Titel: Ueber den Phosphorsäuregehalt der Steinkohlenasche; von Lechatelier, Generalbergwerksinspector, und Léon Durand-Claye, Brücken- und Straßenbau-Ingenieur.
Fundstelle: Band 208, Jahrgang 1873, Nr. XXIII., S. 64
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XXIII. Ueber den Phosphorsäuregehalt der Steinkohlenasche; von Lechatelier, Generalbergwerksinspector, und Léon Durand-Claye, Brücken- und Straßenbau-Ingenieur. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, März 1873, S. 123. Lechatelier und Durand, über den Phosphorsäuregehalt der Steinkohlenasche. Wir hielten es für interessant, näher zu untersuchen, ob die Steinkohlenasche auch Phosphorsäure in einigermaßen beträchtlicher Menge enthält; die neueren Fortschritte der Metallurgie, welche zur Production so enormer Mengen von Stahl im Bessemer'schen Converter und im Siemens'schen Ofen geführt haben, erfordern die Erzeugung sehr reiner Roheisensorten, welche höchstens fünf bis sechs Zehntausendtel Phosphor enthalten. Ueberdieß sehen die Landwirthe täglich mehr ein, wie nothwendig es ist, dem Boden die mineralischen Elemente der Befruchtung, und namentlich die Phosphorsäure zurückzuerstatten; daher wird die Steinkohlenasche von den Landwirthen jetzt allgemein gesucht und es war wünschenswerth zu ermitteln, ob sie nicht unabhängig von ihrer mechanischen oder physikalischen Wirkung, im Boden auch eine chemische Rolle von einiger Wichtigkeit spielt. Berthier erwähnt in seiner „Probirkunst auf trockenem Wege“ nur, daß sich in der Steinkohle zuweilen Knollen und Nieren von schwefelsaurem Kalk finden.“ Rivot bemerkt in seiner „Dokimasie“ , nachdem er die gewöhnliche Zusammensetzung der Steinkohlenasche angegeben: seltener enthält dieselbe geringe Mengen von arsensaurem und phosphorsaurem Kalk.“ Regnault und de Marsilly, welche in den Annales des mines sehr wichtige Abhandlungen über die mineralischen Brennstoffe veröffentlichten, haben sich über die elementare Zusammensetzung der Asche nicht ausgesprochen. Dr. Percy theilt im ersten Bande seiner „Metallurgie“ mehrere Analysen von Steinkohlenaschen mit, welche wir hier wiedergeben, da sie die Gegenwart sehr beträchtlicher Mengen von Phosphorsäure constatiren. Die Nummern 1 bis 4 sind Steinkohlen von Dowlais, Nr. 5 ist von Pontypool, Nr. 6 von Ebbw Vale und Nr. 7 aus der schottischen Grafschaft Fife; bei den letzten drei Nummern ist der Betrag des Aschengehaltes in der Steinkohle nicht angegeben. Nr. 1. Nr. 2. Nr. 3. Nr. 4. Nr. 5. Nr. 6. Nr. 7. Kieselerde 35,73 24,18 37,61 39,64 40,00 53,00 37,60 ThonerdeEisenoxyd 41,1111,15 20,8226,00 38,4814,78 39,2011,84 44,78 35,01 52,00 KalkMagnesiaManganoxydSchwefelsäurePhosphorsäureSchwefeleisen (FeS)   2,75  2,65  4,45  0,99   9,38  9,74  8,37  0,21  0,38   2,53  2,71  0,29  2,00   1,81  2,58Spuren  3,01 12,00Spuren  2,22  0,75   3,94  2,20  4,89  0,88   3,73  1,10  4,14  0,88 SummaMenge der Asche 98,831,20% 99,082,00% 98,403,32% 98,087,18% 99,75 99,92 99,45 Diese vereinzelten Resultate, die einzigen welche zunächst zu unserer Kenntniß kamen, genügten um uns die ganze Wichtigkeit des Gegenstandes zu zeigen, der unsere Aufmerksamkeit gefesselt halte. Wir verschafften uns Proben von Steinkohlen aus zwei französischen Kohlenbecken, welche ihrer geologischen Natur und ihrer geographischen Lage nach sehr verschieden waren, und der Eine von uns führte die Untersuchung der Zusammensetzung ihrer Asche im Laboratorium der École des ponts et chaussées aus. Aus dem ersten der gedachten beiden Steinkohlenbecken erhielten wir drei Proben: Nr. 1. Steinkohle in ausgesuchten Stücken; Nr. 2. Aufbereitetes (gewaschenes) Kohlenklein; Nr. 3. Kohks aus gewaschener Steinkohle. Das zweite Becken lieferte die fünf Proben Nr. 4 bis 8, deren jede durch Pulverisiren je einer Tonne Förderkohle gezogen war, so daß sie richtige Durchschnittsproben repräsentiren. Nr. 1. Nr. 2. Nr. 3. Kieselerde   47,30   48,85   47,10 TonerdeEisenoxyd   27,30  10,00   44,90   43,35 Kalk     6,30     1,40     1,15 Magnesia     0,90     0,70     0,30 Phosphorsäure     1,00     0,20     0,75 Schwefelsäure     1,10     0,95     1,15 nicht bestimmte Bestandtheile     6,10     3,00     6,20 –––––––––––––––––––––––––––––– 100,00 100,00 100,00 Menge der Asche in Procenten     2,90     4,91   11,91 Nr. 4. Nr. 5. Nr. 6. Nr. 7. Nr. 8. In Säuren unlöslicher Rückstand   73,10   81,10   91,80   64,40   81,10 Eisenoxyd     2,20     3,90     2,40     8,30     3,60 Kalk   12,90     7,70     2,20   14,30     7,90 Magnesia     1,37     0,90     1,26     0,95     1,44 Schwefel     1,93     2,30     0,73     2,55     1,64 Phosphorsäure     1,35     1,12     0,74     1,50     1,28 nicht bestimmte Bestandtheile     7,15     2,98     0,87     8,00     3,04 ––––––––––––––––––––––––––––––––––– 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 Menge der Asche in Procenten     5,30     6,17   13,27     9,71     5,80 Wir beabsichtigten diese Forschungen durch die Untersuchung noch einiget anderer Proben zu vervollständigen, als der Oberingenieur Delesse uns eine Reihe von Analysen verschiedener Steinkohlenaschen mittheilte, welche er in einem vor Kurzem nach Frankreich gekommenen amerikanischen Werke: Geological Surrey of Ohio; Report of Progress in 1870 (Columbia 1871), gefunden hatte. Wir geben diese Analysen vollständig wieder. Nr. 1. Nr. 2. Nr. 3. Nr. 4. Nr. 5. Kieselerde  58,75  55,10  49,10   44,60 37,40 Eisenoxyd    2,09  13,33    3,68     7,40   9,73 Thonerde  35,30  27,10  38,60   41,10 40,77 Kalk    1,20    1,85    4,53     3,61   6,27 Magnesia    0,68    0,27    0,16     1,28   1,60 Kali und Natron    1,08    1,00    1,10     1,82   1,29 Phosphorsäure    0,13    0,41    2,23     0,29   0,51 Schwefelsäure    0,24    0,58    0,07     0,58   1,99 gebundener Schwefel    0,41    0,22    0,14     0,03   0,08 Chlor Spuren Spuren Spuren ––––––––––––––––––––––––––––––––––  99,88  99,86  99,61 100,71 99,64 Menge der Asche in Procenten    5,15    7,94    3,34     2,37   7,67 Hervé-Mangon endlich hat uns eine Anzahl von Analysen aus dem von H. de la Beche und L. Playfair veröffentlichten „Berichte über die zur Dampfschifffahrt geeigneten Steinkohlen“ Polytechn. Journal, 1848, Bd. CX S. 212 und 263. ausgezogen. Nachstehend ist der Gehalt der Asche von sieben verschiedenen englischen Steinkohlensorten an Schwefelsäure und Phosphorsäure angegeben. 100 Theile Asche enthielten: Nr. 1. Nr. 2. Nr. 3. Nr. 4. Nr. 5. Nr. 6. Nr. 7. Phosphorsäure 0,75 0,74 0,63 0,88 0,88 1,18 0,40 Schwefelsäure 2,22 7,23 4,12 4,59 4,14 8,38 3,84 Gegenüber so zahlreichen, so mannichfaltigen und dabei so constanten Resultaten erschien es uns nicht nothwendig, die begonnenen Untersuchungen fortzusetzen; es ist genügend erwiesen, daß man mit Unrecht die Aufsuchung der Phosphorsäure in der Steinkohlenasche meistens unterläßt. Die Phosphorsäure, diese bei der Roheisenerzeugung so schädlich wirkende, hingegen in landwirthschaftlicher Hinsicht so nützliche Substanz, findet sich in den Steinkohlen und den Kohks in solchen Mengen, daß man ihren Einfluß nicht vernachlässigen darf. Nimmt man z.B. an, eine Steinkohle enthalte 8 Procent Asche und gebe 65 Procent Kohks, die Asche aber enthalte 1 1/2 Procent Phosphorsäure, so werden die zur Erzeugung einer Tonne Roheisen erforderlichen 1200 Kil. Kohks 2,21 Kil. Phosphorsäure = 0,966 Kil. Phosphor enthalten, welche sich dem im Erze und im Zuschlagskalke vorhandenen Phosphor hinzu addiren; von den Kohks her wurde also das Roheisen über 0,0009 Phosphor enthalten und könnte in Folge dessen zur Stahlfabrication untauglich werden. Wir wissen in der That, daß sämmtlicher in dem Möllerbette eines Hohofens enthaltene Phosphor in das Roheisen übergeht. Andererseits enthält eine Tonne der von derselben Steinkohle herrührenden Asche 15 Kil. Phosphorsäure, welche, zu 0,35 Francs das Kil. gerechnet (wie man bei den mineralischen Phosphaten gewöhnlich rechnet), für den Landwirth einen Werth von 5,25 Francs repräsentirt. Rechnet man zu dem Gehalte an Phosphat noch den Gehalt an schwefelsaurem Kalk, an Alkali etc., und berücksichtigt die Eigenschaft der Steinkohlenasche, lösliche und flüchtige Düngstoffe zu fixiren, schweren Boden zu zertheilen, so wird man nicht anstehen zuzugeben, daß die Steinkohlenasche in vielen Fällen ein werthvolles Verbesserungsmittel des verkümmerten Bodens bildet, was übrigens längst erwiesen ist.