Titel: Miszellen.
Fundstelle: Band 95, Jahrgang 1845, Nr. CXVI., S. 479
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CXVI. Miszellen. Miszellen. Entschädigungsgesez zur neuen allgemeinen Gewerbe-Ordnung für die preußische Monarchie. Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden Koͤnig von Preußen etc. etc. verordnen in Folge der am heutigen Tage erlassenen allgemeinen Gewerbe-Ordnung uͤber die Entschaͤdigung, welche fuͤr die dadurch aufgehobenen oder fuͤr abloͤsbar erklaͤrten Berechtigungen zu gewaͤhren ist, auf den Antrag Unseres Staats-Ministeriums, nach Anhoͤrung Unserer getreuen Staͤnde und nach vernommenem Gutachten Unseres Staatsraths, was folgt: I. Aufgehobene Berechtigungen. A. Allgemeine Bedingungen der Entschädigung. §. 1. Fuͤr den Verlust der durch die allgemeine Gewerbe-Ordnung §§. 1 bis 4 aufgehobenen Berechtigungen findet eine Entschaͤdigung statt, wenn die Berechtigungen zur Zeit der Publication der Gewerbe-Ordnung in rechtsguͤltiger Weise fuͤr immer oder auf Zeit unwiderruflich bestanden. §. 2. Ausnahmen hievon (§. 1) treten ein: 1) wenn die Berechtigung zustand dem Fiscus, einer Kaͤmmerei oder Gemeinde innerhalb ihres Communalbezirks oder einer Corporation von Gewerbetreibenden, es mag solche geschlossen oder ungeschlossen seyn, 2) wenn die Berechtigung von einem der zu 1 bezeichneten Berechtigten erst nach dem 31. December 1836 auf einen Anderen uͤbergegangen ist. In allen diesen Faͤllen wird eine Entschaͤdigung nicht gewaͤhrt. §. 3. In dem in §. 2 zu 2 bezeichneten Falle kann der gegenwaͤrtige Inhaber der Berechtigung sofort die Aufhebung des zwischen ihm und dem fruͤheren Berechtigten bestehenden Vertrags-Verhaͤltnisses verlangen; er muß aber dieses Verlangen vor Ablauf des Jahres 1845 gegen den fruͤheren Berechtigten schriftlich erklaͤren. Wird von dieser Befugniß Gebrauch gemacht, so sind die rechtlichen Folgen der Aufhebung nach den allgemein gesezlichen Vorschriften zu beurtheilen. Ist jenes Verlangen innerhalb der oben gedachten Frist dem fruͤheren Berechtigten nicht erklaͤrt worden, so muͤssen die fuͤr die Ueberlassung der Berechtigung uͤbernommenen Verpflichtungen ohne Abzug fortgesezt erfuͤllt werden. §. 4. Die Anspruͤche auf Entschaͤdigung fuͤr den Verlust der durch die allgemeine Gewerbe-Ordnung §§. 1 bis 4 aufgehobenen Berechtigungen muͤssen bis zum Schlusse des Jahres 1845 bei der Regierung schriftlich angemeldet werden. §. 5. Eine Ausnahme hievon (§. 4) findet statt in Ansehung derjenigen nach §. 3 der Gewerbe-Ordnung vorerst noch ferner zu leistenden Abgaben, welche auf Gewerbe-Berechtigungen ruhen, mit denen das Recht zur Untersagung oder Beschraͤnkung des Betriebes eines stehenden Gewerbes verbunden war. Der Anspruch auf die Entschaͤdigung fuͤr die Berechtigung zur Erhebung von Abgaben dieser Art muß bis zum Schlusse des Jahres 1849 bei der Regierung schriftlich angemeldet werden; kommt jedoch die Abgabe schon fruͤher in Wegfall, so muß die Anmeldung binnen Jahresfrist nach dem Wegfall erfolgen. §. 6. Werden die Entschaͤdigungs-Anspruͤche innerhalb der in den §§. 4 und 5 bestimmten Fristen bei der Regierung nicht schriftlich angemeldet, so gehen die Berechtigten ihrer Anspruͤche von selbst verlustig. Es koͤnnen jedoch die im §. 39 bezeichneten Interessenten den Entschaͤdigungs-Anspruch noch waͤhrend einer anderweiten praͤclusivischen Frist von drei Monaten durch schriftliche Anmeldung bei der Regierung geltend machen. Auf einen nach Befriedigung dieser Interessenten etwa verbleibenden Ueberschuß kann aber der Berechtigte, welcher die Anmeldung versaͤumt hat, keinen Anspruch machen. B. Ermittelung und Leistung der Entschädigung. 1) für ausschließliche Gewerbe-Berechtigungen. a) in Beziehung auf stehende Gewerbe. §. 7. Als Maaßstab der Entschaͤdigung fuͤr die aufgehobenen ausschließlichen Gewerbe-Berechtigungen (§. 1 der allgemeinen Gewerbe-Ordnung) gilt derjenige Werth, welchen die Berechtigung zur Zeit der Aufhebung gehabt hat. Der Werth wird fuͤr jede einzelne in einem Orte oder Distrikte vorkommende Gattung dieser Berechtigungen besonders ermittelt. §. 8. Zum Anhalt bei dieser Ermittelung dient zunaͤchst der Durchschnitt der Preise, welche bei Veraͤußerungen gezahlt, bei Erbtheilungen angenommen, so wie bei Verpachtungen, den Pachtbetrag nach Abzug der Lasten zu Capital berechnet, erlangt worden sind. Dabei ist jedoch, wenn die Berechtigung in Verbindung mit Grundstuͤken, Geraͤthschaften oder andern Gegenstaͤnden uͤberlassen worden, der Werth dieser verschiedenen Gegenstaͤnde in Abzug zu bringen. In gleicher Weise ist, wenn die Gewerbe-Berechtigung als Realrecht fortdauert (§. 65 der Gewerbe-Ordnung), zu beruͤksichtigen, welchen Werth dieselbe als Realrecht behaͤlt. §. 9. Wenn in einem laͤngeren Zeitraum keine Veraͤußerungen, Erbtheilungen oder Verpachtungen vorgekommen sind, oder wenn solche keinen genuͤgenden Anhalt gewaͤhren, so ist der Werth oder Reinertrag der aufgehobenen ausschließlichen Berechtigung mit Huͤlfe der Steuerregister oder auf andere Weise zu ermitteln. Dem Finanz-Ministerium bleibt uͤberlassen, wegen des Verfahrens bei diesen Ermittelungen Anweisung zu ertheilen. §. 10. In allen Faͤllen, in welchen bei Feststellung der Entschaͤdigung der Reinertrag zu Grunde gelegt wird, ist der fuͤnfundzwanzigfache Betrag desselben als der Werth der Berechtigung anzusehen. §. 11. Sobald die Entschaͤdigungs-Capitalien feststehen, sind den Berechtigten hieruͤber auf deren Namen lautende Anerkenntnisse, und zwar in den Staͤdten von der Communal-Behoͤrde, sonst aber von der Regierung zu ertheilen. Diese Entschaͤdigungs-Anerkenntnisse treten an die Stelle der aufgehobenen Berechtigungen und koͤnnen, gleich diesen, vererbt und uͤbertragen werden. Eine jede solche Vererbung oder Uebertragung muß derjenigen Behoͤrde, welche das Anerkenntniß ausgestellt hat, nachgewiesen werden; ist dieß nicht geschehen, so ist die Behoͤrde nicht verpflichtet auf eine etwanige Veraͤnderung in der Person des Eigenthuͤmers Ruͤksicht zu nehmen. Die Veraͤnderungen in dem Eigenthum des Anerkenntnisses sind auf diesem von der Behoͤrde zu vermerken. §. 12. Den Inhabern der Entschaͤdigungs-Anerkenntnisse soll, so lange sie das Gewerbe, auf welches die ausschließliche Berechtigung sich bezog, selbst oder durch einen Andern (Stellvertreter, Paͤchter u.s.w.) ausuͤben, das festgesezte Entschaͤdigungs-Capital bis zu seiner Tilgung mit drei Procent jaͤhrlich verzinst werden. Diese Verzinsung beginnt jedoch erst mit dem Tage, an welchem der stehende Betrieb des Gewerbes, worauf die ausschließliche Berechtigung sich bezog, von einer Person begonnen wird, die nicht im Besize eines Entschaͤdigungs-Anerkenntnisses sich befindet. Die Verzinsung wird wieder eingestellt, sobald das Gewerbe von einer solchen Person nicht mehr betrieben wird. §. 13. Die Zinsen saͤmmtlicher Entschaͤdigungs-Capitalien fuͤr aufgehobene Berechtigungen der naͤmlichen Gattung sind, so weit solche nach §. 12 entrichtet werden muͤssen, von allen denjenigen aufzubringen, welche innerhalb des Orts oder Districts das Gewerbe, worauf die ausschließliche Berechtigung sich bezog, als ein stehendes selbstaͤndig betreiben, ohne Unterschied, ob sie sich im Besize eines Entschaͤdigungs-Anerkenntnisses befinden oder nicht. Die allmaͤhliche Tilgung der Entschaͤdigungs-Anerkenntnisse (§§. 16 und ff.) hat auf den Betrag der aufzubringenden Zinsen keinen Einfluß, vielmehr sind fuͤr die getilgten Anerkenntnisse die Zinsen ferner aufzubringen und an den Tilgungsfonds (§. 17) zu zahlen. §. 14. Die Beitrage zu den Zinsen sind von der Behoͤrde (§. 55) nach dem Umfange des Gewerbebetriebs der zur Aufbringung Verpflichteten (§. 13) dergestalt zu veranlagen, daß kein Gewerbetreibender außer Nahrungsstand kommt. Die Ministerien des Innern und der Finanzen sind ermaͤchtigt, wo sie es fuͤr angemessen erachten, ein Maximum der von den Gewerbetreibenden zur Verzinsung der Entschaͤdigungs-Capitalien zu leistenden Beitraͤge mit Ruͤksicht auf die Gewerbesteuer festzusezen. Die Inhaber von Entschaͤdigungs-Anerkenntnissen koͤnnen die ihnen gebuͤhrenden Zinsen auf die von ihnen zu leistenden Beitraͤge abrechnen. §. 15. Insoweit durch die Beitraͤge der Gewerbetreibenden (§§. 13 und 14) der im Ganzen aufzubringende Zinsbetrag nicht gedekt werden kann, muß das Fehlende von der Gemeinde oder dem Districte zugeschossen werden. Etwanige Ueberschuͤsse bei der Erhebung der Beitraͤge fließen zum Tilgungs-Fonds (§. 17). §. 16. Zur Bezahlung der Entschaͤdigungs-Capitalien sind verpflichtet: 1) diejenigen, welche das Gewerbe, worauf die ausschließliche Berechtigung sich bezog, als ein stehendes selbststaͤndig betreiben, jedoch mit Ausnahme derer, welche sich im Besize eines Entschaͤdigungs-Anerkenntnisses (§. 11) befinden; 2) die Gemeinde oder der District, wo die ausschließliche Gewerbe-Berechtigung bestand. §. 17. Fuͤr jede einzelne Gattung von Berechtigungen soll in jedem Orte oder Districte ein besonderer Tilgungs-Fonds gebildet werden. Zu demselben fließen: a) die Beitraͤge der im §. 16 zu 1 gedachten Gewerbetreibenden; b) die Beitrage der betheiligten Gemeinde oder des betheiligten Districts (§. 16 zu 2); c) die bei Erhebung der Zinsen sich ergebenden Ueberschuͤsse (§§. 13 und 15); d) die nach Befriedigung der im §. 39 bezeichneten Interessenten, im Falle der §. 6 verbleibenden Entschaͤdigungs-Capitalien; e) die bei Aufloͤsung einer Innung nach §. 99 der allgemeinen Gewerbe-Ordnung fuͤr diesen Zwek etwa verbleibenden Vermoͤgens-Ueberschuͤsse. §. 18. Als Regel wird festgesezt, daß zum Tilgungs-Fonds 1) jeder beitragspflichtige Gewerbetreibende die Haͤlfte derjenigen Summe, welche er nach §. 14 zu den Zinsen beitragen muß; 2) die betheiligte Gemeinde oder der betheiligte District, wenn nicht freiwillig hoͤhere Beitraͤge uͤbernommen werden, ein Procent des Gesammtbetrages der Entschaͤdigungs-Capitalien alljaͤhrlich aufzubringen hat. Eine Ermaͤßigung des zu 2 bestimmten Beitrags ist nur aus erheblichen Gruͤnden, unter Genehmigung der Ministerien des Innern und der Finanzen, zulaͤssig. §. 19. Ist die Entschaͤdigung von mehreren Ortschaften aufzubringen, so wird das Beitrags-Verhaͤltniß unter Beruͤksichtigung der groͤßern oder geringern Vortheile, welche aus der Aufhebung der ausschließlichen Gewerbe-Berechtigung fuͤr die Betheiligten entstehen, von der Regierung mit Vorbehalt des Recurses an die Ministerien des Innern und der Finanzen festgesezt. §. 20. Sobald die Entschaͤdigungs-Capitalien festgestellt sind, beginnt deren Tilgung. Die Beitraͤge der Gemeinde oder des Districts (§. 18 zu 2) sind bis zur vollendeten Tilgung unveraͤndert nach dem Gesammtbetrage der Entschaͤdigungs-Capitalien zu entrichten. Die Beitraͤge der Gewerbetreibenden (§. 18 zu 1) sind von dem Tage an, mit welchem die Verzinsung der Entschaͤdigungs-Capitalien beginnt, zu zahlen, jedoch nur so lange, als die Verzinsung fortdauert (§. 12). §. 21. Die Berichtigung der Entschaͤdigungs-Capitalien erfolgt allmaͤhlich nach Maaßgabe der Kraͤfte des Tilgungs-Fonds. Finden sich Inhaber von Entschaͤdigungs-Anerkenntnissen bereit, solche unter dem Nennwerth an den Tilgungs-Fonds abzutreten, so wird zunaͤchst der Mindestfordernde befriedigt; außer diesem Falle wird die Reihefolge durch das Loos bestimmt. §. 22. Fuͤr diejenigen ausschließlichen Gewerbe-Berechtigungen, welche entweder nur auf Lebenszeit des Berechtigten oder nur auf einen nach Jahren oder deren Theilen bestimmten Zeitraum verliehen waren, wird als Entschaͤdigung eine nach dem durchschnittlichen Reinertrage (§§. 8, 9) zu ermittelnden Rente bis zum Ablauf der Zeit gewaͤhrt, auf welche die Berechtigung verliehen war. Diese Entschaͤdigungs-Rente, uͤber welche dem Berechtigten ein Anerkenntniß nach Vorschrift des §. 11 ertheilt wird, ist jedoch nur unter den Voraussezungen zu zahlen, unter welchen nach §. 12 die Entschaͤdigungs-Capitalien verzinst werden. Die Rente wird von den im §. 13 bezeichneten Gewerbetreibenden, so wie von der Gemeinde oder dem Districte, wo die ausschließliche Berechtigung bestand, gemeinschaftlich aufgebracht, und zwar von den Gewerbetreibenden zu drei Viertheilen, von der Gemeinde oder dem Districte zu einem Viertheile. Den Betheiligten bleibt uͤberlassen, sich uͤber die Abloͤsung der Rente durch Capital-Zahlung guͤtlich zu einigen, welcher von dem Berechtigten nicht widersprochen werden kann, wenn der fuͤnfundzwanzigfache Betrag der Rente gewaͤhrt wird. b) In Beziehung auf den Gewerbebetrieb im Umherziehen. §. 23. Fuͤr ausschließliche Berechtigungen, welche auf den Gewerbebetrieb im Umherziehen sich beziehen, wird keine andere Entschaͤdigung gewaͤhrt, als der Erlaß der fuͤr diese Berechtigungen etwa zu entrichtenden Abgaben und Leistungen. Ist jedoch bei Erwerbung der Berechtigung von dem Inhaber eine Leistung ein- fuͤr allemal entrichtet worden, so wird fuͤr diese ein verhaͤltnißmaͤßiger Ersaz aus der Staatscasse gewaͤhrt. Die Entschaͤdigung fuͤr den Wegfall der Abgaben und Leistungen wird demjenigen, welcher zu der Hebung berechtigt war, nach Vorschrift der §§. 25 bis 27 gewaͤhrt. c) Im Falle der Verbindung mit Zwangs- und Bannrechten. §. 24. Die Inhaber ausschließlicher Berechtigungen zum Brauen, Baken und Schlachten in den Staͤdten sind auch in dem Falle, wenn mit diesen Berechtigungen zugleich ein Zwangs- und Bannrecht verbunden war, lediglich nach den Bestimmungen der §§. 7 bis 23 zu entschaͤdigen, und zwar ohne Unterschied, ob sich das Zwangs- und Bannrecht uͤber den der ausschließlichen Berechtigung unterworfenen Bezirk hinaus erstrekte oder nicht. Ist mit ausschließlichen Gewerbe-Berechtigungen anderer Art ein durch die §§. 4 und 5 der allgemeinen Gewerbe-Ordnung aufgehobenes oder fuͤr abloͤsbar erklaͤrtes Zwangs- und Bannrecht verbunden, so wird die Entschaͤdigung lediglich nach den Vorschriften der §§. 29 bis 36 des gegenwaͤrtigen Gesezes gewaͤhrt. 2) Für Berechtigungen, Concessionen zu gewerblichen Anlagen oder zum Betriebe von Gewerben zu ertheilen oder Abgaben vom Gewerbebetriebe zu erheben. §. 25. Die Entschaͤdigung fuͤr die Aufhebung der Berechtigung, Concessionen zu gewerblichen Anlagen oder zum Betriebe von Gewerben zu ertheilen (§. 2 der allgemeinen Gewerbe-Ordnung), so wie fuͤr die Aufhebung der Berechtigung, Abgaben vom Gewerbebetrieb zu erheben oder dergleichen Abgaben aufzulegen (§. 3 der allgemeinen Gewerbe-Ordnung), ist nach dem Betrage der reinen Nuzungen festzustellen, welche der Berechtigte davon erweislich in den Jahren 1817 bis 1836 einschließlich im Durchschnitt bezogen hat. Hiebei kommen jedoch Capital-Betraͤge, welche dem Berechtigten fuͤr die Verleihung vererblicher und veraͤußerlicher Gewerbe-Berechtigungen bezahlt worden sind, nicht in Betracht. §. 26. Der nach §. 25 festgestellte durchschnittliche Reinertrag ist dem Berechtigten als eine jaͤhrliche Rente zu gewaͤhren, welche durch Zahlung des fuͤnfundzwanzigfachen Betrages jederzeit abgeloͤst werden kann. §. 27. Diese Rente (§. 26) wird, soweit nicht der §. 28 eine Ausnahme enthaͤlt, vom Tage der Verkuͤndigung der Gewerbe-Ordnung an geleistet und aus der Staatscasse gewaͤhrt. §. 28. Fuͤr solche Abgaben, welche auf Gewerbe-Berechtigungen ruhen, mit denen das Recht zur Untersagung oder Beschraͤnkung des Betriebes eines stehenden Gewerbes verbunden war, wird die Entschaͤdigungs-Rente (§. 26) erst von dem Tage des Wegfalls der Abgaben (§. 3 der allgemeinen Gewerbe-Ordnung) an geleistet und von den im §. 13 bezeichneten Gewerbetreibenden, so wie von der Gemeinde oder dem Districte, wo die ausschließliche Gewerbe-Berechtigung bestand, gemeinschaftlich aufgebracht. In Ermangelung einer guͤtlichen Einigung wird das Beitrags-Verhaͤltniß nach Vorschrift des §. 19 festgesezt. Dabei ist zugleich Anordnung zu treffen, wie die Entschaͤdigungs-Renten, woruͤber nach §. 11 den Berechtigten Anerkenntnisse ertheilt werden, ohne erhebliche Belaͤstigung der Betheiligten in kuͤrzester Zeit zu tilgen sind. 3) Für die aufgehobenen Zwangs- und Bannrechte, und zwar: a) für den Mahlzwang. §. 29. Zur Feststellung der Entschaͤdigung fuͤr den aufgehobenen Mahlzwang (§. 4 zu 3 der allgemeinen Gewerbe-Ordnung) hat zuvoͤrderst der Berechtigte den Umfang seines Zwangs-Bezirkes der Regierung nachzuweisen. Sodann ist die Einwohnerzahl dieses Zwangs-Bezirkes nach den lezten, vor Publication der allgemeinen Gewerbe-Ordnung aufgenommenen statistischen Tabellen zu ermitteln und der durch die Aufhebung des Mahlzwangs fuͤr den Berechtigten entstehende Verlust zu einer halben Meze Roggen fuͤr jeden Kopf dieser Einwohnerzahl anzunehmen. Das hienach sich ergebende Roggen-Quantum ist nach dem Durchschnitte der Marktpreise der naͤchsten Marktstadt aus den Jahren 1815 bis 1844 als Jahres-Rente in Geld zu berechnen, deren fuͤnfundzwanzigfacher Betrag die Normal-Entschaͤdigung bildet. §. 30. Die nach §. 29 angelegte Berechnung ist durch den Landrath dem Berechtigten vorzulegen. Dieser hat binnen drei Monaten, vom Tage der Vorlegung an, dem Landrathe schriftlich oder zum Protokoll zu erklaͤren, ob er die Berechnung als richtig anerkennt und sich mit der ihm danach zukommenden Normal-Entschaͤdigung unter Verzichtleistung auf alle weiteren Anspruͤche begnuͤgen will. Erklaͤrt der Berechtigte innerhalb dieser Frist unter Verzichtleistung auf alle weiteren Anspruͤche zur Annahme der Normal-Entschaͤdigung sich bereit, so ist ihm solche sofort aus der Staatscasse auszuzahlen. Gibt derselbe innerhalb der gedachten Frist keine Erklaͤrung ab, so wird angenommen, daß er die Berechnung als richtig anerkenne und unter Verzichtleistung auf alle weiteren Anspruͤche die Normal-Entschaͤdigung annehme, welche demnaͤchst gleichfalls sofort auszuzahlen ist. §. 31. Erklaͤrt der Berechtigte vor Ablauf der dreimonatlichen Frist (§. 30), mit der Normal-Entschaͤdigung unter Verzichtleistung auf alle weiteren Anspruͤche sich nicht begnuͤgen zu wollen, so bleibt ihm uͤberlassen, den durch die Aufhebung des Mahlzwanges verursachten Verlust nachzuweisen. Dieser Beweis muß jedoch bei Verlust des Entschaͤdigungs-Anspruchs innerhalb eines Jahres, vom Ablauf der dreimonatlichen Frist (§. 30) an gerechnet, angetreten werden. Ein Berechtigter, welcher die Normal Entschaͤdigung einmal abgelehnt hat, kann auf dieselbe niemals zuruͤkgehen, sondern immer nur Ersaz des wirklich erwiesenen Verlustes fordern. §. 32. Zur Feststellung dieses Verlustes (§. 31) ist der Ertrag des Zwangsrechts, abgesondert von den dabei benuzten Grundstuͤken, Bauwerken und Utensilien, und abgesehen von demjenigen Fabrications-Gewinne, welcher auch ohne das Vorhandenseyn dieses Rechtes erlangt werden kann, genau zu ermitteln und dabei nach den in den §§. 8 und 9 gegebenen Vorschriften zu verfahren. Der danach sich ergebende Verlust ist aus der Staatscasse durch eine jaͤhrliche Rente zu verguͤten, welche durch Zahlung des fuͤnfundzwanzigfachen Betrages jederzeit abgeloͤst werden kann. b) Für den Branntweinzwang, den Brauzwang und die Zwangs- und Bannrechte der städtischen Baͤker und Fleischer. §. 33. Die Entschaͤdigung fuͤr die Aufhebung des Branntweinzwanges (§. 4 zu 3 der allgemeinen Gewerbe-Ordnung) ist nach den Grundsaͤzen des §. 32 zu ermitteln und aus der Staatscasse zu leisten. Ein Gleiches gilt von der Entschaͤdigung fuͤr die Aufhebung des Brau-Zwangsrechts, so wie des staͤdtischen Baͤkern und Brauern zustehenden Rechts, die Einwohner der Stadt, der Vorstaͤdte oder der sogenannten Bannmeile zu zwingen, daß sie ihren Bedarf an Gebaͤk oder Fleisch ganz oder theilweise von jenen ausschließlich entnehmen (§. 4 zu 3 der allgemeinen Gewerbe-Ordnung), sofern diese Zwangsrechte nicht zugleich mit ausschließlichen Gewerbe-Berechtigungen verbunden waren und demzufolge nach §. 24 den Bestimmungen der §§. 7 bis 23 unterliegen. II. Ablösbare Berechtigungen. §. 34. Die im §. 5 der allgemeinen Gewerbe-Ordnung ausgesprochene Befugniß zur Abloͤsung solcher Zwangs- und Bannrechte, welche nicht durch die Bestimmungen des §. 4 desselben Gesezes aufgehoben sind, steht, wenn die Verpflichtung auf Grundbesiz haftet, jedoch nicht alle zu einer Gemeinde gehoͤrenden Besizungen umfaßt, einem jeden einzelnen Verpflichteten zu. Ruht die Verpflichtung in der Art auf Grundbesiz, daß sie alle zu einer Gemeinde gehoͤrenden Besizungen umfaßt, so kann nur die Gemeinde auf Abloͤsung antragen. Sind dem Zwangs- und Bannrechte die Mitglieder einer Corporation als solche unterworfen, so ist nur die Corporation in ihrer Gesammtheit zur Abloͤsung desselben befugt. Sind Bewohner eines Ortes oder Districtes vermoͤge ihres Wohnsizes dem Zwangs- und Bannrechte unterworfen, so koͤnnen nicht die einzelnen Pflichtigen, sondern nur die Gemeinden, von diesen jedoch jede Gemeinde fuͤr sich, auf Abloͤsung antragen. Enthaͤlt der Zwangs- und Bannbezirk Grundstuͤke, welche nicht zum Gemeinde-Verbande gehoͤren, so sind die einzelnen Besizer dieser Grundstuͤke, unabhaͤngig von den Gemeinden, zur Abloͤsung befugt. §. 35. Wird auf Abloͤsung eines solchen Zwangs- und Bannrechts (§. 34) angetragen, so ist dessen jaͤhrlicher Ertrag nach den im §. 32 vorgeschriebenen Grundsaͤzen zu ermitteln und die Entschaͤdigung auf eine diesem Ertrage gleichkommende jaͤhrliche Rente festzusezen. Ueber die von jedem Abloͤsenden zu entrichtende Rente wird dem Berechtigten nach §. 11 ein Anerkenntniß ertheilt. §. 36. Die Entschaͤdigung ist von den Zwangs- und Bannpflichtigen aufzubringen. Muͤssen dazu mehrere Ortschaften beitragen, so wird das Beitrags-Verhaͤltniß der Gemeinden, so wie der etwa außer einem Gemeinde-Verbande befindlichen Grundbesizer von der Regierung mit Vorbehalt des Recurses an die Ministerien des Innern und der Finanzen festgesezt. Der Zeitpunkt, von welchen an die Rente zu zahlen ist, wird durch die Regierung bestimmt, sofern nicht die Betheiligten sich daruͤber einigen. Mit diesem Zeitpunkte hoͤrt die Zwangs- und Bannpflicht auf. – Die Entschaͤdigungs-Rente kann durch Zahlung des fuͤnfundzwanzigfachen Betrages zu jeder Zeit abgeloͤst werden, und der Berechtigte muß sich die Abloͤsung auch in Stuͤkzahlungen, jedoch nicht unter 100 Rthlr., gefallen lassen. III. Allgemeine Bestimmungen. §. 37. Die Verhandlungen wegen Feststellung der Entschaͤdigungs-Anspruͤche, so wie der als Entschaͤdigung zu gewaͤhrenden Capitalien und Renten erfolgen durch einen Commissarius der Regierung. §. 38 Bei diesen Verhandlungen (§. 37) sind, wenn das Eigenthum und das Nuzungsrecht an einem berechtigten oder verpflichteten Grundstuͤke verschiedenen Personen zusteht, dieselben saͤmmtlich zuzuziehen. Zu den Nuzungs-Berechtigten sind die Paͤchter hier nicht zu rechnen. §. 39. Ober-Eigenthuͤmer, Lehnsherren, Lehns- und Fideicommißfolger, Wiederkaufs-Berechtigte, Hypotheken-Glaͤubiger und andere Realberechtigte sind nicht von Amtswegen zuzuziehen; denselben steht aber frei, bei dem Verfahren sich zu melden und ihre Gerechtsame wahrzunehmen. §. 40. Dem Ober-Eigenthuͤmer, Lehnsherrn oder Wiederkauf-Berechtigten, deßgleichen den beiden naͤchsten Fideicommiß-Anwaͤrtern, so wie bei Lehnen, falls der Besizer keine lehnsfaͤhige Descendenz hat, den beiden naͤchsten Agnaten ist, sofern sie bekannt sind, von der Einleitung des Verfahrens besonders Nachricht zu geben; sind dieselben nicht bekannt, oder findet der Commissarius (§. 37) sonst Anlaß, so ist von diesem durch oͤffentliche Bekanntmachung ein Termin zu bestimmen, bis zu welchem die Betheiligten sich melden koͤnnen. Dieser Termin ist auf sechs Wochen hinauszusezen und durch das Amtsblatt zweimal von drei zu drei Wochen bekannt zu machen. Diejenigen, welche sich nicht melden, sind mit Einwendungen gegen die Verhandlungen nicht weiter zu hoͤren. §. 41. In denjenigen Faͤllen, in welchen die Entschaͤdigung aus der Staats-Casse gewaͤhrt wird (§§. 23, 27, 29, 32, 33), ist zur Wahrnehmung des fiscalischen Interesses ein Anwalt zu bestellen. In andern Faͤllen ist, insoweit die aufgehobene Berechtigung auf eine ganze Ortschaft sich erstrekte, bei der Instruction anstatt der Pflichtigen die Communal-Behoͤrde zuzuziehen, welche fuͤr die Verhandlungen einen Vertreter zu bestellen hat. Sind mehrere Ortschaften betheiligt, so haben die Communal-Behoͤrden uͤber einen gemeinschaftlichen Vertreter sich zu einigen; sollte diese Einigung binnen einer Frist von sechs Wochen nach ergangener Aufforderung nicht erfolgen, so ist die Regierung befugt, einen solchen gemeinschaftlichen Vertreter zu bestellen. §. 42. Die vollstaͤndige Eroͤrterung der Sache darf auch dann nicht unterbleiben, wenn die Anspruͤche der Berechtigten von der Communal-Behoͤrde der betheiligten Gemeinde anerkannt werden. §. 43. Wenn daruͤber, ob eine Berechtigung zur Zeit der Publication der allgemeinen Gewerbe-Ordnung rechtsguͤltigerweise unwiderruflich bestand, oder uͤber den Umfang der Berechtigung Streit entsteht, so hat das Plenum der Regierung durch ein mit Gruͤnden auszufertigendes Resolut zu entscheiden. Gegen dieses Resolut steht binnen einer praͤclusivischen Frist von sechs Wochen nach Eroͤffnung desselben jedem der Betheiligten der Recurs an das Finanz-Ministerium oder die Berufung auf rechtliches Gehoͤr offen. §. 44. Was die nach §. 41 bestellten Vertreter bei dem Verfahren im Verwaltungs- oder im Rechtswege erklaͤren, oder was darin gegen dieselben entschieden wird, hat fuͤr alle gegenwaͤrtigen und kuͤnftigen Einwohner der betheiligten Ortschaften bindende Kraft, ohne Unterschied, ob sie Gewerbetreibende sind oder nicht. §. 45. Bis zur erfolgten Feststellung der Berechtigung und ihres Umfanges ist das Verfahren wegen Ermittelung des Betrages der Entschaͤdigung auszusezen, insofern der Berechtigte nicht etwa die Einleitung oder Fortsezung desselben auf seine Gefahr, unter Vorschuß der Kosten, verlangt. Sobald aber der Entschaͤdigungs-Anspruch an sich feststeht, ist auch der Betrag der Entschaͤdigung zu ermitteln und festzustellen. Diese Ermittelung und Feststellung wird in Ansehung der Normal-Entschaͤdigung fuͤr den Mahlzwang nach Maaßgabe der §§. 29 u. 30 durch die Regierung bewirkt. In andern Faͤllen sind dafuͤr die Bestimmungen der §§. 46 bis 50 maaßgebend. §. 46. Die Ermittelung des Betrages der Entschaͤdigung erfolgt durch den Commissarius (§. 37) unter Zuziehung von zwei Beisizern, von denen einer durch den Berechtigten, der andere durch die zur Entschaͤdigung Verpflichteten oder deren Vertreter (§. 41) binnen einer vom Commissarius zu bestimmenden Frist zu waͤhlen ist; geschieht die Wahl binnen dieser Frist nicht, so ernennt der Commissarius die Beisizer. §. 47. Als Beisizer waͤhlbar ist jeder unbescholtene, in den Geschaͤften des buͤrgerlichen Lebens erfahrene Mann. Die Beisizer koͤnnen nur Ersaz der Reise-, Zehrungs- und Versaͤumniß-Kosten verlangen. §. 48. Die nach Vorschrift der §§. 46 und 47 gebildete Commission hat die factischen Verhaͤltnisse, welche auf den Werth der aufgehobenen Berechtigung einwirkten, vollstaͤndig zu eroͤrtern. Bei dieser Eroͤrterung sind alle gesezlichen Beweismittel, mit Ausnahme der Eides-Delation, so wie des nothwendigen Eides, zulaͤssig. Kommt es auf die Ermittelung des Rein-Ertrages eines Gewerbes an, so sind bei Feststellung desselben die Durchschnitte der Marktpreise der naͤchsten Marktstadt aus den Jahren 1815–44 zum Grunde zu legen. Fuͤr solche Orte, wo bisher die Preise der Bakwaaren, des Fleisches und des Bieres von den Berechtigten nicht willkuͤrlich bestimmt werden durften, sondern Taxen dafuͤr bestanden, oder die Beschaffenheit der Waaren einer Controle unterlag, koͤnnen von dem Finanz-Ministerium fuͤr den auf einen Centner Mehl, Fleisch und Braumalz zu rechnenden reinen Gewinn gewisse Saͤze bestimmt werden, welche bei der Abschaͤzung zwar ermaͤßigt, aber nicht uͤberschritten werden duͤrfen. §. 49. Abgaben und Leistungen, zu denen die Berechtigten in Beziehung auf die aufgehobene Berechtigung verpflichtet waren, sind bei Ermittelung des Werthes oder des Reinertrages in Abrechnung zu bringen. Sofern dergleichen Abgaben und Leistungen dem Fiscus oder einer Corporation von Gewerbetreibenden zustanden oder an eine Kaͤmmerei oder Gemeinde fuͤr eine innerhalb ihres Communal-Bezirkes bestehende Berechtigung zu entrichten waren, fallen dieselben hinweg, ohne daß dafuͤr eine Entschaͤdigung zu gewahren ist. In andern Faͤllen wird die Entschaͤdigung fuͤr den Wegfall der gedachten Abgaben und Leistungen demjenigen, welcher zu der Hebung berechtigt war, nach Vorschrift der §§. 25 bis 28 gewaͤhrt. §. 50. Nach Beendigung der Instruction reicht die Commission die Verhandlungen mit ihrem Gutachten der Regierung ein, welche die zu gewaͤhrende Entschaͤdigung durch einen Plenar-Beschluß festsezt. Das nach diesem Beschluß mit Gruͤnden abgefaßte Resolut wird den Betheiligten durch den Commissarius (§. 37) in einem hiezu anzusezenden Termine eroͤffnet und in einer vollstaͤndigen Ausfertigung ausgehaͤndigt. Jedem der Betheiligten steht gegen dieses Resolut mit Ausschluß des Rechtsweges nur der Recurs an das Finanz-Ministerium offen, welcher binnen einer praͤclusivischen Frist von sechs Wochen nach Eroͤffnung des Resoluts bei dem Commissarius angemeldet werden muß. Das Recursgesuch muß die Rechtfertigungsgruͤnde der Beschwerde enthalten. Dasselbe wird dem Gegentheile zugefertigt, welcher seine Erwiederung binnen einer praͤclusivischen Frist von vier Wochen einzureichen hat. Bei dem, was in der Recurs-Instanz entschieden wird, behaͤlt es unabaͤnderlich sein Bewenden. §. 51. Das rechtskraͤftige Resolut der Regierung, so wie die Entscheidung des Finanz-Ministeriums, hat die Wirkung eines rechtskraͤftigen Erkenntnisses. §. 52. Die Abloͤsung eines Zwangs- und Bannrechts kann auch im Wege der freien Uebereinkunft, ohne Mitwirkung der Regierung, erfolgen. Doch sind sowohl die Berechtigten als die Verpflichteten befugt, die Pruͤfung und Bestaͤtigung des Vertrages durch die Regierung zu verlangen. Der bestaͤtigte Vertrag hat die im §. 51 festgesezte Wirkung. §. 53. Ueber die Verpflichtung, Beitrage zur Verzinsung und Tilgung der Entschaͤdigungs-Capitalien (§§. 11 bis 20), so wie zur Zahlung oder Abloͤsung der Entschaͤdigungs-Renten (§§. 22, 28, 35, 36) zu leisten, entscheidet, mit Ausschluß des Rechtsweges, in erster Instanz die Regierung und in zweiter Instanz das Finanz-Ministerium. §. 54. Streitigkeiten uͤber die Abloͤsung der Entschaͤdigungs-Renten werden, mit Ausschluß des Rechtsweges, in erster Instanz durch die Regierung und in zweiter Instanz durch das Finanz-Ministerium entschieden. §. 55. Die Einziehung und Verwaltung der im §. 53 gedachten Beitraͤge, ingleichen die Auszahlung der in den §§. 11 bis 21 erwaͤhnten Entschaͤdigungs-Capitalien und Zinsen, so wie der in den §§. 22, 28, 35, 36 bezeichneten Entschaͤdigungs-Renten und Abloͤsungs-Capitalien, liegt in den Staͤdten der Communal-Behoͤrde und auf dem Lande derjenigen Behoͤrde ob, welche die Regierung dazu besonders bestimmen wird. §. 56. Die Verzinsung der Entschaͤdigungs-Capitalien (§. 12) und die Zahlung der Entschaͤdigungs-Renten (§§. 22, 26 bis 28, 32, 33, 35, 36) erfolgt jaͤhrlich postnumerando, wenn die Betheiligten sich nicht anders einigen. §. 57. Wollen Gemeinden die im §. 55 gedachten Entschaͤdigungs-Capitalien vorschußweise bezahlen, so behalten Wir Uns vor, dieses dadurch zu befoͤrdern, daß Wir denselben gestatten, die erforderlichen Geldmittel gegen Obligationen, die auf jeden Inhaber lauten, aufzunehmen. Die Gemeinde tritt alsdann den Entschaͤdigungs-Verpflichteten gegenuͤber an die Stelle der Berechtigten. §. 58. Die fuͤr die aufgehobenen oder abgeloͤsten Berechtigungen festgestellten Entschaͤdigungen treten an die Stelle der bisherigen Berechtigungen. Waren diese ein Zubehoͤr eines in das Hypothekenbuch eingetragenen Grundstuͤks oder selbststaͤndig in das Hypothekenbuch eingetragen, so muß die Berichtigung des Hypothekenbuchs von Amtswegen und kostenfrei erfolgen. Die Behoͤrde hat vor Ausfertigung des Anerkenntnisses nicht nur die erforderlichen Antraͤge wegen Berichtigung des Hypothekenbuchs zu machen, sondern auch in dem Anerkenntnisse ausdruͤklich zu vermerken, daß die Zulaͤssigkeit der Verfuͤgung uͤber die Entschaͤdigung nach dem Hypothekenbuche zu beurtheilen sey. §. 59. War die aufgehobene oder abgeloͤste Berechtigung verpachtet, so muß der Verpaͤchter dem Paͤchter waͤhrend der Dauer der Pacht die Nuzung der fuͤr die Berechtigung gewaͤhrten Entschaͤdigung uͤberlassen; wird fuͤr die aufgehobene Berechtigung eine Entschaͤdigung uͤberhaupt nicht gewaͤhrt, so kann der Paͤchter fuͤr den Wegfall der Berechtigung einen Ersaz nicht in Anspruch nehmen. Will der Paͤchter sich mit der Nuzung der dem Berechtigten zu Theil werdenden Entschaͤdigung nicht begnuͤgen, oder wird diesem eine Entschaͤdigung uͤberhaupt nicht gewaͤhrt, so steht dem Paͤchter nur frei, sofort die Aufhebung der Pacht zu verlangen; er muß aber dieses Verlangen, falls es sich von einer aufgehobenen Berechtigung handelt, vor dem Ablaufe des Jahres 1845, und im Falle der Abloͤsung einer Berechtigung binnen sechs Monaten, nachdem ihm der festgestellte Betrag der Entschaͤdigung bekannt gemacht worden, gegen den Berechtigten schriftlich erklaͤren. Wird von dieser Befugniß Gebrauch gemacht, so sind die rechtlichen Folgen der Aufhebung nach den allgemeinen gesezlichen Vorschriften zu beurtheilen. Ist jenes Verlangen innerhalb der oben bestimmten Frist dem Berechtigten nicht erklaͤrt worden, so muß der Paͤchter die von ihm uͤbernommenen Verpflichtungen ohne Abzug fortgesezt erfuͤllen. Urkundlich unter Unserer hoͤchsteigenhaͤndigen Unterschrift und beigedruktem koͤniglichen Insiegel. Gegeben Berlin, den 17. Januar 1845.          (L.S.) Friedrich Wilhelm.    v. Rochow.    v. Savigny.    Graf v. Arnim.    Flottwell.     Uhden.           Beglaubigt:      Bornemann. Hallette's Verbesserungen im atmosphärischen Eisenbahnsystem. Wir haben im polytechnischen Journal Bd. XCIII S. 310 eine Notiz uͤber eine von Hallette erfundene Klappe mitgetheilt, welche fuͤr Clegg's und Samuda's atmosphaͤrisches Eisenbahnsystem anwendbar ist. Hr. Hallette hat nun sein System zu Arras auf eine Laͤnge von 100 Meter ausgefuͤhrt; er hat auf dieser kurzen Streke alle Faͤlle vereinigt, welche sich auf einer langen Linie darbieten koͤnnen und die Resultate der wiederholten Versuche bestaͤtigen vollkommen diejenigen, welche er mit dem provisorischen Apparat erhielt. Der Erfinder versichert, daß dieses System durch einfache Mittel allen Bedingungen eines genauen Verschlusses der Laͤngenspalte der Triebroͤhre genuͤgt. Die Unterbrechung dieser Roͤhren fuͤr Uebergaͤnge im Niveau mit der Bahn oder Abweichungen von der Hauptlinie verursacht keine Uebelstaͤnde. Ein Kolben, welcher aus einer Roͤhre tritt, nachdem das Oeffnen der Austrittsklappe durch die comprimirte Luft und ohne den geringsten Stoß bewerkstelligt worden ist, tritt in eine andere Roͤhre und dringt durch dieselbe, um dann seine lebendige Kraft auf einer geneigten Ebene zu erschoͤpfen, dieselbe durch seine Schwerkraft hinabzugelangen, wieder in dieselbe Roͤhre einzutreten und mit Geschwindigkeiten von 28 bis 30 Kilometer per Stunde an seine Stelle zuruͤkzukehren. (Comptes rendus, Januar 1845.) Verfahren Feuervergoldung auf Eisen zu bringen. Die Frage, wie bringt man am besten Feuervergoldung auf Eisen, wurde durch Hrn. Chemiker Redtel in einer Versammlung des Frankfurter Gewerbevereins (Jahresbericht 1844) folgendermaßen beantwortet: Unter Feuervergoldung versteht man gewoͤhnlich diejenige vermittelst des Queksilbers, und diese ist beim Eisen unmoͤglich. Sie beruht daraus, daß das zu vergoldende Metall sich mit dem Queksilber auf seiner Oberflaͤche verbindet; das Queksilber verbindet sich dann mit dem aufgetragenen Golde und das Gold dringt, nach der Verfluͤchtigung des Queksilbers, in die hiedurch entstandenen Poren der Oberflaͤche des zu vergoldenden Metalls ein. Da sich nun aber nach bisherigen Erfahrungen das Eisen mit dem Queksilber nicht verbindet, so ist auch die eigentliche Feuervergoldung beim Eisen nicht ausfuͤhrbar; es ist aber eine andere Art der Vergoldung beim Eisen, mit Anwendung des Feuers, moͤglich. Wenn man naͤmlich ein Stuͤk polirtes Eisen im Feuer bis zu einem gewissen Grade, der durch Uebung leicht gefunden wird, erhizt, schnell ein Goldblaͤttchen darauf legt und sogleich mit dem Polirstahl daruͤber faͤhrt, so entsteht, wahrscheinlich durch Huͤlfe des luftverduͤnnten Raumes, zwischen dem Goldblaͤttchen und dem Eisen ein inniges Anhaften des ersteren an dem lezteren und somit eine ziemlich leidliche Vergoldung, die jedoch an Dauerhaftigkeit der Queksilbervergoldung offenbar nachstehen muß. – Ein Versuch, das Eisen erst galvanisch zu verkupfern und dann im Feuer zu vergolden, gelang nicht, weil die Verwandtschaft des Queksilbers zum Kupfer zu groß ist, und beide Metalle zusammen sich vom Eisen losmachen. Es gelingt aber ausgezeichnet gut, das Eisen galvanisch zu verkupfern und dann galvanisch zu vergolden. – Noch eine andere Art Eisen zu vergolden, die aber ebenfalls keine Feuervergoldung ist, besteht darin, daß man Chlorgold mit Schwefelaͤther schuͤttelt und in diese Loͤsung das Eisen einen Moment hinein taucht. Nach der Verfluͤchtigung des Aethers tritt sogleich die Vergoldung hervor. Apparat zum Sieben der Steinkohlenasche. Ueber diesen Gegenstand wurde im Frankfurter Gewerbeverein (Jahresbericht 1844) folgende interessante Mittheilung vorgetragen: „Durch den hohen Holzpreis veranlaßt, hat der Steinkohlenbrand in Frankfurt a. M. schon seit mehreren Jahren Eingang gefunden, und die Erfahrung lehrt, daß dadurch circa 1/3 an Feuerungskosten erspart wird. Daß dieser Gewinn sich noch bedeutend steigern wuͤrde, wenn die durch den nothwendigen weiten Rost durchfallenden unverbrannten Kohlentheile wieder gewonnen werden koͤnnten, leuchtet von selbst ein. Man griff deßhab zum Siebe, um, vermittelst desselben, diese Kohlentheile von der Asche zu trennen, wodurch allerdings der Zwek erreicht und der Gewinn deutlich vor Augen lag, indem, nach Beschaffenheit des Rosts, 1/3, ja bisweilen die Haͤlfte der Asche, als unverbrannte Kohle in dem Siebe zuruͤkblieb. Aber ein anderer Uebelstand zeigte sich bald hierbei, der gar manchen bestimmte, von diesem Verfahren wieder abzustehen und auf den Gewinn zu verzichten; dieß war der beim Sieben sich entwikelnde Staub, welcher so stark ist, daß man dem Gesinde das Sieben der Asche wirklich nicht wohl zumuthen kann. Dieß fuͤhrte auf die Anwendung der, bei den Apothekern gebraͤuchlichen, mit Dekel und Untersaz versehenen Siebe, wodurch allerdings der Zwek besser erreicht und der groͤßte Theil des Standes vermieden wurde; aber die wirklich muͤhevolle und Zeit raubende Behandlung der geschlossenen Siebe, wobei dennoch der Staub nur unvollkommen beseitiget wurde, machte, daß man auch dieß Verfahren gar bald wieder verließ. Man versuchte noch ein anderes Mittel, indem man das Sieb mit der Asche in einen Zuber mit Wasser tauchte, wodurch nun allerdings der laͤstige Staub beseitigt, aber desto mehr Schmuz erzeugt wurde, auch der sich erzeugende Rost das Sieb gar bald zerstoͤrte, und der gehoffte Gewinn sich hierdurch auf Null reducirte. Alles dieß veranlaßte mich darauf zu denken, wie dieser Zwek besser erreicht werden koͤnnte, und es gelang mir eine Vorrichtung zu finden, die ich nun seit einem Jahr im Gebrauch habe, und welche dem Zwek vollkommen entspricht. Dieselbe besteht in einem Kasten von 1' 4'' Lange, 1' 2'' Breite und 1' 6'' Hoͤhe, welcher mit einem gewoͤlbten, in einen Falz passenden Dekel geschlossen wird. In diesem Kasten liegt horizontal eine, auf ihrem Umfang mit Drahtstramin von entsprechender Maschenweite uͤberzogene Trommel, deren Achse durch die eine Wand des Kastens hindurch reicht und hier mit einer Kurbel versehen ist. Die Trommel hat auf ihrer Laͤngenflaͤche einen mit Scharnieren und Schloß versehenen Dekel, welcher circa 1/3 des Umfangs der Trommel breit und eben so lang als die Trommel ist. Es versteht sich von selbst, daß dieser Dekel ebenfalls mit Stramin uͤberzogen ist. – Durch diesen Dekel wird die zu siebende Asche in die Trommel eingetragen. Ist nun uͤber die so gefuͤllte Trommel der oben erwaͤhnte gewoͤlbte Dekel des Kastens gestuͤrzt, so reicht ein 15–20maliges Drehen der Kurbel hin, den Durchfall zweier Oefen von der Asche zu reinigen. 4–5 Minuten Ruhe sind schon hinreichend, den Staub in dem Kasten sich niedersezen zu lassen. Die Vortheile, welche dieser Apparat gewaͤhrt, sind folgende: 1) Es kann derselbe von Jedermann leicht gehandhabt werden. 2) Ist der Zeitaufwand in gar keinen Betracht zu ziehen. 3) Wird der Staub gaͤnzlich vermieden. Diesem einfachen Apparat, durch welchen ohne die bisherigen Uebelstaͤnde die erschoͤpfende Benuzung der Steinkohlen erreicht und dadurch die Kosten der Feuerung auf das Minimum gebracht wird, wuͤnschte ich eine moͤglichst allgemeine Verbreitung zu geben.“ Von anderer Seite wurde noch erwaͤhnt: man koͤnne die Trommel auch wohl mit Messing-Stramin uͤberziehen und bis an ihre Achse in einen Zuber mit Wasser legen, wo dann beim Umdrehen der Kurbel die Asche ausgewaschen und von dem Wasser aufgenommen wuͤrde. Englische Patent-Gummi-Stopfen. Ueber dieses neue Kautschuk-Fabrikat (man vergleiche uͤber dessen Erzeugung polytechnisches Journal Bd. LXXXIV S. 79) wurde im Frankfurter Gewerbverein (Jahresbericht 1844) ein Gutachten vorgetragen. Referent zeigte ein Sortiment englischer Patent-Gummi-Stopfen vor, von der Groͤße, wie solche zum Verstopfen der Arzneiglaͤser gebraucht werden bis zu zwei Zoll Durchmesser. Dieselben waren aus Baumwolle oder einer Art Pflanzenseide, zum Theil auch aus Scherwolle gefertigt und ringsum, so wie oben und unten mit duͤnnen Plaͤttchen von Gummielasticum bekleidet. Die Baumwolle war zu Puppen geformt und deren 4, 5 und mehr durch einen Einschußfaden zu einem Cylinder zusammen gewoben, welcher noch spiralfoͤrmig mit einem Faden fest umwikelt und wie oben erwaͤhnt, mit duͤnnen Gummiplatten bekleidet war. Zum Theil waren die Stopfen auch noch an ihrem oberen Ende mit einer versilberten Metallkapsel verziert. Einige mit diesen Stopfen angestellte Versuche gaben folgende Resultate: a) die Stopfen werden in der Kaͤlte nicht hart und behalten sonach ihren Schluß; b) sie lassen sich, in Folge ihrer großen Elasticitaͤt, nicht so leicht und fest in die Flaschen eintreiben, als dieß bei Korkstopfen der Fall ist; c) fest und ganz eingetriebene Stopfen sind schwieriger aus den Flaschen wieder herauszuziehen, und kann dieß nur mit Zerstoͤrung des Stopfens geschehen; d) zum Verschlusse von scharfen und aͤzenden Fluͤssigkeiten sind sie besonders zu empfehlen, da das Gummielasticum von diesen nicht angegriffen wird;Aetherische und fette Oehle duͤrfen aber nicht mit den Gummi-Stopfen in Beruͤhrung kommen, da dieselben dadurch mehr oder weniger zerstoͤrt werden. e) bei einem Flaͤschchen, welches Weingeist enthielt und laͤngere Zeit mit einem Gummi-Stopfen verschlossen war, war das Gummi klebrig geworden und der Stopfen saß fest am Glase. Dieß konnte jedoch seinen Grund nur darin haben, daß der Weingeist auf das Steinkohlentheeroͤhl, womit die Gummi-Plaͤttchen, wie der Geruch verrieth, angefertigt und befestigt waren, einwirkte; welcher Nachtheil aber auf andere Weise bei Anfertigung der Stopfen leicht beseitigt werden koͤnnte. Die hier angefuͤhrten, freilich vorlaͤufig noch ziemlich hohen Preise, entsprechen annaͤhernd den Engros-Preisen der englischen Fabrik, zuzuͤglich der Kosten bis Frankfurt a. M.: Patent-Stopfen   ohne Plattirung,   mit Plattirung,             mit Ring. Nro. 00 fl. 2.     fl. 3.     fl. 4.   –      0 –  3.     –  3 3/4.     –  5 1/2.   –      1 –  2. 3.     –  4 3/4 – 6.     –  6 1/2 – 8pr. Groß. ––––––––––––––––       fl. 2 1/2. fl. 4. fl. 4. Assortirte Stopfen    fl. 2. 50 kr. pr. Groß. Fuͤr halbe Flaschen fl. 2. 10 kr.  –     – Spunde fl. 1. 24 kr. – fl. 2. 12 kr. pr. Duzend. Referent bemerkte noch, daß er sich fruͤher zum Verschließen der Saͤureflaschen massive Gummistopfen (durch Aufquellen des Gummielasticums in Steinoͤhl und weitern Behandlung) angefertigt habe, daß solche aber in der Kaͤlte hart geworden und ihren Schluß verloren haͤtten. Ferner habe er gewoͤhnliche Korkstopfen auf ihrer unteren Seite mit Gummiplaͤttchen belegt, und diese haͤtten, wenn auch nicht in allen, doch in den meisten Faͤllen, dem gewuͤnschten Zweke entsprochen. Vorzuͤglich praktisch haͤtten sich solche aber zum Verkorken der Weinflaschen gezeigt, indem dadurch einestheils der Stopfengeschmak des Weins vermieden, anderntheils aber ein luftdichterer Verschluß, als durch gewoͤhnliche Stopfen, hergestellt worden. Copallak zum Ueberziehen papierner Etiquettes. Um zu verhuͤten, daß papierne Etiquettes und dergleichen beim Ueberziehen mit Dammar- oder Copalfirniß nicht durchschlagen und flekig werden, verfaͤhrt man nach Hrn. Chemiker Redtel folgendermaßen: Man klebt die Etiquettes mit einem Kleister aus Staͤrke und Tischlerleim auf und laͤßt sie sehr vollstaͤndig antroknen. Darauf uͤberzieht man sie zwei- auch dreimal mit einer sehr heißen und starken Aufloͤsung von Hausenblase in Wasser, wohlbeachtend, daß der jedesmalige Anstrich voͤllig troken sey, ehe man einen neuen gibt. Auf ein so praͤparirtes Etiquette kann man jeden Firniß auftragen, ohne daß es Fleken gibt. Den Firniß bereitet man sich durch Schmelzen von 1/4 Pfd. reinem, groͤblich zerstoßenem Copal mit 1/8 Pfd. Leinoͤhlfirniß in einem kupfernen Kessel, worauf man noch 1 Pfd. Terpenthinoͤhl zusezt. Die Masse schaͤumt waͤhrend des Schmelzen sehr stark und man muß daher sehr vorsichtig dabei seyn. Dieser Firniß hat eine gelbe Farbe; die damit zweimal uͤberzogenen Etiquettes haben aber dennoch, wenn das Papier nur recht weiß war, die Weiße und den Glanz des Porzellans. Will man aber aus irgend einem Grunde einen fast ganz wasserhellen Firniß haben, so loͤst man Copalpulver in Aether auf (dieser Firniß ist aber weniger dauerhaft), oder man verfaͤhrt wie folgt: man nimmt Copalstuͤke, woran keine Rinde sizt und die auch im Innern vollkommen farblos und klar erscheinen, stoͤßt sie in erbsengroße Stuͤke und siebt den feinen Staub ab. Auf 1/4 Pfd. von solchem Copal nimmt man 1/8 Pfd. alten Mohnoͤhlfirniß, bringt beides in eine Glasretorte, deren Kugel nur zu 1/8 bis 1/6 angefuͤllt seyn darf und haͤlt diese mit den Haͤnden uͤber einem lebhaften Kohlenfeuer, bis alles fluͤssig ist, worauf man 1 Pfd., oder mehr oder weniger erwaͤrmtes Terpenthinoͤhl allmaͤhlich hinzusezt. Die Masse schaͤumt sehr und die Retorte muß fortwaͤhrend im Kreise bewegt werden. (Jahresbericht des Frankfurter Gewerbvereins, 1844.) Die Seidenzucht im österreichischen Italien. Wenn man die Seidendistricte des oͤsterreichischen Italien durchwandert, so bemerkt man mit vieler Genugthuung die Fortschritte, welche der so hoͤchst wichtige Industriezweig der Seide seit einem Decennium, namentlich aber seit den lezten Jahren an manchen Orten gemacht hat; man muß den Eifer und die Ausdauer preisen, mit welchen Spinner und Zwirner (filatoglieri) die Bahn vorwaͤrts verfolgen und den Nachbarn in Frankreich so manche nuͤzliche Verbesserung, so manches Zunftgeheimniß abgelernt und zu Hause in Ausfuͤhrung gebracht haben; allein man findet bei genauer Untersuchung immerhin, daß der Geist des Fortschrittes sich denn doch noch nicht der Massen, sondern mehr nur einzelner thaͤtiger und intelligenter Maͤnner bemaͤchtigt hat, waͤhrend es scheint, als koͤnne der Strahl der Intelligenz nicht bis zu manchen Gegenden durchdringen, als koͤnne in manchen Koͤpfen der Hang an dem Alten so wenig als ein sich fortschleppendes Erduͤbel ausgerottet werden. Am meisten haben sich Mailand, die Brianza und Bergamo entwikelt, und Haͤuser wie Huber, Verza, Seffa, Prato, Keller, Gavazzi in Mailand, Berizzi in Bergamo haben das Verdienst, sehr viel zur Veredlung und guten Verarbeitung der Seide beigetragen zu haben. Der wohlthuende Einfluß solcher Beispiele erstrekt sich aber kaum uͤber obengenannte Provinzen hinaus und im Brescianischen, Vicentinischen, in Friaul und Tyrol wird man schwer eine Spur von Verbesserung gewahr. Die drei ersten Provinzen finden in der an und fuͤr sich unedleren Natur ihre Seide, die niemals durch Kunst auf den Werth und die Vollkommenheit der Mailaͤnder, Brianzoler etc. gebracht werden kann, eine Entschuldigung ihres Mangels an Wetteifer; Tyrol aber, das Districte besizt, welche den edelsten Urstoff hervorbringen, hat nur sich selbst anzuklagen, wenn es seine Erzeugnisse nicht mit auf die erste Stufe bringt, und es erfuͤllt den Beobachter mit Bedauern, bei so viel Mitteln so wenig Unternehmungsgeist und Fortschritt anzutreffen. Nur wenige Maͤnner sind es, und namentlich zwei zu Roveredo, die Gelegenheit hatten sich mit der Fabrication und den immer wachsenden Anforderungen und Beduͤrfnissen derselben vertraut zu machen; sie sind aus dem Geleise des Alltaͤglichen, Hergebrachten herausgetreten und haben weder Opfer noch Muͤhen gescheut, um ihrer Provinz neue Elemente der Prosperitaͤt zu schaffen. Diese Maͤnner sind die HHrn. D. A Stofella della Croce und G. Bettini. Lezterer als Spinner und Zwirner bereits vortheilhaft bekannt, hat Verbesserungen mancher Art, ersterer aber ein ganz neues System eingefuͤhrt, und es duͤrfte am Plaze seyn, dieses hier ausfuͤhrlich zu beleuchten. Jeder Fabrikant klagt naͤmlich uͤber die bei jeder Seide in groͤßerem oder geringerem Maaßstabe bestehenden, stets unbeseitigt gebliebenen Uebelstaͤnde: Ungleichheit des Fadens, Unzuverlaͤssigkeit des Gewichts. Die Ungleichheit des Fadens reproducirt sich begreiflicherweise auf unvortheilhafte Art in den Stoffen und erschwert die stets nur annaͤhernd bleibende Calculation derselben, waͤhrend die Unsicherheit des Gewichts, das nach der bekanntlich in Frankreich und jezt auch am Rhein angenommenen Norm gesezlich 11 Proc. Feuchtigkeit (deren Grad durch absolute Troknung mittelst eines Dampfapparates ermittelt wird) begreifen darf, die bei einem so kostbaren Artikel doch so nothwendig erscheinende Controle uͤber Winderinnen, Faͤrber und Weber fast unmoͤglich macht. Das Uebel von Grund aus heben zu wollen waͤre eine Chimaͤre, ihm aber nach allen menschlichen Kraͤften zu steuern hat Hr. Stoffella unternommen, und seine fortgesezten Versuche haben nun endlich Resultate herbeigefuͤhrt, die ihm außer der großen goldenen Medaille des niederoͤsterreichischen Gewerbevereins den groͤßten Dank einer bedeutenden Anzahl Fabrikanten und einen reißenden Absaz seines Products im In- und Auslande erworben haben. Hr. Stoffella war vor einiger Zeit in Wien, um sich mit den dasigen Fabrikanten neuerdings zu besprechen, ihre Wuͤnsche zu vernehmen, und erhielt dort viele Gluͤkwuͤnsche uͤber sein zwar schon laͤnger von ihm angenommenes, aber erst jezt hinreichend vervollkommnetes System. Es ist dieses: Hr. Stoffella, anstatt die aus der Grèze angefertigte Trame (er liefert keine Organsins) in Straͤnge von unbestimmter Laͤnge aufhaspeln, diese dann nach dem Auge sortiren und den Titre durch einzelne aus dem Haufen genommene Proben (provini) bestimmen zu lassen, ist naͤmlich auf den gluͤklichen Gedanken gekommen, seine Trame in Straͤnge von bestimmter Laͤnge, einen jeden zu 1600 aunes, und diese wieder, je 400 aunes unterbunden, mittelst eines mechanischen Haspels aufwinden, jeden einzelnen Strang wiegen und je 200 Strang von ein und demselben Gewicht zu einem Buͤndel vereinigen zu lassen, gerade wie Baumwollengarn. Es ist nun einem Jeden einleuchtend, daß Straͤnge von gleicher Fadenlaͤnge und von gleichem Gewicht nothwendigerweise auch von gleich starken Faͤden seyn muͤssen. Allerdings muß eingeraͤumt werden, daß auch bei dergestalt behandelter Seide einzelne Stellen vorkommen koͤnnen, die durch die schon dem Cocon eigene Ungleichheit von der Normalstaͤrke etwas abweichen, allein man sieht, daß sich am Ende solche Abweichungen auf je 1600 aunes – die, auf die Waagschale gelegt, nicht um ein Aß differiren – wieder in sich selbst aufheben. Wiegt also ein Buͤndel von 200 Straͤngen und folglich 800 Fitzen (oder provini von je 400 aunes) 1 Pfd. 15 Loth Wienergewicht, so erhaͤlt der Fabrikant die Gewißheit (da 342 deniers = 1 Loth Wienergewicht sind), indem er das Gewicht 342 × 400 multiplicirt und das Facit mit 320,000 – der Ellenzahl – dividirt nur den Titre von 20 drs., ganz genau 20,0925 drs., zu verarbeiten. Umgekehrt ist er im Stande, sich auszurechnen, daß er zu einer Elle Stoff, wozu eine Fadenlaͤnge von 16,000 aunes und eine Fadenstaͤrke von 20 drs. noͤthig ist, nicht mehr und nicht weniger als 2 1/3 Loth Seide bedarf. Bedient er sich dagegen der ungemessenen Seide, so kann er eine genaue Calculation erst, nachdem der fertige Stoff vom Webestuhl gekommen, anstellen, und es erwaͤchst ihm aus dieser Unsicherheit oftmals erheblicher Nachtheil.In Nr. 101 vom 18. Dec. 1844 des „oͤsterreichischen Lloyd“ wird schon von einem andern Correspondenten der gemessenen Seide und folgender Vortheile derselben Erwaͤhnung gethan: 1) Ersparung des Sortirlohns in den Fabriken; 2) Ersparung an Winderlohn, da gemessene Seide sich viel leichter abwinden laͤßt als gewoͤhnliche; 3) genaue Controle uͤber Faͤrber und Arbeiter, da man nur die Straͤnge zu zaͤhlen hat, um stets das genaue Gewicht zu ermitteln, so daß jedem Unterschleif um so eher vorgebaut ist, als die bei diesem System angewandte Unterbindung nicht einmal das Entwenden weniger Ellen Seide zulaͤßt; 4) Gleichheit und somit groͤßere Soliditaͤt und Schoͤnheit der Stoffe. Die Handelskammer in Lyon, von der Wichtigkeit der Messung durchdrungen, hat in ihrer Sizung vom 19. Maͤrz 1840 Praͤmien im Gesammtbetrage von 14,000 Fr. fuͤr Erzeuger von wenigstens 500 bis 2000 Kilogr. gemessener Seide ausgesezt und vertheilt. Es ist hier nicht der Ort, die Wohlthaten, welche Hr. Stoffella seiner Provinz durch sein Etablissement erweist, ausfuͤhrlich zu besprechen, es genuͤge zu sagen, daß dieses nicht nur an 300 Waisenmaͤdchen Brod und Erziehung verschafft, sondern daß es nebenbei als Pflanzschule fuͤr gute Seidenarbeiterinnen zu betrachten ist. In Wien ist kaum mehr ein Fabrikant von Bedeutung, der nicht vorzugsweise gemessene Seide verarbeitete, und gern hoͤhere Preise als fuͤr die gewoͤhnliche gleicher Qualitaͤt bezahlte, und man wuͤnscht allgemein, daß neben der Stoffella'schen 30,000 Wr. Pfd. producirenden Fabrik noch andere ins Leben treten moͤchten, um den immer zunehmenden Beduͤrfnissen unserer Manufacturisten genuͤgen zu koͤnnen. (Augsb. Allg. Ztg.) Ueber die Nothwendigkeit gesezlicher Maaßregeln zur Sicherung des Eigenthumes an Original-Musterzeichnungen. Bekanntlich ist den literarischen und kuͤnstlerischen Producten innerhalb des deutschen Bundesgebietes durch das Bundesgesez von 1837 eine hinreichende Garantie gegen den Nachdruk verliehen; dagegen haben sich die Originalmuster von gedrukten Zeugen, Tapeten etc. noch keiner solchen Beguͤnstigung zu erfreuen; wie sehr die Gerechtigkeit erheischt, daß die deutschen Drukereien und Tapetenfabriken endlich in Stand gesezt werden, ihr Eigenthumsrecht hinsichtlich der OriginalmusterOrinalmuster zu behaupten, geht schon daraus hervor, daß die Erfindung geschmakvoller, der Mode entsprechender Dessins einen bedeutenden Aufwand veranlaßt, indem die angestellten Dessinateure einen zu den Kosten ihrer Ausbildung, ihrem Talent und Geschmak im Verhaͤltniß stehenden Gehalt beziehen und von ihrer Tuͤchtigkeit das Gedeihen eines ganzen Etablissements wesentlich abhaͤngt. Die Nothwendigkeit eines gesezlichen Schuzes des Eigenthumsrechts in dieser Hinsicht muß mit der zunehmenden Erstarkung der deutschen Industrie immer fuͤhlbarer werden und sie ist in der lezten Zeit von vielen Seiten angeregt worden. Dieß veranlaßt uns auf eine ausfuͤhrliche Darstellung der in England und Frankreich dießfalls geltenden Bestimmungen aufmerksam zu machen, welche der Geschichte des Zeugdruks bis auf die neueste Zeit von Dr. v. Kurrer und Dr. Kreutzberg (2te Auflage 1844, Nuͤrnberg bei Schrag)“ als Anhang beigegeben ist. Jene zwekmaͤßigen Geseze sollten bei Ausarbeitung einer derartigen Gesezgebung fuͤr die verschiedenen deutschen Staaten im Wesentlichen als Grundlage dienen. Die Redact. d. p. J.