| Titel: | Zur directen Darstellung des Eisens aus den Erzen; von P. Tunner, k. k. Ministerialrath. | 
| Fundstelle: | Band 208, Jahrgang 1873, Nr. LV., S. 218 | 
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                        LV.
                        Zur directen Darstellung des Eisens aus den Erzen; von P. Tunner, k. k. Ministerialrath.
                        Aus der österreichischen Zeitschrift für
                                 Berg- und Hüttenwesen 1873, Nr. 19.
                        Tunner, über die directe Darstellung des Eisens aus den Erzen.
                        
                     
                        
                           In der österreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen vom 17. Februar d. J. Nr. 7,Daraus mitgetheilt im polytechn. Journal Bd. CCVII S. 387. habe ich einen Artikel „über die directe Darstellung des Eisens aus den Erzen“ veröffentlicht und in
                              demselben darauf hingewiesen, daß durch das Dank'sche Maschinpuddeln diese directe Darstellung in ein neues
                              Stadium gelangt sey. Bei dieser Gelegenheit habe ich ferners abermals darauf hingewiesen, daß Herr Dr. C.
                              W. Siemens sich seit mehreren Jahren mit diesem Gegenstande auf den Eisen- und Stahlwerken zu Landore beschäftige, und daß er bei der Versammlung der Mitglieder des Iron-et-Steel-Institutes am 20. und 21. März 1872 in London erklärte, zu dem Ende schon vor einigen
                              Jahren auf rotirende Apparate seine Aufmerksamkeit gewendet zu haben, und hoffe, in Kürze das Vergnügen zu haben, dem Institute
                              seine
                              dießfälligen Erfolge zur Kenntniß bringen zu können.
                           Im weiteren Verlaufe des obgenannten Artikels habe ich darauf hingewiesen, daß es zweckmäßiger erscheine, auch in rotirenden
                              Oefen zu
                              dem Zwecke vorerst auf die Darstellung eines roheisenartigen Metalles hinzuarbeiten, nur weniger Eisen in der gebildeten Schlacke
                              zu
                              verlieren, und durch unmittelbares Fortsetzen der Manipulation, nachdem zuvor die flüssige, weniger Eisen enthaltende Schlacke
                              abgestochen wurde, geschmeidiges Eisen darzustellen. Schließlich sprach ich meine Erwartung dahin aus, daß Herr Siemens, im Besitze ausgezeichneter metallurgischer Kenntnisse und als Erfinder der Regenerativ-Gasöfen, vor allen in
                              der Lage sey, die Aufgabe der directen Darstellung des Eisens aus den Erzen mit ökonomisch günstigem Erfolge zu lösen.
                           Hr. Siemens hat nun am 20. März d. J. sein vor genau einem Jahre gegebenes Versprechen, durch einen höchst
                              interessanten Vortrag erfüllt, den er vor einer zahlreichen Versammlung der Mitglieder der „chemischen
                                 Gesellschaft“ in den Räumen von Burlington House gehalten hat. Nach dem englischen Journal
                              „Iron“ vom 29. März d. J., Nr. 11, lauteten Hrn. Siemens Mittheilungen im Wesentlichen folgend:
                           Vorerst beschrieb Hr. Siemens die verschiedenen Methoden, durch welche er die gestellte Aufgabe, d. i. die directe Darstellung des geschmeidigen Eisens und des Gußstahles
                              aus den Eisenerzen, in einer den Anforderungen der gegenwärtigen Zeit entsprechenden Weise zu lösen versuchte. Dabei gab er
                              nicht bloß
                              die versuchten Methoden in allgemeinen Umrissen bekannt, sondern war zugleich bemüht, die Ursachen zu erklären, warum seine
                              ersten
                              Versuche mißlungen, und ging sodann über auf die successiven Verbesserungen, welche ihn schließlich zu dem nun in Anwendung
                              stehenden
                              Apparate führten.
                           Dieser Apparat besteht aus einem rotirenden Regenerativ-Gasofen, in welchem der rotirende Herd mit Ziegeln ausgefüttert ist,
                              die
                              nach einer besonderen Art und Weise aus Bauxit angefertigt werden, ein Mineral, das bekanntlich vornehmlich
                              aus Thonerde besteht. Nachdem dieser Herd in eine hohe Temperatur versetzt worden ist, wird eine Charge von circa 20 Centner
                              Eisenerz,
                              mit der nöthigen Gattirung, oder versehen mit geeigneten Zuschlägen zur Bildung einer leichtflüssigen Schlacke, eingetragen.
                              Der
                              rotirende Herd wird hierauf in Bewegung gesetzt und eine intensive Flamme in denselben geleitet, um die Charge gehörig zu
                              erhitzen.
                              Die zur Reduction nöthige Kohle wird dann nachgetragen, wenn die Charge den Schmelzpunkt erreicht hat. Es tritt nun eine heftige
                              Reaction ein, wobei viel Kohlenoxydgas entwickelt wird und um dieses zugleich gut zu verwenden, wird durch einen der Regeneratoren
                              Gebläseluft in den Herd geführt, während die Generatorgase vermindert werden. Es zeigt sich, daß unter diesen Umständen das
                              metallische Eisen aus den geschmolzenen Erzen sich bald absetzt, und kann sofort die flüssige Schlacke abgestochen werden,
                              worauf der
                              rotirende Herd in eine raschere Bewegung versetzt wird, um das Eisen zum Ballen zu bringen. Die so gestaltet erhaltene Luppe
                              von
                              weichen Eisen kann sofort ausgehoben und zur Luppenpresse geschafft werden, oder sie wird durch Nachtragen von Spiegeleisen
                              wieder
                              aufgelöst und in Gußstahl umgewandelt.
                           In dieser Art und Weise wird in Zeit von 2 Stunden eine Eisenluppe von 12 Ctr. oder dasselbe Gewicht an Stahl in 2 1/2 Stunden
                              erhalten
                              und dabei im ersten Falle 28 Ctr. Kohle per 20 Ctr. Luppeneisen oder im zweiten Falle 30 Ctr. Kohle per 20 Ctr. Stahl consumirt, welches Kohlenquantum ungefähr die Hälfte von jenem Gewichte ist, das zur
                              Erzeugung von 20 Ctr. Roheisen in einem Hohofen verbraucht wird.
                           Bisher hat Hr. Siemens seine Manipulation hauptsächlich auf die Verarbeitung der reinen aus Afrika und
                              Spanien bezogenen Eisenerze und auf die englische Hämatite beschränkt, er hat außerdem aber auch mindere Erze, wie die Cleveland-Eisensteine u.a. versucht, mit welchen es ihm gleichfalls gelungen
                              ist, ein sehr gutes Eisen zu machen, und er behauptet, aus solchen minderen Erzen eine bessere Eisenqualität darstellen zu
                              können, als
                              dieß nach irgend einem anderen derzeit in Anwendung stehenden Verfahren möglich ist, wobei es nur nöthig wird, eine gewisse
                              Menge
                              Eisen zu opfern, indem die Phosphorsäure nicht so leicht wie das Eisen abgesondert wird, und deßhalb durch Unterbrechung des
                              Processes, bevor alles Eisen reducirt ist, diese Verunreinigung beinahe vollständig mit der Schlacke entfernt werden kann.
                           Der angegebene geringe Kohlenverbrauch erscheint im ersten Augenblick kaum glaublich; allein bei näherer Betrachtung zeigt
                              sich die
                              genannte Menge mehr als ausreichend für die Zwecke des Schmelzens und der Reduction der Erze, welche zur Erzeugung des Eisens
                              hierbei
                              allein durchzuführen sind, während bei dem gewöhnlichen Verfahren die Erze vorerst reducirt, dann carbonisirt und geschmolzen
                              und
                              nachher durch das Puddeln wieder entkohlt werden müssen, welche Operationen durchgehends mit einem bedeutenden Aufwande von
                              kostspieligen Brennmaterialien, harten Kohks und guter Kohle, verbunden sind.
                           Gleichzeitig mit seinem Vortrage hat Hr. Siemens Eisen- und Stahlproben zur Anschauung gebracht,
                              welche nach seiner Methode theils von der Landore Stahl-Compagnie, theils von den HHrn. Vickers
                                 Söhne und Comp. in Sheffield erzeugt worden sind, und die eine vorzügliche Qualität zu erkennen
                              gaben. Es wurde dabei bemerkt, daß auf den Werken zu Landore, nach den Ergebnissen einer ganzen Woche das durchschnittliche
                              Ausbringen
                              57,91 Proc. des Erzgewichtes erreicht hat, welche Erze 63 Proc. Eisen enthielten, während von einem anderen Erz mit 58 Proc.
                              Eisengehalt, auf Hrn. Siemens Sample Stahlwerken bei Birmingham das Ausbringen 51 Proc. betragen hat.
                           Von der Discussion, welche diesem mit allgemeinem Interesse aufgenommenen Vortrag des Hrn. Siemens folgte,
                              will ich nur noch bemerken, daß Hr. Siemens zugestanden hat, es sey seine Methode zunächst allerdings auf
                              die Verhüttung der reichen Eisenerze angewiesen, und daß er dieserwegen den Gebrauch der Hohöfen nicht verschreien wolle.
                              Nur bei den
                              reichen Erzen ist die angegebene große Brennmaterial-Ersparniß zu erreichen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Hohöfen
                              und dem rotirenden Herd zeigt sich aber darin, daß in dem letztern die Hitze nicht im Inneren, sondern an der Oberfläche der
                              Masse
                              entwickelt wird, aus welcher während der Reduction beständig Kohlenoxyd hervortritt, wodurch das Metall von der oxydirenden
                              Einwirkung
                              der Kohlensäure geschützt wird, wogegen das verbrennende Kohlenoxyd den momentan darüber befindlichen Ofentheil erhitzt, welcher durch die Rotation im nächsten Momente zum Bodentheil des
                              Ofens wird. Im rotirenden Ofen kann und wird deßhalb vorwaltend Kohlensäure gebildet, während im Hohofen nothwendig das Kohlenoxyd
                              vorherrschen muß, um die Oxydation des Eisens durch die Kohlensäure zu verhindern.
                           Wenn diesen Angaben keine Selbsttäuschung zu Grunde liegt, wie dieß bei der ausgezeichneten Persönlichkeit des Hrn. Siemens nicht wohl anzunehmen ist, so sind dieselben von der allergrößten
                                 Bedeutung für das Eisenhüttenwesen, und wäre damit das insbesondere für die österreichischen Alpenländer so wichtige Problem,
                              die Eisenerze mit nicht backenden jüngeren Kohlen zu verhütten, in vorzüglicher Weise gelöst.
                           Vom Standpunkte der Theorie ist gegen die von Hrn. Siemens aufgeführten Erfolge füglich nichts einzuwenden.
                              Es dünkt mir zwar nicht wahrscheinlich, daß sich das reducirte Eisen, aus einer wenig Eisen enthaltenden Schlacke im rotirenden
                              Herde
                              sogleich absetzen könne, sondern ich bin noch jetzt der Ansicht, daß sich vorerst ein mehr roheisenartiges Eisen bildet, welches
                              nach
                              Entfernung der eisenarmen Schlacke zunächst gefrischt und dann erst geballt wird; indessen bei der ungewöhnlich hohen Temperatur,
                              welche in dem rotirenden Regenerativ-Gasofen herrscht, mag sich das sonst gewöhnliche Verhalten anders gestalten, und ist
                              auf
                              diesen Unterschied hier weiters auch kein Gewicht zu legen. Jedenfalls muß Hrn. Siemens rotirender Herd
                              einen viel größeren Durchmesser haben, als ein Dank'scher Herd für Chargen von 10 und selbst für 20 Centner
                              Roheisen, um bei der angegebenen heftigen Reaction, Erz-Chargen von 20 Ctr. machen zu können. Diese großen Chargen und der
                              Gebrauch der kohlensparenden Regenerativ-Gasöfen, verbunden mit der sehr sinnreichen Benützung des bei dem Reductionsprocesse
                              gebildeten Kohlenoxydgases, mögen den relativ so geringen Kohlenaufwand erklären, wie ihn Hr. Siemens
                              angibt, an welchem ich außerdem Wohlbegründete Zweifel hegte, und derselben mich sogar jetzt noch nicht ganz entledigen kann.
                           Vorderhand werden jedenfalls noch nähere Angaben über diese höchst interessante und wichtige Erfindung des Hrn. Siemens abzuwarten seyn, und bei dem derzeitigen dringenden Bedarf an Roheisen erscheint es gerathen, mit dem in Oesterreich
                              (ohne Ungarn) in Angriff genommenen Bau von beiläufig zwanzig neuen Eisenhohöfen nicht einzuhalten, sondern vielmehr möglichst
                              rasch
                              vorzugehen. Uebrigens werden zu Prävali in Kärnten schon seit längerer Zeit alle Vorbereitungen getroffen, die Verhüttung der Eisenerze in einer diesem neuesten Verfahren ähnlichen Art und
                              Weise in Ausführung zu bringen, daher keine Gefahr vorhanden ist, daß wir damit zu spät daran kommen könnten.