Titel: Miszellen.
Fundstelle: Band 95, Jahrgang 1845, Nr. CII., S. 393
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CII. Miszellen. Miszellen. Die neue allgemeine Gewerbe-Ordnung für die preußische Monarchie. Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, Koͤnig von Preußen etc. etc. haben die in den verschiedenen Landestheilen bestehenden Vorschriften uͤber den Gewerbebetrieb einer Revision unterworfen und verordnen auf den Antrag Unseres Staats-Ministeriums, nach Anhoͤrung Unserer getreuen Staͤnde und nach vernommenem Gutachten Unseres Staatsraths, fuͤr den ganzen Umfang der Monarchie, was folgt: Titel I.Aufhebung bestehender Beschränkungen des Gewerbe-Betriebs. §. 1. Das in einzelnen Landestheilen mit Gewerbe-Berechtigungen noch verbundene Recht, Anderen den Betrieb eines Gewerbes zu untersagen oder sie darin zu beschraͤnken (ausschließliche Gewerbe-Berechtigung), wird hierdurch aufgehoben ohne Unterschied, ob die Berechtigung an einem Grundstuͤk haftet oder nicht. §. 2. Ferner werden aufgehoben alle Berechtigungen, Concessionen zu gewerblichen Anlagen oder zum Betrieb von Gewerben zu ertheilen. §. 3. Vorbehaltlich der durch das Gesez vom 30. Mai 1820 eingefuͤhrten Gewerbe-Steuer, werden ferner aufgehoben alle Abgaben, welche fuͤr den Betrieb eines Gewerbes entrichtet werden, so wie die Berechtigungen, dergleichen Abgaben aufzulegen. Ist jedoch mit der Gewerbe-Berechtigung das Recht zur Untersagung oder Beschraͤnkung des Betriebs eines stehenden Gewerbes verbunden, so muß die darauf ruhende ganze Abgabe bis zu dem Tag geleistet werden, an welchem der Betrieb dieses Gewerbes von einer Person begonnen wird, gegen die der Widerspruch haͤtte geltend gemacht werden koͤnnen. Ob eine Abgabe zu den aufgehobenen zu rechnen sey, ist in allen Landestheilen nach Inhalt der Verordnung vom 19. Februar 1832 (Gesez-Sammlung S. 64) zu beurtheilen. §. 4. Von den noch bestehenden Zwangs- und Bannrechten werden hierdurch aufgehoben: 1) alle Zwangs- und Bannrechte, welche dem Fiscus, einer Kaͤmmerei oder Gemeinde innerhalb ihres Communalbezirks oder einer Corporation von Gewerbetreibenden zustehen oder von einem dieser Berechtigten erst nach dem 31. Dec. 1836 auf einen Anderen uͤbergegangen sind; 2) alle Zwangs- und Bannrechte, deren Aufhebung nach dem Inhalt der Verleihungs-Urkunde ohne EntschaͤdigungEntchaͤdigung zulaͤssig ist; und 3) sofern die Aufhebung nicht schon in Folge der Bestimmungen zu 1 und 2 eintritt, a) das mit dem Besiz einer Muͤhle, einer Brennerei oder Brennerei-Gerechtigkeit, einer Brauerei oder Braugerechtigkeit oder einer Schankstaͤtte verbundene Recht, die Consumenten zu zwingen, daß sie bei dem Berechtigten ihren Bedarf mahlen oder schroten lassen oder das Getraͤnk ausschließlich von demselben beziehen (der Mahlzwang, der Branntweinzwang und der Brauzwang), b) das staͤdtischen Baͤkern und Fleischern zustehende Recht, die Einwohner der Stadt, der Vorstaͤdte oder der sogenannten Bannmeile zu zwingen, daß sie ihren Bedarf an Gebaͤk oder Fleisch ganz oder theilweise von jenen ausschließlich entnehmen, in allen zu 3 gedachten Faͤllen jedoch nur dann, wenn das Zwangsrecht nicht auf einem Vertrage zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten beruht. §. 5. Diejenigen Zwangs- und Bannrechte, welche nicht durch die Bestimmungen des §. 4 aufgehoben sind, koͤnnen von den Verpflichteten abgeloͤst werden, wenn die Verpflichtung auf Grundbesiz haftet, die Mitglieder einer Corporation als solche betrifft oder Bewohnern eines Orts oder Districts vermoͤge ihres Wohnsizes obliegt. Dasselbe gilt von dem Recht, den Inhaber einer Schankstaͤtte zu zwingen, daß er das zu seinem Debit erforderliche Getraͤnk aus einer bestimmten Fabricationsstaͤtte entnehme. Dem Berechtigten steht die Befugniß, auf Abloͤsung anzutragen, nicht zu. §. 6. In den bestehenden Vorschriften wegen der Regalien und Monopole des Staats und der daraus entspringenden Beschraͤnkungen des Betriebs einzelner Gewerbe, wird durch das gegenwaͤrtige Gesez nichts geaͤndert. Insbesondere gilt dieß von den das Bergwesen betreffenden Vorschriften. §. 7. Die wegen der Befugniß zum Halten oͤffentlicher Faͤhranstalten bestehenden Bestimmungen bleiben unveraͤndert. Sofern Faͤhr-Gerechtigkeiten ausschließliche Berechtigungen sind, koͤnnen sie von den Ministerien gegen eine nach den Grundsaͤzen des Gesezes vom 16. Jun. 1838 (Gesezsammlung S. 353. ff.) zu gewaͤhrende Entschaͤdigung aufgehoben werden. §. 8. Die zur Zeit in den einzelnen Landestheilen geltenden Vorschriften uͤber das Abdekereiwesen bleiben bis zur beendigten Revision derselben in Kraft. §. 9. Die besonderen Vorschriften uͤber Ertheilung und Benuzung der Erfindungs-Patente kommen ferner zur Anwendung. §. 10. Unter welchen Umstaͤnden und in welcher Art fuͤr die durch die §§. 1 bis 5 aufgehobenen oder fuͤr abloͤsbar erklaͤrten Berechtigungen eine Entschaͤdigung gewaͤhrt wird, bestimmt ein besonderes Gesez vom heutigen Tage. Hinsichtlich der Entschaͤdigung fuͤr diejenigen Berechtigungen, welche schon vor Verkuͤndigung des gegenwaͤrtigen Gesezes aufgehoben oder fuͤr abloͤsbar erklaͤrt worden sind, bewendet es bei den bisherigen Vorschriften. §. 11. Ausschließliche Gewerbe-Berechtigungen oder Zwangs- und Bannrechte, welche durch dieses Gesez aufgehoben oder fuͤr abloͤsbar erklaͤrt worden sind, koͤnnen fortan durch Verjaͤhrung nicht mehr erworben werden. Durch Vertraͤge oder andere Rechtstitel koͤnnen dergleichen Rechte nicht auf einen laͤngeren als zehnjaͤhrigen Zeitraum begruͤndet werden. Verabredungen, wodurch fuͤr den Fall der Nichterneuerung des Vertrages eine Entschaͤdigung festgesezt wird, sind nichtig. §. 12. Die Beschraͤnkung gewisser Gewerbe auf die Staͤdte hoͤrt auf. §. 13. Der gleichzeitige Betrieb verschiedener Gewerbe ist Jedem gestattet, so weit nicht besondere gesezliche Vorschriften eine Beschraͤnkung anordnen. Titel II.Bedingungen des Gewerbebetriebs. §. 14. Fuͤr den Gewerbebetrieb im Umherziehen bleiben die bisherigen Vorschritten maaßgebend, so weit nicht die Bestimmungen der §§. 1 bis 4 und des §. 60 eine Aenderung begruͤnden. §. 15. Die polizeiliche Zulaͤssigkeit des Betriebs derjenigen Gewerbe, welche nicht im Umherziehen betrieben werden (stehende Gewerbe), ist fortan nur nach den Bestimmungen dieses Gesezes zu beurtheilen. Wer gegenwaͤrtig zum Betrieb eines Gewerbes berechtigt ist, kann von demselben um deßhalb nicht ausgeschlossen werden, weil er den Erfordernissen dieses Gesezes nicht genuͤgt. I. Allgemeine Bestimmungen. §. 16. Ein stehendes Gewerbe darf fuͤr eigene Rechnung und unter eigener Verantwortlichkeit (selbststaͤndig) nur derjenige betreiben, welcher a) dispositionsfaͤhig ist und b) innerhalb Unserer Staaten einen festen Wohnsiz hat. §. 17. Minderjaͤhrige, welche der vaͤterlichen Gewalt unterworfen sind, muͤssen, bevor sie den selbststaͤndigen Betrieb eines stehenden Gewerbs beginnen, die ausdruͤkliche Genehmigung des Vaters zu dem Gewerbbetriebe nachweisen. Im Bezirk des Appellationsgerichtshofes zu Koͤln ist die Zulassung der Minderjaͤhrigen zum Beginn des selbststaͤndigen Betriebs eines stehenden Gewerbes nach Art. 2 des rheinischen Handelsgesezbuchs zu beurtheilen. §. 18. Auslaͤnder duͤrfen, sofern nicht durch Staatsvertraͤge ein anderes bestimmt ist, nur mit Erlaubniß der Ministerien in Unseren Staaten ein stehendes Gewerbe betreiben. §. 19. Die in Reihe und Glied stehenden Militaͤrpersonen, so wie alle unmittelbaren und mittelbaren Staatsbeamten, auch solche, die ihr Amt unentgeltlich verwalten, beduͤrfen zu dem Betrieb eines Gewerbes der Erlaubniß ihrer vorgesezten Dienstbehoͤrde, sofern nicht das Gewerbe mit der Bewirthschaftung eines ihnen gehoͤrigen laͤndlichen Grundstuͤks verbunden oder sonst durch besondere gesezliche Bestimmungen ein Anderes angeordnet ist. Diese Erlaubniß muß auch zu dem Gewerbebetrieb ihrer Ehefrauen, der in ihrer vaͤterlichen Gewalt stehenden Kinder, ihrer Dienstboten und anderer Mitglieder ihres Hausstandes eingeholt werden. §. 20. Von dem Besiz des Buͤrgerrechts soll die Zulassung zum Gewerbebetrieb in keiner Stadt und bei keinem Gewerbe abhaͤngig seyn. In der Verpflichtung der Gewerbetreibenden zur Erwerbung des Buͤrgerrechts, so weit solche in der bestehenden staͤdtischen Verfassung begruͤndet ist, wird durch gegenwaͤrtiges Gesez nichts geaͤndert; die Execution auf Erfuͤllung dieser Verpflichtung darf aber nicht bis zur Untersagung des Gewerbebetriebs ausgedehnt werden. §. 21. Wer wegen eines von ehrloser Gesinnung zeugenden Verbrechens, insbesondere wegen Meineids, Raubes, Diebstahls oder Betrugs, verurtheilt worden, bedarf zum Beginn eines jeden selbststaͤndigen Gewerbebetriebs, derjenige aber, welchem der Betrieb eines bestimmten Gewerbes durch richterliches Erkenntniß untersagt worden ist, zum Beginn des selbststaͤndigen Betriebs eines anderen verwandten Gewerbes der besonderen Erlaubniß der Polizei-Obrigkeit des Orts. Diese Erlaubniß ist zu versagen, wenn nach der Eigenthuͤmlichkeit des Gewerbebetriebs und nach der Persoͤnlichkeit des Antragenden ein Mißbrauch zu besorgen ist oder durch den beabsichtigten Gewerbebetrieb der Zwek des Straf-Erkenntnisses vereitelt werden wuͤrde. Diese Vorschriften finden auch Anwendung auf die Ehefrauen solcher Personen, ihre noch unter vaͤterliche Gewalt stehenden Kinder, ihre Dienstboten und andere Mitglieder ihres Hausstandes. §. 22. Wer den selbststaͤndigen Betrieb eines Gewerbes anfangen will, muß zuvor der Communal-Behoͤrde des Orts Anzeige davon machen. Die Communal-Behoͤrde hat diese Anzeige, wenn sie nicht zugleich die Polizei-Obrigkeit ist, lezterer mit ihren etwanigen Bemerkungen zuzustellen. §. 23. Die Polizei-Obrigkeit hat zu pruͤfen, ob den in diesem Geseze fuͤr den selbststaͤndigen Gewerbebetrieb im Allgemeinen oder fuͤr das beabsichtigte Gewerbe insbesondere vorgeschriebenen Erfordernissen genuͤgt ist. Ist einem dieser Erfordernisse nicht genuͤgt, so ist der Beginn oder die Fortsezung des Gewerbebetriebs mittelst Bescheides zu untersagen, sonst aber dem Anmeldenden eine Bescheinigung uͤber die erfolgte Anmeldung zu ertheilen. §. 24. Ueber die Anmeldungen sind durch die Polizei-Obrigkeit genaue Register zu fuͤhren. §. 25. Beschwerden uͤber die Untersagung des Gewerbebetriebs koͤnnen nur bei den Verwaltungs-Behoͤrden angebracht werden. Der Rechtsweg findet dagegen nicht statt. II. Erforderniß besonderer polizeilicher Genehmigung. §. 26. Eine besondere polizeiliche Genehmigung ist nur erforderlich: 1) zur Errichtung gewerblicher Anlagen, welche durch die oͤrtliche Lage oder die Beschaffenheit der Betriebsstaͤtte fuͤr die Besizer oder Bewohner der benachbarten Grundstuͤke oder fuͤr das Publicum uͤberhaupt erhebliche Nachtheile, Gefahren oder Belaͤstigungen herbeifuͤhren koͤnnen; 2) zu dem Beginn solcher Gewerbe, bei welchen entweder a) durch ungeschikten Betrieb oder b) durch Unzuverlaͤssigkeit des Gewerbetreibenden in sittlicher Hinsicht das Gemeinwohl oder die Erreichung allgemeiner polizeilicher Zweke gefaͤhrdet werden kann. 1) Gewerbliche Anlagen, welche einer besonderen polizeilichen Genehmigung bedürfen. §. 27. Zu den gewerblichen Anlagen, welche einer besonderen polizeilichen Genehmigung beduͤrfen (§. 26 zu 1), sollen fuͤr jezt gerechnet werden: Schießpulverfabriken, Anlagen zur Feuerwerkerei und zur Bereitung von Zuͤndstoffen aller Art, Gasbereitungs- und Gasbewahrungs-Anstalten, Anlagen zur Bereitung von Steinkohlentheer und Kohks, sofern sie außerhalb der Gewinnungsorte des Materials errichtet werden, Spiegel-Fabriken, Porzellan-, Fayence- und Thongeschirr-Manufacturen, Glas- und Rußhuͤtten, Zukersiedereien, Malzdarren, Kalk-, Ziegel- und Gypsoͤfen, Schmelzhuͤtten, Hohoͤfen, Metallgießereien, Hammerwerke, chemische Fabriken aller Art, Schnellbleichen, Firniß-Siedereien, Cichorien-, Staͤrke-, Wachstuch- und Darmsaiten-Fabriken, Leim-, Thran-, Seifen- und Fluß-Siedereien, Knochenbrennereien, Knochen- und Wachsbleichen, Talgschmelzen, Schlachthaͤuser, Gerbereien, Abdekereien, Poudretten- und Duͤngpulver-Fabriken; es gehoͤren dahin ferner: Dampfmaschinen, Dampfkessel und Dampfentwikler (§. 37), durch Wasser oder Wind bewegte Triebwerke (Muͤhlen u.s.w.) jeder Art (§. 38), so wie Branntweinbrennereien und Bierbrauereien. (§. 39.) Bei allen diesen Anlagen macht es keinen Unterschied, ob sie nur auf den eigenen Bedarf des Unternehmers, oder auch auf Absaz an Andere berechnet sind. §. 28. Zur Errichtung neuer Anlagen dieser Art (§. 27) ist die Genehmigung bei der Regierung nachzusuchen. Dem Gesuch muͤssen die zur Erlaͤuterung erforderlichen Zeichnungen und Beschreibungen beigefuͤgt werden. §. 29. Wenn die beabsichtigte Anlage nach dem Ermessen der Regierung mit so erheblichen Nachtheilen, Gefahren oder Belaͤstigungen fuͤr die Nachbarn oder fuͤr das Publicum uͤberhaupt verbunden ist, daß dieselbe sich ohne Weiteres als unzulaͤssig darstellt, so ist das Gesuch sogleich zuruͤkzuweisen. Ist kein Anlaß, das Gesuch sogleich zuruͤkzuweisen, so hat auf Anweisung der Regierung die Ortspolizei-Obrigkeit das Unternehmen mittelst einmaliger Einruͤkung in das Amtsblatt, und außerdem in der fuͤr andere polizeiliche Verordnungen am Ort vorgeschriebenen Art zur oͤffentlichen Kenntniß zu bringen, mit der Aufforderung, etwanige Einwendungen gegen die neue Anlage binnen vier Wochen anzumelden. Die vierwoͤchentliche Frist nimmt ihren Anfang mit dem Tage, an welchem das die Bekanntmachung enthaltende Amtsblatt ausgegeben worden, und ist fuͤr alle Einwendungen, welche nicht privatrechtlicher Natur sind, praͤclusivisch. §. 30. Werden keine Einwendungen angebracht, so hat die Regierung, sobald die Anzeige der Polizei-Obrigkeit eingegangen ist, unter Festsezung der sich etwa als noͤthig ergebenden Bedingungen, die Genehmigung zu ertheilen. Diese ist schriftlich auszufertigen und muß die festgesezten Bedingungen enthalten. §. 31. Die bei der Polizei-Obrigkeit angemeldeten Einwendungen privatrechtlicher Natur sind zur richterlichen Entscheidung zu verweisen, ohne daß von der Erledigung dieser Einwendungen die weitere Verhandlung uͤber die polizeiliche Genehmigung der Anlage (§. 32) abhaͤngig gemacht wird. Andere Einwendungen dagegen hat die Polizei-Obrigkeit unter Zuziehung des Unternehmers zum Protokoll vollstaͤndig zu eroͤrtern. Demnaͤchst sind die geschlossenen Verhandlungen mit beigefuͤgtem Gutachten an die Regierung einzureichen. §. 32. Die Regierung hat hierauf das Gesuch mit Ruͤksicht auf die bestehenden feuer-, bau- und gesundheits-polizeilichen Anordnungen und die Erheblichkeit der auf angebliche Nachtheile, Gefahren oder Belaͤstigungen gegruͤndeten Einwendungen zu pruͤfen und nach dem Befunde die Genehmigung entweder zu versagen, oder unbedingt zu ertheilen, oder endlich bei Ertheilung derselben diejenigen Vorkehrungen und Einrichtungen vorzuschreiben, welche zur Abhuͤlfe geeignet sind. §. 33. Der von der Regierung abgefaßte Bescheid ist sowohl dem Unternehmer, als den Widersprechenden durch die Ortspolizei-Obrigkeit zu eroͤffnen. Gegen den Bescheid steht der Recurs an die Ministerien offen; derselbe muß binnen einer praͤclusivischen Frist von zehn Tagen, vom Tag der Eroͤffnung des Bescheids an gerechnet, bei der Polizei-Obrigkeit angemeldet werden. Die Rechtfertigung der Beschwerde ist der Polizei-Obrigkeit binnen vier Wochen, von demselben Tage an, einzureichen, nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist sind die Verhandlungen ohne Weiteres zur Recurs-Entscheidung einzusenden. Durch die Anmeldung des Recurses von Seiten desjenigen, welcher der Anlage widersprochen hat, wird die von der Regierung ertheilte Genehmigung bis zur Entscheidung der Ministerien suspendirt. §. 34. An die Stelle der Polizei-Obrigkeit des Orts (§§. 29, 30, 31, 33) tritt der Landrath, wenn der Unternehmer selbst die Polizei-Obrigkeit ist oder die Ortspolizei zu verwalten hat. §. 35. Die baaren Auslagen, welche durch die Bekanntmachung und das weitere Verfahren entstehen, fallen dem Unternehmer, diejenigen Kosten aber, welche durch unbegruͤndete Einwendungen erwachsen, dem Widersprechenden zur Last. Die Regierungen und Ministerien haben in den Bescheiden uͤber die Zulaͤssigkeit der neuen Anlage zugleich die Vertheilung der Kosten festzusezen. §. 36. Die polizeiliche Genehmigung zu einer der im §. 27 bezeichneten Anlagen bleibt so lange in Kraft, als keine Veraͤnderung in der Lage oder Beschaffenheit der Betriebsstaͤtte vorgenommen wird, und bedarf unter dieser Voraussezung auch dann, wenn die Anlage auf einen neuen Erwerber uͤbergeht, einer Erneuerung nicht. Sobald aber eine Veraͤnderung der Betriebsstaͤtte vorgenommen werden soll, muß die Genehmigung der Regierung von neuem nach, gesucht werden. §. 37. Bei Dampfmaschinen, Dampfkesseln und Dampfentwiklern sind außer den Bestimmungen der §§. 27 bis 36 auch die dafuͤr ergangenen besonderen Vorschriften mit der Maßgabe anzuwenden, daß die polizeiliche Genehmigung der Anlage nunmehr nach §. 28 uͤberall der Regierung zusteht. §. 38. Auch bei den durch Wasser oder Wind bewegten Triebwerken (Muͤhlen etc.) jeder Art sind außer den Bestimmungen der §§. 27 bis 36 die dafuͤr bestehenden besonderen Vorschriften anzuwenden. Es werden jedoch die in einzelnen Landestheilen bestehenden Vorschriften, wonach die Anlage neuer und die Erweiterung und Veraͤnderung vorhandener, auf die Consumtion der Umgegend berechneter Getreide-Mahlmuͤhlen von dem Beduͤrfniß der Umgegend abhaͤngig ist (§. 242 Tit. 15 Th. II. Allgemeinen Landrechts und Ordre vom 23. Okt. 1826 Gesez-Sammlung S. 108) hierdurch aufgehoben. §. 39. Die in einzelnen Landestheilen bestehenden Vorschriften, wonach die Genehmigung zur Anlage neuer Branntweinbrennereien und Bierbrauereien bei laͤndlichen Grundstuͤken nur dann ertheilt werden darf, wenn diese Grundstuͤke nach landwirthschaftlicher Taxe einen Werth von 15,000 Rthlrn. haben, werden hiermit aufgehoben. §. 40. Einer besonderen Beschraͤnkung mit Ruͤksicht auf die oͤrtliche Lage sind ferner unterworfen: a) Tanz- und Fechtschulen, so wie Turn- und Bad-Anstalten; zur Errichtung oder Verlegung derselben ist eine polizeiliche Genehmigung erforderlich, welche in den Staͤdten bei der Polizei-Obrigkeit, auf dem Land unter Vorlegung eines Attestes der Polizei-Obrigkeit bei dem Landrathe nachzusuchen ist und erst dann ertheilt werden darf, wenn sich die Behoͤrde von der Angemessenheit des Locals und der beabsichtigten Einrichtung uͤberzeugt hat; b) die Errichtung oder Verlegung der Betriebsstaͤtte solcher Gewerbe, deren Ausuͤbung mit ungewoͤhnlichem Geraͤusch verbunden ist. Die Betriebsstaͤtte muß, insofern zur Anlage derselben nicht schon nach den Vorschriften der §§. 27 bis 36 die Genehmigung der Regierung einzuholen ist, der Polizei-Obrigkeit angezeigt werden; diese hat, wenn in der Naͤhe der gewaͤhlten Betriebsstaͤtte Kirchen, Schulen, Krankenhaͤuser oder andere oͤffentliche Gebaͤude vorhanden sind, deren bestimmungsmaͤßige Benuzung durch den Gewerbebetrieb auf dieser Stelle eine erhebliche Stoͤrung oder Belaͤstigung erleiden wuͤrde, die Entscheidung der Regierung daruͤber einzuholen, ob die Ausuͤbung des Gewerbes an der gewaͤhlten Betriebsstaͤtte zu untersagen oder nur unter Bedingungen zu gestatten sey. §. 41. Die durch die Steuergeseze in Beziehung auf die Lage der Betriebsstaͤtte angeordneten Beschraͤnkungen des Betriebs einzelner Gewerbe bleiben auch ferner in Kraft. 2) Gewerbetreibende, welche einer besonderen polizeilichen Genehmigung bedürfen. §. 42. Aerzte, Wundaͤrzte, Augenaͤrzte, Zahnaͤrzte, Geburtshelfer, Apotheker und Unternehmer von Privat-Kranken- und Privat-Irren-Anstalten beduͤrfen einer Approbation des Ministeriums der Medicinal-Angelegenheiten. §. 43. Hinsichtlich der Unternehmer von Erziehungs- und Unterrichts-Anstalten, so wie der Privatlehrer, bewendet es bei den besonderen Vorschriften. §. 44. Baumeister, welche aus der Leitung von Bau-Unternehmungen ein Gewerbe machen, beduͤrfen eines Pruͤfungs-Zeugnisses der Ober-Bau-Deputation. §. 45. Seeschiffer und Seesteuerleute, Vorsteher oͤffentlicher Faͤhren (Faͤhrmeister), Maurer, Steinhauer, Schiefer- und Ziegeldeker, Haus- und Schiffs-Zimmerleute, Muͤhlen- und Brunnen-Baumeister, Schornsteinfeger, Personen, welche mit Aufstellen von Blizableitern sich beschaͤftigen, ingleichem solche, welche Feuerwerke zum Verkauf bereiten oder gegen Entgelt abbrennen, Castrirer und Abdeker muͤssen sich uͤber den Besiz der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten durch ein Befaͤhigungs-Zeugniß der Regierung ausweisen. Dasselbe gilt von Hebammen, Bandagisten und Verfertigern chirurgischer Instrumente. So weit in Betreff der Schiffer und Lootsen auf Stroͤmen in Folge von Staatsvertraͤgen besondere Anordnungen getroffen sind, behaͤlt es dabei sein Bewenden. §. 46. Wie die Pruͤfungen der in den §§. 44 und 45 bezeichneten Gewerbetreibenden vorzunehmen sind und inwieweit die unter ihrem Gewerbe begriffenen Verrichtungen auch von ungepruͤften Personen ausgeuͤbt werden duͤrfen, wird durch Anordnungen der Ministerien bestimmt. Diesen steht auch die Befugniß zu, Personen, deren Befaͤhigung unzweifelhaft ist, ausnahmsweise von der vorgeschriebenen Pruͤfung zu entbinden. §. 47. Schauspiel-Unternehmer beduͤrfen einer besonderen Erlaubniß des Ober-Praͤsidenten der Provinz, in welcher sie ihre Vorstellungen geben wollen. Diese Erlaubniß darf ihnen nur nach vorgaͤngigem Nachweise gehoͤriger Zuverlaͤssigkeit und Bildung ertheilt, kann jedoch auch dann, wenn sie dieser Bedingung entsprechen, nach dem Ermessen des Ober-Praͤsidenten versagt werden. §. 48. Buch- und Kunsthaͤndler, Antiquare, Inhaber von Leihbibliotheken oder Lese-Cabinetten, Verkaͤufer von Flugschriften und Bildern, Lithographen, Buch- und Steindruker beduͤrfen einer besonderen Erlaubniß der Regierung, welche nur dann ertheilt werden darf, wenn diese Behoͤrde von der Unbescholtenheit und Zuverlaͤssigkeit, so wie von einer zum Betrieb des Gewerbes genuͤgenden allgemeinen Bildung des Unternehmers sich Ueberzeugung verschafft hat. §. 49. Schlossern, Pfandleihern, so wie denjenigen, welche mit gebrauchten Kleidern oder Betten, mit gebrauchter Waͤsche oder altem Metallgeraͤth, mit Schießpulver oder Giften handeln, ferner denjenigen, welche aus der Vermittlung von Geschaͤften oder der Uebernahme von Auftraͤgen, namentlich aus der Abfassung schriftlicher Aufsaͤze fuͤr Andere, ein Gewerbe machen, oder moͤblirte Zimmer oder Schlafstellen gewerbsweise vermiethen, Kammerjaͤgern, Lohnlakaien und anderen Personen, welche auf oͤffentlichen Straßen und Plaͤzen oder in Wirthshaͤusern ihre Dienste anbieten, ingleichem denen, welche auf oͤffentlichen Straßen und Plaͤzen Wagen, Pferde, Sanften, Gondeln und andere Transportmittel zu Jedermanns Gebrauch bereit halten, ist der Gewerbebetrieb erst dann, wenn sich die Behoͤrden von ihrer Unbescholtenheit und Zuverlaͤssigkeit uͤberzeugt haben, zu gestatten. Diese Erlaubniß ist in den Staͤdten bei der Polizei-Obrigkeit, auf dem Lande unter Vorlegung eines Attestes der Polizei-Obrigkeit bei dem Landrath nachzusuchen. §. 50. Unternehmern von Tanz- oder Fechtschulen, Bad- oder Turn-Anstalten ist die nach §. 40 zu a) erforderliche Genehmigung erst dann zu ertheilen, wenn sie sich uͤber ihre Unbescholtenheit und Zuverlaͤssigkeit ausgewiesen haben. §. 51. Die Geschaͤfte der Bau-Conducteure, Feldmesser, Nivellirer, Markscheider, Auctionatoren, See- und Binnenlootsen, Maͤkler, Dispacheurs und Gesinde-Vermiether duͤrfen nur von denjenigen Personen betrieben werden, welche als solche von den verfassungsmaͤßig dazu befugten Staats- oder Communal-Behoͤrden oder Corporationen angestellt oder concessionirt sind. §. 52. Ein Gleiches (§. 51) gilt von denen, welche den Feingehalt edler Metalle oder die Beschaffenheit, Menge oder richtige Verpakung von Waaren irgend einer Art feststellen, von Guͤterbestaͤtigern, Schaffnern, Waͤgern, Messern, Braakern, Schauern, Stauern u.s.w., so wie von denjenigen, welche ein Gewerbe daraus machen, Leichen zu reinigen und anzukleiden, oder die zur Bestattung von Leichen erforderlichen Geraͤthschaften und Wagen zu halten. §. 53. Die bisherigen Vorschriften uͤber die Befaͤhigung der in den §§. 51 und 52 bezeichneten Personen, uͤber die Zahl so wie den Umfang der Befugnisse und Verpflichtungen derselben bleiben ferner in Kraft. Jedoch wird den Ministerien vorbehalten, die noͤthigen Abaͤnderungen und Ergaͤnzungen zu treffen. Auch sind die Ministerien befugt, da, wo uͤber die Anstellung und den Geschaͤftsbetrieb dieser Personen keine Vorschriften bestehen, solche zu erlassen. 3) Besondere Bestimmungen. §. 54. Außer der Approbation (§. 42) beduͤrfen Apotheker, welche sich nicht im Besiz eines Real-Privilegiums befinden, einer Concession des Ober-Praͤsidenten, in welcher der Ort und das Grundstuͤk, wo das Gewerbe betrieben werden soll, bestimmt seyn muß. §. 55. Hinsichtlich des Kleinhandels mit Getraͤnken, so wie der Gastwirthschaft und der Schankwirthschaft, behaͤlt es bei den unterm 7. Februar 1835 (Gesezsammlung S. 18) und unterm 21. Jun. 1844 (Gesezsammlung S. 214) ergangenen Bestimmungen mit der Maßgabe sein Bewenden, daß die Ruͤksicht auf bisherige ausschließliche Gewerbeberechtigungen nicht weiter stattfindet, und daß an die Stelle der in jenen Bestimmungen angedrohten Strafen die des gegenwaͤrtigen Gesezes treten. In der polizeilichen Genehmigung kann eine noch vor Ablauf des Kalenderjahrs endende Frist bestimmt werden, innerhalb deren das Gewerbe bei Verlust der Befugniß zum Betrieb desselben begonnen werden muß. §. 56. Die Kehrbezirke der Schornsteinfeger koͤnnen nach dem Ermessen der Regierung nicht nur da, wo sie bisher bestanden, beibehalten, sondern auch da, wo sie bisher nicht bestanden, eingefuͤhrt, andererseits aber auch aufgehoben und veraͤndert werden, ohne daß deßhalb den Bezirks-Schornsteinfegern ein Widerspruchsrecht oder ein Anspruch auf Entschaͤdigung zusteht. Nur da, wo Zwangsrechte bestehen, ist eine Aufhebung oder Beschraͤnkung der diesen Rechten unterworfenen Kehrbezirke erst nach vorgaͤngiger Abloͤsung der Zwangsrechte (§. 5) zulaͤssig. §. 57. In Ansehung des Pfandleihgewerbes behaͤlt es bei den durch die bestehenden Vorschriften angeordneten Beschraͤnkungen sein Bewenden. §. 58. Insoweit die Zulassung zum Betrieb der in den §§. 51 bis 55 bezeichneten Gewerbe bisher von der Gemeinschaft mit einer der christlichen Kirchen abhaͤngig gemacht worden ist, soll dieß bis auf weitere Bestimmung auch ferner stattfinden. Titel III.Umfang, Ausübung und Verlust der Gewerbe-Befugnisse. §. 59. Wer zum selbststaͤndigen Betrieb eines stehenden Gewerbes befugt ist, unterliegt dabei nur denjenigen Beschraͤnkungen, welche durch gesezliche oder polizeiliche Bestimmungen angeordnet sind. Insbesondere darf er an seinem Wohnort in festen Verkaufsstaͤtten die Erzeugnisse oder sonstigen Gegenstaͤnde seines Gewerbebetriebes feil halten, auch in und außer seinem Local bestellte Arbeiten vornehmen, ingleichem verkaufte Waaren versenden und, so weit es nach Titel IV. zulaͤssig ist, auf Maͤrkten verkehren. Er ist befugt, die zu dem Betrieb seines Gewerbes erforderlichen Materialien und Werkzeuge zu verfertigen und unter Beachtung der dieserhalb bestehenden Vorschriften uͤberall anzukaufen und ankaufen zu lassen. Zum Feilhalten und Anbieten der gewerblichen Erzeugnisse oder Dienste auf Straßen oder an anderen oͤffentlichen Orten außer der gewoͤhnlichen Marktzeit oder außerhalb der zum Marktverkehr bestimmten Plaͤze bedarf es der besonderen Erlaubniß der Orts-Polizei-Obrigkeit. §. 60. In Ansehung der Befugniß der Gewerbetreibenden mit kaufmaͤnnischen Rechten, auch im Umherreisen, entweder selbst oder durch Gehuͤlfen, Waaren-Bestellungen zu suchen oder zum Behuf des Wiederverkaufs Waaren aufzukaufen, behaͤlt es bei den bestehenden Vorschriften sein Bewenden; es soll jedoch diese Befugniß fortan nirgends mehr davon abhaͤngig seyn, daß der Gewerbetreibende oder der Gehuͤlfe einer der christlichen Kirchen angehoͤrt. §. 61. Die Befugnisse zum Gewerbebetrieb koͤnnen durch Stellvertreter ausgeuͤbt werden; diese muͤssen jedoch nicht nur den fuͤr den selbststaͤndigen Gewerbebetrieb im Allgemeinen, sondern auch den fuͤr das in Rede stehende Gewerbe insbesondere vorgeschriebenen Erfordernissen genuͤgen. §. 62. Nach dem Tod eines Gewerbetreibenden darf das Gewerbe fuͤr Rechnung der Wittwe waͤhrend des Wittwenstandes oder, wenn minderjaͤhrige Erben vorhanden sind, fuͤr deren Rechnung durch einen nach §. 61 qualificirten Stellvertreter betrieben werden, insofern die uͤber den Betrieb einzelner Gewerbe bestehenden besonderen Vorschriften nicht ein Anderes anordnen. Dasselbe gilt waͤhrend der Dauer einer Curatel oder Nachlaß-Regulirung. §. 63. Inwiefern fuͤr die in den §§. 51 bis 54 bezeichneten Personen eine Stellvertretung zulaͤssig ist, hat in jedem einzelnen Fall die Behoͤrde zu bestimmen, welcher die Anstellung oder Concessionirung zusteht. Bei den im §. 55 bezeichneten Gewerben ist der Betrieb durch Stellvertreter nicht statthaft. §. 64. Neue Real-Gewerbe-Berechtigungen duͤrfen fortan nicht mehr begruͤndet werden. §. 65. Die zur Zeit noch bestehenden Real-Gewerbe-Berechtigungen koͤnnen auf eine andere gesezlich qualificirte Person in der Art uͤbertragen werden, daß der Erwerber die Gewerbe-Berechtigung fuͤr eigene Rechnung ausuͤben darf. §. 66. Bei Ertheilung der polizeilichen Genehmigung zu einer gewerblichen Anlage der in den §§. 27, 37 und 38 bezeichneten Arten, ingleichem zur Anlegung von Apotheken und von Privat-Kranken- und Privat-Irren-Anstalten, so wie zu Schauspiel-Unternehmungen kann von der genehmigenden Behoͤrde den Umstaͤnden nach eine Frist festgesezt werden, binnen welcher die Anlage oder das Unternehmen bei Vermeidung des Erloͤschens der Genehmigung begonnen und ausgefuͤhrt und der Gewerbebetrieb angefangen werden muß. Ist eine solche Frist nicht bestimmt, so erlischt die ertheilte Genehmigung, wenn der Inhaber nach Empfang derselben ein ganzes Jahr verstreichen laͤßt, ohne davon Gebrauch zu machen. Eine Verlaͤngerung der Frist kann von der Behoͤrde bewilligt werden, sobald erhebliche Gruͤnde nicht entgegenstehen. §. 67. Hat der Inhaber einer solchen Genehmigung (§. 66) seinen Gewerbebetrieb waͤhrend eines Zeitraums von drei Jahren eingestellt, so erlischt dieselbe. §. 68. Auf die Inhaber der bereits vor dem Erscheinen des gegenwaͤrtigen Gesezes ertheilten Concessionen finden die in den §§. 66 und 67 bestimmten Fristen ebenfalls Anwendung, jedoch mit der Maßgabe, daß diese Fristen von dem Tag der Verkuͤndigung des Gesezes an zu laufen anfangen. §. 69. Wegen uͤberwiegender Nachtheile und Gefahren fuͤr das Gemeinwohl kann die fernere Benuzung einer jeden gewerblichen Anlage zu jeder Zeit untersagt werden. Doch muß dem Besizer alsdann fuͤr den erweislichen wirklichen Schaden Ersaz geleistet werden. §. 70. Die Bestimmung des §. 69 findet auch auf die zur Zeit der Verkuͤndung des gegenwaͤrtigen Gesezes bereits vorhandenen gewerblichen Anlagen Anwendung; doch entspringt aus der Untersagung der ferneren Benuzung kein Anspruch auf Entschaͤdigung, wenn die fruͤher ausdruͤklich oder stillschweigend ertheilte Concession nach den bisher guͤltigen Gesezen ohne Entschaͤdigung haͤtte widerrufen werden koͤnnen. §. 71. Die in den §§. 42 bis 52 und §. 55 erwaͤhnten Concessionen, Approbationen und Bestallungen koͤnnen von der Verwaltungs-Behoͤrde zuruͤkgenommen werden, wenn die Unrichtigkeit der Nachweise dargethan wird, auf deren Grund solche ertheilt worden, oder wenn aus HandlungenHandlungrn oder Unterlassungen des Inhabers der Mangel der erforderlichen und bei Ertheilung der Concession u.s.w. vorausgesezten Eigenschaften klar erhellet. Inwiefern durch die Handlungen oder Unterlassungen eine Strafe verwirkt ist, bleibt der richterlichen Beurtheilung uͤberlassen. §. 72. Die Gruͤnde der beabsichtigten Zuruͤknahme der Concession u.s.w. (§. 71) sind dem Betheiligten bekannt zu machen und vollstaͤndig zu eroͤrtern, die Verhandlungen aber sodann mit der Vertheidigung desselben der Regierung zur Abfassung eines Plenar-Beschlusses vorzulegen. §. 73. Faͤllt der Beschluß fuͤr die Zuruͤknahme aus, so ist der danach mit Gruͤnden auszufertigende Bescheid dem Betheiligten zu eroͤffnen. Gegen diesen Bescheid ist der Recurs an das competente Ministerium zulaͤssig; der Recurs muß jedoch bei Verlust desselben binnen zehn Tagen, von der Eroͤffnung des Bescheids angerechnet, angemeldet werden. §. 74. Dem Ermessen der Regierung bleibt uͤberlassen, in dringenden Faͤllen die Ausuͤbung des Gewerbes entweder sogleich bei Einleitung des Verfahrens (§. 72), oder im Lauf desselben zu suspendiren. Titel IV.Marktverkehr. §. 75. Der Besuch der Messen, Jahr- und Wochenmaͤrkte, so wie der Kauf und Verkauf auf denselben, steht einem Jeden mit gleichen Befugnissen frei. Beschraͤnkungen hierin gegen Auslaͤnder, als Erwiederung der im Auslande gegen diesseitige Unterthanen angeordneten Beschraͤnkungen, bleiben den Ministerien vorbehalten. §. 76. Die Ministerien sind befugt, die Zahl, Zeit und Dauer der Maͤrkte festzusezen. Dem Marktberechtigten steht gegen eine solche Anordnung kein Widerspruch zu; ein Entschaͤdigungs-Anspruch gebuͤhrt demselben nur dann, wenn durch die Anordnung die Zahl der bis dahin abgehaltenen Maͤrkte vermindert wird und eine groͤßere Zahl ausdruͤklich und unwiderruflich verliehen war. Gemeinden, welche einen Entschaͤdigungs-Anspruch geltend machen wollen, muͤssen außerdem nachweisen, daß ihr Recht auf einen speciellen laͤstigen Tite sich gruͤndet. §. 77. Der Marktverkehr darf in keinem Fall mit anderen als solchen Abgaben belastet werden, welche eine Verguͤtung fuͤr den uͤberlassenen Raum und den Gebrauch von Buden und Geraͤtschaften bilden. In den Bestimmungen daruͤber, ob und in welchem Umfang Abgaben dieser Art erhoben werden duͤrfen, wird durch gegenwaͤrtiges Gesez nichts geaͤndert. §. 78. Gegenstaͤnde des Wochenmarkt-Verkehrs sind: 1) rohe Natur-Erzeugnisse, mit Ausschluß des groͤßeren Viehes; 2) Fabrikate, deren Erzeugung mit der Land- und Forstwirthschaft oder der Fischerei in unmittelbarer Verbindung steht, oder zu den Nebenbeschaͤftigungen der Landleute der Gegend gehoͤrt, oder durch Tagloͤhner-Arbeit bewirkt wird, mit Ausschluß der Getraͤnke; 3) frische Lebensmittel aller Art. Jede Regierung hat unter Genehmigung der Ministerien ein Verzeichniß der Gegenstaͤnde bekannt zu machen, welche hiernach oder nach Ortsgewohnheit und Beduͤrfnis in ihrem Bezirk uͤberhaupt oder an gewissen Orten zu den Wochenmarkts-Artikeln gehoͤren. §. 79. Einrichtungen, nach welchen der Einkauf von Lebensmitteln auf Wochenmaͤrkten einzelnen Massen von Kaͤufern nicht waͤhrend der ganzen Dauer des Markts, sondern nur waͤhrend einer gewissen Zeit gestattet wird, duͤrfen nur dann fortbestehen, wenn ihre Beibehaltung in Ruͤksicht auf oͤrtliche Gewohnheiten und Beduͤrfnisse von der Regierung genehmigt wird. §. 80. Gegenstaͤnde, welche an sich zum Marktverkehr gehoͤren und von außerhalb zum Marktort gebracht werden, duͤrfen an Markttagen an keinen anderen als an den fuͤr den Markt bestimmten, von der Ortsbehoͤrde in genuͤgendem Umfang anzuweisenden Plaͤzen, auch nicht vor oder in den Thoren gekauft werden. Naͤhere Bestimmungen hieruͤber bleiben den einzelnen Markt-Ordnungen vorbehalten. §. 81. Von der Bestimmung des §. 80 sind diejenigen Gegenstaͤnde ausgenommen, welche taͤglich zum Verkauf in Haͤusern und auf den Straßen umhergetragen werden duͤrfen (§. 86). Auch bleibt der Verkauf aus besondern Localen zulaͤssig. §. 82. Auf Jahrmaͤrkten duͤrfen außer den im §. 78 benannten Gegenstaͤnden auch Suͤdfruͤchte und auslaͤndische Gewuͤrze, ingleichen Fabricate aller Art feilgehalten werden. §. 83. Der Verkauf von Getraͤnken und zubereiteten Speisen zum Genuß auf der Stelle darf auf Jahrmaͤrkten nur nach Maaßgabe der oͤrtlichen Gewohnheiten und Beduͤrfnisse gestattet werden. §. 84. In den Graͤnzen der Bestimmungen der §§. 76 bis 83 kann die Polizei-Obrigkeit unter Genehmigung der Regierung die Markt-Ordnung nach dem oͤrtlichen Beduͤrfniß festsezen, namentlich auch fuͤr das Feilbieten von gleichartigen Gegenstaͤnden den Plaz, und fuͤr das Feilbieten im Umhertragen, mit oder ohne Ausruf, die Tageszeit und die Gattung der Waaren bestimmen. §. 85. Die Bestimmungen der §§. 76, 77, 79, 80, 81 und 84 finden auch auf diejenigen Markte Anwendung, welche an einzelnen Orten bei besonderen Gelegenheiten oder fuͤr einzelne Gattungen von Gegenstaͤnden gehalten werden, z.B. Weihnachtsmaͤrkte, Woll-, Vieh-, Butter-, Garn-, Leinwandmaͤrkte u. d. m. Hinsichtlich der Gegenstaͤnde, welche auf dergleichen Maͤrkten feil gehalten, und der Verkaͤufer, welche darauf zugelassen werden duͤrfen, bleibt es bei der bisherigen Observanz. Erweiterungen dieses Marktverkehrs koͤnnen von der Regierung nach Vernehmung der Communal-Behoͤrde angeordnet werden. §. 86. Inwiefern solche Erzeugnisse, welche nach §. 78 Gegenstaͤnde des Wochenmarkts-Verkehrs sind, auch außer der Marktzeit auf offener Straße, oder in Fahrzeugen auf oͤffentlichen Gewaͤssern feil gehalten, oder zum Verkauf in Haͤusern umhergetragen werden duͤrfen, ist nach dem oͤrtlichen Beduͤrfnisse und nach den Vorschriften fuͤr den Gewerbebetrieb im Umherziehen von der Ortspolizei-Obrigkeit zu bestimmen. §. 87. Beschraͤnkungen des Verkehrs mit den zu Messen und Maͤrkten gebrachten aber unverkauft gebliebenen Gegenstaͤnden werden hierdurch aufgehoben. Der Einzelnverkauf solcher Gegenstaͤnde außer der Marktzeit ist jedoch nur unter denselben Bedingungen zulaͤssig, unter welchen derselbe statthaft seyn wuͤrde, wenn die Gegenstaͤnde nicht auf den Markt gebracht waͤren. Titel V.Taxen. §. 88. Polizeiliche Taxen sollen, so weit nicht ein Anderes nachstehend angeordnet worden, kuͤnftig nicht vorgeschrieben werden; da, wo solche gegenwaͤrtig bestehen, sind dieselben in einer von der Ortspolizei-Obrigkeit zu bestimmenden, hoͤchstens einjaͤhrigen Frist aufzuheben. §. 89. Brodtaxen koͤnnen an einzelnen Orten, wenn und so lange dieß durch besondere Umstaͤnde gerechtfertigt erscheint, mit Genehmigung der Ministerien beibehalten oder eingefuͤhrt werden. §. 90. Die Ortspolizei-Obrigkeit ist ermaͤchtigt, die Baͤker anzuhalten, monatlich die Preise und das Gewicht ihrer verschiedenen Bakwaaren durch einen Anschlag im Verkaufslocal zur Kenntniß des Publicums zu bringen. §. 91. Die Gastwirthe koͤnnen durch die Ortspolizei-Obrigkeit angehalten werden, das Verzeichniß der von ihnen gestellten Preise einzureichen und in den Gastzimmern anzuschlagen. Diese Preise duͤrfen zwar mit jedem Monat abgeaͤndert werden, bleiben aber so lange in Kraft, bis die Abaͤnderung der Polizei-Obrigkeit angezeigt und das abgeaͤnderte Verzeichniß in den Gastzimmern angeschlagen ist. §. 92. Fuͤr Schornsteinfeger und Abdeker koͤnnen innerhalb der denselben angewiesenen Bezirke von der Ortspolizei-Obrigkeit, oder, wenn der angewiesene Bezirk mehr als eine Ortschaft umfaßt, von dem Landrath Taxen aufgestellt werden. Ingleichem ist die Ortspolizei-Obrigkeit befugt zur Aufstellung von Taxen fuͤr Lohnlakaien und andere Personen, welche auf oͤffentlichen Straßen und Plaͤzen oder in Wirthshaͤusern ihre Dienste anbieten (§. 49.), so wie fuͤr die Benuzung von Wagen, Pferden, Saͤnften, Gondeln und anderen Transportmitteln, welche oͤffentlich zum Gebrauch aufgestellt sind. §. 93. Hinsichtlich der Taxen fuͤr die Medicinal-Personen und Apotheker, so wie der Taxen fuͤr rohe Bergwerks-Erzeugnisse wird durch gegenwaͤrtiges Gesez nichts geaͤndert. Ein Gleiches gilt in Ansehung der in den §§. 51 und 52 bezeichneten Personen. Fuͤr diese sind die Ministerien befugt, auch da Taxen einzufuͤhren, wo dergleichen bisher nicht bestanden. Titel VI.Innungen von Gewerbetreibenden. I. Bestehende Innungen. §. 94. Alle zur Zeit gesezlich bestehenden Corporationen von Gewerbetreibenden (aͤltere Innungen) dauern ferner fort. Doch soll die Befugniß zum Betrieb eines Gewerbes, fuͤr welches in dem Orte oder Districte eine solche Corporation (Innung) besteht, von dem Beitritt zu derselben nirgends abhaͤngig seyn. So weit aber der Erwerb der kaufmaͤnnischen Rechte nach den bestehenden Vorschriften durch den Beitritt zur kaufmaͤnnischen Corporation bedingt ist, behaͤlt es dabei sein Bewenden. §. 95. Die Statuten der aͤlteren Innungen (§. 94) sollen einer Revision unterworfen und mit Beruͤksichtigung der Vorschriften der §§. 401 bis 117, so weit es noͤthig ist, abgeaͤndert werden. Diese Abaͤnderung kann auch dahin gehen, daß mehrere getrennte Innungen zu einer gemeinsamen Innung vereinigt werden. Die Feststellung und Bestaͤtigung der revidirten Statuten erfolgt durch die Ministerien. Verweigert eine Innung die Annahme der revidirten Statuten, so wird dieselbe aufgeloͤst. §. 96. Die Mitglieder der gegenwaͤrtig bestehenden Innungen koͤnnen nach vollstaͤndiger Erfuͤllung ihrer Verpflichtungen ausscheiden und duͤrfen das Gewerbe nach dem Austritte fortsezen. §. 97. Eine solche Innung kann sich durch eigenen Beschluß nur dann aufloͤsen, wenn zwei Drittheile der stimmberechtigten Mitglieder dafuͤr stimmen, die Berichtigung der vorhandenen Schulden sicher gestellt ist und die Aufloͤsung von der Regierung genehmigt wird. §. 98. Gegen ihren Willen kann eine Innung außer dem am Schlusse des §. 95 erwaͤhnten Falle nur aus uͤberwiegenden Gruͤnden des Gemeinwohls durch die Ministerien aufgehoben werden. §. 99. Im Falle der Aufloͤsung einer Innung muß das Vermoͤgen zuvoͤrderst zur Berichtigung ihrer Schulden und zur Erfuͤllung ihrer sonstigen Verpflichtungen verwendet werden. Der sodann verbleibende Ueberschuß ist zunaͤchst zur Befriedigung der etwa vorhandenen Entschaͤdigungs-Anspruͤche fuͤr aufgehobene ausschließliche Berechtigungen einzelner Mitglieder (§. 10) zu verwenden. Soweit der Ueberschuß dazu nicht erforderlich und in den Statuten nicht ein Anderes ausdruͤklich bestimmt ist, wird derselbe der Gemeinde, in welcher die aufgeloͤste Innung ihren Siz hatte, zur Benuzung fuͤr gemeinnuͤzige Zweke uͤberwiesen; die Verwendung kann nach dem Ermessen der Gemeinde auch zur Bezahlung derjenigen Schulden anderer aufgeloͤster Innungen erfolgen, welche aus deren Vermoͤgen nicht gedekt werden. §. 100. Werden mehrere Innungen zu einer gemeinsamen Innung vereinigt (§. 95), so kann das Vermoͤgen derselben mit ihrer Einwilligung der neuen Innung uͤberwiesen werden. Soweit eine Vereinbarung uͤber das Vermoͤgen der seither getrennten Innungen nicht erreicht wird, ist nach den Vorschriften des §. 99 zu verfahren. II. Neue Innungen. 1) Innungen, bei denen die Mitgliedschaft von einer besonderen Aufnahme abhängig ist. §. 101. Diejenigen, welche an demselben Orte gleiche oder verwandte Gewerbe selbststaͤndig betreiben, koͤnnen zu einer Innung zusammentreten. Die Bildung einer solchen neuen Innung ist jedoch fuͤr diejenigen Gewerbe, fuͤr welche am Orte eine aͤltere Innung besteht, nur dann zulaͤssig, wenn die aͤltere Innung aufgeloͤst oder mit der neuen Innung verschmolzen wird. Neue Innungen erlangen durch die Bestaͤtigung ihrer Statuten die Rechte einer Corporation. Ausschließliche Gewerbe-Berechtigungen duͤrfen denselben niemals beigelegt werden. §. 102. Zur Bildung einer Innung sind erforderlich: in den Staͤdten Berlin, Breslau, Koͤnigsberg, Danzig, Elbing, Posen, Potsdam, Frankfurt, Stettin, Stralsund, Magdeburg, Halberstadt, Halle, Erfurt, Muͤnster, Koͤln, Duͤsseldorf, Elberfeld, Barmen, Krefeld, Aachen, Koblenz und Trier 24 Personen, welche ihr Gewerbe bereits ein Jahr hindurch selbststaͤndig betrieben oder einer aufgeloͤsten aͤlteren Innung angehoͤrt haben, in allen uͤbrigen Orten 12 dergleichen Personen. Die Ministerien sind jedoch ermaͤchtigt, nach Umstaͤnden die Bildung von Innungen auch bei einer geringeren Zahl von Theilnehmern zu genehmigen, andererseits auch in kleineren Staͤdten die geringste Zahl der Theilnehmer bis auf 24 zu erhoͤhen, ingleichen zu gestatten, daß die Gewerbetreibenden mehrerer Ortschaften zu einer gemeinschaftlichen Innung sich verbinden. §. 103. Von der Theilnahme an der Bildung einer Innung sind ausgeschlossen diejenigen, 1) welche wegen eines von ehrloser Gesinnung zeugenden Verbrechens, insbesondere wegen Meineides, Raubes, Diebstahls oder Betrugs verurtheilt worden sind; 2) welche in Criminal-Untersuchung oder in Concurs sich befinden, oder 3) welchen die Befugniß zum Gewerbebetriebe eine Zeit lang entzogen war; diese koͤnnen jedoch von der Communal-Behoͤrde zugelassen werden, wenn sie sich dessen durch ihr nachheriges Verhalten wuͤrdig gezeigt haben. Auch ist die Communal-Behoͤrde ermaͤchtigt diejenigen auszuschließen, welche in irgend einer Criminal-Untersuchung nur vorlaͤufig freigesprochen worden sind oder sich durch einzelne Handlungen oder durch ihre Lebensweise die oͤffentliche Verachtung zugezogen haben. §. 104. Der Zwek der neu zu gruͤndenden Innungen (§. 101) besteht in der Foͤrderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen; insonderheit sollen die Innungen 1) die Aufnahme, die Ausbildung und das Betragen der Lehrlinge, Gesellen und Gehuͤlfen der Innungsgenossen beaufsichtigen; 2) die Verwaltung der Kranken-, Sterbe-, Huͤlfs- und Sparkassen der Innungsgenossen leiten; 3) der Fuͤrsorge fuͤr die Wittwen und Waisen der Innungsgenossen, namentlich durch Foͤrderung der Erziehung und des gewerblichen Fortkommens der Waisen, sich unterziehen. §. 105. Die Leitung der Vorberathungen wegen Errichtung einer Innung steht der Communal-Behoͤrde unter Aufsicht der Regierung, die Feststellung und Bestaͤtigung der Statuten aber den Ministerien zu. §. 106. In den Statuten sind die Bedingungen der Aufnahme in die Innung, die Rechte und Pflichten der Mitglieder, so wie die Gruͤnde, aus denen ihre Ausschließung erfolgen kann, ingleichen die Einrichtungen fuͤr die Verwaltung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten festzusezen und dabei die Antraͤge der Gewerbetreibenden, welche zu einer Innung zusammentreten wollen, besonders zu beruͤksichtigen. §. 107. Denjenigen, welche nach den Bestimmungen des §. 105 unter 1 und 2 von der Theilnahme an der Bildung einer neuen Innung unbedingt ausgeschlossen sind, darf auch der Eintritt in eine bereits gebildete Innung nicht gestattet werden. In den Faͤllen, in welchen nach §. 103 die Communal-Behoͤrde bei der Bildung einer neuen Innung uͤber die Zulassung oder Ausschließung zu bestimmen befugt ist, hat uͤber die Aufnahme in eine bereits gebildete Innung die Innung selbst zu beschließen; zu dem Beschlusse ist jedoch, wenn dadurch die Aufnahme ausgesprochen wird, die Zustimmung der Communal-Behoͤrde erforderlich. §. 108. Jedes neu aufzunehmende Mitglied muß die Befaͤhigung zum Betriebe seines Gewerbes besonders nachweisen. Die Pruͤfungszeugnisse der fuͤr einzelne Gewerbe angeordneten Pruͤfungs-Behoͤrden, der Ober-Baudeputation oder des technischen Gewerbe-Institutes, so wie die von der Akademie der Kuͤnste uͤber die Aufnahme und Einschreibung bei derselben ausgefertigten Diplome, sind als genuͤgender Nachweis der Befaͤhigung zum Betriebe der Gewerbe, uͤber welche sie ausgestellt sind, anzusehen. Auch beduͤrfen Mitglieder aͤlterer Innungen keines besonderen Nachweises der Befaͤhigung. In allen andern Faͤllen muß das aufzunehmende Mitglied seine Befaͤhigung durch eine nach den Bestimmungen des Titels VIII abgelegte Pruͤfung nachweisen. Diese Pruͤfung kann jedoch denjenigen, die das Gewerbe an demselben oder an einem andern Orte schon einige Zeit hindurch mit Auszeichnung selbststaͤndig betrieben haben, durch einen Beschluß der Innung erlassen werden; zu diesem Beschlusse ist jedoch bei den im §. 131 genannten Gewerben die Zustimmung der Pruͤfungs-Behoͤrde (§§. 162, 167), bei allen andern Gewerben die Genehmigung der Communal-Behoͤrde erforderlich. §. 109. Die §§. 107, 108 finden auf die kaufmaͤnnischen Corporationen keine Anwendung; in Ansehung dieser bewendet es bei den bestehenden Vorschriften. §. 110. Bei der Aufnahme in eine Innung ist die Erhebung eines maͤßigen Antrittsgeldes zulaͤssig, dessen Betrag durch das Statut und zwar fuͤr alle Genossen der Innung gleichmaͤßig festgesezt werden muß. §. 111. Der Beitritt zu einer Innung schließt die Befugniß nicht aus, zugleich solche Gewerbe, fuͤr welche die Innung nicht gebildet ist, zu betreiben, so wie an andern Innungen Theil zu nehmen. Es kann jedoch einem Gewerbetreibenden der Zutritt zu einer außerhalb seines Wohnortes bestehenden Innung nur dann gestattet werden, wenn an seinem Wohnorte fuͤr das von ihm betriebene Gewerbe eine Innung nicht vorhanden ist. §. 112. Jede Innung muß einen oder mehrere Vorsteher haben, welche von den Mitgliedern zu waͤhlen und durch die Communal-Behoͤrde zu bestaͤtigen sind. §. 113. Jeder Berathung der Innung muß ein Mitglied der Communal-Behoͤrde beiwohnen, um uͤber die Gesezmaͤßigkeit der Beschluͤsse zu wachen. Dasselbe darf kein Gewerbe derjenigen Art betreiben, fuͤr welche diese Innung gebildet ist. §. 114. Der Maaßstab, nach welchem laufende Beitraͤge der Innungs-Genossen auszuschreiben sind, und die besondern Folgen, welche an die Nichtentrichtung derselben sich knuͤpfen, sind in den Statuten festzustellen. Insbesondere kann darin auch die executivische Beitreibung dieser Beitraͤge im Verwaltungswege und das dabei stattfindende Verfahren bestimmt werden. Die Hoͤhe und die Verwendung der Beitraͤge, so wie die Verwaltung des Etats-, Cassen- und Rechnungswesens, wird durch Beschluͤsse der Innung unter Aufsicht der Communal-Behoͤrde geordnet. §. 115. Nur diejenigen Mitglieder der Innung, welche ihr Gewerbe waͤhrend des vorhergehenden Jahres selbststaͤndig betrieben haben, sind berechtigt bei den Beschluͤssen mitzustimmen. Durch die Statuten kann das Stimmrecht von einem gewissen Umfange des Gewerbebetriebes abhaͤngig gemacht oder verschiedenartig abgestuft werden. §. 116. Der Austritt aus der Innung ist unter der im §. 96 bezeichneten Bedingung gestattet. §. 117. Ein Mitglied, welches sich solcher Handlungen oder Verbrechen schuldig macht, die nach Vorschrift des §. 107 von der Aufnahme in eine Innung unbedingt ausschließen wuͤrden, muß aus der Innung ausscheiden. Auch kann unter denselben Voraussezungen, unter denen nach §. 107 die Aufnahme versagt werden darf, ein Mitglied durch Beschluß der Innung, unter Zustimmung der Communal-Behoͤrde, wieder ausgestoßen werden. Die Befugniß zum ferneren Betriebe des Gewerbes ist jedoch von dem Verlust der Mitgliedschaft nicht abhaͤngigabaͤngig. 2) Innungen, bei denen eine besondere Aufnahme nicht erforderlich ist. §. 118. Aus denjenigen, welche an demselben Orte gleiche oder verwandte Gewerbe selbststaͤndig betreiben, kann auf Grund eines Gemeinde-Beschlusses, im Einverstaͤndnisse mit der betheiligten Innung, oder, wenn eine solche nicht vorhanden ist, nach Anhoͤrung betheiligter Gewerbetreibenden, eine Innung auch in der Art gebildet werden, daß derselben alle Gewerbetreibenden dieser Gattung ohne Nachweis der Befaͤhigung lediglich durch den Beginn ihres Gewerbes angehoͤren. Ausgenommen hievon sind diejenigen, 1) welche ausdruͤklich erklaͤrt haben, der Innung nicht beitreten oder aus derselben ausscheiden zu wollen, oder 2) welche wegen Verbrechen oder unwuͤrdiger Handlungen durch Beschluß der Innung, unter Zustimmung der Communal-Behoͤrde, ausgeschlossen worden sind. §. 119. In den Innungen dieser Art (§. 118) steht Stimmrecht und Theilnahme an der Verwaltung denjenigen Mitgliedern nicht zu, 1) welche ihre Befaͤhigung zum Betriebe des Gewerbes nicht nach §. 108 nachgewiesen haben, 2) welche wegen eines von ehrloser Gesinnung zeugenden Verbrechens, insbesondere wegen Meineides, Raubes, Diebstahls oder Betrugs verurtheilt worden sind, oder 3) welche in Criminal-Untersuchung oder in Concurs sich befinden. Auch koͤnnen von dem Stimmrechte und der Theilnahme an der Verwaltung durch Beschluß der Innung, unter Zustimmung der Communal-Behoͤrde, diejenigen ausgeschlossen werden, a) welchen die Befugniß zum Gewerbebetriebe eine Zeit lang entzogen war, oder b) welche in irgend einer Criminal-Untersuchung nur vorlaͤufig freigesprochen worden sind oder sich durch einzelne Handlungen oder durch ihre Lebensweise die oͤffentliche Verachtung zugezogen haben. 3) Gemeinsame Bestimmungen. §. 120. Die Gewerbetreibenden, welche zu einer Innung zusammentreten wollen, koͤnnen bei Aufstellung der Statuten von den Vorschriften der §§. 101 ff. nur insoweit abweichen, als die Gemeinde damit einverstanden ist und die im §. 170 bestimmten Granzen nicht uͤberschritten werden. Ein Gleiches findet statt, wenn bei Abaͤnderung bestehender Statuten dergleichen Abweichungen herbeigefuͤhrt werden sollen. §. 121. Die Statuten der umgebildeten aͤlteren, so wie der neugebildeten Innungen, koͤnnen auf den Antrag der Betheiligten oder im oͤffentlichen Interesse von Amts wegen jederzeit revidirt und, unter Bestaͤtigung der Ministerien, abgeaͤndert werden. Wegen Aufloͤsung dieser Innungen durch Beschluß der Mitglieder oder nach Anordnung der Ministerien finden dieselben Vorschriften Anwendung, welche in den §§. 97 bis 99 uͤber die Aufloͤsung der zur Zeit bestehenden Innungen enthalten sind. §. 122. Streitigkeiten uͤber die Aufnahme und Ausschließung von Mitgliedern, so wie uͤber die Rechte und Pflichten derselben und der Vorstaͤnde, sind von der Communal-Behoͤrde zu entscheiden. Gegen diese Entscheidung steht der Recurs an die Regierung offen, welcher binnen einer praͤclusivischen Frist von vier Wochen bei der Communal-Behoͤrde anzumelden ist. §. 123. Die Innungen oder deren Vorsteher sind vorzugsweise berufen, sachverstaͤndige Gutachten in Angelegenheiten ihrer Gewerbe abzugeben. In den gesezlichen Vorschriften uͤber die Auswahl von Sachverstaͤndigen in Processen wird hiedurch nichts geaͤndert. §. 124. Gesellschaften zum Gewerbebetriebe auf gemeinschaftliche Rechnung oder zur gemeinschaftlichen Benuzung gewerblicher Anlagen und Einrichtungen sind nicht nach den Bestimmungen dieses Titels zu beurtheilen. Titel VII.Gewerbegehülfen, Gesellen, Fabrikarbeiter und Lehrlinge. I. Befugniß Gesellen, Gehülfen und Lehrlinge zu halten. §. 125. Wer befugt ist ein stehendes Gewerbe selbststaͤndig zu betreiben, hat auch das Recht, Gehuͤlfen und Gesellen zu halten. §. 126. Die Befugniß, Lehrlinge zu halten, steht einem Jeden zu, der zum selbststaͤndigen Betriebe eines stehenden Gewerbes befugt ist, soweit nicht die Bestimmungen der §§. 127 bis 132 Beschraͤnkungen enthalten. §. 127. Von der Befugniß, Lehrlinge zu halten, sind ausgeschlossen diejenigen, 1) welche wegen eines von ehrloser Gesinnung zeugenden Verbrechens, insbesondere wegen Meineides, Raubes, Diebstahls oder Betrugs verurtheilt worden sind, 2) welche in Criminal-Untersuchung oder in Concurs sich befinden, oder 3) welchen die Befugniß zum Gewerbebetriebe eine Zeit lang entzogen war; diesen kann jedoch von der Communal-Behoͤrde die Annahme von Lehrlingen gestattet werden, wenn sie sich dessen durch ihr nachheriges Verhalten wuͤrdig gezeigt haben. §. 128. Die Communal-Behoͤrde ist ermaͤchtigt, vorbehaltlich des Recurses an die Regierung, diejenigen von der Befugniß, Lehrlinge zu halten, auszuschließen, welche in irgend einer Criminal-Untersuchung nur vorlaͤufig freigesprochen worden sind, oder sich durch einzelne Handlungen oder durch ihre Lebensweise die oͤffentliche Verachtung zugezogen haben. §. 129. Durch Beschluß der Regierung kann Gewerbetreibenden, welche sich grober Pflichtwidrigkeiten hinsichtlich der ihnen anvertrauten Lehrlinge schuldig gemacht, oder nach erfolgter Bestrafung zu neuen begruͤndeten Beschwerden Anlaß gegeben haben, die Befugniß, Lehrlinge zu halten, fuͤr immer oder auf gewisse Zeit entzogen werden. Gegen einen solchen Beschluß der Regierung ist nur der Recurs an die Ministerien zulaͤssig. §. 130. In den Faͤllen, in denen nach den §§. 127 bis 129 die Ausschließung von der Befugniß, Lehrlinge zu halten, stattfindet, darf der Lehrherr auch die bereits angenommenen Lehrlinge nicht ferner beibehalten, in den Faͤllen des §. 127 zu 2) ist jedoch der Lehrherr zur Entlassung der Lehrlinge nur dann verpflichtet, wenn solche von der Communal-Behoͤrde verlangt wird. §. 131. Die nachstehend benannten Gewerbetreibenden erlangen die Befugniß, Lehrlinge zu halten, sofern ihnen solche bei Publication dieses Gesezes nicht bereits zustand, nur dadurch, daß sie entweder in eine aͤltere oder neuere Innung, nach vorgaͤngigem Nachweise der Befaͤhigung zum Betriebe ihres Gewerbes, aufgenommen werden, oder diese Befaͤhigung besonders nachweisen (§. 132). Diese Gewerbetreibenden sind: Gerber aller Art, Lederbereiter, Ledertauer, Korduaner, Pergamenter, Schuhmacher, Handschuhmacher, Beutler, Kuͤrschner, Riemer, Sattler, Seiler, Reifschlaͤger, Schneider, Hutmacher, Tischler, Rademacher, Stellmacher, Boͤttcher, Drechsler in Holz und Horn, Toͤpfer, Grobschmiede, Hufschmiede, Waffenschmiede, Schlosser, Zirkelschmiede, Zeugschmiede, Bohrschmiede, Saͤgeschmiede, Messerschmiede, Buͤchsenschmiede, Sporer, Feilenhauer, Kupferschmiede, Rothgießer, Gelbgießer, Glokengießer, Guͤrtler, Zinngießer, Klempner, Buchbinder, Faͤrber. Die Regierungen koͤnnen jedoch nach Maaßgabe der oͤrtlichen Verhaͤltnisse, unter Genehmigung der Ministerien, den Nachweis der Befaͤhigung fuͤr einzelne der vorstehend benannten Gewerbe erlassen, so wie fuͤr andere als diese Gewerbe anordnen. §. 132. Der Nachweis der Befaͤhigung muß durch eine nach den Bestimmungen des Titel VIII abgelegte Pruͤfung gefuͤhrt werden. Die Ablegung einer foͤrmlichen Pruͤfung kann jedoch denjenigen, welche das Gewerbe schon einige Zeit hindurch mit Auszeichnung selbststaͤndig betrieben haben, von der Pruͤfungs-Behoͤrde (§§. 162, 167) erlassen werden, wenn diese sich auf andere Weise die Ueberzeugung verschafft hat, daß der zu Pruͤfende die zum Betriebe seines Gewerbes erforderlichen Kenntnisse und Geschiklichkeiten besizt. §. 133. Einem Gewerbetreibenden, welcher nach den §§. 126 bis 132 nicht befugt ist Lehrlinge zu halten, ist deren Annahme oder Beibehaltung in den Staͤdten durch die Communal-Behoͤrde, auf dem Lande durch die Polizei-Obrigkeit zu untersagen. Das Verbot kann im Wege der polizeilichen Execution zur Ausfuͤhrung gebracht werden. II. Verhältniß der Gesellen, Gehülfen und Lehrlinge: 1) im Allgemeinen; §. 134. Die Festsezung der Verhaͤltnisse zwischen den selbststaͤndigen Gewerbetreibenden und ihren Gesellen, Gehuͤlfen und Lehrlingen ist Gegenstand freier Uebereinkunft. §. 135. In Ermangelung vertragsmaͤßiger Bestimmungen sind diese Verhaͤltnisse, insofern die selbststaͤndigen Gewerbetreibenden einer Innung angehoͤren, nach den Innungs-Statuten, in andern Faͤllen aber, ingleichen wenn die Vorschriften der Statuten nicht ausreichen, nach dem gegenwaͤrtigen Geseze zu beurtheilen. §. 136. Die Ortspolizei-Obrigkeit hat darauf zu achten, daß bei Beschaͤftigung und Behandlung der Gesellen, Gehuͤlfen und Lehrlinge gebuͤhrende Ruͤksicht auf Gesundheit und Sittlichkeit genommen und denjenigen, welche des Schul- und Religions-Unterrichts noch beduͤrfen, Zeit dazu gelassen werde. §. 137. Streitigkeiten der selbststaͤndigen Gewerbetreibenden mit ihren Gesellen, Gehuͤlfen oder Lehrlingen, die sich auf den Antritt, die Fortsezung oder Aufhebung des Arbeits- oder Lehrverhaͤltnisses, oder auf die gegenseitigen Leistungen waͤhrend der Dauer desselben beziehen, sind, soweit fuͤr diese Angelegenheiten besondere Behoͤrden bestehen, bei diesen zur Entscheidung zu bringen. Insoweit solche besondere Behoͤrden nicht bestehen, erfolgt die Entscheidung, 1) wenn der selbstaͤndige Gewerbetreibende Mitglied einer Innung ist, durch die Innungs-Vorsteher, unter dem Vorsize eines Mitgliedes der Communal-Behoͤrde, 2) in andern Faͤllen durch die Ortspolizei-Obrigkeit. Gegen diese Entscheidung steht den Betheiligten die Berufung auf den Rechtsweg binnen zehn Tagen praͤclusivischer Frist offen; die vorlaͤufige Vollstrekung wird aber hiedurch nicht aufgehalten. 2) insbesondere a) der Gesellen und Gehülfen; §. 138. Die Gesellen und Gehuͤlfen sind verpflichtet dem Arbeitsherrn Achtung zu erweisen und seinen Anordnungen in Beziehung auf die ihnen uͤbertragenen Arbeiten und auf die haͤuslichen Einrichtungen Folge zu leisten, zu haͤuslichen Arbeiten sind sie nicht verbunden. §. 139. Das Verhaͤltniß zwischen dem Arbeitsherrn und den Gesellen oder Gehuͤlfen kann, wenn nicht ein Anderes verabredet ist, durch eine, jedem Theile freistehende, vierzehn Tage vorher erklaͤrte Aufkuͤndigung aufgeloͤst werden. §. 140. Vor Ablauf der vertragsmaͤßigen Arbeitszeit und ohne vorhergegangene Aufkuͤndigung koͤnnen Gesellen und Gehuͤlfen entlassen werden: 1) wenn sie eines Diebstahls, einer Veruntreuung, eines liederlichen Lebenswandels, groben Ungehorsams oder beharrlicher Widerspaͤnstigkeit sich schuldig machen; 2) wenn sie, der Verwarnung ungeachtet, mit Feuer und Licht unvorsichtig umgehen, 3) wenn sie sich Thaͤtlichkeiten oder Schmaͤhungen gegen den Arbeitsherrn oder die Mitglieder seiner Familie erlauben; 4) wenn sie mit den Mitgliedern der Familie des Arbeitsherrn oder mit ihren Mitarbeitern verdaͤchtigen Umgang pflegen, oder sonst dieselben zum Boͤsen verleiten; 5) wenn sie zur Fortsezung der Arbeit unfaͤhig geworden, oder mit einer ekelhaften Krankheit behaftet sind. Inwiefern in den zu 5 gedachten Faͤllen dem Entlassenen ein Anspruch auf Entschaͤdigung zustehe, ist nach dem besondern Inhalt des Vertrages und nach den allgemeinen gesezlichen Vorschriften zu beurtheilen. §. 141. Die Gesellen und Gehuͤlfen koͤnnen die Arbeit vor Ablauf der vertragsmaͤßigen Zeit und ohne vorhergegangene Aufkuͤndigung verlassen: 1) wenn sie zur Fortsezung der Arbeit unfaͤhig werden, 2) wenn der Arbeitsherr sich thaͤtlich an ihnen vergreift; 3) wenn er sie zu Handlungen hat verleiten wollen, welche wider die Geseze oder wider die guten Sitten laufen; 4) wenn er ihnen den versprochenen Lohn oder die sonstigen Gegenleistungen ohne genuͤgende Veranlassung vorenthaͤlt. §. 142. Beim Abgange koͤnnen die Gesellen und Gehuͤlfen ein Zeugniß uͤber die Art und Dauer ihrer Beschaͤftigung fordern, welches, wenn gegen den Inhalt sich nichts zu erinnern findet, in den Staͤdten von der Communal-Behoͤrde, auf dem Lande von der Ortspolizei-Obrigkeit, kosten- und stempelfrei zu beglaubigen ist. Dieses Zeugniß ist auf Verlangen der Gesellen und Gehuͤlfen auch auf ihre Fuͤhrung auszudehnen. §. 143. Eine Verpflichtung zum Wandern findet nicht statt. Auf besondere Unterstuͤzung von Seiten der Gewerbegenossen haben wandernde Gesellen und Gehuͤlfen keinen Anspruch. §. 144. Den Gesellen und Gehuͤlfen ist die Beibehaltung der zur gegenseitigen Unterstuͤzung vorhandenen besondern Verbindungen und Cassen gestattet; es bleibt jedoch vorbehalten, die Einrichtungen derselben nach Befinden abzuaͤndern und zu ergaͤnzen. Auch koͤnnen dergleichen Verbindungen und Sassen mit Genehmigung der Regierung, unter den von dieser festzusezenden Bedingungen, neu gebildet werden. Ein Geselle oder Gehuͤlfe darf deßhalb, weil er nicht bei einem Innungs-Genossen arbeitet, von dem Beitritte zu solchen Verbindungen und Cassen nicht ausgeschlossen werden. §. 145. Tue Bestimmungen der §§. 134 bis 144 finden auch auf Fabrik-Arbeiter Anwendung. b) der Lehrlinge; §. 146. Als Lehrlinge sind nur diejenigen Personen zu betrachten, welche in der durch einen Lehrvertrag ausgesprochenen Absicht bei einem Lehrherrn eintreten, um gegen Lehrgeld oder unentgeltliche Huͤlfsleistung ein Gewerbe bis zu derjenigen Fertigkeit zu erlernen, welche sie zu Gesellen befaͤhigt (§. 157). §. 147. Die Aufnahme eines Lehrlings erfolgt, wenn derselbe bei dem Genossen einer Innung eintritt, vor der Innung. Tritt der Lehrling bei einem andern Gewerbetreibenden ein, so erfolgt die Aufnahme in den Staͤdten vor der Communal-Behoͤrde, auf dem Lande vor der Ortspolizei-Obrigkeit, und zwar in diesen beiden Faͤllen mit Zuziehung zweier unbescholtener Gemeinde-Mitglieder, wo moͤglich solcher, welche dasselbe Gewerbe selbststaͤndig treiben. §. 148. Vor der Aufnahme ist festzustellen, ob der Lehrherr befugt ist Lehrlinge zu halten (§§. 126 bis 132). Der Lehrling muß darthun, daß er lesen, schreiben und rechnen kann, ingleichen durch eine Bescheinigung seines Religionslehrers nachweisen, daß er in der Glaubens- und Sittenlehre genuͤgende Kenntnisse besizt. Nur aus erheblichen Gruͤnden darf einem Mangel an diesen Kenntnissen nachgesehen werden. Der Lehrherr ist alsdann verpflichtet, fuͤr die Nachhuͤlfe nach den Anordnungen der Ortsschulbehoͤrde zu sorgen. §. 149. Die Verabredungen uͤber die Lehrzeit, das Lehrgeld und die sonstigen Bedingungen sind bei der Aufnahme zu verzeichnen. §. 150. Der Lehrherr muß sich angelegen seyn lassen den Lehrling durch Beschaͤftigung und Anweisung zum tuͤchtigen Gesellen auszubilden. Er darf dem Lehrlinge die hiezu erforderliche Zeit und Gelegenheit durch Verwendung zu andern Dienstleistungen nicht entziehen. Der Lehrherr muß bemuͤht seyn den Lehrling zur Arbeitsamkeit und zu guten Sitten anzuhalten und vor Lastern und Ausschweifungen zu bewahren. §. 151. Der Lehrling ist der vaͤterlichen Zucht des Lehrherrn unterworfen und in Abwesenheit des Lehrherrn auch dem denselben vertretenden Gesellen oder Gehuͤlfen zur Folgsamkeit verpflichtet. §. 152. Das Lehrverhaͤltniß kann in den Faͤllen, welche im §. 140 bezeichnet sind, von dem Lehrherrn vor Ablauf der Lehrzeit aufgehoben werden. Sind fuͤr einen solchen Fall keine besonderen Verabredungen getroffen, so ist das Lehrgeld nicht nur fuͤr die bereits abgelaufene Zeit, sondern auch fuͤr das laufende Jahr zu entrichten. §. 153. Wider den Willen des Lehrherrn kann das Verhaͤltniß vor Ablauf der Lehrzeit aufgehoben werden, wenn der Lehrherr die ihm nach §. 150 obliegenden Verpflichtungen groͤblich vernachlaͤssigt oder das Recht der vaͤterlichen Zucht mißbraucht. Bei Lehrlingen der Genossen von Innungen hat die Innung, bei andern Lehrlingen aber in den Staͤdten die Communal-Behoͤrde, auf dem Lande die Ortspolizei-Obrigkeit, mit Ausschluß des Rechtsweges, zu entscheiden, ob der Fall einer solchen Vernachlaͤssigung oder eines solchen Mißbrauchs vorhanden ist. In diesen Faͤllen kann der Lehrherr zur Erstattung der durch die anderweitige Unterbringung des Lehrlings entstehenden Mehrkosten im Rechtswege angehalten werden. Dasselbe gilt von dem Falle, wenn dem Lehrherrn die Befugniß, Lehrlinge zu halten, entzogen wird (§. 130). §. 154. Wider den Willen des Lehrherrn kann das Verhaͤltniß vor Ablauf der Lehrzeit aufgehoben werden, wenn der Lehrling zu einem andern Gewerbe oder zu einem andern Berufe uͤbergeht. Dem Lehrherrn ist in diesem Falle, wenn nicht ein Anderes verabredet worden, das Lehrgeld noch fuͤr einen halbjaͤhrigen Zeitraum nach Ablauf des Quartals zu zahlen, in welchem der Lehrling abgeht. §. 155. Durch den Tod des Lehrherrn oder Lehrlings wird der Lehrvertrag aufgehoben. Auf den Antrag des einen oder des andern Theils ist der Lehrvertrag auch dann aufzuheben, wenn der Lehrherr oder der Lehrling zur Erfuͤllung der eingegangenen Verpflichtungen unfaͤhig wird. In beiden Faͤllen erfolgt die Auseinandersezung hinsichtlich des Lehrgeldes nach Verhaͤltniß des bereits abgelaufenen Theiles der Lehrzeit zur ganzen Dauer derselben. §. 156. Bei Aufloͤsung des Lehrverhaͤltnisses kann der Lehrling uͤber die Dauer der Lehrzeit und die waͤhrend derselben erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten, so wie uͤber sein Betragen, vom Lehrherrn ein Zeugniß fordern, welches, wenn gegen den Inhalt sich nichts zu erinnern findet, in den Staͤdten von der Communal-Behoͤrde, auf dem Lande von der Ortspolizei-Obrigkeit kosten- und stempelfrei zu beglaubigen ist. §. 157. Nach vollstaͤndiger Erfuͤllung des Lehrvertrages kann der Lehrling auch darauf antragen, daß er uͤber die einem Gesellen noͤthigen Kenntnisse und Fertigkeiten gepruͤft und foͤrmlich entlassen werde. Die Pruͤfung und Entlassung des Lehrlings erfolgt, wenn derselbe bei dem Genossen einer Innung gelernt hat, durch die Innung. Hat der Lehrling bei einem andern Gewerbetreibenden in der Lehre gestanden, so erfolgt die Pruͤfung und Entlassung, unter Zuziehung geeigneter Sachverstaͤndigen, in den Staͤdten durch die Communal-Behoͤrde, auf dem Lande durch die Ortspolizei-Obrigkeit. Die Communal-Behoͤrde oder die Polizei-Obrigkeit ist jedoch ermaͤchtigt, die Pruͤfung durch eine in der Naͤhe befindliche Pruͤfungs-Behoͤrde (§§. 162, 167) zu veranlassen. Eden so bleibt den Lehrlingen, welche nicht bei Innungsgenossen gelernt haben, freigestellt, die Pruͤfung vor einer Pruͤfungs-Behoͤrde (§§. 162, 167) abzulegen. Diese hat ihnen, nach genuͤgend bestandener Pruͤfung, hieruͤber ein Zeugniß zu ertheilen, auf dessen Grund die Communal-Behoͤrde oder die Ortspolizei-Obrigkeit die Entlassung bewirken und das Entlassungs-Zeugniß ausfertigen muß. §. 158. Die Innungen, die Communal-Behoͤrden und die Ortspolizei-Obrigkeiten haben uͤber die Aufnahme und Entlassung der Lehrlinge vollstaͤndige Verzeichnisse zu fuͤhren. §. 159. Fuͤr die Aufnahme und Entlassung der Lehrlinge duͤrfen keine Gebuͤhren erhoben, sondern nur die baaren Auslagen, als: Stempel, Copialien, Diaͤten fuͤr die einzelnen Innungs-Genossen und Sachverstaͤndigen, welche die Pruͤfung bewirkt haben u.s.w., in Ansaz gebracht werden. §. 160. Personen, welche nach der uͤber ihre Unterweisung in gewerblichen Kenntnissen und Fertigkeiten mit selbststaͤndigen Gewerbetreibenden getroffenen Uebereinkunft nicht als Lehrlinge anzusehen sind (§§. 146–159), oder das Gewerbe in anderer Weise als bei einem selbststaͤndigen Gewerbetreibenden erlernt haben, koͤnnen, wenn sie bei den Genossen einer Innung unterwiesen worden sind, bei der Innung, sonst aber bei der Communal-Behoͤrde oder Polizei-Obrigkeit darauf antragen, daß sie uͤber die einem Gesellen noͤthigen Kenntnisse und Fertigkeiten (§§. 148, 157) gepruͤft werden, und daß ihnen, nach genuͤgend bestandener Pruͤfung, hieruͤber ein Zeugniß ertheilt werde. §. 161. Die Bestimmungen der §§. 134–160 finden auf die Gehuͤlfen und Lehrlinge der Apotheker und Kaufleute, ingleichen auf die Werkmeister in Fabriken keine Anwendung. Die Verhaͤltnisse derselben zu ihren Lehr- und Arbeitsherren sind fernerhin nach den bisherigen Vorschriften zu beurtheilen. Titel VIII.Prüfungen fuͤr die Aufnahme in Innungen und fuͤr die Befugniß zur Annahme von Lehrlingen. §. 162. Fuͤr die in den §§. 108 und 132 angeordneten Pruͤfungen sind bestaͤndige Orts- oder Districts-Pruͤfungs-Behoͤrden zu bilden, wo dieß von den Regierungen nach den oͤrtlichen und gewerblichen Verhaͤltnissen fuͤr noͤthig erachtet wird. Die Pruͤfungs-Behoͤrden werden aus den geschiktesten und geachtetsten Gewerbetreibenden dergestalt zusammengesetzt, daß die Hauptgattungen der in dem Orte oder Districte betriebenen Gewerbe darin vertreten sind. Die Mitglieder werden durch die Communal-Behoͤrde des Ortes, welcher zum Siz der Pruͤfungs-Behoͤrde bestimmt ist, unter Genehmigung der Regierung ernannt, wobei auf Genossen der Innungen vorzugsweise Ruͤksicht zu nehmen ist. Ein Mitglied der Communal-Behoͤrde fuͤhrt in der Pruͤfungs-Behoͤrde den Vorsiz, der Vorsizende darf nicht selbst Gewerbetreibender seyn. §. 163. Die Pruͤfung wird unter Leitung des Vorsizenden bewirkt durch ein bis drei Mitglieder der Pruͤfungs-Behoͤrde und durch eine gleiche Anzahl selbststaͤndiger Gewerbetreibender von dem Gewerbe des zu Pruͤfenden, welche von der Pruͤfungs-Behoͤrde hiezu ausgewaͤhlt werden. Bei dieser Auswahl ist auf Genossen der Innungen vorzugsweise Ruͤksicht zu nehmen. §. 164. Der zu Pruͤfende muß durch Loͤsung von Aufgaben darthun, daß er befaͤhigt sey die gewoͤhnlichen Arbeiten seines Gewerbes selbststaͤndig auszufuͤhren. Auf eine bestimmte Art und Weise, wie der zu Pruͤfende die noͤthigen Kenntnisse und Fertigkeiten erworben habe, kommt es hiebei nicht an; jedoch kann ein Nachweis daruͤber verlangt werden, daß derselbe schon ein Jahr lang in dem Gewerbe beschaͤftigt gewesen sey. In Ansehung der bei der Pruͤfung zu stellenden Aufgaben bleibt den Ministerien die Ertheilung naͤherer Anweisungen vorbehalten. §. 165. Fuͤr die Pruͤfung ist eine bestimmte Gebuͤhr an die Casse der Pruͤfungs-Behoͤrde zu entrichten, außerdem hat der zu Pruͤfende keine weiteren Kosten zu tragen, als den Aufwand, welcher durch die aufgegebenen Arbeiten nothwendig entsteht. §. 166. Ist der Gepruͤfte befaͤhigt gefunden worden, so wird demselben daruͤber von der Pruͤfungs-Behoͤrde ein Zeugniß ertheilt. Dieses Zeugniß gilt als Nachweis der Befaͤhigung sowohl fuͤr die Aufnahme in eine Innung, als fuͤr die Annahme von Lehrlingen. Eine Wiederholung der Pruͤfung kann von demjenigen, welcher ein solches Zeugniß besizt, auch bei Veraͤnderung seines Wohnorts nicht verlangt werden. §. 167. Bis zur Errichtung der Pruͤfungs-Behoͤrden (§. 162) haben die Regierungen zu bestimmen, in welcher Art und durch welche Personen die Pruͤfungen zu bewirken sind. Titel IX.Orts-Statuten. §. 168. Die Vorschriften der Titel VI und VII in Ansehung der Innungen, so wie der Gesellen, Gehuͤlfen und Lehrlinge, koͤnnen fuͤr alle oder fuͤr einzelne Arten von Gewerben, unter den im §. 170 festgesezten Beschraͤnkungen, durch Orts-Statuten mit Genehmigung der Ministerien abgeaͤndert werden. Dergleichen Statuten werden auf Grund eines Gemeinde-Beschlusses abgefaßt; es muͤssen jedoch zuvor betheiligte Gewerbetreibende, und, wo Innungen bestehen, auch diese mit ihrer Erklaͤrung gehoͤrt werden. Soll durch solche Statuten die Verfassung bestehender Innungen abgeaͤndert werden, so ist deren Zustimmung erforderlich. Neu sich bildende Innungen sind an die Orts-Statuten gebunden. §. 169. Durch Orts-Statuten koͤnnen insbesondere Anordnungen uͤber die Verhaͤltnisse der selbststaͤndigen Gewerbetreibenden zu ihren Gesellen, Gehuͤlfen und Lehrlingen mit der Wirkung getroffen werden, daß eine Abaͤnderung derselben durch Vertrag nicht zulaͤssig ist. Deßgleichen kann fuͤr alle an dem Orte beschaͤftigten Gesellen und Gehuͤlfen die Verpflichtung festgesezt werden, den im §. 144 erwaͤhnten Verbindungen und Cassen zur gegenseitigen Unterstuͤzung beizutreten; es darf jedoch ein Unterschied zwischen den Gesellen oder Gehuͤlfen der Innungsgenossen und denjenigen, welche bei andern Gewerbetreibenden arbeiten, nicht angeordnet werden. §. 170. In Ansehung der Orts-Statuten (§. 168) finden folgende Beschraͤnkungen statt: 1) Es darf dadurch fuͤr Niemand der selbststaͤndige Gewerbebetrieb weiter beschraͤnkt werden, als durch das gegenwaͤrtige Gesez bestimmt ist. 2) Den Innungs-Mitgliedern darf kein ausschließlicher materieller Vortheil in Beziehung auf den Gewerbebetrieb beigelegt werden, namentlich nicht die ausschließliche Befugniß Lehrlinge zu halten. 3) Die Befugniß, Gesellen oder Gehuͤlfen zu halten, darf nicht beschraͤnkt oder erschwert werden. 4) Denjenigen, welche die Befaͤhigung zum Betriebe ihres Gewerbes vorschriftsmaͤßig nachgewiesen haben, darf weder eine erneuerte Pruͤfung als Bedingung des Eintritts in eine Innung auferlegt, noch eine der in diesem Geseze an jenen Nachweis geknuͤpften Befugnisse geschmaͤlert werden. 5) An den durch die §§. 126–132 bestimmten Bedingungen der Befugniß Lehrlinge zu halten, darf durch die Orts-Statuten nichts geaͤndert werden. 6) Ein Zwang zum Eintritt in die Innungen ist nicht zulaͤssig; es darf aber auch die Aufnahme nicht von der Willkuͤr der Innungs-Genossen, sondern nur von bestimmten im Gesez oder in den Statuten aufgestellten Erfordernissen abhaͤngig gemacht werden. Eben so wenig darf das Ausscheiden aus den Innungen an andere als die gesezlichen Bedingungen geknuͤpft werden. 7) Keine Innung darf fuͤr geschlossen erklaͤrt werden. 8) Die Errichtung von Innungen darf durch die Orts-Statuten nicht verhindert werden. 9) Folgende einzelne Bestimmungen duͤrfen durch die Orts-Statuten nicht abgeaͤndert werden: a) die im §. 119 angeordnete Beschraͤnkung des Stimmrechts und der Theilnahme an der Verwaltung der Innungs-Angelegenheiten; b) die Vorschriften der §§. 137 und 153 in Ansehung der Streitigkeiten der Gewerbetreibenden mit ihren Gesellen, Gehuͤlfen und Lehrlingen; c) die Bestimmung des §. 143, daß eine Verpflichtung der Gesellen zum Wandern nicht stattfindet; d) die Vorschriften der §§. 158 und 159 in Ansehung der Verzeichnisse uͤber die Aufnahme und Entlassung von Lehrlingen, ingleichen der fuͤr die Aufnahme und Entlassung zu entrichtenden Kosten. Titel X. Verbrechen und Vergehen der Gewerbetreibenden. §§. 171. Die Entziehung der Befugniß zum selbststaͤndigen Betriebe eines Gewerbes als Strafe kann stattfinden fuͤr immer oder auf eine bestimmte Zeit; diese darf nicht unter drei Monaten und nicht uͤber fuͤnf Jahre betragen. §. 172. Gegen jeden Gewerbetreibenden, der wegen eines vermittelst Mißbrauchs seines Gewerbes begangenen Verbrechens zu Zwangsarbeit oder Zuchthausstrafe verurtheilt wird, kann zugleich auf den Verlust der Befugniß zum selbststaͤndigen Gewerbebetriebe fuͤr immer oder auf Zeit erkannt werden. Es muß auf diesen Verlust erkannt werden, wenn der Gewerbetreibende schon fruͤher wegen eines solchen Verbrechens zu Zwangsarbeit oder Zuchthausstrafe verurtheilt worden ist. §. 173. Gewerbetreibende, welche zum Betriebe ihres Gewerbes einer besondern polizeilichen Genehmigung (Concession, Approbation, Bestallung) beduͤrfen, koͤnnen der Befugniß zum selbststaͤndigen Betriebe ihres Gewerbes fuͤr immer oder auf Zeit verlustig erklaͤrt werden, wenn sie wegen eines ihre Berufspflichten verlezenden Verbrechens zu Zwangsarbeit oder Zuchthausstrafe verurtheilt werden; es muß auf diesen Verlust erkannt werden, wenn gegen sie wegen eines solchen Verbrechens schon fruͤher auf Freiheitsstrafe erkannt worden ist. Auch kann auf den Verlust jener Befugniß fuͤr immer oder auf Zeit erkannt werden, wenn der Gewerbetreibende wegen eines Verbrechens, durch welches er seine Berufspflichten verlezt hat, zu einer minder schweren Freiheitsstrafe, als Zwangsarbeit oder Zuchthausstrafe, verurtheilt wird, nachdem schon fruͤher wegen eines solchen Verbrechens auf Freiheitsstrafe gegen ihn erkannt worden ist. §. 174. Ist die polizeiliche Genehmigung zur Betreibung des Gewerbes durch Zuverlaͤssigkeit und Unbescholtenheit bedingt, oder der Gewerbetreibende zur Betreibung seines Geschaͤftes von der Obrigkeit besonders verpflichtet worden, so muß auf Verlust der Befugniß zum selbststaͤndigen Betriebe des Gewerbes fuͤr immer erkannt werden, wenn der Gewerbetreibende wegen eines von ehrloser Gesinnung zeugenden Verbrechens, insbesondere wegen Meineides, Raubes, Diebstahls oder Betrugs verurtheilt wird. §. 175. Inwiefern Vergehen der Gewerbetreibenden gegen ihre Berufspflichten außer den in diesem Gesez erwaͤhnten Faͤllen einer Strafe unterliegen, ist nach den daruͤber bestehenden Verordnungen zu beurtheilen. §. 176. Wer ohne vorgaͤngige Anmeldung oder nach erfolgter Untersagung ein Gewerbe beginnt oder fortsezt, hat, insofern nicht die strengeren Strafen der §§. 177. 178 und 180 eintreten, eine Geldbuße bis zu fuͤnfzig Thalern, oder im Unvermoͤgensfalle verhaͤltnißmaͤßige Gefaͤngnißstrafe verwirkt. Diese Strafe bleibt jedoch ausgeschlossen, wenn das Vergehen eine Steuer-Defraudations-Strafe nach sich zieht. §. 177. Wer den selbststaͤndigen Betrieb eines Gewerbes, zu dessen Beginn eine besondere polizeiliche Genehmigung (Concession, Approbation, Bestallung) erforderlich ist, ohne die vorschriftsmaͤßige Genehmigung unternimmt oder fortsezt, oder von den in der Genehmigung festgesezten Bedingungen abweicht, hat Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder Gefaͤngniß bis zu drei Monaten verwirkt. Enthaͤlt die Handlung zugleich ein Steuer-Vergehen, so soll nicht außerdem noch auf eine Steuerstrafe erkannt werden, es ist aber darauf bei Zumessung der Strafe Ruͤksicht zu nehmen. §. 178. Wer der Befugniß zum selbststaͤndigen Betriebe eines Gewerbes fuͤr immer oder auf Zeit durch rechtskraͤftiges Erkenntniß, oder in den zulaͤssigen Faͤllen durch Beschluß der Verwaltungs-Behoͤrde verlustig erklaͤrt worden ist, und diesem Erkenntnisse oder Beschlusse zuwider handelt, soll mit Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefaͤngniß bis zu drei Monaten bestraft werden. §. 179. Was in den §§. 176 bis 178 hinsichtlich der selbststaͤndigen Gewerbetreibenden bestimmt ist, gilt auch von denjenigen, welche die Stellvertretung eines selbststaͤndigen Gewerbetreibenden uͤbernehmen. (§. 61.) §. 180. Die Strafbestimmung des §. 177 tritt auch gegen denjenigen ein, welcher eine gewerbliche Anlage, zu der mit Ruͤksicht auf die Lage oder Beschaffenheit der Betriebsstaͤtte oder des Locals eine besondere polizeiliche Genehmigung erforderlich ist, ohne diese Genehmigung errichtet, oder von den Bedingungen, unter welchen die Genehmigung ertheilt worden, eigenmaͤchtig abweicht, insonderheit ohne neue Genehmigung eine Veraͤnderung der Betriebsstaͤtte oder eine Verlegung des Locals vornimmt. Außerdem ist derselbe zur Wegschaffung oder Abaͤnderung der Anlage, den polizeilichen Bestimmungen gemaͤß, anzuhalten. §. 181. Gewerbetreibende, welche ihre Gehuͤlfen, Gesellen oder Arbeiter, oder die Obrigkeit zu gewissen Handlungen oder Zugestaͤndnissen dadurch zu bestimmen suchen, daß sie sich mit einander verabreden, die Ausuͤbung des Gewerbes einzustellen, oder die ihren Anforderungen nicht nachgebenden Gehuͤlfen, Gesellen oder Arbeiter zu entlassen oder zuruͤkzuweisen, ingleichen diejenigen, welche zu einer solchen Verabredung Andere auffordern, sollen mit Gefaͤngniß bis zu einem Jahre bestraft werden. §. 182. Gehuͤlfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter, welche entweder die Gewerbetreibenden selbst, oder die Obrigkeit zu gewissen Handlungen oder Zugestaͤndnissen dadurch zu bestimmen suchen, daß sie die Einstellung der Arbeit oder die Verhinderung derselben bei einzelnen oder mehreren Gewerbetreibenden verabreden, oder zu einer solchen Verabredung Andere auffordern, sollen mit Gefaͤngniß bis zu einem Jahre bestraft werden. Diese Bestimmung ist auch anzuwenden auf Arbeiter, welche bei Berg- und Huͤttenwerken, Landstraßen, Eisenbahnen, Festungsbauten und andern oͤffentlichen Anlagen beschaͤftigt sind. §. 183. Die Bildung von Verbindungen unter Fabrikarbeitern, Gesellen, Gehuͤlfen oder Lehrlingen ohne polizeiliche Erlaubniß ist, sofern nach den Criminal-Gesezen keine haͤrtere Strafe eintritt, an den Stiftern und Vorstehern mit Geldbuße bis zu fuͤnfzig Thalern oder Gefaͤngniß bis zu vier Wochen, an den uͤbrigen Theilnehmern mit Geldbuße bis zu zwanzig Thalern oder Gefaͤngniß bis zu vierzehn Tagen zu ahnden. §. 184. Gesellen, Gehuͤlfen und Fabrikarbeiter, welche ohne gesezliche Gruͤnde eigenmaͤchtig die Arbeit verlassen oder ihren Verrichtungen sich entziehen, oder sich groben Ungehorsams oder beharrlicher Widerspaͤnstigkeit schuldig machen, sind mit Geldbuße bis zu zwanzig Thalern oder Gefaͤngniß bis zu vierzehn Tagen zu bestrafen. §. 185. Lehrherren, welche ihre Pflichten gegen die ihnen anvertrauten Lehrlinge groͤblich vernachlaͤssigen, sind mit Geldbuße bis zu fuͤnfzig Thalern oder, im Falle des Unvermoͤgens, mit verhaͤltnißmaͤßiger Gefaͤngnißstrafe zu belegen. §. 186. Gewerbetreibende, welche die von der Obrigkeit vorgeschriebenen oder genehmigten Taxen uͤberschreiten, haben Geldbuße bis zu fuͤnfzig Thalern oder im Unvermoͤgensfalle verhaͤltnißmaͤßige Gefaͤngnißstrafe verwirkt. Machen sie nach vorgaͤngiger zweimaliger Verurtheilung wegen solcher Vergehen sich eines Vergehens dieser Art von neuem schuldig, so kann zugleich auf den Verlust der Befugniß zur selbststaͤndigen Betreibung ihres Gewerbes fuͤr immer oder auf Zeit erkannt werden. §. 187. Die Uebertretungen der polizeilichen Anordnungen wegen des Marktverkehrs sind mit Geldbuße bis zu zwanzig Thalern oder im Unvermoͤgensfalle mit verhaͤltnißmaͤßiger Gefaͤngnißstrafe zu belegen. §. 188. Sind polizeiliche Vorschriften von dem Stellvertreter eines Gewerbetreibenden bei Ausuͤbung des Gewerbes uͤbertreten worden, so ist die Strafe zunaͤchst gegen den Stellvertreter festzusezen; ist die Uebertretung mit Vorwissen des Vertretenen begangen worden, so verfallen beide der gesezlichen Strafe. Kann gegen den Stellvertreter die Geldstrafe nicht vollstrekt werden, so bleibt der Polizei-Behoͤrde uͤberlassen, nach ihrem Ermessen die Geldstrafe von dem Vertretenen, welcher dafuͤr subsidiarisch verhaftet ist, einziehen oder statt dessen und mit Verzichtung hierauf die im Unvermoͤgensfalle an die Stelle der Geldbuße tretende Freiheitsstrafe sogleich an dem Stellvertreter vollstreken zu lassen. Ist an eine solche Uebertretung der Verlust der Concession, Approbation oder Bestallung geknuͤpft, so findet derselbe auch als Folge der von dem Stellvertreter begangenen Uebertretung statt, wenn diese mit Vorwissen des Vertretenen begangen worden. Ist dieß nicht der Fall, so ist der Vertretene bei Verlust der Concession, Approbation u.s.w. verpflichtet den Stellvertreter zu entlassen. §. 189. Als Strafe kann der Verlust der Befugniß zum selbststaͤndigen Gewerbebetriebe, fuͤr immer oder auf Zeit, nur vom Richter ausgesprochen werden, soweit es sich nicht von Steuervergehen handelt, in Ansehung deren es bei den bestehenden Vorschriften verbleibt. In Ansehung der Competenz der Behoͤrden zur Untersuchung und Bestrafung der Verbrechen und Vergehen der Gewerbetreibenden bewendet es bei der bestehenden Verfassung; in der Rheinprovinz sind jedoch die Polizeigerichte befugt, auf Geldbuße bis zu fuͤnfzig Thalern oder Gefaͤngniß bis zu sechs Wochen zu erkennen. Schlußbestimmung. §. 190. Alle bisherigen allgemeinen und besonderen Bestimmungen uͤber Gegenstaͤnde, woruͤber das gegenwaͤrtige Gesez verfuͤgt, insbesondere auch diejenigen, durch welche in einzelnen Landestheilen die Juden in der Betreibung stehender Gewerbe seither beschraͤnkt waren, werden hiedurch außer Kraft gesezt, so weit auf bisherige Vorschriften nicht ausdruͤklich hingewiesen ist. Urkundlich unter Unserer hoͤchsteigenhaͤndigen Unterschrift und beigedruktem koͤniglichen Insiegel. Gegeben Berlin, den 17. Januar 1845.          (L.S.) Friedrich Wilhelm.    v. Rochow.    v. Savigny.    Graf v. Arnim.    Flottwell.     Uhden.           Beglaubigt:      Bornemann. (Der Schluß, betreffend das Entschaͤdigungs-Gesez zur allgemeinen Gewerbe-Ordnung, folgt im naͤchsten Heft.) Blackwell's und Norris' Verfahren eiserne Nägel, Bolzen, Schrauben etc. zu verkupfern. Wenn man Eisen nach der galvanoplastischen Methode mit Kupfer uͤberzieht, wird dasselbe leicht zerfressen, so daß sich auf dem Gegenstande entweder schon waͤhrend der Operation oder nachher ein Eisenoxyd unter dem Kupferuͤberzug bildet. Um dieß zu verhindern, beobachten die Patenttraͤger folgendes Verfahren: die eisernen Naͤgel, Bolzen, Schrauben etc. werden, ehe man sie auf galvanischem Wege verkupfert, entweder gehaͤrtet oder mit einer Bleilegirung uͤberzogen. Das Haͤrten geschieht auf gewoͤhnliche Weise; nachdem man naͤmlich die Oberflaͤche der Gegenstaͤnde von etwa vorhandenem Oxyd vollkommen gereinigt hat, bringt man sie mir Hornspaͤnen oder Knochenmehl in einen Tiegel oder eine eiserne Buͤchse, welche man gut lutirt und sezt sie der Rothgluͤhhize aus; es darf aber nur eine sehr duͤnne Schicht gehaͤrteter Oberflaͤche erzeugt werden. Um die eisernen Gegenstaͤnde mit Blei oder einer Bleilegirung zu uͤberziehen, reinigt man zuerst ihre Oberflaͤche und taucht sie dann in das geschmolzene Metall, gerade so wie man gewoͤhnlich Eisen verzinnt; von Bleilegirungen empfehlen die Patenttraͤger besonders zwei: die erste besteht aus Blei mit 1/5 bis 1/10 Zinn und die zweite aus 15 Theilen Blei, 2 Zinn und 1 Antimon. Die gehaͤrteten oder verbleieten Gegenstaͤnde werden am besten noch warm auf galvanischem Wege verkupfert. (London Journal of arts, Febr. 1845, S. 16.) Neues galvanisches Vergoldungs- und Versilberungs-Verfahren. In der ersten Sizung der polytechnischen Gesellschaft zu Leipzig am 9. Januar d. J. beschrieb der Vorsizende, Hr. Mechanikus Emil Stoͤhrer das neueste Verfahren zur Vergoldung und Versilberung auf galvanischem Wege. Einleitend bemerkte er, daß die zeitherige Methode der galvanischen Ueberziehung mit edeln Metallen mit gutem Grunde in Verruf gekommen sey, da sie nicht haltbar und durch Reibung schon zu entfernen gewesen waͤre, hoͤchstens koͤnnte sie fuͤr Gegenstaͤnde dienen, die bloß zum Ansehen bestimmt seyen. Gegenwaͤrtig aber habe man einen ganz andern Weg eingeschlagen, der zu einem sicheren Ziele fuͤhre. Das entsprechende neue Verfahren bestaͤnde naͤmlich in der Anwendung eines um dreißigmal schwaͤcheren galvanischen Stroms und ein einziges Element oder einige, je nachdem man vergolden oder versilbern wolle, genuͤge vollkommen; freilich entstaͤnde der Niederschlag nicht so schnell und man gebrauche dazu gegen drei Tage Zeit, was man fruͤher in einer halben Stunde vollbracht habe, aber man erziele nun auch eine schoͤne matte Vergoldung oder Versilberung von einer beliebigen Staͤrke, die mit dem Polirstahle weiter behandelt werden koͤnne, so gut wie jede andere. Zudem koͤnne man zu besserer Anhaftung den zu belegenden Gegenstand vorher auch mit dem Quikwasser uͤberziehen. Zur Bestaͤtigung des Gesagten legte Hr. Stoͤhrer ein kuͤnstliches kupfernes, galvanisch stark versilbertes Ohr fuͤr Schwerhoͤrige vor, dessen Inneres matt versilbert, die aͤußere Oberflaͤche aber mit dem Polirstahl blank gemacht war; dieselbe widersteht allen Einfluͤssen der Ohrfeuchtigkeit. Eine vorgelegte graduirte Kreisplatte zeugte von einer schoͤnen matten Versilberung. Um dieß neue Verfahren auszufuͤhren, bedarf es nur einer einfachen Vorrichtung: eines entsprechend großen glaͤsernen Gefaͤßes mit der Aufloͤsung des Cyangoldes oder Silbers; in die Fluͤssigkeit wird ein einziger Thoncylinder gestellt und derselbe mit verduͤnnter Schwefelsaͤure gefuͤllt, in diese wieder ein Zinkstreif getaucht, an dessen herausragendem Ende ein gebogener Kupferdraht befestigt ist, an dem das zu vergoldende oder versilbernde Stuͤk in die Gold- oder Silberfluͤssigkeit haͤngt oder damit verbunden ist; diese muß bei fortgesezter Arbeit allerdings zuweilen erneuert werden. Der beruͤhmte Gold- und Silberarbeiter Hossauer in Berlin, dessen galvanisch vergoldete Geschirre auf der Ausstellung Aufsehen erregten, bedient sich dieser einfachen Vorrichtung nicht, sondern eines einzigen Daniell'schen Elementes außerhalb des Vergoldungs-Gefaͤßes; die Poldraͤhte leitet er in dieses hinein und bringt mit dem einen den zu belegenden Gegenstand, mit dem andern ein Gold- oder Silberblaͤttchen in Verbindung, wodurch die Wirkung eine fortgesezte wird, indem sich gerade so viel von dem Blaͤttchen aufloͤst, als auf den Gegenstand niedergeschlagen wird. Hr. Stoͤhrer machte noch auf das beste Mittel, naͤmlich die Ueberziehung mit Silberbronze aufmerksam, um nichtleitende Oberflaͤchen, z.B. Gyps fuͤr galvanoplastische Niederschlaͤge leitend zu machen. Man bedient sich zu dieser Bronze-Auftragung am einfachsten eines weichen feinen Pinsels. (Deutsche Gewerbezeitg., Januar 1845, Nr. 9.) Neue Anwendung der Elektricität in der Chirurgie. Hr. Smee hat in seinen Vorlesungen uͤber Chirurgie an der Aldergate Street School of Medicine eine neue Anwendung der Elektricitaͤt beschrieben. Bekanntlich dringen oft Nadeln und andere kleine staͤhlerne Werkzeuge in den menschlichen Koͤrper ein; dieselben lassen sich nach Smee leicht dadurch entdeken, daß man sie magnetisch macht. Folgender Auszug aus seinem Vortrage wird den modus operandi hinreichend erlaͤutern: „Bekanntlich stoßen sich bei den Magneten gleiche Pole ab, waͤhrend sich ungleiche anziehen; man braucht daher ein eingeschlossenes Stuͤkchen Stahl nur magnetisch zu machen, um nicht nur seine Gegenwart nachweisen, sondern auch durch die Polaritaͤt desselben seine Richtung bestimmen und durch die Staͤrke des Magnetismus, welchen es zeigt, sogar auf seine wahrscheinliche Groͤße schließen zu koͤnnen. Wenn man die Gegenwart eines Nadelstuͤkchens etc. vermuthet, muß man den verdaͤchtigen Theil einer Behandlung unterziehen, wodurch die Nadel magnetisch gemacht wird; dazu gibt es zwei Hauptmethoden, wovon die erste darin besteht, unter rechten Winkeln einen galvanischen Strom auf den verdaͤchtigen Theil zu leiten, die zweite darin, einen starken Magnet auf den afficirten Theil zu bringen, so daß der Gegenstand durch Induction magnetisirt wird. Um die erste Methode auszufuͤhren, verschafft man sich einen mit Baumwollgarn oder Seide umsponnenen Kupferdraht und windet ihn mehrmals um die Theile herum, worin man Stahlstuͤkchen vermuthet, so daß derselbe Strom unter rechten Winkeln vielmals auf das Stahlstuͤk wirken kann; dann nimmt man eine galvanische Batterie (eine kleine Becher-Batterie nach Smee's Construction ist hinreichend) und verbindet das eine Ende des Drahts mit dem Zink, das andere mit dem verplatinten Silber. Den Strom laͤßt man eine halbe Stunde oder daruͤber andauern, wodurch der Stahl magnetisch wird und seine Gegenwart deutlich genug anzeigt. Ich selbst ziehe die zweite Methode vor, naͤmlich die Nadel durch Induction magnetisch zu machen. Zu diesem Zwek habe ich einen temporaͤren Elektromagnet angewandt, welchen ich durch die Volta'sche Batterie magnetisirte; wenn man den afficirten Theil etwa eine halbe Stunde lang so gut als moͤglich an diesen Magnet haͤlt, ist der beabsichtigte Zwek erreicht. Der Elektromagnet duͤrfte die Hufeisenform haben, wenn man die Richtung des staͤhlernen Gegenstandes kennt; in diesem Falle waͤre aber seine Anwendung gar nicht noͤthig, weil unser einziger Zwek darin besteht, die Gegenwart der Nadel nachzuweisen. Ich habe den Hufeisen-Magnet angewandt, wuͤrde aber in den meisten Faͤllen einen Elektromagnet vorziehen, welcher bloß aus einem mit Draht umwundenen geraden Stab aus Schmiedeisen besteht. Die magnetische Wirkung ist bekanntlich der Kraft der Batterie proportional; wenn man daher nur eine schwache Wirkung hervorbringen will, benuzt man ein einfaches galvanisches Paar, soll sich die Wirkung aber in einer groͤßeren Entfernung zeigen, so wendet man die Trogbatterie an. Leztere kann eine Nadel, in Verbindung mit dem Elektromagnet, im Verlauf von zwei bis drei Minuten magnetisiren. Es versteht sich, daß statt des temporaͤren oder Elektromagnets auch ein starker permanenter Magnet angewandt werden koͤnnte. Weichem Eisen, welches in einen Theil des menschlichen Koͤrpers eingedrungen ist, kann man keine magnetischen Eigenschaften ertheilen und es daher mittelst des Magnets auch nicht nachweisen. Um nun die Gegenwart eines Stahlstuͤkchens, welches magnetisirt worden ist, in dem Koͤrper zu entdeken, benuzt man eine magnetisirte Naͤhnadel, welche man an einem Seidenfaden aufhaͤngt; naͤhert man dieselbe dem verdaͤchtigen Theil, so wird sie gewisse Erscheinungen zeigen, vorausgesezt, daß derselbe ein Stuͤk magnetisirten Stahls enthaͤlt. Diese einfache Vorrichtung genuͤgt; ich selbst habe mir zu solchen Untersuchungen eine feine, etwa sechs Zoll lange Nadel verfertigen lassen, welche auf einem kleinen Achatschaͤlchen centrirt ist und damit auf einer Stahlspize aufliegt, so daß sich ihrem freien Spiel nur der moͤglich geringste Widerstand darbietet. Bringt man einen Theil, welcher magnetischen Stahl enthaͤlt, in die Naͤhe der Nadel, so kann er entweder angezogen oder abgestoßen werden, er wird sich aufwaͤrts oder abwaͤrts bewegen oder Unruhe zeigen, je nach der Lage, in welcher man den neuen Magnet haͤlt. Die Lage des fremden Koͤrpers, wenn er auch sehr klein ist, laͤßt sich auf die Art entdeken, daß man ermittelt, wo sein Nord- und Suͤdpol liegt, welche sich dadurch zu erkennen geben, daß sie die entgegengesezten Pole der Magnetnadel anziehen und abstoßen. Die Unruhe, oder die Bewegung aufwaͤrts und abwaͤrts zeigt bloß Magnetismus an, aber nicht die Richtung des Magnets. Ich habe auf diese Weise ein Nadelstuͤkchen entdekt, welches in den Finger eines Maͤdchens eindrang, obgleich es nur den siebenten Theil eines Grans wog. Dasselbe gab so deutliche Anzeichen, daß ich die Lage seines Nord- und Suͤdpols ziemlich gut herausfand, obgleich ich auf keine andere Weise die Gegenwart eines fremden Koͤrpers ermitteln konnte. Ich habe auch uͤber noch kleinere Stuͤkchen Versuche angestellt und dabei gefunden, daß ein Nadelstuͤkchen, welches den 60sten Theil eines Grans wiegt, nach dem Magnetisiren seine Gegenwart noch deutlich anzeigt.“ (Philosophical Magazine, Februar 1845, S. 177.) Kitt für Steingut, Porzellan etc. Den besten Kitt hiezu erhaͤlt man durch Zusammenschmelzen von 3 Theilen Schwefel, 2 Th. weißem Harz, 1 halben Theil Schellak, 1 Theil Elemi und 1 Thl. Mastix mit 3 Theilen Ziegelmehl. Dieser Kitt wird uͤber die vorher erwaͤrmten Flaͤchen ausgebreitet. (Chemical Gazette, 1845 No. 54.) Bereitung von reinem Aezkali und Aeznatron nach Bizio. Das beste Verfahren Kali und Natron aͤzend zu machen, besteht nach Bizio darin, eine Aufloͤsung von 1 Thl. des trokenen kohlensauren Salzes mit 1 Thl. frisch bereitetem trokenem Kalkhydrat zu vermischen und das Gemisch in einem verschlossenen Gefaͤße 24 Stunden lang bei einer Temperatur von 16 bis 20° R. stehen zu lassen, indem man es haͤufig umschuͤttelt. Das Kalisalz soll in 12 bis 15, das Natronsalz in 7 bis 15 Theilen Wasser aufgeloͤst seyn; der kohlensaure Kalk sezt sich in einem koͤrnigen Zustande ab und die Aezlauge kann von ihm klar abgegossen werden. – Die englische Pharmakopoͤe schreibt im Wesentlichen dasselbe Verfahren vor, jedoch nur halb so viel Kalk und dagegen kochendes Wasser. (Chemical Gazette, 1845 No. 54.) Watterson's neues Verfahren Talgseife oder Palmöhlseife zu fabriciren. Ch. Watterson (Theilhaber der Seifenfabrik Maguire, Watterson und Comp. in Manchester) ließ sich am 8. Mai 1844 eine Verbesserung in der Seifenfabrication patentiren, welche in einem besondern Verfahren besteht, die fetten Substanzen zuerst mit kaustischer Natronlauge zu vereinigen und dann erst Wasser zuzusezen, um das Gemisch oder Product in Seife zu verwandeln. Die Vortheile dieser Methode sollen darin bestehen, daß man eine reinere Seife in viel kuͤrzerer Zeit erzeugen kann; die Seife ist naͤmlich nach wenigen Stunden hart genug zum Verkauf, waͤhrend bei Anwendung des gewoͤhnlichen Verfahrens dazu mehrere Tage erforderlich sind. Sein Verfahren ist folgendes: um 10 Cntr. Seife zu machen, bringt man in einen Kessel (Pfanne) von 7 Fuß Durchmesser und beilaͤufig 2 Fuß Tiefe, 784 Pfd. rohes Palmoͤhl; sobald dasselbe fluͤssig geworden ist, sezt man allmaͤhlich 407 Pfd. aͤzende Natronlauge (von 22 Proc. Natrongehalt) zu und vermischt das Ganze mittelst eines Spatens gehoͤrig. Die Hize muß dann gesteigert und die Mischung herumbewegt werden, damit sie nicht an den Boden des Kessels anbakt. Nachdem diese Operation drei bis vier Stunden lang fortgesezt worden ist, erhaͤlt das Gemisch ein weißliches Aussehen und bei fortdauerndem Erhizen verdampfen alle waͤsserigen Theile, so daß die Masse in vollkommen trokenen Zustand versezt wird. Man steigert nun wieder die Hize und in kurzer Zeit wird die Masse wieder fluͤssig und nimmt eine braͤunliche Farbe an, was anzeigt, daß die Verbindung des Fetts mit dem Alkali bewirkt ist. Das Feuer wird dann schnell weggezogen und das Umruͤhren so lange fortgesezt, als man noch ein Anbrennen befuͤrchten muß. Hiemit ist der erste Theil der Operation beendigt und man laͤßt den Kessel uͤber Nacht abkuͤhlen. Der zweite Theil der Operation besteht darin, daß man das feste Product (am andern Tag) zu Pulver mahlt. Lezteres versezt man mit 450 Pfd. reinem Wasser und ruͤhrt beilaͤufig eine halbe Stunde lang gut um. Hierauf erhizt man die Mischung und erhaͤlt sie beilaͤufig drei Stunden lang unter bestaͤndigem Umruͤhren im Sieden. Sobald die Verdampfung weit genug getrieben ist und die Seife die gehoͤrige Consistenz zu haben scheint, laͤßt man sie nach und nach abkuͤhlen. Der ganze Inhalt des Kessels wird nun, waͤhrend er noch in fluͤssigem Zustande ist, in die Lade geschoͤpft; am andern Tage wird man die Seife darin so hart finden, daß man sie zerschneiden und unmittelbar in den Handel bringen kann. (London Journal of arts, Febr. 1845, S. 13.)