Titel: Neues Verfahren zur Gewinnung des Zuckers aus dem Zuckerrohr und der Runkelrübe; von Hrn. Melsens.
Fundstelle: Band 114, Jahrgang 1849, Nr. LXXII., S. 375
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LXXII. Neues Verfahren zur Gewinnung des Zuckers aus dem Zuckerrohr und der Runkelrübe; von Hrn. Melsens. Aus den Annales de Chimie et de Physique, Novbr. 1849, S. 273. Melsens, über Gewinnung des Zuckers aus dem Zuckerrohr und der Runkelrübe. Die eigenthümlichen Umstände, worin ich mich befinde, machen es mir zur Pflicht, von einer umfangreichen Arbeit einstweilen diejenigen Beobachtungen zu veröffentlichen, welche am geeignetsten sind, über die von mir angestellten Untersuchungen richtige Ansichten zu verbreiten. Was auch das Schicksal des von mir zur Behandlung der zuckerhaltigen Substanzen eingeschlagenen Weges seyn mag, so habe ich die Ueberzeugung, daß man alle mir eigenen Beobachtungen genau finden, sowie daß ihre Kenntniß die Zuckerfabrikanten zu nützlichen Betrachtungen und ohne Zweifel zu neuen praktischen Anwendungen bei ihren verschiedenen Operationen führen wird. Es ist hinreichend erwiesen, daß in dem gesunden Zuckerrohr und in der gesunden Runkelrübe bloß krystallisirbarer Zucker enthalten ist. Man kann ihn bekanntlich leicht mittelst schwachen Alkohols daraus extrahiren, welcher ihn auflöst und dann bei seiner Verdunstung in farblosen und reinen Krystallen zurückläßt. Die bittern Mandeln enthalten ebenfalls eine krystallisirbare Substanz, das Amygdalin, welche man mit Alkohol ausziehen kann, und beim Verdunsten desselben unverändert und krystallisirt erhält. Anders aber verhält es sich, wenn man hiezu Wasser anstatt des Alkohols anwendet. Das Amygdalin verschwindet, verwandelt sich, und es entstehen durch andere Anordnungen seiner Elemente zahlreiche und ganz verschiedene neue Substanzen. Damit das Wasser auf diese Art wirkt, muß es mit der Luft in Berührung seyn, es muß gewisse Fermente, welche in dem Gewebe der bittern Mandeln neben dem Amygdalin vorhanden sind, bereits aufgelöst haben. Das Zuckerrohr und die Runkelrübe enthalten auch solche Fermente, welche die Verwandlung des Zuckers in andere Producte veranlassen. Um ihre Wirkung ausüben zu können, müssen sie ebenfalls mit dem Zucker durch Dazwischenkunft des Wassers in Berührung gebracht werden und selbst zuvor dem Einfluß der Luft ausgesetzt gewesen seyn. Bekanntlich verändert sich der Saft des Zuckerrohrs in den heißen Klimaten, wo es verarbeitet wird, sehr schnell; der Saft der Runkelrüben verändert sich zwar weniger schnell, aber doch in solchem Grade, daß man durch alle Mittel seine Verarbeitung immer mehr zu beschleunigen suchte, um den Verlust an Zucker zu vermeiden, welcher die nothwendige Folge seiner Zersetzung ist. Der Chemiker, welcher eine Analyse macht, braucht zum Ausziehen des Zuckers nur den Weingeist anzuwenden. Er trennt so den Zucker von den Fermenten, welche nun keinen zerstörenden Einfluß mehr auf ihn ausüben können. Bei der Fabrication im Großen muß man hingegen zu einem wohlfeilen und leicht anwendbaren Lösungsmittel greifen. Der Weingeist ist kostspielig und seine Anwendung würde zu viele Vorsichtsmaaßregeln gegen Feuersgefahr erheischen. Gibt es aber außer demselben eine Flüssigkeit, welche für den gegebenen Fall seine wesentlichen Eigenschaften besitzt, die wie er den Eintritt irgend einer Gährung verhindert, ungeachtet des Luftzutritts? Ich bezweifle es. Ich glaube nicht einmal, daß das Verfahren, bei welchen ich nach vielen Versuchen stehen blieb, das beste ist oder das einzige welches man benutzen kann. In der Zelle des Gewebes der Runkelrübe und des Zuckerrohrs befindet sich Zucker in Wasser aufgelöst, und dieser Zucker conservirt sich darin bekanntlich lange Zeit. Wenn man Wasser als Auflösungsmittel anwenden könnte, ohne die hier von der Natur realisirten Bedingungen aufzuheben, so erhielte man folglich den Zucker unverändert. Die Schwierigkeiten auf welche man stoßt, werden also weder durch den Zucker noch durch das Wasser veranlaßt, sondern durch die Luft und durch die Fermente welche ihr Zutritt entwickelt. Nun fragt es sich, könnte man nicht im luftleeren Raum das Zuckerrohr zerquetschen und die Runkelrübe zerreiben, und eben so im luftleeren Raum den Saft auspressen und zum Kochen bringen, sowohl um ihn zu läutern als zu verdampfen? Wenn dieß im Großen ausführbar wäre, so dürfte das Problem gelöst seyn. Da aber die geringste Menge von Luft hinreicht um die Fermente zu erzeugen, so wäre ein solches System in der Praxis unausführbar; ich habe es auch nicht versucht. Man sollte glauben, daß der Zweck leichter zu erreichen sey, wenn man in einer unwirksamen Gasart, wie die Kohlensäure, operirt; wenn man also die Rüben in kohlensaurem Gas zerreibt, sie mit kohlensäurehaltigem Wasser auszieht, sie auf der Reibmaschine mit einem Wasser begießt welches sauren kohlensauren Kalk oder saure kohlensaure Bittererde enthält. Meine Versuche in dieser Hinsicht hatten aber nicht den erwarteten Erfolg. Die geringsten Spuren von Luft sind zur Veränderung des Safts schon hinreichend, jene Mittel verdrängen aber bloß die Luft, ohne sie unwirksam zu machen. Es gibt eine Classe von Körpern, welche man schon oft anzuwenden versuchte, um eintretende Gährungen zu verhindern; es sind dieß die Metalloxyde, welche mit den Fermenten oder mit den Substanzen woraus dieselben entstehen, unauflösliche Verbindungen bilden können, z.B. Quecksilberoxyd und Bleioxyd. Behufs einer chemischen Analyse kann das basisch essigsaure Blei leicht und sicher angewandt werden, denn es schlägt alle Fermente nieder, sowie alle Substanzen welche solche zu erzeugen vermögen, während der Zucker aufgelöst bleibt. Die Erfahrung lehrte aber, daß die Anwendung einer so gefährlichen Substanz in den Zuckerfabriken fast immer nachtheilige Folgen hat. Der Gerbestoff und die Phosphorsäure (mit 1 Atom Wasser) wären unschädliche Mittel zu diesem Zweck; sie bringen die Fermente zum Gerinnen, schlagen die Substanzen, welche solche liefern können, nieder, und reinigen den Rohr- und Rübensaft in der Kälte auf eine Art welche ihre Anwendung möglich macht. Ich glaubte jedoch zu einem für die Anwendung im Großen geeigneteren Verfahren zu gelangen, indem ich suchte: 1) die Entstehung der Fermente während des Ausziehens des Safts zu verhindern, indem ich die mögliche Einwirkung der Luft so lange der Saft kalt ist, beseitigte; 2) das Gerinnen der die Fermente erzeugenden Substanzen in der Wärme benutzte um sie zu entfernen, wie es bei den Läuterungen im Großen geschieht. Ich bemühte mich nun einen Körper zu entdecken, welcher den Sauerstoff begierig anzieht, auf den Zucker nicht wirkt, nicht gefährlich, dabei wohlfeil und allenthalben leicht zu bereiten oder zu versenden ist. Drei solche Körper fesselten besonders meine Aufmerksamkeit: das Stickstoffoxyd, die schweflige Säure und das Aldehyd. Diese Verbindungen, welche schon zwei Aequivalente Sauerstoff enthalten, und mit Leichtigkeit und Begierde ein drittes absorbiren, um Säuren zu bilden, schienen mir vorzugsweise geeignet eine der fraglichen Bedingungen zu erfüllen, nämlich durch ihre Gegenwart den Einfluß des Sauerstoffs der Luft aufzuheben und so die Entstehung der Fermente unmöglich zu machen. Ich zweifle nicht, daß es in der Folge noch gelingen wird, das Stickstoffoxydgas auf eine praktische Weise im Großen anzuwenden; eine Substanz welche den Sauerstoff in dem Maaße als er sich darbietet, augenblicklich zerstört und welche mit ihm eine Säure bildet, geeignet die Fermente und die sie erzeugenden Substanzen niederzuschlagen, wird gewiß noch eine wichtige Rolle bei der Zuckergewinnung spielen. In Eisenvitriol aufgelöst, könnte sie den Saft gegen jede Veränderung schützen, bis zum Ende der Läuterung durch Kalk; nach letzterer würde der Saft von den angewandten Agentien fast nichts zurückhalten. Das Aldehyd oder die ihm ähnlichen organischen Substanzen sind für die Anwendung im Großen zu kostspielig. Die schweflige Säure schien mir unter den genannten Substanzen vorzugsweise Berücksichtigung zu verdienen; ihre Eigenschaft sich jeder Gährung kräftig zu widersetzen, ist hinreichend erwiesen; sie kommt wohlfeil zu stehen, ist leicht zu bereiten und das Material dazu sehr verbreitet. Während es aber Proust so gut gelang, die Gährung des Traubenzuckers mittelst schwefliger Säure zu verhindern, bot diese Säure bei ihrer Anwendung in den Rübenzuckerfabriken stets unübersteigliche Hindernisse dar. Ich wußte wohl, daß die geschicktesten Fabrikanten ihre Anwendung versucht hatten und daran scheiterten. Die schweflige Säure kann bei dem Traubenmost angewandt werden und verhindert dessen Gährung sehr gut, ohne im geringsten diesen Zucker zu verändern; denn sie besitzt nicht nur die Eigenschaft, sich der Erzeugung der Fermente zu widersetzen, sondern auch die Eigenschaft den Traubenzucker unversehrt zu lassen, sowohl an und für sich als nach ihrer Verwandlung in Schwefelsäure durch Einwirkung der Luft. Bekanntlich wird aber der Rohrzucker im Gegentheil durch die Säuren und besonders die Schwefelsäure in Traubenzucker verwandelt. So sicher daher das Schwefeln mittelst schwefliger Säure bei dem Traubenmost ist, so unanwendbar ist es bei dem Saft des Zuckerrohrs und der Runkelrübe. Denn in dem Maaße als die schweflige Säure durch absorbirte Luft in Schwefelsäure umgeändert wird, wirkt letztere auf den Rohrzucker und verwandelt ihn in Traubenzucker. Um diesen Umstand zu beseitigen, kam ich auf den Gedanken die schweflige Säure bei Gegenwart einer starken Basis (Kali, Natron oder Kalk) anzuwenden, damit sich letztere der Schwefelsäure, in dem Maaße als solche entsteht, bemächtigt und folglich der Rohrzucker unversehrt bleibt. Ich stellte in dieser Hinsicht zahlreiche Versuche an, deren Ergebniß ich kurz zusammenfassen kann. Versetzt man eine Auflösung von Rohrzucker, Rohrsaft oder Rübensaft mit einer Auflösung von schwefliger Säure, so widersetzt sich letztere den Gährungen, zerstört aber langsam den Zucker, wenn man das Ganze in der Kälte in Berührung mit der Luft läßt; erhitzt man die Flüssigkeit in Berührung mit der Luft, so wird der Zucker schnell zerstört. Die neutralen schwefligsauren Salze von Kali, Natron und Kalk widersetzen sich unter diesen Umständen den Gährungen nicht, lassen aber den Rohrzucker sowohl in der Wärme als in der Kälte unversehrt. Die sauren schwefligsauren Salze, namentlich das Kalksalz, besitzen hingegen sehr beachtenswerthe Eigenschaften. Ihre überschüssige schweflige Säure verhindert jede Gährung, während ihre Basis die Schwefelsäure in dem Maaße neutralisirt als sie sich bildet. Es fragte sich nun, ob sie an und für sich oder durch ihre überschüssige schweflige Säure den Rohrzucker in Traubenzucker verwandeln oder nicht. Ich erhitzte einige Stunden lang kleine Quantitäten in Wasser aufgelösten Candiszuckers mit einer großen Menge zweifach-schwefligsauren Kalks. Der Zucker veränderte sich, er wurde unkrystallisirbar und zerfließend. Der Syrup, welchen er lieferte, besaß bisweilen die den Fabrikanten wohl bekannte Eigenschaft, beim Erhitzen behufs des Abdampfens unbeweglich zu bleiben. Da nun viel von dem Kalksalz erforderlich ist, um den Zucker zu zerstören, hingegen nur eine geringe Menge, um die Fermente zu zerstören, so stellte ich weitere Versuche über seine Anwendbarkeit zu dem beabsichtigten Zweck an. Löst man Candiszucker in der Kälte in Wasser auf, welches ziemlich viel zweifach-schwefligsauren Kalk enthält, so krystallisirt der Zucker vollständig und unverändert durch freiwillige Verdunstung bei niedriger Temperatur heraus. In jedem Falle wäre also die Behandlung in der Kälte vorzuziehen, und man wird weiter unten sehen, daß diese Bemerkung von praktischer Wichtigkeit ist. Nachdem ich ganz weißen Candiszucker in seinem zehnfachen Gewicht Wasser aufgelöst hatte, setzte ich die Hälfte seines Gewichts einer Auflösung des zweifach-schwefligsauren Kalks von 10° Baumé zu und ließ beiläufig eine Stunde lang kochen. Die trübe Flüssigkeit wurde filtrirt, um den niedergefallenen neutralen schwefligsauren Kalk abzusondern und dann in eine Schale gebracht, worin sie gänzlich krystallisirte, ohne eine bestimmbare Spur von Melasse (sie brachte jedoch in einer Auflösung von weinsteinsaurem Kupfer in Kali einen schwachen Niederschlag hervor). Candiszucker von strohgelber Farbe, auf dieselbe Art behandelt, verhielt sich ebenso; nur lieferte er Krystalle welche weniger gefärbt waren als er selbst. Dieser Versuch, mit Zuckern aller Art wiederholt, gab dieselben Resultate, man mochte die dem Abdampfen unterzogenen Flüssigkeiten in saurem Zustande belassen, oder sie nach dem Kochen sorgfältig neutralisirt haben. Diese Versuche, wobei anfangs immer der in Wasser aufgelöste Zucker mit überschüssigem zweifach-schwefligsaurem Kalk gekocht wurde, habe ich auch in der Art abgeändert, daß ich nachher bloß die trübe Flüssigkeit abdampfte oder solche zuvor filtrirte. In allen Fällen krystallisirte der Zucker vollständig und leicht, ohne daß sich Melasse zeigte. Ich habe die Zucker von diesen verschiedenen Behandlungen mittelst des Polarisations-Apparats und nach den von Hrn. Clerget angegebenen MethodenPolytechn. Journal Bd. CIV. S. 344. untersucht, wobei ich fand: 1) daß die krystallisirten Massen eine directe Aufzeichnung gaben, welche sehr nahe mit derjenigen übereinstimmte, welche sie nach dem Umsetzen (mit Säure) liefern: die Unterschiede, bald im einen, bald im anderen Sinne, fielen innerhalb der Beobachtungsfehler und bewiesen in allen Fällen, daß der Zucker keine in der Praxis zu berücksichtigende Veränderung erleidet; 2) daß die noch flüssigen Theile, welche ich nach fast beendigter Krystallisation von mehreren Proben zusammengoß, und worin also der veränderte Zucker hätte angehäuft seyn müssen, die optischen Eigenschaften des eigentlichen Rohrzuckers besaßen, die Polarisationsebene nach Rechts ablenkten und eine directe Aufzeichnung gaben, welche mit den nach der Umsetzung beobachteten Aufzeichnungen fast identisch war. Folglich verhält sich der mit zweifach-schwefligsaurem Kalk behandelte Zucker – wenn man weder die Dosis des Kalksatzes noch die Dauer des Erhitzens übertreibt – sowohl im krystallisirten Theil als in den letzten Syrupen ganz so, als wenn er in reinem Wasser aufgelöst auf diese Weise behandelt worden wäre. Ich konnte also hoffen, daß der zweifach-schwefligsaure Kalk, als ein den Sauerstoff begierig anziehender und antiseptischer (die Gährung verhindernder) Körper angewandt, ohne schädliche Einwirkung auf den Zucker bleibt, wenn man ihn bei gewöhnlicher Temperatur auf die Runkelrüben-Reibmaschine oder die Zuckermühle gießt, damit er sich unmittelbar mit dem Saft vermischt, in dem Augenblick wo jede denselben einschließende Zelle zerreißt. Ich konnte hoffen, daß der Zucker bei seiner Gegenwart ohne Nachtheil die Einwirkung der zur Läuterung erforderlichen Temperatur vertragen wird. Bei letzterer Operation – vorausgesetzt daß man sie ausführt wie bisher – würde der angewandte Kalk den sauren schwefligsauren Kalk neutralisiren, so daß er verschwindet, während der Saft von den Fermenten (und den Substanzen welche solche zu erzeugen vermögen) gereinigt und zum Abdampfen geeignet (ohne Zuckerverlust) zurückbleibt. Ich fand aber bald, daß der zweifach-schwefligsaure Kalk ganz besondere Eigenschaften besitzt, welche meinem Zweck zu Statten kommen. Wenn man Eiweiß, Blut, Eigelb, Milch, mit Wasser anrührt und mit zweifach-schwefligsaurem Kalk vermischt, so gerinnen sie bei der Temperatur von 80° R. gänzlich. Die filtrirten Flüssigkeiten geben nach dem Abdampfen Rückstände, worin man nur noch sehr wenig von den stickstoffhaltigen Materien, mit dem Milchzucker oder den Salzen jener Substanzen gemengt, vorfindet. Außer seiner antiseptischen Wirkung und dem Vermögen den Sauerstoff der Luft zu absorbiren, besitzt also der zweifach-schwefligsaure Kalk die Eigenschaften eines kräftigen Läuterungsmittels. Ich mußte ihn nun von diesem Gesichtspunkt aus studiren. Ich mengte 50 Gramme Candiszucker, 250 Kub. Centim. Milch, 250 Kub. Centim. Wasser und 50 Kub. Centim. einer Auflösung zweifach-schwefligsauren Kalks von 10° Baumé, ließ kochen und filtrirte dann die Flüssigkeit vom Geronnenen ab. Sie lieferte nach dem Abdampfen eine vollkommen krystallisirte Masse, welche ohne vorhergegangene Austrocknung und Reinigung im rohen Zustande untersucht, 92 Procent Zucker gab und durch die directe Aufzeichnung nach dem Umsetzen mittelst Salzsäure 93,5. Die Läuterung war leicht und vollständig gewesen. Der Zucker hatte sich so zu sagen unversehrt erhalten; daß man in 100 Theilen des Rückstands nur beiläufig 92 Theile Zucker fand, erklärt sich durch das den Krystallen anhaftende Wasser und die zurückgebliebenen Salze der Milch. Bei einem andern Versuch nahm ich 50 Gramme Candiszucker, die Hälfte eines Eies, das Gelbe und Weiße zusammen, 25 Kub. Centim. Milch, 74 Kub. Centim. von der Auflösung des Kalksalzes und 450 Kub. Centim. Wasser. Dieses Gemisch gab nach dem Kochen und Filtriren eine Flüssigkeit, welche ohne merkliche Erzeugung von Melasse krystallisirte. Der Polarisations-Apparat zeigte darin 88,5 Procent Zucker durch die directe Aufzeichnung an, und 86 Proc. nach der Umsetzung. Auch hier hatte man folglich nur Rohrzucker, außer den 13 Procent welche das hygrometrische Wasser, den Ueberschuß von saurem schwefligsaurem Kalk, die Salze der Milch etc. repräsentiren. Der zweifach-schwefligsaure Kalk wirkt also bei 80° R. als Läuterungsmittel. Er scheidet den Eiweißstoff, den Käsestoff ab, und wie wir später sehen werden, die stickstoffhaltigen Materien analoger Natur welche ursprünglich im Zuckerrohr und in der Runkelrübe enthalten sind. Diese Abscheidung geschieht ohne Verlust an Zucker, von welchem höchstens 1 bis 2 Procent verändert werden. Ich hatte jetzt noch zu untersuchen, wie weit der zweifach-schwefligsaure Kalk sich der Färbung der Zuckerauflösungen zu widersetzen vermag. Die Farbe der Zuckerauflösungen, welche die Runkelrübe oder das Rohr liefert, entsteht durch vier Hauptursachen: 1) die Rübe sowohl als das Rohr enthält gefärbte Substanzen, welche sich in dem Saft auflösen; 2) wenn der Brei mit der Luft in Berührung kommt, entstehen schnell noch neue gefärbte Substanzen; 3) beim Abdampfen zersetzt die Wärme einen Theil des Zuckers oder der ihn begleitenden Producte und bildet ebenfalls Farbstoffe; 4) beim Abdampfen des freien Kalk enthaltenden Saftes entstehen durch die Einwirkung der Wärme mit Beihülfe der Luft, des Kalks sowie des Ammoniaks, ebenfalls Farbstoffe. Der zweifach-schwefligsaure Kalk bleicht fast augenblicklich und sehr vollständig die gefärbten Materien welche ganz gebildet in dem Rohr und der Runkelrübe enthalten sind; er verhindert die Bildung der gefärbten Substanzen welche die Luft in Berührung mit dem Brei erzeugt, er verhindert auch die Entstehung derjenigen welche sich während des Abdampfens bilden, und besonders derjenigen welche zu ihrer Bildung das Zusammenwirken der Luft und eines freien Alkalis erfordern. Die dem Rohr oder der Runkelrübe eigenthümlichen Farben werden durch den zweifach-schwefligsauren Kalk nicht absolut entfärbt. Es scheint anfangs eine farblose Verbindung zwischen der Farbe dieser Vegetabilien und der schwefligen Säure zu entstehen. Wenn in den behandelten Stengeln oder Wurzeln eine ziemliche Menge grüne Materie enthalten ist, findet man daß der Saft – welcher anfangs in Folge der Wirkung des zweifach-schwefligsauren Kalks farblos war – sich während des Abdampfens schwach färbt, um sich später beim Verkochen zu entfärben. Hingegen widersetzt sich der zweifach-schwefligsaure Kalk der Färbung des Breies eben so vollständig als andauernd. Ich habe Rübenbrei in schlechtverschlossenen Gefäßen sechs Monate lang aufbewahrt, welcher durch die Wirkung jenes Kalksalzes beständig farblos blieb, während er bekanntlich unter gewöhnlichen Umständen durch die Einwirkung der Luft stark gebräunt wird. Ich getraue mich zu behaupten, daß der zweifach-schwefligsaure Kalk in vielen Fällen mit dem besten Erfolg angewandt werden könnte, um die Bildung mancher Farbstoffe zu verhindern, welche man später nur mit großer Mühe fortschaffen oder zerstören kann; solche sind z.B. diejenigen welche die Fasern des Flachses und Hanfes nach dem Rösten, den Indigo nach seiner Fällung, den Saft der zum Gerben benutzten Rinden, die Extracte gewisser Farbhölzer etc. verunreinigen; aber alle diese Punkte werde ich später untersuchen. Gegenwärtig begnüge ich mich gezeigt zu haben, daß die Farbstoffe welche sich von selbst bei gewöhnlicher Temperatur in dem Zuckersaft beim Zutritt der Luft bilden, bei Gegenwart von zweifach-schwefligsaurem Kalk niemals erscheinen. Ich füge bei, daß niemals eine Färbung eintritt, wenn man entweder 1) eine Auflösung von Rohrzucker in Wasser, oder 2) Saft des Zuckerrohrs, oder 3) Runkelrübensaft bei gewöhnlicher Temperatur verdampfen läßt. Ich bemerke noch, daß wenn man dieselben Flüssigkeiten unter denselben Umständen in der Wärme abdampft, die Färbung kaum merklich ist; der Saft von der rothen Runkelrübe wird sogar vollständig entfärbt und der erhaltene Zucker ist weiß. Ich habe eine ziemliche Färbung nur in ganz ausnahmsweisen Fällen beobachtet, und selbst dann entstehen nur Spuren von Farbstoffen, welche bei der Fabrication im Großen keinen Nachtheil bringen können. Man kann also den zweifach-schwefligsauren Kalk bei der Zuckerfabrication aus dem Rohr und der Runkelrübe benutzen: 1) als einen vorzugsweise antiseptischen Körper, welcher die Entstehung und Einwirkung jedes Ferments verhindert; 2) als einen Körper welcher den Sauerstoff begierig anzieht und folglich den nachtheiligen Einfluß desselben auf den Saft verhüten kann; 3) als ein Läuterungsmittel, welches bei 80° R. den Saft klärt und ihn von allen eiweißartigen oder gerinnbaren Substanzen befreit;Es bleibt jedoch in so geläuterten Säften eine eigenthümliche Substanz zurück, welche sich unter dem Einfluß der Alkalien und der Luft anfangs violett und dann braun färbt, es wäre möglich daß sie stickstoffhaltig ist. 4) als Bleichmittel der bereits vorhandenen Farben; 5) als einen Körper welcher sich der Bildung der Farbstoffe im höchsten Grade widersetzt; 6) als einen Körper welcher alle schädlichen Säuren die im Saft vorhanden seyn oder entstehen könnten, neutralisirt, wobei eine fast unwirksame Säure, die schweflige Säure an deren Stelle tritt. Nun fragte es sich noch, in welcher Form und Dosis der zweifachschwefligsaure Kalk bei der Bearbeitung des Zuckerrohrs und der Runkelrübe im Großen angewandt werden muß, und ob die Vortheile welche er zu versprechen scheint, etwa durch Nachtheile wieder aufgewogen werden; dieses will ich nun auf Grund meiner Experimente ohne Uebertreibung, aber auch ohne Zaghaftigkeit untersuchen. Was mich im Verlauf meiner Untersuchungen hauptsächlich anspornte, war die Hoffnung daß, wenigstens in den Aequatorgegenden, der Zucker durch bloße Anwendung der Sonnenwärme gewonnen werden könnte. Warum sollte der Saft des Rohrs, wenn er einmal unveränderlich gemacht ist, nicht der langsamen Krystallisation an freier Luft überlassen werden können? Diese Meinung, dieser Wunsch, erklären die Richtung welche ich meinen Versuchen gab. Es wurden für mich einige Centner frisches Zuckerrohr in Murcia (Spanien) bestellt; sie kamen in gutem Zustand in Paris an, wo ich sie im Laboratorium der Sorbonne behandelte. Personen aus den Colonien, welchen man ein sicheres Urtheil zutrauen mußte, erklärten daß sie nicht vollkommen reif seyen, daher auch ihre Bearbeitung kein ganz genügendes Resultat versprach. Dennoch setzte der erste Versuch, welchen ich damit machte, die erwähnten Personen, welche mit der Bearbeitung des Zuckerrohrs vertraut sind, in Erstaunen. Der Rohrsaft wurde durch grobes Zerreiben auf der Maschine mit Zusatz von saurem schwefligsaurem Kalk gewonnen. Er war durch Kochen geläutert und dann bloß durch Wollenzeug filtrirt worden. Der abgedampfte Syrup wurde noch einmal filtrirt und dann der langsamen Krystallisation überlassen. Diese dauerte fast bis zur vollkommenen Trockne fort. Eine Analyse mit Weingeist hätte weder besseren noch mehr Zucker geliefert; der erhaltene war noch weniger gefärbt. In diesem Falle geht aller im Saft enthaltene Zucker in den festen Zustand über und krystallisirt. Die Krystalle sind groß und fest. Sie sind nicht stärker gefärbt als der gewöhnliche Candiszucker, welchem sie gleichen. Sie enthalten nur unbestimmbare Spuren von umgesetztem Zucker. Wenn ich die fast absolute Reinheit des Rohrsafts berücksichtige, welcher nach geschehener Läuterung als bloßes Zuckerwasser zu betrachten ist, wenn ich bedenke wie leicht sich der Rohrzucker in große Krystalle verwandeln läßt (was bei dem Rübenzucker nicht in demselben Grade der Fall ist), so zweifle ich nicht, daß der erste Colonist, welcher einige Hektoliter Syrup unter günstigen Umständen dieser langsamen Krystallisation überläßt, Krystalle davon bekommen wird, deren Größe, Ansehen, Weiße und Menge genügen wird, um alle Zweifel zu heben und die Frage zu entscheiden. Ich habe das Verhältniß des zweifach-schwefligsauren Kalks sowie die Umstände beim Abdampfen abgeändert; ich habe sowohl das reifste als das unreifste Rohr für sich behandelt, und es blieb bei allen meinen Versuchen nur Zucker in Krystallen zurück. Das Ergebniß an Zucker bei dieser höchst einfachen Behandlung des Safts stimmte mit dem bei der chemischen Analyse gefundenen Gehalt überein. Bekanntlich enthält aber der Saft, welchen man durch Zerquetschen des Zuckerrohrs gewinnt, oft nur die Hälfte, höchstens zwei Drittel des Zuckers welchen man aus dem Rohr ziehen könnte, so daß in den ausgepreßten Stengeln wenigstens ein Drittel des Zuckers zurückbleibt. Man kann nicht daran denken, diesen Zucker durch Auswaschen in den heißen Klimaten zu gewinnen; die Luft, die Fermente, der Zucker, die Wärme alles hilft zusammen, um eine rasche Gährung einzuleiten, durch welche die Frucht eines solchen Versuchs zerstört wird. Mit Wasser, welches ein wenig zweifach-schwefligsauren Kalk enthält, ist dieses Auswaschen leicht, und man kann es ohne Veränderung des Zuckers nach Belieben in einigen Stunden oder in einigen Tagen bewerkstelligen. Durch systematisches Auswaschen der ausgepreßten Stengel kann man aber allen Zucker daraus gewinnen; man kann dabei ein Waschwasser erzielen, welches fast soviel Zucker enthält als der Rohrsaft, welches man dann eben so behandelt – nämlich bei 80° R. läutert, filtrirt, an freier Luft zur Syrupconsistenz abdampft und dann der langsamen Krystallisation überläßt. Ich habe die ausgepreßten Stengel meines Rohrs auf diese Art behandelt und so allen Zucker daraus in großen scharfen Krystallen gewonnen; hinsichtlich der Farbe übertraf er noch den schönsten Zucker welchen uns die Kolonien senden. Was noch mehr ist, der Schaum von den Läuterungen und die benutzten Filter lieferten mir ihren zurückgehaltenen Zucker unversehrt und krystallisirt, obgleich er mehrere Tage mit der Luft und gährungerregenden Substanzen in Berührung geblieben war. Ich brauchte dazu den Schaum und die Filter bloß mit Wasser zu waschen, welches ein wenig zweifachschwefligsauren Kalk enthielt und dasselbe dann abzudampfen. Der zweifach-schwefligsaure Kalk machte also den Zucker fast so unveränderlich wie ein Mineralsalz; aus dem Rohrsaft wurde er wie aus den gepreßten Stengeln, dem Schaum und den Filtern, in gleichem Zustande, in großen farblosen oder schwach gelblichen Körnern erhalten. Dabei braucht der Arbeiter weder eine besondere Sorgfalt anzuwenden, noch sich zu beeilen; so lange die Flüssigkeit noch eine merkliche Menge zweifach-schwefligsauren Kalk enthält, verhindert er jede Veränderung derselben. Dieses Verfahren dürfte die Vertheilung des Eigenthums in den Colonien möglich machen, indem es die Neger in den Stand setzt die Zuckergewinnung als häusliche Beschäftigung zu betreiben. Man wende mir nicht ein, daß zum Zerquetschen des Rohrs kräftige Mühlen erforderlich sind; eine Wurzelschneidmaschine, eine Reibmaschine sind hinreichend, weil man das in Scheiben zerschnittene oder gröblich zerrissene Rohr nur mit Wasser auszuziehen braucht, welchem man zur Verhinderung jeder Gährung ein wenig zweifach-schwefligsauren Kalk zusetzte. Auf folgende Weise habe ich nach einigen vorläufigen Versuchen das mir zugekommene Zuckerrohr behandelt: 1) ich zerkleinerte das Zuckerrohr auf einer Runkelrüben-Reibmaschine, indem ich den entstandenen Brei mit einer Auflösung von zweifach-schwefligsaurem Kalk begoß. Dann preßte ich denselben aus; der erhaltene Saft wurde zum Sieden erhitzt, filtrirt, über freiem Feuer abgedampft – bis der kalte Syrup etwa 1,3 spec. Gew. zeigte, neuerdings filtrirt und der langsamen Krystallisation überlassen; er lieferte in einigen Tagen eine Masse Candis, welche keine Melasse enthielt; 2) der ausgepreßte Rohrbrei wurde mit Wasser versetzt und neuerdings ausgepreßt; so erhielt ich einen weniger zuckerreichen zweiten Saft, welcher wie der erste behandelt, dieselben Resultate gab; 3) nöthigenfalls wurde die zweite Operation wiederholt. Im Ganzen habe ich von einer Auflösung zweifach-schwefligsauren Kalks, welche 10 Grade an Baumé's Aräometer zeigte, 1 Procent vom Gewicht des Rohrs angewandt, aus welchem aller Zucker ausgezogen und in fester Form gewonnen wurde. Ich komme nun auf einen Einwurf welchen man meinem Verfahren machen könnte. Der erhaltene Zucker behält einen schwefligen Geschmack, verliert ihn aber in drei Fällen: 1) wenn man ihn zerstoßt und einige Tage der Luft aussetzt, so verwandelt sich der schwefligsaure Kalk in geschmacklosen schwefelsauren Kalk;Da der krystallisirte Zucker keinen zweifach-schwefligsauren Kalk enthält weil dieses Salz nicht in fester Form bestehen kann, sondern bloß neutralen schwefligsauren Kalk, so kann dieser bloß neutralen schwefelsauren Kalk (Gyps) liefern. Wenn die Zucker eine saure Reaction besitzen, so wird dieselbe durch den sauren phosphorsauren Kalk veranlaßt, welcher durch die Wirkung der schwefligen Säure auf den phosphorsauren Kalk des Safts entstand. 2) in einer ammoniakalischen Atmosphäre verliert der Zucker seinen schwefligen Geschmack und nimmt oft einen sehr angenehmen, der Vanille ähnlichen Geruch an, aber er färbt sich bisweilen ein wenig; 3) wenn man ihn mit Zuckersyrup so behandelt (deckt), daß er beiläufig 10 Procent an Gewicht verliert, so erhält man ein Product, welches mit dem reinsten und weißesten Zucker den Vergleich aushält. Das Decksel liefert beim Abdampfen einen eben solchen Zucker. Für die Fabrication im Großen würde ich das dritte Verfahren empfehlen. Die schwefelsauren und schwefligsauren Salze reduciren sich bekanntlich in Berührung mit organischen Substanzen und liefern Sulfuride. Bei keiner der zahlreichen Zuckerproben, welche ich besitze und die schon sehr alt sind, hat sich jedoch eine Bildung von Sulfuriden oder als Folge davon frei gewordener Schwefel gezeigt. Ich fasse nun das Vorhergehende zusammen: 100 Kilogr. Zuckerrohr enthalten in gutem Zustande beiläufig 18 Kil. Zucker; man erhält daraus bei guter Arbeit 60 Kil. Saft und diese enthalten 12 Kil. Rohzucker. Aus diesem Saft gewinnt man nach dem bisherigen Verfahren 6 bis 7 Kilogr. Rohzucker; man verlor also beim Verarbeiten des Safts 5 bis 6 Kil. Zucker und 6 Kil. Zucker ließ man in den ausgepreßten Stengeln zurück. Daraus geht hervor, daß wenn man das neue Verfahren bloß auf den Rohrsaft anwendet, anstatt 6 bis 7 Kil. Rohzucker fast 12 Kil. weißer Zucker gewonnen werden; behandelt man aber sowohl den Saft als die ausgepreßten Stengel nach dem neuen Verfahren, so wird man aus 100 Kilogr. Zuckerrohr 17 bis 18 Kilogr. Zucker erhalten. Als ich daher behauptete, daß man nach meiner Methode aus dem Rohr zweimal so viel Zucker wie bisher gewinnen könne, blieb ich noch unter der Wahrheit. Die Frage, ob man durch Siedenlassen bis zum Ende abdampfen oder den Syrup nur auf beiläufig 1,3 spec. Gewicht concentriren und dann in ein geheiztes Local stellen soll, oder ob man das Abdampfen gänzlich in Kästen an der Sonne bewerkstelligen soll, vermag ich nicht zu beantworten. Sie muß durch Versuche an Ort und Stelle nach den localen Umständen entschieden werden. Da der zweifach-schwefligsaure Kalk die Bildung und Einwirkung der Fermente verhütet, so ist man im Stande große Kästen oder Kufen aus Holz anzuwenden, welche wenig tief und sehr weit sind, und ebenso gut wird man eigentliche Gradirhäuser anwenden können. Ich hatte keine hinreichende Menge Rohrsaft zu meiner Verfügung, um solche Arbeitsmethoden zu versuchen. Runkelrübensaft, welchen ich mit 4 Procent meiner Normalauflösung von saurem schwefligsaurem Kalk versetzt hatte, goß ich nach dem Läutern in einen kleinen Bottich aus Tannenholz, der zuvor mit einer Auflösung von saurem schwefligsaurem Kalk gut ausgewaschen worden war. Durch jedes der zahlreichen engen Löcher im Boden hatte ich einen herabhängenden Bindfaden gezogen; so waren dem Saft zahlreiche Stellen zum Ablaufen und eine große Verdunstungsfläche dargeboten. Sobald sich Saft in einer unter die Bindfäden gestellten Schale angesammelt hatte, goß ich ihn in den Bottich zurück. Nachdem auf diese Art der Syrup concentrirt war, brachte ich ihn in ein flaches Gefäß, wo er fast gänzlich krystallisirte. In der wenigen Melasse, welche von den Krystallen abgegossen wurde, bildeten sich neue Krystalle, und letztere zeigten wie die ersteren die charakteristische Form des Rohrzuckers. Da nun bei dem Rübensaft der Versuch mit einem so unvollkommenen Apparat gelang, warum sollte er nicht mit dem reineren und gehaltreicheren Rohrsaft in den heißen Klimaten bei freiem Luftzutritt und mit zweckmäßigen Apparaten gelingen? Warum sollte man die Sonnenwärme, wo sie so intensiv ist, nicht als Surrogat der mangelnden Brennmaterialien benutzen? Ich würde meine ganze Aufmerksamkeit dem Zuckerrohr zugewandt haben, für welches mein Verfahren einen unbestreitbaren, schnellen und leichten Erfolg versprach, wenn ich es nicht im Interesse meines Vaterlandes (Belgien) – das keine Kolonien besitzt und wo die Runkelrüben schon in großem Maaßstab angebaut werden – für meine Pflicht gehalten hätte, mit allen Kräften dahin zu arbeiten, daß zwischen dem Rohr- und Rübenzucker das Gleichgewicht erhalten bleibt. Dieß war der Zweck vieler Versuche, welche ich über die Runkelrübe angestellt habe, die mir natürlich viel größere Schwierigkeiten als das Zuckerrohr darbot. (Der Schluß folgt im nächsten Heft.)