Titel: Ueber die Verwendung von Kleienauszug zur Brodbereitung.
Fundstelle: Band 131, Jahrgang 1854, Nr. LXXXI., S. 296
Download: XML
LXXXI. Ueber die Verwendung von Kleienauszug zur Brodbereitung. Aus dem württembergischen Wochenblatt für Land- und Forstwissenschaft, 1854, Nr. 6. Ueber die Verwendung von Kleienauszug zur Brodbereitung. I. Von Hrn. Apotheker Sigle in Bietigheim. Bei gegenwärtigen hohen Brodpreisen verdient die Anwendung der mit verdünnter Schwefelsäure und siedendem Wasser (verdünntem Vitriolöl) theilweise aufgelösten Kleie alle Beachtung. Es wird hiebei aus dem in der Kleie enthaltenen Mehl nach einer längst bekannten Erfahrung in der Chemie Stärkegummi gebildet Die Vorschrift zu diesem Verfahren gebe ich nach unserem württembergischen Maaß und Gewicht an. 1/2 Vierling eben gemessener Kleie (= 1 Pfund 26 Loth) wird mit 3 Maaß siedendem Wasser zu einem Teig angerührt und sogleich 5 1/2 Quentchen englische Schwefelsäure (Vitriolöl), welche vorher mit 1/2 Schoppen Wasser verdünnt worden ist, dazu gegossen. Man rührt nun den dünnen Teig einige Minuten lang anhaltend um und läßt ihn 24 Stunden stehen. Sodann wird derselbe auf einen eng geflochtenen Korb gegossen und die durchlaufende schleimige Brühe in einem darunter gestellten Gefäß gesammelt. Dieselbe wird statt des Wassers zum Teigmachen (zu Vor- und Nachteig) verwendet, reicht zu 1 1/2 Vierling (= 8 Pfund) Mehl und liefert damit 11 Pfund 22 Loth sehr wohlschmeckendes Brod, während die gleiche Menge Mehl mit Wasser zum Teig gemacht nur 10 Pfd. 10 Loth Brod von weniger feinem Geschmack gibt. Wird die besagte Menge Kleie aber mit 3 Maaß siedendem Wasser ohne Schwefelsäurezusatz übergossen, so erhält man aus 8 Pfund Mehl 10 Pfund 26 Loth ebenfalls besser schmeckendes Brod, als bei Anwendung von lauterem Wasser. Die rückständige KleieNach neuerdings gemachten Erfahrungen ist es am vortheilhaftesten, die rückständige Kleie, wenn man dieselbe nicht zum zweitenmal mit verdünnter Schwefelsäure behandeln will, auszupressen. kann entweder zum zweitenmal mit 1 1/2 Maaß siebendem Wasser in einer Gölte zu einem dünnen Teig angerührt werden, welchem man 2 1/2 Quentchen englische Schwefelsäure mit 1/4 Schoppen Wasser verdünnt sogleich beimischt, und dann auf eben besagte Art nach mehrtägigem Stehen zum Backen mit der Hälfte des dort angegebenen Mehls verwendet werden, woraus man 5 Pfund 18 Loth Wohlausgebackenes Brod erhält; oder man kann den rückständigen Kleienteig zum Füttern der Schweine und des Rindviehs verwenden, und dieser Rückstand hat immer noch den halben Nahrungswerth der rohen Kleie, weil durch das Uebergießen mit siedendem Wasser und verdünnter Schwefelsäure die zurückbleibenden Hülsen erweicht und hiedurch leichter verdaulich gemacht werden. Obige Backproben wurden mit gleichem Mehl, gleicher Kleie und zu gleicher Zeit in einem Ofen gemacht. Der Genuß des Brodes, welches man aus einer Auflösung von Kleie mit verdünnter Schwefelsäure und Mehl erhält, ist der Gesundheit durchaus unschädlich und es kann diese Auflösung nicht allein zum schwarzen, sondern auch zum weißen Brod, zu Wecken und Luxusbrod verwendet werden, wenn es mit der gehörigen Menge Mehl zum Teig gemacht wird. Dieses Brod empfiehlt sich hauptsächlich durch seine Nahrungsfähigkeit, welche sich leicht in Zahlen ausdrücken läßt, wenn man gleiche Gewichtsmengen verschiedener Brode, z.B. Kartoffelbrod, Riesenmöhrenbrod und besagtes Kleienbrod, auf einer Dörre soweit austrocknet, bis sie sich pulverisiren lassen, wo dann die Gewichtsdifferenz den Gehalt an wirklichen Nahrungsstoffen ziemlich genau angibt. Was die Kosten der englischen Schwefelsäure betrifft, so sind dieselben so gering, daß sie gar nicht in Anschlag kommen können, da im Großen das Pfund nur auf 4 kr. zu stehen kommt, womit eine Brodvermehrung von 30 Pfund 9 Loth erzielt wird, und überdieß noch die rückständige Kleie als nahrhaftes Viehfutter verwendet werden kann. Auch bei Anwendung von gereinigter Schwefelsäure, welche ums Dreifache höher zu stehen kommt als ungereinigte, würde dieses Surrogat noch nutzbringend seyn. Je mehr auf einmal Kleie mit der oben genannten Menge Wasser und Schwefelsäure in Arbeit genommen wird, desto reichlicher ist die Bildung von Stärkegummi (dieser ist der Hauptbestandtheil der Brodrinde), weil größere Mengen dieses Kleienteigs die Wärme länger anhalten, als kleinere. Es ist nur zu beachten, daß hölzerne Gefäße verwendet werden müssen. Nach obiger Vorschrift erhaltene Stärkegummiauflösung kann auch als Kleister verwendet werden. II. Von Hrn. Professor Fehling in Stuttgart. In Zeiten der Theuerung ist wiederholt der Vorschlag gemacht worden, die Kleie in irgend einer Weise zur Brodbereitung zu verwenden, und unter allen Vorschlägen zu Brodbeimengungen verdient diese Substanz jedenfalls vor andern Beachtung, da sie sehr viele nahrhafte Bestandtheile enthält, aber dennoch in der Regel nicht direct zur menschlichen Nahrung verwendet wird, und da sie in hinreichender Menge vorhanden ist, um den Gebrauch von Getreide merkbar zu verringern. Ein großes Hinderniß des Zusatzes der Kleie selbst zum Brod oder der Anwendung von ungesiebtem Mehl liegt darin, daß wir nicht an solches grobes Brod gewohnt sind. Man hat daher wiederholt den Vorschlag gemacht, statt der Kleie einen wässerigen Kleienauszug zum Ankneten des Brodteigs zu verwenden. Wenn hiebei auch nicht alle nahrhaften Theile der Kleie benützt werden, so wird doch ein Theil zu gut gemacht. Da aber das Stärkmehl der Kleie sich weniger leicht im Wasser löst, so hat Hr. Apotheker Sigle in Bietigheim vorgeschlagen, die Kleie, statt mit Wasser, mit sehr verdünnter Schwefelsäure zu behandeln, weil bei hinreichendem Erhitzen dadurch die Stärke in Stärkegummi verwandelt und so auflöslich gemacht wird. Das von Hrn. Sigle der königl. Centralstelle für Landwirthschaft übersandte, nach der von ihm angegebenen Vorschrift bereitete Kleienbrod schmeckt kräftig und angenehm, es zeigt auch nicht die geringste Spur eines sauren Geschmacks, und bei der äußerst geringen Menge Schwefelsäure kann von einem nachtheiligen Einfluß auf die Gesundheit überdieß nicht die Rede seyn. Es fragt sich nun, ob das Ausziehen der Kleie mit Schwefelsäure einen wesentlichen Vortheil vor dem Ausziehen mit reinem Wasser ohne allen Zusatz von Säure bietet, sowohl in Hinsicht auf die Quantität, wie auf die Art der gelösten Theile. Wenn man zwei gleiche Gewichtsmengen derselben Kleie mit derselben Menge Flüssigkeit, das einemal mit heißem Wasser allein übergießt, das zweitemal mit Wasser und etwas Schwefelsäure, genau nach der Vorschrift von Sigle, dann nach 24stündigem warmem Stehen die Flüssigkeiten abpreßt, bei 100° C. vollständig austrocknet und wägt, so findet man, daß von derselben Quantität Kleie nahezu die gleiche Menge Substanz in dem einen wie dem andern Fall gelöst wird. Wasser allein löste von drei verschiedenen Sorten Kleie (a, b, c): von a 23 Proc., von b 23,5 Proc., und von c 26,8 Proc. fester Stoffe; Wasser mit Schwefelsäure löste von diesen Kleiensorten: von a 23,6, von b 24,8 und von c 27,3 Proc. Stoffe. In allen Versuchen war das Verhältniß zwischen Kleie und Flüssigkeit genommen, wie Sigle es angibt. Wenn hinsichtlich der Quantität sich daher kein großer Unterschied zeigte, so war dieß doch hinsichtlich der Qualität der Fall. Der Extract mit Wasser allein bereitet von den beiden ersten Kleienmustern, enthielt im trockenen Zustande: von a 21 und von b 18 Proc. Stickstoffverbindungen; die Flüssigkeit mit Wasser und Schwefelsäure hatte diesen Kleienmustern von a 15,0 und von b 8,5 Proc. Stickstoffverbindungen entzogen. Demnach ist also keine Frage, daß das Wasser allein der Kleie mehr plastische und daher werthvollere Nahrungsbestandtheile entzieht, als bei Zusatz von Schwefelsäure. Es blieb nun weiter zu untersuchen, ob das mit solchen wässerigen und das mit sauren Kleienauszügen bereitete Brod gleich schmackhaft sey, und ob sich in einem oder in dem andern Fall ein günstigeres Resultat hinsichtlich des aus gleichem Mehlquantum zu erzielenden Brodgewichts ergebe. Hierüber wurden auf Anordnung der königl. Centralstelle einige Versuche angestellt, deren Ausführung die Gefälligkeit des Hrn. Bäcker Mück möglich machte. Es wurde zu dem Ende 1 Pfund Kleie mit 6 3/4 Pfd. reinem warmem Wasser übergossen. Die Masse blieb bei einer Temperatur von 30° R. etwa 24 Stunden stehen. Gleichzeitig wurde 1 Pfund Kleie genau nach der Angabe von Sigle mit 6 1/4 Pfund Wasser und 3 1/2 Quentchen Schwefelsäure, mit 1/2 Pfund Wasser verdünnt, behandelt. Nach 24 Stunden wurde jeder der Aufgüsse abgepreßt. Es wurden nun je 4 Pfd. Mehl von Nro. 4, das einemal mit 3 Schoppen Wasser, etwas Hefe und 2 Loth Salz angeknetet, das zweitemal mit wässerigem, das drittemal mit saurem Kleienauszug. A. Mit Wasser allein wurde erhalten 6 Pfund 30 Loth Teig, ausgebacken wog das erkaltete Brod 6 Pfund 4 Loth. B. 4 Pfund Mehl mit 3 Pfund 12 Loth wässerigem Kleienauszug, Hefe und Salz angeknetet, gab 7 Pfund 8 Loth Teig und nach dem Erkalten wog das ausgebackene Brod in 2 Laiben 6 Pfund 18 Loth. C. 4 Pfund Mehl mit 4 Pfund 1 Loth saurem Kleienauszug nach Sigle gab 7 Pfund 19 Loth Teig und nach dem Erkalten wog das ausgebackene Brod in 2 Laiben 6 Pfund 23 Loth. Das Brod war von reinem Geschmack und die drei Sorten Brode zeigten im Geschmack keinen Unterschied, auch zeigten sich die Brode gleich gut ausgebacken und alle gleichmäßig feucht und nicht feuchter, als man sie gewöhnlich erhält. Dennoch zeigt sich allerdings ein Mehrgewinn bei den Kleienbroden gegenüber von dem gewöhnlichen Wasserbrod, und zwar bei B von 7,1 Proc. und bei C von 9,6 Proc. Der Mehrgewinn ist aber zum größten Theil Wasser, wie die einfache Rechnung schon zeigt und wie auch der Versuch ergab. Die bei B verwendeten 3 Pfund 12 Loth Kleienwasser enthalten nämlich 4 1/2 Loth feste Bestandtheile; wenn das Brod also dieselbe Feuchtigkeit hätte, wie gewöhnliches Brod, so hätte nur ein Mehrgewinn von 9 Loth erhalten werden können. An dem Mehrgewinn von 14 Loth ist also das Uebrige Wasser. Bei der Untersuchung zeigte es sich auch, daß das Brod A in der Krume 48,3 Proc., in der Kruste 18,1, in Krume und Kruste zusammengenommen 45,3 Proc. Wasser enthielt, während das Brod B 51,2 in der Krume, 17,7 in der Kruste, in dem ganzen Brod aber 47,9 Proc. Wasser enthielt. Aehnlich verhält es sich bei dem Brod C. Die bei C verwendeten 4 Pfund 1 Loth saures Kleienwasser enthalten nahezu 6 Loth feste Bestandtheile, es könnte damit ein Mehrertrag von nur 12 Loth Brod von gewöhnlicher Feuchtigkeit erzielt werden. An dem Mehrgewinn von 19 Loth ist das Uebrige Wasser. Das Brod C enthielt in der Krume 53,2, in der Kruste 17,3 und in dem ganzen Brod 49,6 Proc. Wasser. Das Ergebniß dieser in Stuttgart gemachten Versuche stimmt mit den Versuchen von Sigle hinsichtlich des Mehrgewichts des mit Kleienauszug, besonders mit saurem, bereiteten Brodes zusammen. Seine Angabe, das mit saurem Kleienaufguß bereitete Brod sey schmackhafter und von besserem Ansehen, als das mit wässerigem Kleienauszug erhaltene, wurde hier dagegen nicht bestätigt gefunden, es konnten die beiden Brodproben nicht im Geschmack unterschieden werden. Allerdings ist der wässerige Kleienauszug selbst oft, aber nicht immer, etwas dunkler gefärbt, als der mit verdünnter Schwefelsäure bereitete, aber im Geschmack und in der Farbe des Brods zeigte sich dieser Unterschied nicht. Wenn man die Kleie in dem Verhältniß mit Wasser auszieht, wie Sigle angibt, so stellt sich hier also kein bedeutender Mehrgewinn an trockner Brodsubstanz heraus. Das mit Kleienauszug angeknetete Brod ist wenigstens in der Regel wohl feuchter als gewöhnliches, doch zeigt sich dieser Ueberschuß an Wasser nicht in einer schlechteren äußern Beschaffenheit des Brods; es erscheint nicht feuchter als es sehr häufig hier bei den Bäckern gefunden wird, und es ist auch ebenso schmackhaft wie gewöhnliches Schwarzbrod. Wegen seines größern Wassergehaltes kann es aber zu einem geringeren Preise gegeben werden. Andererseits fragt es sich, ob der Kleienauszug nicht vielleicht concentrirter gemacht werden könnte, um eine größere Ersparniß an Getreidemehl zu erzielen. Darüber wären, wo sich Gelegenheit findet, weitere Versuche anzustellen. Jedenfalls verdient diese Art der Verwendung von Kleie alle Beachtung. Was nun endlich den mit Wasser ausgezogenen Kleienrückstand betrifft, so kann dieser natürlich noch mit Vortheil zu Viehfutter verwendet werden, da das Wasser, ob Säure zugesetzt wird oder nicht, ihr nur etwa 1/3 ihrer Nahrungsstoffe entzogen hat. Eine größere Ersparniß wäre es daher immer, wenn man die Kleie in dem Brodmehl lassen, d.h. ungebeuteltes Mehl zum Brodbacken verwenden würde.