Titel: | Ueber Melsens' Verbesserung in der Zuckerfabrication und die Darstellung des Zuckers aus Runkelrüben ohne Anwendung der Knochenkohle; von Dr. Lüdersdorff in Berlin. |
Autor: | Lüdersdorff |
Fundstelle: | Band 114, Jahrgang 1849, Nr. XXVI., S. 145 |
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XXVI.
Ueber Melsens' Verbesserung in der Zuckerfabrication und
die Darstellung des Zuckers aus Runkelrüben ohne Anwendung der Knochenkohle; von Dr.
Lüdersdorff in Berlin.
Lüdersdorff, über Melsens' Verbesserung in der
Zuckerfabrication.
Um bei der Rübenzuckerfabrication die Kohle entbehrlich zu machen, bedarf es nicht,
wie das (im polytechn. Journal Bd. CXIII S.
393 besprochene) Verfahren des Hrn. Melsens
erheischt, der schwefligen Säure oder deren saurer Salze;
es verrichtet vielmehr jede andere Säure denselben
Dienst. Hierbei versteht es sich von selbst, daß jede andere Säure, wofern sie der
Art ist, daß sie späterhin leicht abgeschieden werden kann, den Vorzug vor der
schwefligen Säure verdient, indem diese letztere wohl schwerlich so vollständig
wieder abzuscheiden ist, daß ihr Geruch im Zucker nicht mehr wahrgenommen werden
könnte.
Bereits im Jahr 1837 beschäftigte mich dieser Gegenstand, und es gelang mir ein
Verfahren zu ermitteln, nicht nur den Rübensaft, sondern auch die Melasse, ohne alle
Kohle zu Zucker bester Qualität zu verkochen. Im April des Jahres 1838 erhielt ich
ein Patent auf jenes Verfahren, gab der Sache indeß weiter keine Folge, da sich
inzwischen herausstellte, daß der Rübenbau in der Umgegend Berlins nicht so lohnend
war um ihn die Stelle anderer Feldfrüchte einnehmen zu lassen.
Bei dem neuerdings erfolgten Aufschwung der Rübenzuckerfabrication dürfte es
dessenungeachtet vielleicht nicht ohne Nutzen seyn mein Verfahren in weiteren
Kreisen bekannt werden zu lassen, zumal das von Hrn. Melsens angewandte Agens, obschon es so große Unbequemlichkeiten mit sich
führt, die größten Erwartungen rege gemacht hat. Ich nehme daher nicht Anstand im
Wesentlichen des Procedere mitzutheilen, welches mich schon damals zu dem Resultat
führte, zu dem Hr.
Melsens durch Anwendung der schwefligen Säure, wenn auch
nur bedingungsweise, gelangt ist.
Bekanntlich oxydirt sich der Rübensaft außerordentlich schnell. In der Rübe selbst
ist er farblos enthalten, nach dem Auspressen aber nimmt er in wenigen Minuten eine
tief schwarze Farbe an, und bald darauf beginnt auf Geheiß der stickstoffhaltigen
Nebenbestandtheile, die schleimige Gährung, die nicht allein mit der Zerstörung des
ganzen Zuckergehaltes endet, sondern, inmitten unterbrochen, die Abscheidung des
noch vorhandenen Zuckers außerordentlich erschwert, wo nicht unmöglich macht. Diese
Erscheinung ist gewiß nicht gleichgültig, ich wenigstens hielt sie aller Beachtung
werth, sey es auch nur unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die spätere
Läuterung des Saftes vermittelst Kalk, die schwarze Farbe desselben in eine intensiv
gelbe umändert, die bei der späteren Concentration in eine tief braune übergehen
muß, und, schon ihrer selbstwillen, die Anwendung der Kohle zur Bedingung macht. Die
Oxydation des Saftes zu verhindern trat demnach als erste Aufgabe hervor.
Außerdem aber zeigte eine nähere Untersuchung des Saftes, daß die in demselben
enthaltenen Nebenbestandtheile in zwei Classen zerfallen, die einander gewissermaßen
wie positiv und negativ
gegenüber stehen. Ein gewisser Antheil dieser Begleitssubstanzen coagulirt nämlich
nur in Berührung mit einer Säure, während der andere nur
durch ein Alkali, namentlich Kalk, in concreter Gestalt ausgeschieden wird. Bei der bisherigen
Läuterung wendet man nur Kalk an; es ist also klar, daß die positiven Nebenbestandtheile im Saft nicht nur verbleiben, sondern durch
die spätere Einwirkung des Kalks in Körper umgewandelt werden, welche nicht mehr
coagulirbar sind. Die Abscheidung jeder dieser Classen von Substanzen für sich war
mithin die zweite Aufgabe.
Sehen wir jetzt wie sich beide Aufgaben lösen lassen. Um die Oxydation des Saftes zu
verhindern, zeigten sich sofort alle Mineralsäuren geeignet. Unter diesen war
natürlich die Schwefelsäure die zunächstliegende. Zu
bedauern ist es daß die Phosphorsäure, ihres zu hohen
Preises wegen, nicht angewendet werden kann, weil die Möglichkeit ihrer späteren
vollständigen Abscheidung die folgenden Operationen außerordentlich erleichtern
würde. Also Schwefelsäure. Wird demnach der Rübenbrei, sowie er durch die Reibe
fällt, mit nur 2 Tausendstel vom Rübengewicht concentrirter Schwefelsäure, durch 12
Theile Wasser verdünnt, durchgearbeitet, so bleibt jede Oxydation aus; der Brei
behält dieselbe Weiße wie sie die Rübe selbst hat, und der abgepreßte Saft ist von
milchweißer Farbe. Selbst auf die Ausbeute an Saft ist die Säure nicht ohne Einfluß, indem das
Reibsel eine größere Menge hergibt als ohne Säure.
Der solchergestalt gewonnene Saft hat, wie schon erwähnt, ein milchartiges Ansehen.
Ein feines, in dem Saft aufgeschwemmtes Coagulum veranlaßt seine Trübung. Dieß
Coagulum setzt sich zwar von selbst zu Boden, allein nur sehr langsam, es bedarf
daher eines einhüllenden Mediums, und dieß fand ich im plastischen Thon. Etwa 3
Proc. in den Saft eingerührt, reichen hin das Coagulum fallen zu machen, und nach 12
Stunden sind zwei Drittel des Saftes wasserklar. Der Rest ist durch Filtration zu
gewinnen. Wiewohl ein Zeitraum von 12 Stunden noch keineswegs die mehr als nöthig
gefürchtete Einwirkung der Schwefelsäure auf den krystallisirbaren Zucker irgend wie
bemerkbar macht, so wäre es allerdings wünschenswerth diese Zeit, ihrer
selbstwillen, abgekürzt zu sehen, allein es hat mir nicht glücken wollen, ein
anderes einhüllendes Mittel zu finden, um den sauren Saft durch sofortige Filtration
zu klären.
Mit dem Mittel, welches die Oxydation des Saftes verhindert, ist gleichzeitig also
auch nicht nur das gefunden, welches, wie jede Mineralsäure, der schleimigen Gährung
entgegenwirkt, sondern auch das, dem die Abscheidung der positiven Saftbestandtheile übertragen werden kann. Und nicht allein
dieselbe Säure, sondern auch dieselbe Quantität reicht hin das Eine zu verhindern
und das Andere zu bewirken. Um jetzt die negativen
Saftbestandtheile zu beseitigen, bleibt es bei der gewöhnlichen Operation der
Läuterung vermittelst Kalk. Zu dem Ende neutralisirt man zunächst den klaren sauren
Saft mit Kalkmilch und setzt darauf, nach der Erhitzung des Saftes, von dieser noch
soviel hinzu als zur Läuterung nöthig ist. Ich bemerke hiebei, daß jetzt im Ganzen
bedeutend weniger Kalk erforderlich ist, als bei der gewöhnlichen Läuterung des
schwarzen Saftes, und daß die Filtration unendlich rascher vor sich geht als
sonst.
Der nach der letzten Läuterung gewonnene Saft ist, wiewohl nicht ganz farblos, doch
aber zeigt er nur einen ganz schwachen hellgelben Ton. Bei dem nachherigen Verkochen
dieses Saftes bis zur Krystallisation vertieft sich die Farbe außerdem nur
unbedeutend, so daß man einen sehr weißen Zucker erhält, ohne auch nur eine Spur
Kohle in Anwendung gebracht zu haben. Sogar der erste Syrup gibt noch, ohne daß er
sich stark kochte, ohne weiteres einen blonden Zucker.
Wir sehen hieraus, daß es der so unbequemen und mit so vielen nachtheiligen Folgen
verbundenen schwefligen Säure nicht bedarf, um ohne Kohle den besten Zucker darzustellen. Wir sehen, daß
die Schwefelsäure, verständig angewendet, dasselbe leistet. Wir dürfen uns aber auch
nicht verhehlen, daß die Anwendung der letzteren auch manche Unbequemlichkeit in
ihrem Gefolge hat. Dahin gehört die Ausscheidung des Gypses beim Verkochen des
Klärsels, vorzugsweise aber die nur langsam erfolgende Klärung des sauren Saftes.
Dieser letztere Umstand ist, ich verschweige es nicht, sehr hinderlich, indessen
dürfte auch diese Schwierigkeit bei fortgesetzten Bemühungen zu überwinden seyn, und
es wäre die Frage, ob eine bis 60° R. gehende Erhitzung, bei welcher die
Filtration des sauren Saftes schnell von statten geht, einen wirklich
beachtenswerthen Angriff auf den Zucker ausübt. Es wäre ferner die Frage, ob nicht
der saure phosphorsaure Kalk wohlfeil genug hergestellt
werden könnte, um die Rolle der Schwefelsäure einzunehmen, in welchem Fall alle
diese Uebelstände mit Leichtigkeit zu bewältigen wären.