Titel: Mittheilungen über den gegenwärtigen Stand der Seilschifffahrt und die neueren Erfahrungen in derselben; von A. Arntzen.
Fundstelle: Band 208, Jahrgang 1873, Nr. XXVII., S. 84
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XXVII. Mittheilungen über den gegenwärtigen Stand der Seilschifffahrt und die neueren Erfahrungen in derselben; von A. Arntzen. Aus der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1873, Bd. XVII S. 15. Mit Abbildungen auf Tab. IV. Arntzen, über den gegenwärtigen Stand der Seilschifffahrt und die neueren Erfahrungen in derselben. Da die Seilschifffahrt (nach Analogie mit dem französischen Worte touage und dem englischen towing auch kurz „Tauerei“ genannt) seit einigen Jahren die Aufmerksamkeit der Interessenten für Binnenschifffahrt, wozu ein namhafter Theil der Ingenieure gehört, in hohem Grade auf sich gezogen hat, da ferner seit dem Erscheinen der Berichte, welche die mit diesem Systeme auf der Maas bei Lüttich angestellten Versuche behandeln, mancherlei Schritte zur weiteren Ausbildung und Verbreitung der Tauerei gethan wurden, deren Kenntniß nicht über engere Kreise hinaus geht, so dürfte es von Interesse seyn, über deren heutigen Stand und die inzwischen gemachten Erfahrungen hier eingehendere Mittheilungen zu machen. Der bekanntlich von einem Belgier, Baron Oscar de Mesnil, im Jahre 1865 gefaßte Gedanke, die Kette durch ein Drahtseil zu ersetzen, wurde durch Anwendung der Fowler'schen Klappentrommel unter Mitwirkung des Ingenieurs Max Eyth zuerst durch praktische Versuche in Amerika und Belgien nutzbar zu machen gesucht. Die dort gewonnenen Erfahrungen gaben Veranlassung zur Ausarbeitung mehrerer Constructionen von Seilapparaten, welche genannten Herren in fast allen Ländern patentirt wurden. Im Mai 1866 wurde darauf in Lüttich die Société Anonyme de Touage de Liège für den Betrieb zunächst auf der Maas gegründet, und im December desselben Jahres in Gent die Société-Belge-Néerlandaise de Touage für den Canal von Terneuzen, welcher von Gent nach der Scheidemündung führt, sowie für die höchst gelegene Haltung des Canales von Charleroi. Behufs Zusammenstellung der von solchen Betriebsgesellschaften zu machenden Erfahrungen, Vornahme weiterer Versuche zur Ausbildung der Tauerei und Verwerthung der bezüglichen Erfindungspatente bildeten genannte Herren mit mehreren Freunden im Jahre 1869 die Société Centrale de Touage in Brüssel, deren Aufgabe jetzt von der Central-Actien-Gesellschaft für Tauerei in Cöln neben derjenigen der Ausführung auf dem Rheine übernommen worden ist. Auf der von der Lütticher Gesellschaft zuerst betriebenen Strecke zwischen Lüttich und Namur wurden auf Veranlassung der Société Centrale am 4. und 5. Juni 1869 Probefahrten angestellt, zu welchen Regierungsbeamte und Techniker aus den meisten europäischen Staaten eingeladen waren. Diese Versuche sind ausführlich in dem oben angedeuteten Berichte des als Vertreter des Vereines deutscher Ingenieure anwesenden Civilingenieur Ziebarth, ferner in einer Broschüre des Hrn. A. Buquet, betitelt Touage sur cable métallique, systême de Mesnil, Paris 1869“ sowie in einem Aufsatze des Wasserbau-Inspectors Martens(im polytechn. Journal, 1870, Bd. CXCV S. 17) behandelt worden. Im Jahre 1870 dehnte die Lütticher Gesellschaft den Betrieb auf der Maas unterhalb Lüttich bis Maastricht und von dort auf einem mit Antwerpen und Rotterdam in Verbindung stehenden Canale bis Bocholt aus, so daß die ganze mit Seil belegte Strecke 137 Kilometer betrug; auf derselben arbeiteten sechs Tauer. Obgleich das Betriebsmaterial fast durchweg ein zweckentsprechendes, und die praktischen Erfolge sehr zufriedenstellend waren, so wurde der Schleppdienst mit Tauern auf der Strecke Lüttich-Namur nach und nach doch wieder eingestellt. Diese nur 67 Kilometer lange Strecke konnte nämlich wegen der großen Zahl der darauf befindlichen Wehre und Schleusen nicht rentabel gemacht werden, da das Passiren der für Tauereibetrieb viel zu kleinen Schleusen vermittelst eines größeren Schiffszuges so viel Zeitverlust brachte, daß die Schiffer vortheilhafter einzeln mit Pferden diese Strecke befahren konnten. Zwischen den genannten Orten befinden sich zehn Schleusen, und kamen auf je eine Stunde Fahrzeit etwa zwei Stunden Liegezeit für den Tauer und seinen ganzen Anhang. Die belgische Regierung hat, in Anerkennung der unter günstigeren Verhältnissen erwiesenen Vortheile der Seilschifffahrt, die Vergrößerung der Schleusen von 57 Meter Länge und 9 Meter Breite auf 120 Meter Länge und 12 Meter Breite auch bereits in Angriff genommen. Nach Umbau der zehn Schleusen soll die Seilschifffahrt auf der Strecke Lüttich-Namur wieder betrieben werden. Die Gentner Gesellschaft hatte auf dem Canal von Terneuzen eine Strecke von 35 Kilomet. und auf dem Canal von Charleroi eine Haltung von 11 Kilomet. mit Tunneldurchfahrt in Betrieb. Derselbe war nach Ueberwindung der anfänglichen Vorurtheile von Seiten der Schiffer ein sehr reger. Insbesondere wurden auf dem Canal von Terneuzen viele Seeschiffe geschleppt, deren Capitäne sich bald mit großer Vorliebe der neuen Zugkraft bedienten; denn nicht nur bot sie ihnen Ersparniß an Zeit und Kosten, sondern besonders auch größere Sicherheit gegen das Anlaufen an die Canalufer bei widrigen Winden, weil die Steuerruder bei der schnellen Fahrt der Tauer sich viel wirksamer erwiesen als beim früher üblichen langsamen Pferdezuge. Das Unternehmen hätte bei geordneter Verwaltung unbedingt gedeihen müssen; da aber hierin von vorn herein und beharrlich stark gesündigt wurde, und man bei dreimaligem Directionswechsel in weniger als drei Jahren den Mißcredit der Gesellschaft fortwährend anwachsen ließ, so wurde im letzten Sommer auf Veranlassung mehrerer Actionäre zur zwangsweisen Liquidation geschritten. Das Material ist nun von einem größeren Kaufmanne Gent's übernommen, der einige Zeit sistirte Dienst sofort wieder eröffnet worden und wird ohne Zweifel jetzt ebenso nutzbringend für das Anlagecapital wie seither für die Schifffahrt Gent's geführt werden. Von einem deutschen Mitglieds der Brüsseler Société Centrale de Touage wurde im Jahre 1868 die Concession zum Betriebe der Seilschifffahrt auf dem Rheine nachgesucht. Die preußische Regierung ordnete hierauf an, daß die Gesellschaft auf ihre Kosten und Gefahr an schwierigen Stellen des Rheines unter der Aufsicht von Regierungstechnikern Versuche zu machen habe, um beurtheilen zu können, ob die Einführung der Tauerei auf dem Rheine zulässig und nützlich sey. Die Versuche fanden am 27. November 1869 zwischen Cöln und Mülheim, und am 8. und 9. December in der Binger Strömung in Gegenwart des Geheimen Raths und Directors der königl. Gewerbe-Akademie in Berlin, Prof. Reuleaux, als Berichterstatter des Handelsministeriums, und des Geheimen Raths und Strombau-Directors Nobiling, sowie vieler anderer Techniker und Interessenten statt. Mittheilungen darüber sind enthalten in dem Extrablatt der „Wasserstraße“ vom 19. März 1870, in einem Berichte über den vom Geh. Rath Reuleaux auf Ansuchen des Centralvereines für Hebung der Binnenschifffahrt gehaltenen Vortrag, ferner in den Nummern 3, 4 und 6 desselben Blattes und Jahrganges, welche die Beschreibung der Rheinversuche durch den damaligen Director der Société Centrale de Touage in Brüssel und jetzigen General-Director der Central-Actiengesellschaft für Tauerei in Cöln, Theodor Schwarz wiedergeben. Obgleich diese Versuche unter ungünstigen Verhältnissen mit einem in mancher Beziehung fehlerhaft gebauten Schiffe und Apparate stattfanden, so war der Gesammteindruck doch ein befriedigender. In Folge davon sagten die preußische und hessische Regierung die Concession zum Betriebe der Tauerei im Anfange des Jahres 1870 zu. Das Gründungs-Comité einer deutschen Gesellschaft, der jetzigen Central-Actiengesellschaft für Tauerei, hatte sich mit den Concessionsinhabern über Ausführung dieser und der noch zu erwerbenden Concessionen schon verständigt, als der im Juli ausbrechende Krieg solche auf unbestimmte Zeit hinausschob. Im April 1870 erwarb die Erste k. k. priv. Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft die der Société Centrale gehörenden Patente in Oesterreich-Ungarn und stellte die Einführung der Seilschifffahrt auf der Donau durch Vertrag mit der Brüsseler Gesellschaft fest. Das erste Seilschiff der Donau, die „Nyitra,“ welches in Fig. 1 der bezüglichen Abbildungen in der Seitenansicht, in Fig. 2 im Grundriß und in Fig. 3 und 4 in mehreren Querschnitten dargestellt ist, wurde im Wesentlichen nach Zeichnungen des technischen Bureau's der belgischen Gesellschaft ausgeführt, der Seilapparat mit Dampfmaschine in Belgien, der Schiffskörper mit Ausrüstung auf dem Schiffswerste Alt-Ofen gebaut. Das Schiff hat eine Länge von 42 Met., eine Breite von 7,5 Met., eine Höhe an der Seite von 2,30 Met.; es ist mit zwei falschen Kielen von 180 Millimet. Höhe und zwei kräftigen Steuerrudern versehen; sein Tiefgang beträgt einschließlich der letzteren 1,125 Met. Die Dampfmaschine für den Rollenapparat ist liegend, hat gekuppelte Hochdruckcylinder und Condensation. Der Cylinderdurchmesser beträgt 360 Millimet, der Hub 600 Millimet. Außerdem sind zwei verticale Maschinen vorhanden, welche je eine Schraube von 1,20 Met. Durchmesser treiben. Cylinderdurchmesser und Hub der Schraubenmaschinen sind je 375 Millimeter. Die beiden Röhrenkessel haben jeder 45 1/2 Quadratmeter Heizfläche und sind für 5 1/3 Atmosphären Ueberdruck gebaut. Das Gewicht des ganzen Schiffes mit Kohlen und Wasser beträgt 200 Tonnen, welche sich wie folgt vertheilen: Schiffskörper mit Ausrüstung und Inventar 109 Tonnen Maschine für den Rollenapparat sammt Transmission 25 Rollenapparat 14 Schraubenmaschinen 10 Kessel mit Wasser 32 Kohlen 10 –––––––––––––– = 200 Tonnen. Um dem Schiffe große Steuerkraft zu geben, wurde abweichend von den seitherigen Constructionen die erste Rolle des Seilapparates der Art beweglich gemacht und so hoch gelegt, daß das Seil unter bedeutenden Abweichungen von der Richtung der Schiffsachse nach beiden Seiten hin dem Rollenapparate zugeführt werden kann, ohne am Schiffskörper zu reiben. Von dieser schwingenden Zuführungsrolle gelangt das Seil auf eine sich um einen festen Zapfen drehende Leitrolle, dann auf die Klappentrommel, deren halben Umfang es umspannt, und von dieser auf die ebenfalls schwingende abführende Rolle, welche so tief angebracht ist, daß der untere Theil ihrer Peripherie mit den Unterkanten der falschen Kiele ungefähr in gleicher Höhe liegt. Die Schwingungsachse der zuführenden Leitrolle ist die gemeinschaftliche Tangente an ihren Umfang und denjenigen der benachbarten Rolle; die Schwingungsachse der abführenden Rolle und die gemeinschaftliche Tangente an ihren Umfang und den der Klappentrommel schneiden sich nahezu auf dem Umfange der Rolle. Um die Schwingung der Leitrollen nach dem Schiffskörper hin zu gestatten, sind in diesem zwei Aussparungen angebracht, von denen die für die zuführende oberhalb der Wasserlinie liegt, die andere aber bis zum Boden des Schiffes hinab reicht. Damit das Seil beim Schlaffwerden nicht aus den Rollenkehlen springen kann, sind schmiedeeiserne Seilführungen angebracht. Durch die hier beschriebene Anordnung ist die Reibung des Seiles am Schiffskörper vermieden, welche mit der älteren Bauart beim Durchfahren scharfer Krümmungen immer eintritt; das mit dem Schiff in unveränderlicher Richtung verbundene Seilstück ist viel kürzer, die Steuerfähigkeit des Schiffes mithin bedeutend größer als bei den früheren Constructionen. Das Schiff sollte nur zu Berg am Seile fahren, zu Thal auf Schrauben; um jedoch nöthigenfalls auch rückwärts manövriren zu können, ist in der Nähe des Sternes noch eine kleine mit Universalgelenk aufgehängte Leitrolle angebracht. Die Klappentrommel hat 3,2 Meter Durchmesser, der Durchmesser der Leitrollen ist 2,8 Met. bis Mitte Seil. Das Uebersetzungsverhältniß zwischen der Welle der Dampfmaschine und der Klappentrommel ist achtfach. Die Vollendung des Schiffes, welches bis Herbst 1870 fertig werden sollte, wurde durch den deutsch-französischen Krieg und einen damit zusammenhängenden Transportunfall bis Ende Juli 1671 verzögert. Behufs Vornahme der Probefahrten war das in der Fabrik der HHrn. Feiten und Guilleaume in Cöln angefertigte 33 Kilometer lange Seil auf der in der unteren Donau sich befindenden stärksten Krümmung, zwischen Gran und Groß-Maros, versenkt; daselbst kommen zugleich zerklüfteter Felsboden, Sandbänke und theilweise enges Fahrwasser vor. Das Seil hat 36 Millimeter Durchmesser und besteht aus sechs um eine Hanfseele gewundenen Litzen, deren jede sieben Drähte von 4 Millimet. Durchmesser hat. Die Stromgeschwindigkeit auf genannter Strecke wechselt zwischen 1 Met. und 1,64 Met. und kann im Mittel zu 1,275 Met. pro Secunde angenommen werden. In dem Zeitraume vom 2. August bis 19. September wurden 14 Fahrten gemacht, und bei den meisten derselben der Kraft- und Kohlenverbrauch, sowie die Fahrgeschwindigkeit gemessen. Bei zweien derselben, wovon die eine am 22. August mit großem Anhange, die andere am 3. September mit großer Geschwindigkeit unternommen wurde, sind die Resultate von Technikern der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft, denen der Société Centrale und mehreren als Zeugen fungirenden Sachverständigen protokollarisch festgestellt worden. Am 22. August wurden acht eiserne Schleppboote mit zusammen 41300 Zollcentner Ladung an den Tauer gehängt, und in 4 Stunden 34 Minuten wurde eine Strecke von 2,825 österr. Meilen zu Berg zurückgelegt, woraus sich die Fahrgeschwindigkeit zu 0,6186 österr. Meilen pro Stunde oder 1,30 Meter pro Secunde berechnet. Der Kohlenverbrauch betrug dabei im Ganzen 35,56 Zollcentner, also pro Stunde 7,78 Zollcentner und pro Centner-Meile 0,0305 Pfd. Aus den abgenommenen Indicatordiagrammen ergab sich eine mittlere Leistung der Dampfmaschine von 104 Pferdestärken. Die gebrauchten Kohlen waren Fünfkirchener Gries und zeichneten sich durch sehr großen Aschen- und Schlackengehalt und eine entsprechend geringe Heizkraft aus. Das Gewicht der unverbrannten Rückstände betrug 45 Proc. und mehr der aufgeworfenen Kohlen. Die als maaßgebend für die Zweckdienlichkeit des Tauers von der technischen Oberverwaltung gewünschte Probe war eine Schnellfahrt am 3. September. Das Schiff sollte dabei drei Schleppkähne dritter Classe mit zusammen etwa 16000 Zollcentner Ladung gegen einen Strom von 0,5 bis 0,64 österr. Meilen Geschwindigkeit, mit einer Meile Fahrgeschwindigkeit pro Stunde schleppen. Die drei Anhangboote waren von Eisen und gleicher Bauart; ihre Länge betrug 54,9 Met. (180 Fuß eng!.), die Breite 6,4 Met. (21 Fuß) und die Höhe 2,54 Met. (8 Fuß 4 Zoll); ihr Tiefgang war 1,45 Met., 1,5 Met. und 1,525 Met.; die Gesammtladung war nach Frachtbrief 16,286 Zollcentner. Anfangs- und Endpunkt der Fahrstrecke wurden genau festgesetzt und der Weg des Tauers auf einer Flußkarte eingezeichnet. In 2 Stunden 42 Minuten 55 Secunden hatte der Schiffszug einen Weg von 2,834 österr. Meilen zurückgelegt und demnach die als Maximum bezeichnete Fahrgeschwindigkeit noch übertroffen. Der Kohlenverbrauch wurde unter Einhaltung gleichen Dampfdruckes, Wasserstandes und Rostbeschickung zu Anfang und Ende der Fahrt = 2273 1/2 Zollpfd. derselben schlechten Sorte wie oben gefunden. Hieraus ergibt sich der stündliche Kohlenverbrauch zu 837,3 Zollpfund, derjenige pro Centner-Meile zu 0,05 Pfd. Das Gewicht der theilweise schwach abgelöschten Schlacken betrug 1471 Pfd. Der mittlere Dampfdruck aus 17 Beobachtungen an beiden Kesseln zeigte sich = 4,96 Kil. pro Quadratcentimeter (70,6 Pfd. pro Quadratzoll engl.). Die Dampfmaschine arbeitete mit einer von drei bis fünf Sechszehntel variirenden Füllung, welche je nach Größe des Dampfdruckes und der Strömung regulirt wurde. Die mittlere Umdrehungszahl wurde aus 32 Beobachtungen zu 105,5 pro Minute gefunden. Hieraus und aus dem Durchmesser der Fowler'schen Trommel ergab sich die Länge des durch den Apparat gegangenen Seiles = 2,846 österr. Meilen; das vorhandene Schlaffseil oder der „Slip“ des Tauers war demnach 2,846 minus 2,824 = 0,022 Meilen, also nicht ganz 1 Proc. des zurückgelegten Weges. Die Leistung der Maschine wurde durch alle 10 Minuten abgenommene Indicatordiagramme gemessen; sie betrug im Mittel 134,4 Pferdestärken. Demnach war der Kohlenverbrauch pro Stunde und indicirte Pferdestärke 6,23 Pfd. Als weiterer Beleg für die schlechte Qualität der gebrauchten Kohle mag dienen, daß der Fabrikant der Dampfmaschine, Ingenieur Charles Beer in Jemeppe, einen Kohlenverbrauch von 4 Pfund gewöhnlicher Kohlen versprochen, und die beiden Lieferanten der Rheintauer bei gleich großen und ähnlich construirten Maschinen einen Verbrauch von 3 1/2 bis 4 Pfd. Ruhrgries garantirt haben. Nachmittags wurde die Steuerfähigkeit desselben Schiffzuges noch besonders geprüft in der Curve zwischen Visegrad und Dömös, deren Krümmungsradius etwa 1000 Met. beträgt. Wie schon früher beobachtet und aus der seitlichen Lage des Rollenapparates auf der Backbordseite leicht erklärlich ist, zeigte sich auch jetzt wieder, daß das Schiff leichter auf Steuerbord als auf Backbord steuerte; es konnte jedoch auch nach Backbord bedeutend ausweichen und nach beiden Seiten hin ohne Anstrengung und ohne Benutzung des Bugsteuers durchschnittlich unter einem Winkel von 60° abfallen. Die Größe der gesammten Ausweichung wurde auf 1/3 der Strombreite (circa 130 Met.) geschätzt. Am 9. September wurde eine Fahrt in Gegenwart einiger abgeordneten Sachverständigen aus der Rhein- und Ruhrgegend gemacht, bei welcher zwei dieser Herren abwechselnd während eines großen Theiles der Probe selbst das Steuer führten. Obwohl diese mit ebenfalls drei Schiffen von zusammen circa 16000 Zollcentner Ladung unternommene Fahrt bei einer Steigerung der Geschwindigkeit bis 1,2 Meilen pro Stunde und bei starken Ausweichmanövern, theils in felsigem, theils in seichtem Flußbett, durch Unzulänglichkeit einer der Seilführungen unter diesen besonders erschwerenden Umständen, einige Störungen erlitten, so war deren Ergebniß, namentlich in Beziehung auf Steuerfähigkeit, in den Augen der Rheinschiffer doch ein so vortheilhaftes, daß sie den für die Einführung der Tauerei auf dem Rheine sich interessirenden Geldkräften ihre Ueberzeugung von der Ausführbarkeit des Unternehmens und der Zweckmäßigkeit der Schiffsconstructionen auf das Bestimmteste mittheilen konnten. Sämmtliche Fahrten auf der Donau wurden nur stromaufwärts am Seile gemacht; am oberen Endpunkte der Fahrstrecke wurde dasselbe abgeworfen, und mit den Schrauben zu Thal gefahren. Die früher gehegten Befürchtungen, es werde sich das Seil bei fortwährender Bergfahrt in den Curven nach und nach in die Sehne ziehen, hat sich hier als unbegründet erwiesen. Dank der vorzüglichen Gierfähigkeit des Tauers, konnte der gewünschte Fahrweg immer eingehalten werden. Das Auffischen des versenkten Seiles dauerte mit einer ganz ungeübten Mannschaft je nach Umständen 8 bis 40 Minuten, das Auflegen auf den Apparat 13 bis 45 Minuten. Macht man aber die Lage des Seiles durch einige Bojen kenntlich, was an Stationsorten ohnedieß zweckmäßig ist, so können beide Operationen zusammen nach einiger Uebung bequem in 25 Minuten ausgeführt werden. Der Arbeitverbrauch der leer gehenden Dampfmaschine, der Trans mission, sowie des allein am Seile fahrenden Tauers wurde durch Indicatordiagramme besonders bestimmt, unter Einhaltung der gleichen Umdrehungsgeschwindigkeiten wie bei den oben angeführten Probefahrten. Diese Messungen ergaben, daß die vom Seilapparat nutzbar gemachte Arbeit bei der langsamen Fahrt am 22. August etwa 77 Proc. und bei der schnelleren Fahrt am 3. September gegen 75 Proc. der von der Dampfmaschine geleisteten indicirten Arbeit betrug. Der Rest von 23, resp. 25 Proc. war aufgezehrt von den Widerständen und Reibungen in der Dampfmaschine, der Transmission, dem Rollenapparate und der Steifigkeit des Seiles. Ferner wurde gefunden, daß der Widerstand der Tauerschale 1 1/8 Mal größer war als derjenige eines der bei den Versuchen angehängten Waarenboote, deren Widerstandscoefficient durch frühere directe Messungen zu 7,5 bestimmt wurde. Leider mußten wir darauf verzichten, die Leistungen des Seilschiffes durch praktische Versuche direct zu vergleichen mit denen zweier Kettenschiffe, welche die Donau-Gesellschaft auf einer anderen Strecke in Betrieb hat; wir mußten uns vielmehr damit begnügen, unter Zugrundelegung der uns gemachten Mittheilungen und unter Berücksichtigung der verschiedenen relativen Geschwindigkeiten und anderer einflußhabenden Factoren, durch sorgfältige Vergleichsrechnungen uns die Ueberzeugung zu verschaffen, daß der Seilapparat unter sonst gleichen Umständen einen besseren Nutzeffect gibt als der Kettenapparat. Erklärt ist dieses Ergebniß durch den ganz ruhigen Gang der Seilmaschinerie und das Vermeiden starker Vibrationen und Reibungen, welchen der Kettenapparat unterworfen ist. Nachdem durch eine Reihe von Fahrten und die eingehendsten Messungen die Leistung und der Kohlenverbrauch des Seilschiffes, sowie seine leichte Steuerfähigkeit erprobt waren, wollte die Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft dasselbe im October 1871 in regelmäßigen Betrieb nehmen und ließ zu dem Zwecke das Seil weiter nördlich bis Gönyö verlegen. Allein jetzt machte die ungarische Regierung ganz unerwartet Schwierigkeiten in den Verhandlungen über die Verleihung der Betriebsconcession, und untersagte den Dienst bis auf Weiteres. Veranlassung dazu fand sie durch eine Petition, welche zahlreiche Schiffsbesitzer und besonders die fusionirten ungarischen Schleppgesellschaften dem Reichstage vorgelegt hatten, und in denen sie, unter ausdrücklicher Anerkennung der Wohlthätigkeit der Erfindung der Seilschifffahrt, sich dagegen aussprachen, daß eine einzige Gesellschaft mit Ausschluß der übrigen, das Recht der Ausnutzung des Systemes haben solle. Die Petenten verlangten einen Erlaß eines Gesetzes, wornach unter bestimmten Modalitäten und gegen Bezahlung einer gewissen Gebühr an die Donau-Gesellschaft, jedes geeignete Fahrzeug das Drahtseil solle benutzen dürfen. Daß die Patentinhaberin aus finanziellen und technischen Gründen auf dieses Verlangen nicht eingehen konnte, ist leicht begreiflich. Andererseits fand die ungarische Regierung noch nicht den Weg, um die sich gegenüberstehenden Interessen zu versöhnen, und man erwartet erst von dem neuen Reichstage eine ersprießliche Lösung der Frage. Inzwischen hatte sich die lange vorbereitete Betriebsgesellschaft auf dem Rheine wirklich constituirt zu Cöln am 5. December 1871, unter dem Namen „Central-Actien-Gesellschaft für Tauerei.“ Zweck derselben ist der Betrieb der Schleppschifffahrt, insbesondere mittelst Kabelschifffahrt auf dem Rheine und Nebenflüssen, sowie weitere Ausbildung des Systemes und ihre Einführung auch auf fremden Linien, in welcher Absicht sie die Patentrechte der Brüsseler Société Centrale und deren technische Studien übernommen hat. Die Gesellschaft besitzt gegenwärtig die Concessionen aller Rheinufer-Staaten von Emmerich bis Straßburg in gleichlautenden Fassungen und ist in Unterhandlung wegen Erwerbung der holländischen Genehmigung. Am Unterrhein anfangend, soll der Dienst innerhalb drei Jahren bis nach Straßburg ausgedehnt werden. Bis zum vollständigen Ausbau der Linie werden einige Remorqueure die nicht mit Seil belegten Strecken bedienen. Die für den Betrieb einer Rheinstrecke von zunächst 180 Kilometern (24 Meilen) bestimmten vier Tauer sind seit Anfang vorigen Jahres bei den renommirten Fabriken von Escher, Wyß und Comp. in Zürich und Gebrüder Sulzer in Winterthur bestellt, und sollte das erste Schiff contractlich Mitte September abgeliefert werden. Die gegenwärtigen abnormen Geschäftsverhältnisse, besonders in der Eisenindustrie, haben auch hier eine Verzögerung gebracht, so daß vor Ablauf des Winters schwerlich mit den Fahrten begonnen werden kann. Die Tauer erhalten 39 Meter Länge, 7,2 Met. Breite, 2,38 Met. Höhe an der Seite und mit Kielen 1,07 Met. Tiefgang; sie sind mit zwei Steuerrudern, zwei sogenannten falschen Kielen, sowie mit zwei Schrauben für die Thalfahrt versehen. Der Apparat ist dem des oben beschriebenen Donauschiffes ähnlich, jedoch mit Detail-Verbesserungen ausgeführt. Der Durchmesser der Klappentrommel ist 2,74 Met., derjenige der ersten und zweiten Leitrolle 2,60 Meter und der der Leitrolle hinter der Klappentrommel 2,30 Meter. Obgleich die Schiffe für eine größere Leistung bestimmt sind als die des Donautauers, so konnten doch in Folge der dort gemachten Erfahrungen und einer sorgfältiger durchgearbeiteten Construction die Gewichte wesentlich reducirt werden. Das mit größerem Inventar ausgerüstete Rheinschiff wird ohne Kohlen 162 1/2 Tonnen wiegen, also 27 1/2 Tonnen weniger als das entsprechend ausgerüstete Donauschiff. Das Drahtseil besteht aus 49 Drähten in sieben Litzen, von denen die dickste als Seele dient; der Drahtdurchmesser variirt in einem Querschnitt von 3,95 Millimet. bis 4,35 Millimet. Die an der Seiloberfläche erscheinenden Drähte sind von hartem, sämmtliche inneren Drähte von weichem Kohkseisen. Von Anwendung der Hanfseele ist man zurückgekommen, nachdem auf der Maas ein Stück Seil mit Eisenseele sich in Beziehung auf geringeres Strecken und geringere Neigung zur Schleifenbildung viel besser bewährt als ein anderes mit Hanfseele. Eine Schwierigkeit des Betriebes auf dem Rheine verursachen die an versenkten Seilen fahrenden Querfähren; unsere Concessionsbedingungen sorgen jedoch dafür, daß solche künftig nicht mehr ohne Verständigung mit uns eingerichtet werden dürfen; auch steht der Umbau der bestehenden Fähren in solche am Längsseile in sicherer Aussicht, nachdem die Einrichtung dieser neuen Art auf der Elbe sich praktisch bewährt und pecuniär als vortheilhafter erwiesen hat.Eine solche Fähre ist seit Ende September 1872 auch auf dem Rheine bei Andernach im Betriebe. Voraussichtlich werden nur noch zwei Eisenbahntrajecte mit neben einander liegenden Querfeilen zu passiren seyn. Hierzu sind Stationsnachen mit einer einfachen Windevorrichtung und Hülfsseil vorgesehen, mit welchen man die Verbindung der von oberhalb und unterhalb an die Fahrbahn der Trajecte reichenden Enden des Zugseiles der Tauer vorübergehend herstellt. Im Laufe der letzten zwei Jahre wurde die Seilschifffahrt noch eingeführt auf dem Erie-Canal in Amerika, dem Canal Maritime de Caen in der Normandie und auf der Newa in Rußland. Für den Erie-Canal, der bei 560 Kilometer (350 engl. Meilen) Länge eine Haupt-Verkehrsader Nordamerikas ist, hat sich eine Betriebsgesellschaft in New-York gebildet, nachdem in Folge sehr gelungener Versuche mit einem von der Société Centrale dorthin gelieferten Schiffe Ende vorigen Jahres der Staat New-York eine Concession von 50jähriger Dauer ertheilt hat. Auch in Caen ist die dortige Gesellschaft mit dem Betriebe ihres ersten Tauers, welcher zum Schleppen von Seeschiffen dient, recht zufrieden. Auf diesem Canale wurden früher vergeblich Versuche gemacht, mittelst Straßenlocomotiven einen brauchbaren Schleppdienst herzustellen. Das Schiff ist hier ganz von Holz, 20 Met. lang, 4,5 Met. breit und 2,5 Met. hoch; das Seil hat 25 Millimet. Durchmesser, die gewöhnliche Construction und Hanfseele. Auf der Newa wurde die Tauerei zwischen Kronstadt und St. Petersburg auf eine Länge von 32 Kilomet. durch den Gründer der Kettenschifffahrt in Rußland, Hrn. Peter Evréinoff, eingeführt. Das Seil hat 30 Millimet. Durchmesser und besteht aus sieben Litzen zu sieben Drähten, von denen eine die Seele bildet; die äußeren Drähte sind von Stahl, die inneren von weichem Eisen. Seit Juli 1872 arbeiten dort zwei Seilschiffe, und das dritte ist jetzt ebenfalls vollendet. Diese Schiffe sind in seetüchtigen Formen gebaut und haben auch die Reise von Danzig bis St. Petersburg auf ihrer Schraube zurückgelegt, welche von derselben Dampfmaschine bewegt wird, wie der Seilapparat. Die Schiffsschale ist 32 Met. lang, 4,8 Met. breit und hat eine Höhe von 3 Met., mit Kiel von 3,3 Met. Der mittlere Tiefgang ist 1,5 Met. Die Dampfmaschine hat zwei Cylinder von 0,4 Met. Durchmesser und 0,5 Met. Hub; sie arbeitet mit Expansion und Condensation. Die beiden Kessel des Schiffes haben je 45 Quadratmeter Heizfläche und sind für 6,5 Atmosphären Ueberdruck gebaut. Der Seilapparat mußte verschiedener niedriger Brücken in St. Petersburg wegen auf Deck liegend angeordnet werden, ähnlich einem auf der Maas ausgeführten und von Hrn. Ziebarth beschriebenen Schiffe, obgleich die verticale Anordnung der größeren Steuerfähigkeit wegen entschieden vorgezogen worden wäre. Die Nothwendigkeit einer Reformation der Binnenschifffahrt, soll sie nicht fortwährend unter dem Drucke der Concurrenz durch die Eisenbahnen leiden, hat zu zahlreichen Projecten geführt, die Kabelschifffahrt auf den meisten deutschen Flüssen einzurichten. Es sind hierzu von Gesellschaften und Privatpersonen die Concessionen für Weichsel, Oder, Spree, Havel, Saale, Unstrut, Main, Neckar und andere Gewässer erbeten und vielfach erlangt worden; auch wurde unsere Gesellschaft öfter ersucht, sich über Ausführbarkeit der einen oder der anderen Linie zu äußern und ihre Mitwirkung zuzusagen. Bei manchen der genannten, ja bei den meisten kleinen Flüssen liegen nach unserer Ansicht die Wasser- und Flußbettverhältnisse nicht so günstig, daß dem zur Anlage der Tauerei nöthigen Capital eine genügende Rente ohne Weiteres versprochen werden kann. Da jedoch die Binnenschifffahrt ein kräftiges, nicht zu entbehrendes Mittel zur Förderung des Verkehres und Volkswohlstandes ist, besonders aber in Kriegszeiten sehr wichtige Dienste leistet, so dürfte es sich wohl empfehlen, derartige Linien auch bei geringer directer Rentabilität auszuführen. Freilich müßten die zunächst dabei Interessirten, der Schiffer- und Handelsstand, die Uferbewohner, Gemeinden und Provinzen, das Wesentlichste zur Capitalbeschaffung beitragen. Andererseits mag es nicht überflüssig seyn, darauf aufmerksam zu machen, daß die Kabelschifffahrt einen bedeutenden Vortheil über die gewöhnliche Dampfschifffahrt und den Leinenzug gewöhnlich nur in rasch fließendem Wasser bietet, daß dagegen für Gewässer mit geringem Gefälle, besonders für Canäle, ein Aufschwung des Verkehres oft schon durch andere Förderungsmittel zu erreichen ist. Wir nennen hier Verbesserung der Fahrstraße, Anlage rasch arbeitender Schleusen, Anwendung zweckmäßig gebauter Lastschiffe, ökonomisch arbeitender Schrauben- und Räderboote, gut organisirten Dienst mit Zugpferden, vor Allem aber Herstellung praktischer Ein- und Auslademaschinen. Der oben erwähnte Vorgang am Erie-Canal in Amerika, dessen vom Staat New-York mit großartigen Mitteln ausgestatteter Betrieb ein musterhafter ist, beweist übrigens, daß die Tauerei auch auf manchen Canälen mit großem Vortheil angewendet werden kann, besonders wenn es sich um Steigerung ihres Transportvermögens handelt, wie in dem gegebenen Falle. Bei den Projecten über Einführung der Kabelschifffahrt wird die Frage gewöhnlich discutirt, ob Kette oder Seil. Für den Rhein war dieß nicht der Fall, da auch nach Ansicht von sonst der Kette zugeneigten Technikern das Seil hier entschieden vorzuziehen war wegen der vorkommenden großen Wassertiefen und des starken Verkehres, besonders auch mit Flößen, welcher eine große Ausweichfähigkeit der Kabelschiffe unbedingt erfordert. Für kleinere Flüsse, besonders solche mit sehr starken Krümmungen und seichtem Fahrwasser, spricht die Meinung der seitherigen Anhänger der Kette meist noch für dieselbe; sie können sich dabei von der Befürchtung nicht befreien, daß das Seilschiff den Fahrweg weniger genau einzuhalten vermöge als das Kettenschiff, welches mit seinem Kopf der schweren und sich nur kurz aufhebenden Kette in engeren Grenzen folgen müsse. Bis wir durch praktische Ausführungen in seichten Gewässern, wozu die Veranlassung mangelte, den Gegenbeweis geliefert haben, wird dieß wohl so bleiben. Heute können wir nur die Thatsachen anführen, daß auf dem Canale von Charleroi Curven von 140 Met. Radius, auf der Maas solche von 350 Met. Radius, von Seilschiffen älterer Construction, welche in Beziehung auf Gierfähigkeit den neueren ganz bedeutend nachstehen, ohne Anstand durchfahren worden sind. Wie weiter oben schon angeführt, haben wir auf der Donau, in für große Flüsse starken Curven, eine ganze Reihe von Fahrten nur stromaufwärts gemacht, ohne das Seil gegen die convexen Ufer zu ziehen, während es Erfahrungssache ist, daß die Kettenschiffe jetziger Construction die Thalfahrt dazu benutzen müssen, die bei der Bergfahrt aus der richtigen Lage gezogene Kette wieder zurecht zu legen. Ein anderer Einwand gegen die Seilschiffe, sie seyen nicht mit sehr kleinem Tiefgange herzustellen, scheint seine Nahrung ebenfalls aus seitherigen Ausführungen erhalten zu haben, ist übrigens nicht ganz unbegründet. Die Seiltrommeln müssen bekanntlich einen größeren Durchmesser haben als Kettentrommeln gleich starker Schiffe, ihre Umdrehungszahl ist demnach bei gleicher Fahrgeschwindigkeit eine kleinere als die der Kettentrommeln. Daraus folgt nun, daß die Transmissionstheile zwischen Dampfmaschine und den die Adhäsion hervorbringenden Trommeln, beim Seilschiff stärkere Dimensionen erhalten als beim Kettenschiff. Das seitliche Anbringen des Seilapparates am Schiff bringt auch eine kleine Gewichtsvermehrung mit sich, insofern der Schiffskörper etwas kräftiger gebaut werden muß, als wenn das Seil über die Mitte ginge. Da es jedoch für einen regelmäßigen und schnellen Schleppdienst von großem Werthe ist, daß die Seilschiffe bergwärts am Seil, thalwärts aber mittelst Hülfsmotoren fahren, dieser Vortheil über die Kettenschiffe jedoch am einfachsten bei der die Handhabung des Seiles erleichternden seitlichen Stellung des Apparates erreicht wird, so kommt der kleine Nachtheil des Mehrgewichtes selten in Betracht. Uebrigens können auch Seilschiffe mit Führung des Seiles über die Mitte des Schiffes construirt werden, deren Steuerfähigkeit eine ausgezeichnete und deren Tiefgang ein kleiner ist. Wo aber der Wasserstand während des größeren Theiles des Jahres einen Tiefgang von 50 bis 60 Centimet. nicht gestattet, wird nach unserer Ansicht die Schifffahrt überhaupt nicht lebensfähig bleiben, weil die Waarenboote zu wenig beladen werden können. Im Allgemeinen darf angenommen werden, daß Seilschiffe ohne Hülfsmotor 15 Proc. und solche mit Hülfsmotor 30 Proc. schwerer und entsprechend theurer sind als Kettenschiffe gleicher Stärke, welche die für den Betrieb so nützlichen Hilfsmotoren entbehren. Durch die größeren Reparaturkosten der Kettenschiffe wird diese Differenz mehr als aufgewogen. Der beim Auftreten der Seilschifffahrt gegen dieselbe vorgebrachte Haupteinwand, nämlich der rasche Verschleiß des Seiles, ist inzwischen durch beinahe vierjährigen Betrieb auf belgischen Gewässern sehr abgeschwächt worden. Obwohl dort mit Schiffen gefahren wird, deren Leitrollen sehr klein und deren Gesammtanordnung ein starkes Reiben des Seiles am Schiffskörper in Curven unvermeidlich macht, obwohl ferner dort Seile angewendet sind, deren Material dem heutigen Standpunkte der Erfahrungen nicht ganz entspricht, so ist doch ihre weitere Dauer für mehrere Jahre außer Zweifel gestellt. Bei den neueren Seilschiffen mit nur großen Rollen, bei welchen ein Reiben des Seiles am Schiffskörper nicht vorkommt, ist seine Dauer auf wenigstens 8 bis 10 Jahre mit Sicherheit anzunehmen. Zu diesen Erwartungen berechtigen uns noch die langjährigen Erfahrungen welche an den Drahtfeilen der Trajectanstalten auf dem Rheine gemacht worden sind. Obgleich diese Seile quer im Flußbett liegen, von der Strömung und dem Sande in fortwährender Vibration erhalten und angegriffen werden, so werden an denselben jetzt durchschnittlich mehr als 7000 Fahrten gemacht bis zu ihrem Verschleiß, ja es kommen nicht selten Seile vor, welche mehr als 9000 Fahrten aushalten. Bei den Schiffsaufzügen auf den geneigten Ebenen des oberländischen Canales in der Nähe von Elbing werden ebenfalls Drahtseile ähnlicher Construction wie bei der Tauerei gebraucht. Dieselben laufen bei jeder Fahrt über eine große Zahl kleiner Tragrollen, sowie über drei große Rollen, sind abwechselnd im Wasser und außerhalb desselben, und haben unter diesen, den Rost und das Abschleifen befördernden Umständen doch eine mehr als sechsjährige Dauer, wobei nach Notizen des Maschinenführers zu Hirschfeld 21000 Fahrten an einem Seile gemacht werden. Das Tauereiseil auf dem Rheine braucht auf Grund sorgfältiger Betriebsrechnung nur 5 × 288 = 1440 Fahrten in fünf oder weniger Jahren auszuhalten, um das Unternehmen gut rentabel zu machen. Die wirkliche Fahrtenzahl bis zum Verschleiß wird nach den allgeführten Erfahrungen eine weit größere seyn. Ein Drahtseil kostet nur die Hälfte bis dritten Theil von einer Kette gleicher Tragfähigkeit und hat nach allen seitherigen Erfahrungen wenigstens die halbe Dauer derselben. Darnach berechnen sich die Unterhaltungskosten des Seiles unter Berücksichtigung der Capitalzinsen bedeutend niedriger als die der Kette, und es ist dessen Anwendung auf solchen Linien von vorn herein angezeigt, für welche das Anlagecapital der Kettenschifffahrt zu groß würde. Hierzu kommen noch die weiteren Vortheile der Seilschifffahrt gegenüber der Kettenschifffahrt: größere Steuerfähigkeit der Schiffe, viel ruhigerer Gang der Maschinerie und daher geringerer Verschleiß, Sicherheit gegen plötzlichen Bruch und bessere Ausnutzung der Zeit und des Materiales. Es dürfte daher kein Zweifel darüber obwalten, daß das Seil immer mehr Terrain gewinnen wird, und dieß um so eher, je besser nach und nach die Seilapparate construirt werden.

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Tafel Tab. IV
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