anfängt, schüttet aber, nachdem man mittelst Kalk (die Zeichnung) abgelöst hat, Seifenwasser auf und schwärzt dann mit dem Flanelllappen. Um Zeichnungen umzukehren, welche genug Relief haben, so daß sie ohne Wasser, ohne Befeuchtung, wie bei der Typographie, auf mechanische Weise geschwärzt werden können, reibt man etwas recht diken Schleim von arabischem Gummi, Eiweiß und irgend ein Pigment, Schwarz, Roth oder Weiß zusammen. Man macht einen Abzug von recht gleichmäßigem Ton, ohne starke Pression, und legt ihn auf den mit Phosphorsäure präparirten Stein; nach dem Widerdruk und dem Troknen des Steins versieht man denselben mit fetter Schwärze, nimmt den Ueberdruk mittelst Wassers weg, präparirt mit der Säure Nr. 1 und kann nun die Abzüge machen. Aus dem Gesagten geht schon hervor, daß auch eine Schrift von gewöhnlicher wässeriger Tinte übergedrukt werden kann. Seit vielen Jahren schon copirt man mit gewöhnlicher Tinte geschriebene Briefe; man braucht der Tinte nur etwas Zuker oder Candis, oder auch nur arabisches Gummi zuzusezen; durch den Druk wird die Schrift auf ein anderes dünnes und befeuchtetes Stük Papier übergetragen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser Widerdruk auch auf etwas anderes als das feuchte Papier gemacht werden könnte. Daraus aber, daß die Schrift durch den Ueberdruk reproducirt wird, darf man nicht schließen, daß der erste beste Brief oder jedes Actenstük durch Widerdruk copirt werden kann, ohne daß die Züge überfahren werden; dieß ist durchaus nicht der Fall. Wenn man sich einer fließenden Tinte bedient, oder Sand, Pulver auf die Tinte streut, welche entweder weil sie zu dik ist oder zu viel Gummi enthält, nicht schnell troknet, so ist nicht zu befürchten, daß ein Abdruk ohne Beihülfe der Hand davon gemacht werden könnte. Bei rauhem Papier, z.B. geleimtem Stempelpapier, ist dieß noch weniger möglich als bei glattem, glacirtem, wo die Schrift sich auf der Oberfläche erhält. Wenn man Schrift von gewöhnlicher Tinte überdruken will, müssen Papier und Tinte im Voraus dazu vorbereitet werden, widrigenfalls man nichts Gutes zuwege bringt. Einer kleinen geschichtlichen Abschweifung will ich, als Zeuge des Vorfalls, hier ihren natürlichen Plaz einräumen. In den Jahren 1816 und 1817 stellte der Erfinder des Steindruks in Wien mit einer für den Prinzen Leopold, nachmaligem Herzog von Toscana, verfertigten tragbaren Presse Versuche an. Obwohl Sennefelder damals schon merkte und voraussagte, daß der Ueberdruk der wichtigste Theil der Lithographie werden muß, war die Autographie doch noch in ihrer Kindheit, die Tinte floß noch schwer, die Abdrüke wurden schwerfällig, klebrig. Der Prinz sagte zu ihm: Sennefelder, deine Erfindung wäre vollkommen, wenn man mit gewöhnlicher Tinte schreiben könnte, denn mit der deinigen brachte ich nicht eine Zeile ordentlich zuwege.“ Am andern Tag brachte Sennefelder dem Prinzen Papier und that etwas Zuker und Gummi in das Tintenfaß; der Prinz schrieb einige Zeilen und wenige Stunden darauf überbrachte ihm Sennefelder ein Duzend Abdrüke, welche vollkommen befriedigten. Recepte. Nr. 1. 1 Gewichtstheil gepulverter blonder Galläpfel läßt man 5 Minuten lang in 10,000 Gewichtstheilen Wasser kochen und decantirt. 40 Theilen Wasser sezt man 5 Thle. dieses Absuds und 1 Thl. Salpetersäure zu. Nr. 2. In 25,000 Gewichtstheilen Regenwasser löst man 1 Gewichtstheil Marseiller Seife auf. Nr. 3. 50,000 Gewichtstheile Regenwasser versezt man mit 1 Gewichtstheil Phosphorsäure. Nr. 4. Jungferwachs   4 Thle. Gereinigte Potasche (Weinsteinsalz, Sal tartari)   deßgl. Unschlitt   deßgl. Schwärze (Kienruß)   deßgl. Nr. 5. In 25 Theilen Wassers läßt man 4 Thle. Gummilak (Schellak) und 1 Thl. Borax zergehen und sezt etwas Kienruß behufs der Färbung zu. Sollte diese Tinte zu dik geworden seyn, so sezt man ihr Wasser zu. Man kann ihr auch 1 Thl. chemischer Tinte zusezen. Nr. 6. Man nimmt ungeleimtes Papier und überzieht es mit einer dünnen Schicht Kleister; ist es troken, so preßt man den Bogen zwei- bis dreimal auf einen fein- aber scharfkörnigen Stein. – Es zeichnet sich auf denselben wie auf Sammt. Behufs des Widerdruks verfährt man wie mit dem Papier zur Autographie.