Titel: Ueber eine durch schwefelhaltiges Mineralwasser bewirkte Veränderung von Gußeisen; von Dr. G. Priwoznik.
Fundstelle: Band 208, Jahrgang 1873, Nr. XXXVIII., S. 133
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XXXVIII. Ueber eine durch schwefelhaltiges Mineralwasser bewirkte Veränderung von Gußeisen; von Dr. G. Priwoznik. Vorgetragen in der kais. österr. Akademie der Wissenschaften am 6. Februar 1873.Anzeiger der kais. Akademie der Wissenschaften, Jahrg. 1873, S. 31. Priwoznik, über eine Veränderung des Gußeisens durch schwefelhaltiges Mineralwasser. Die im Jahrg. 1872 dieses Journals, Bd. CCIV S. 483 veröffentlichte Mittheilung über die Veränderung einer Bronze beim langen Liegen in der Erde, veranlaßte Hrn. A. Jarolimek, Director der Nadelfabrik in Hainburg a. d. Donau, mich von einer auffallenden Veränderung in Kenntniß zu setzen, die derselbe an einer eisernen Röhre beobachtete, welche nahe an zwölf Jahre in der Erde lag und zur Beförderung des an Schwefelwasserstoff reichen Mineralwassers nach dem eine halbe Stunde von Hainburg gelegenen Bade Deutsch-Altenburg diente. Ein Bruchstück des Rohres zeigte eine deutlich wahrnehmbare ungleichartige Schichtung, was mich zur näheren Untersuchung desselben bewog, zumal es nach Gmelin Handbuch der Chemie, vierte Auflage, Bd. III S. 176. einem Zweifel unterliegt, ob ein starkes Rosten bei gußeisernen Wasserleitungen, welches nur selten vorkommt, in einer eigenthümlichen Zusammensetzung des Roheisens, oder in der Einwirkung der im Wasser gelösten Stoffe begründet ist. An der frischen Bruchfläche des Röhrenstückes, dessen Durchmesser 4,5 Centimet. und dessen Wandstärke an der dicksten Stelle 12, an der dünnsten aber nur 7 Millimet. beträgt, sind drei ungleichartige und scharf von einander abgegrenzte Schichten leicht erkennbar. Die erste, innere und zugleich dünnste Schichte ist von brauner Farbe und erdigem Aussehen. Sie besitzt eine ungleiche Dicke, welche an der stärksten Stelle nur 3 Millimet. beträgt, ist von der zweiten Schichte leicht zu trennen und enthält geringe Mengen von Schwefelwasserstoff eingeschlossen, wie sich beim Zerreiben durch den Geruch wahrnehmen läßt. Sie zeigt einen braunschwarzen Strich und verliert im gepulverten Zustande bei 110° C. 0,57 Proc. Wasser. Bei stärkerem Erhitzen gibt sie noch Wasser ab; später entwickelt sich Schwefelwasserstoff und endlich destillirt Schwefel über. Von verdünnter Salzsäure wird sie theilweise aufgelöst und zwar anfangs unter Entwickelung von Schwefelwasserstoffgas; später riecht das Gas wie das gewöhnlich beim Auflösen des Roheisens auftretende. Es bleibt eine ansehnliche Menge eines fast schwarzen Pulvers zurück, welches an Schwefelkohlenstoff 12,29 Proc. Schwefel abgibt. Der Rückstand, welcher noch 7,94 Proc. Eisen enthält, löst sich, nachdem er im Wasserstoffgase reducirt wurde, in Salzsäure und hinterläßt nur geringe Mengen von Kieselsäure und Kohle. Die Lösung von der ersten Behandlung der Substanz mit Salzsäure enthält 43,48 Proc. Eisen und geringe Mengen von Magnesia. Zur Bestimmung des chemisch gebundenen Schwefels wurde das bei der Einwirkung von verdünnter Salzsäure sich entwickelnde Gas durch eine alkalische Lösung von essigsaurem Bleioxyd geleitet, das gebildete Schwefelblei mit Salpeter und kohlensaurem Natron geschmolzen und in schwefelsauren Baryt umgewandelt, dem 1,63 Proc. Schwefel entsprachen. Neben den genannten Körpern wurden in der ersten Schichte noch Sauerstoff, geringe Mengen von Nickel und Kobalt, Kieselsäure in beiden Modificationen, Magnesia und Spuren von Ammonium- und Natriumchlorid nachgewiesen. Die quantitative Analyse derselben ergab in 100 Theilen: VI Eisenoxydhydrat [(Fe₂)₂O₃ (OH)₆] 81,08 Schwefel im freien Zustande 12,29 Schwefeleisen 4,48 Wasser, hygroskopisches 0,57 Nickel, Kobalt, Magnesia, lösliche und unlösliche      KieselsäureSpuren von KohlenstoffAmmonium- und Natriumchlorid und Verlust 1,58 –––––– 100 Die erste, innere Schichte besteht also der Hauptmasse nach aus einem innigen Gemenge von Eisenoxydhydrat mit Schwefeleisen und Schwefel. Dieses Eisenoxydhydrat besitzt die Formel 2 Fe²O³, 3HOFe²O³, 3HO, ist identisch mit dem Brauneisenstein oder Limonit, und mit dem Eisenrost, für welchen Berzelius zuerst diese Formel aufstellte. Nach den Beobachtungen von Wittstein entsteht es auch aus dem gefällten, amorphen und normalen Eisenoxydhydrat, wenn es längere Zeit im Wasser aufbewahrt wird. Es ist daher möglich, daß auch beim Rosten des Eisens ein Stadium eintritt, wo sich normales Eisenoxydhydrat bildet, welches bei langer Berührung mit Wasser nach der bekannten Gleichung 2 (Fe²O³, 3 HO) – 3 HO = 2 Fe²O³, 3 HO. in Limonit übergeht. Läßt man Wasser von der genannten Mineralquelle kurze Zeit an der atmosphärischen Luft stehen, so wird es durch ausgeschiedenen Schwefel milchig. Am Grunde des Brunnens und an allen, unter dem Wasser stehenden Bestandtheilen des Schöpfwerkes findet man einen dunklen schleimigen Niederschlag, in welchem Schwefeleisen sich nachweisen läßt. Die oben angeführte Analyse liefert daher den Beweis, daß sich diese Niederschläge auch in den Leitungsröhren bilden und mit dem entstandenen Eisenoxydhydrat innig gemengt an gewissen Stellen als eine dichte und fest anhaftende Kruste absetzen, welche mit der soeben beschriebenen Schichte identisch ist. Die zweite und mittlere Schichte nimmt an manchen Stellen die halbe Dicke der Röhrenwand ein, ja sie ist theilweise ganz allein vorhanden. Sie besitzt eine vom grauen Roheisen oder Gußeisen ganz verschiedene, blätterig-krystallinische Textur, läßt sich leicht in Stücke zerschlagen und im Stahlmörser pulvern. Bei genauer Besichtigung stellt sich diese Schichte wieder aus zwei verschiedenen Lagen bestehend dar, von welchen die innere einen etwas dunkler grauen Farbenton besitzt, als die äußere. Ihr Strich ist dem des käuflichen Schwefeleisens vollkommen gleich. Es schien daher möglich, daß die beschriebene Structurveränderung in einem Gehalte von Schwefeleisen ihren Grund haben könne. Das bei der Einwirkung von verdünnter Salzsäure sich entwickelnde Gas gab indeß in einer alkalischen Lösung von essigsaurem Bleioxyd nur ganz geringe Mengen von Schwefelblei. Die Ursache dieser eigenthümlichen Structur kann daher einem Gehalte von Schwefeleisen nicht zugeschrieben werden. Zur Bestimmung des Eisens in der zweiten Schichte wurden 0,608 Grm. Substanz in verdünnter Salzsäure aufgelöst. Der unlösliche Theil gab nach Entfernung des Kohlenstoffes durch Verbrennung im Sauerstoffgase und darauffolgender Reduction im Wasserstoffgase das Eisen an Chlorwasserstoffsäure gänzlich ab. Nach Entfernung der Kieselsäure geschah die Trennung des Eisens vom Mangan durch essigsaures Natron. Die Bestimmung ergab 0,481 Grm. Eisenoxyd oder 79,2 Proc. Eisen. Die dritte, äußere Schichte erkennt man an dem vollkommen metallglänzenden und feinkörnigen Bruche sogleich als unverändertes graues Roheisen. Es gab in 0,488 Grm. nach derselben Trennungsmethode 0,452 Grm. Eisenoxyd, d. i. 92,6 Proc. Eisen und enthält daher um 13,4 Proc. Eisen mehr, als die vorhergehende Schichte. Schließlich wurden gleiche Gewichtsmengen von den beiden letzten Schichten mit neutralem Kupferchlorid behandelt, um die aus Graphit und Kohle bestehenden Rückstände ihrer Menge nach mit einander vergleichen zu können. Dabei ergab sich, daß der Kohlenstoffgehalt in der zweiten Schichte viel größer ist, als in der dritten. Die Mineralquelle von Deutsch-Altenburg ist reich an Schwefelwasserstoff und enthält namhafte Mengen von Chlornatrium. Ueberdieß sind in derselben noch enthalten: Kohlensäure, kohlensaure Magnesia, kohlensaurer Kalk, schwefelsaurer Kalk, Chlorcalcium, Chlormagnium, schwefelsaures Natron, Kieselsäure und geringe Mengen von Jodnatrium. Das Verhalten von mehreren dieser Bestandtheile gegen Eisen ist bereits ermittelt. So fand Payen,Gmelin's Handbuch der Chemie, vierte Auflage, Bd. III S. 176. daß bei der Einwirkung eines Gemisches von lufthaltigem Wasser, Kochsalz und kohlensauren Natron auf Gußeisen die Oxydation schon nach einer Minute beginnt, wobei zuerst weißliches Eisenoxydulhydrat gebildet wird, welches sich zunächst in Eisenoxyduloxydhydrat und endlich in Oxydhydrat verwandelt. Eine Lösung von Kochsalz allein wandelt schon das Eisen in Einfach-Chloreisen um. Nach Bonsdorff befördert Schwefelwasserstoffgas das Rosten des Eisens, indem sich Einfach-Schwefeleisen bildet, welches sich in schwefelsaures Eisenoxydul umwandelt. Deßhalb soll auch ein Schwefelgehalt des Eisens das Rosten desselben beschleunigen. Selbst ausgekochtes reines Wasser wird bei gewöhnlicher Temperatur vom Eisen zersetzt, wenn dieses mit elektronegativen Stoffen, wie Eisenoxyd etc. in Berührung ist. Schneller noch erfolgt diese Zersetzung, wenn das Wasser Kohlensäure enthält, indem sich kohlensaures Eisenoxydul bildet. C. v. Hauer Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie für 1860, S. 189. stellte Lösungen dar, welche auf 10000 Thl. Wasser bis zu 9,1 Thl. einfach-kohlensaures Eisenoxydul enthielten. Es dürfte endlich kaum einem Zweifel unterliegen, daß auch andere von den oben genannten Bestandtheilen dieser Quelle bis zu einem gewissen Grade das Rosten des Eisens befördern. Aus dem Angeführten geht hervor, daß die chemische Zusammensetzung dieses Mineralwassers für die Oxydation des Eisens eine besonders günstige ist. Offenbar ging hiebei ein Theil desselben in Lösung und es blieb die genannte graphitreichere und weniger dichte Masse zurück. Dieß ist auch die Ursache der besprochenen Texturveränderung, welche in noch höherem Grade an den bei Carlscrona im Meere versunkenen und nach 50 Jahren zu Tage gehobenen gußeisernen Geschützen beobachtet wurde, deren Masse, wie sie Berzelius Lehrbuch der Chemie von Berzelius, Bd. III S. 454. beschreibt, bis zu einem Drittel in einen grauen, dem Graphit ähnlichen Körper verwandelt war. Diese Erscheinung findet auch statt, wenn man auf graues Roheisen Chlorwasserstoffsäure oder Essigsäure durch lange Zeit einwirken läßt. Der Rückstand enthält nach den Versuchen von Calvert Metallurgie von J. Percy (deutsche Bearbeitung von Dr. F. Knapp) Bd. II S. 190. 79,9 Proc. Eisen. Diese Zahl stimmt mit der von mir für den Eisengehalt der zweiten Schichte gefundenen sehr nahe überein. Das Mineralwasser wirkt also auf Gußeisen ebenso, wie verdünnte Säuren und wie das Meerwasser. Wien, Laboratorium am k. k. Hauptmünzamte.