| Titel: | Die Kiesler'sche hydraulische Dampfpresse zur Appretur wollener und halbwollener Gewebe. | 
| Autor: | H. Bock | 
| Fundstelle: | Band 208, Jahrgang 1873, Nr. XXXI., S. 105 | 
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                        XXXI.
                        Die Kiesler'sche hydraulische
                           Dampfpresse zur Appretur wollener und halbwollener Gewebe.
                        Mit Abbildungen auf Tab. III.
                        Kiesler'sche hydraulische Dampfpresse zur Appretur wollener und halbwollener Gewebe.
                        
                     
                        
                           Bei dem kolossalen Aufschwunge welchen vorzüglich in den letzten Jahren die Wollen- und Halbwollen-Industrie genommen
                              hat, wurde der Appreteur durch die Massenfabrication dieser Webwaaren gezwungen, die Handarbeiten mehr und mehr durch Maschinen
                              ausführen zu lassen, um eine raschere und bedeutend gleichmäßigere Production zu erzielen. Auch das Pressen der Wollen- und
                              Halbwollengewebe und die dazu verwendeten Apparate haben in Folge dessen bedeutende Verbesserungen erfahren.
                           Das Pressen dieser Waaren bildet die letzte Procedur welche sie durchzumachen haben, bevor sie in den Handel gelangen. Dasselbe
                              hat zum
                              Zweck, den Geweben einen bedeutenden Glanz oder Lüster, und somit ein schönes, dem Auge wohlgefälliges Ansehen zu verleihen.
                              –
                              Durchgängig wird zu diesem Behuf eine heiße Platte auf dem Tische einer Presse angebracht, auf diese Platte eine Partie Waare,
                              mit
                              dazwischen gelegten Preßspänen, geschichtet, letztere wieder mit einer
                              heißen Preßplatte gedeckt, auf welche abermals eine Schicht Waare folgt, und so fort, bis die Presse eingefüllt ist.
                           Die Platten müssen stets erhitzt werden, wenn der oben erwähnte Glanz durch das Pressen auf dem Gewebe erzeugt werden soll.
                              Dieß
                              geschah bis vor nicht langer Zeit auf folgende Weise: Man brachte die, meist aus Gußeisen oder Schmiedeeisen bestehenden Platten
                              in
                              einen sogenannten Preßofen, d.h. einen gußeisernen Kasten, in welchem die Platten reihenweise neben einander eingesetzt wurden,
                              worauf
                              derselbe durch einen Deckel dampfdicht verschlossen wird. Nun wird Dampf von 2 bis 4 Atmosphären Ueberdruck in den Kasten,
                              welcher zu
                              diesem Zwecke mit einem Dampfeinlaßventil versehen ist, gelassen, und auf diese Weise werden die Platten erhitzt. Nachdem
                              dieselben
                              gehörig durchwärmt sind und ungefähr eine Hitze von 96 bis 100° Réaumur angenommen haben, wird der Kasten geöffnet, und
                              die Platten werden herausgenommen, um mit der Waare in der oben angedeuteten Weise in die Presse eingeschichtet zu werden.
                           Daß diese Manipulation eine mehr oder weniger schwierige, und zugleich sehr zeitraubende Arbeit ist, leuchtet auf den ersten
                              Blick ein,
                              und dabei läßt diese Art des Pressens bezüglich der Gleichmäßigkeit noch viel zu wünschen übrig. Es ist daher erklärlich,
                              daß man
                              darauf sann, diesem Uebel abzuhelfen, und daß die hydraulische Dampfpresse mit hohlen Platten, welche durch
                              directe Dampfrohrleitungen von innen geheizt werden, in der letzten Zeit, wenigstens in den größeren Appreturanstalten, mehr
                              und mehr
                              Eingang fanden.
                           Die Figuren 1, 2 und 3 stellen die, mit bedeutenden Verbesserungen construirte Kiesler'sche Presse dieses Systemes,
                              nebst dem dazugehörigen Pumpwerk mit directem Dampfbetrieb, in der Vorderansicht, Seitenansicht und im Grundriß dar.
                           Die Presse enthält 21 schmiedeeiserne hohle Platten a, welche aus guten starken Blechen zusammengeschweißt sind, und zwar sind dieselben mit vielen schlangenförmig gewundenen Canälen versehen,
                              durch welche der Dampf streicht und die Platten auf diese Weise sehr gleichmäßig erhitzt; andererseits ist dadurch dem Durchbiegen
                              der
                              Platten eine Grenze gesetzt. An der hinteren Seite der Platte sind zwei Augen b, b angeschweißt, in welche
                              die Dampfzuleitungsrohre einmünden. An beiden Seiten der Platte befinden sich ebenfalls je zwei Putzen d,
                                 d, welche sich dicht an die gußeisernen Führungsschienen c, c; anlegen, und dadurch die Platten
                              verhindern sich während dem Pressen nach vorwärts oder rückwärts zu verschieben. Diese Schienen c, c haben
                              von oben nach unten gehende und an Länge zunehmende Nuthen, welche den
                              untersten Stand der Platten durch Querstäbe, auf denen die Stifte h, h ruhen, begrenzen, somit einem
                              Kippen der Platten im Zustande der Ruhe vorbeugen, dadurch jedoch eine beliebige Verstellung derselben nach oben in keiner
                              Weise
                              verhindern, vielmehr den Platten gestatten, sich bis über das Doppelte der hier gezeichneten tiefsten Stellung einander zu
                              nähern.
                           Die Zuleitung des Dampfes geschieht durch gegliederte schmiedeeiserne Röhren u, welche mit ihren einen
                              Enden in die Augen b, b der Platten verschraubt, andererseits aber in den gußeisernen Röhren e, e, den sogenannten Standrohren, drehbar gedichtet sind. Die Röhren bestehen aus mehreren. Gliedern,
                              welche an ihren Enden durch eigenthümliche, solid construirte Stopfbüchsen dampfdicht in einander eingelenkt sind. Dadurch
                              ist den
                              Platten gestattet sich beliebig nach oben oder unten zu bewegen, ohne eine Verschiebung nach vor- oder rückwärts nothwendig
                              zu
                              machen, indem sich dann der kleiner oder größer werdende Abstand der Rohrenden durch Zusammenschieben resp. Auseinanderziehen
                              der
                              Rohrglieder selbstthätig regulirt, ohne jedoch die Dichtung in den Gelenken zu beeinträchtigen.
                           Vielseitig wendet man statt dieser Gelenkrohre zur Zuleitung des Dampfes aus den Standrohren in die Platten Gummischläuche
                              an, welche
                              zwar in der Anlage bedeutend billiger sind als jene, sich aber auf die Dauer in keiner Weise bewähren; gerade sie bilden oft
                              die
                              Veranlassung, daß einzelne Appreteure Anstand nehmen, die alte umständliche Presserei durch die neuere zu ersetzen, indem
                              sie sich
                              eine Dampfpresse anschaffen.
                           Das in den Platten sich condensirende Wasser fließt durch die Gelenkrohre in die Standrohre, von wo es durch einen selbstthätigen
                              Condensationswasserableiter ohne Dampfverlust abgeführt wird. Gleichzeitig dienen die Gelenkrohre zur Abführung der Luft aus
                              den
                              Platten beim Eintritt des Dampfes.
                           Um ein bequemes Einbringen der Waare zwischen die Platten zu bewerkstelligen, sind beiderseits der Presse zwei schmiedeeiserne
                              Schienen
                              f, f angebracht, durch die man in den Stand gesetzt ist jede einzelne Platte für sich zu heben, um den
                              Zwischenraum zwischen ihr und der nächst unteren zu vergrößern und so ein bequemes Einlegen der Waaren zu gestatten. Die Schienen
                              haben dazu mit den Platten correspondirende Löcher, in welche schmiedeeiserne, mit Handgriffen versehene Stifte g, g gesteckt werden können, auf denen alsdann die in die Platten eingeschraubten eisernen Handgriffe h, h ruhen. Wird nun die am Preßhelm gelagerte horizontale Winde i durch das Handrad k gedreht, so werden die Schienen f durch das damit verbundene Hebelwerk gehoben, und mit diesem die Platten um deren Hebung es sich
                              handelt. Einem freiwilligen Zurückgehen des ganzen Mechanismus ist durch eine Sperrvorrichtung Einhalt gethan.
                           Nachdem die Zwischenräume der Platten durch Waarenstöße gefüllt sind, beginnt der Preßproceß, und es liegt nun ganz in der
                              Hand des
                              Pressers, wie stark er die Platten heizen will, indem er den Dampfzufluß darnach regulirt.
                           Ist die Waare gleichmäßig durchhitzt und es macht sich ein schnelles Abkühlen der Platten nothwendig, so schließt er das
                              Dampfeinlaßventil v, öffnet dafür den am anderen Standrohr befindlichen Wasserhahn w, der mit einer Kaltwasserleitung oder einem Kaltwasserreservoir in Verbindung steht, und läßt somit kaltes Wasser durch
                              die Platten, wodurch dieselben schnell und gleichmäßig abgekühlt werden. Nach Absperrung des Wasserhahnes fließt das in der
                              Presse
                              zurückbleibende Wasser durch den Condensationswasserableiter selbstthätig ab. Die Presse wird nun zurückgelassen, und die
                              Waaren
                              werden ausgespänt, um das gleiche Manöver mit anderen zu pressenden Waaren zu beginnen.
                           Weitere Haupttheile der Presse sind, wie bei anderen hydraulischen Pressen, der in einem soliden Fundamentblock I gelagerte, auf einen zulässigen Totaldruck von 150000 Kilogrammen berechnete Preßcylinder m,
                              mit entsprechendem Kolben n und dem Preßtisch o. Der ebenfalls sehr stark
                              construirte Preßhelm p ist durch vier schmiedeeiserne Säulen q, q getragen und
                              gehalten.
                           Betrieben wird die Kiesler'sche Presse durch einen eisernen Pumpkasten mit zwei Preßpumpen r und r', mittelst einer kleinen direct wirkenden Dampfmaschine s, welche die Kraft durch ein am Pumpkasten gleichzeitig angebrachtes Rädervorgelege t, t' überträgt.
                           Durch diese gedrungene Anordnung wird außer einem dem Auge des Beschauers wohlgefälligen Ansehen, zugleich die bequemste Handhabung
                              des
                              Pumpwerkes und solideste Fundirung bezweckt.
                           Die Preßpumpen sind so eingerichtet, daß die eine, etwas größere, bei einem gewissen Druck selbstthätig ausgerückt werden
                              kann, während
                              die zweite, kleinere, fortarbeitet bis der höchstzugebende Druck erreicht ist, worauf auch sie selbstthätig ausgerückt wird.
                              Durch
                              diese Einrichtung wird jedem übermäßigen Beanspruchen der Presse, und somit auch jedem Springen eines Theiles der Presse oder
                              Pumpe
                              vollständig vorgebeugt.
                           Die beschriebene Presse übertrifft somit in ihrer Anordnung und Construction die meisten anderen Systeme; sie ist deßhalb
                              als
                              vollständig leistungsfähig, wo nicht als die leistungsfähigste ihrer Art zu betrachten.
                           
                           Was die Ausführung derselben betrifft, so sey hier nur erwähnt, daß sie von der Zittauer Maschinenfabrik
                              (früher: Albert Kiesler und Comp.) in Zittau in die
                              bedeutendsten Appreturen Sachsens, Schlesiens, Westphalens und Oesterreichs, und zwar zur größten Zufriedenheit der Abnehmer
                              geliefert
                              wurde. Obige Firma hat bereits einen großen Ruf, vorzüglich in der Appretur-, Färberei – und Bleichereibranche erreicht
                              und ist fortwährend bestrebt diesen Ruf zu wahren. Durch die neuerdings erfolgte Umwandlung in ein Actienunternehmen sind
                              ihr die
                              Mittel geboten, ihre Einrichtungen in jeder Weise zu erweitern, so daß sie im Stande ist allen gestellten Anforderungen zu
                              genügen;
                              sie sey daher allen Appreturen, Färbereien und Bleichereien bestens empfohlen.
                           H. Bock.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
